Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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Christoph Martin Wieland

Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit.

Vorbericht
(1770)

Ueberhaupt, meine werthesten Leser, ist es wie ihr sagt: – ein Autor kann sein Buch nie zu gut machen. – Nicht eben darum, weil der Leser das Buch bezahlen muß; denn ein Buch müßte unbegreiflich schlecht seyn, aus welchem man gar nichts lernen könnte; und das, was man daraus lernen kann, müßte sehr wenig werth seyn, wenn es die etliche Groschen nicht werth wäre, die man, über den Werth des Buchs, als Maculatur betrachtet, bezahlen muß: – Sondern, weil die Absicht, oder die Absichten, welche ein Schriftsteller sich vorgesetzt zu haben geachtet wird, in einigem erträglichen Grade durch nichts anders als durch die innerliche Güte seiner Werkes erreicht werden kann.

Ich bin von der Wahrheit dieses Satzes so überzeugt, daß, wenn es nur an meinem Willen läge, dieses Buch, welches ihr, es sey nun aus Vorwitz, oder Lehrbegierde, oder Langerweile, oder Liebe zum Lesen, oder Tadelsucht, oder irgend einer andern Eitelkeit, gekauft, oder von einem guten Freunde geborgt habt, um es zu lesen, oder zu durchblättern, oder zu recensieren, oder zu tadeln, u. s. w. – das lehrreichste, gründlichste, witzigste und angenehmste Buch von der Welt seyn, und von dem allerbelesensten Polyhistor bis zum unbelesensten Denker, vom Premierminister bis zum Canzleycopisten, vom Feldmarschall bis zum Fähndrich, vom Kaiser bis zum Bürgermeister und Rath der Stadt Buchhorn, und von der Göttinn bis zu ihrer Iris, von allen, welche lesen können, für das angenehmste und unterhaltendste unter allen Werken, die jemals in Kalbleder oder Carton eingebunden worden sind, gehalten werden sollte.

Sintemal aber, nach der Ordnung der Natur (wie Cervantes nach dem Horaz, und Horaz nach unzählichen andern, bemerkt hat) niemand andre Kinder, als welche seinem Bilde ähnlich sind, zeugen kann: So ist auch alles, was ich, um euch meinen guten Willen zu beweisen, thun kann, daß ich mich bestrebe, diesem Kinde meines Geistes wenigstens allen den Verstand, Witz, und guten Humor, und alle die Empfindung, Gutherzigkeit und Wohlgesinntheit, womit mich der Himmel bey meiner Versendung in diese Unterwelt auszusteuren für gut befunden hat, so freygebig mitzutheilen, als es die Klugheit (welche will, daß ein Vater auch noch etwas für sich selbst behalten solle) nur immer gestatten konnte.

Meine geringste Absicht ist, daß es euch amüsieren, meine vornehmste, daß es euch besser machen möchte. Ich bin offenherzig über diesen Punct; denn ich sehe nicht, wozu es dienen könnte, ein Geheimniß daraus machen zu wollen.

Da ich euch so gut zu kennen glaube, daß ich bis zur Evidenz überzeugt bin, meinen letzten Zweck nur durch den ersten erreichen zu können: So entschloß ich mich, – von dem Augenblick an, da ich, aus Antrieb meines Agathodämons – oder irgend eines andern Dämons von der Mittelgattung – mich hinsetzte, für euch zu arbeiten, – das kleine Interesse meiner Eitelkeit oder Ruhmbegierde, wenn Ihr es so nennen wollt, mit zwanzig andern eben so kleinen Nebenabsichten, meinem großen Endzweck, dem, der allein ein Werk seinen Urheber überleben machen kann, aufzuopfern. Ich entschloß mich, lieber weniger weise zu scheinen, als meinen Zweck zu verfehlen; lieber von leichtsinnigen oder blöden Beurtheilern dafür angesehen zu werden, als ob ich keine so ernsthafte Absicht habe, als euch durch die wichtige Miene, welche bey gewissen Modernen den Philosophischen Bart und Mantel ersetzen muß, und durch die Monotonie einer didactischen Ordnung, einzuschläfern.

Mich deutlicher und näher über das Wesen und die Form dieses Werkes (welches, nach meinem Plan, mit dem ersten Bande noch nicht geschlossen ist) vernehmen zu lassen, däucht mir, nach dem, was ich vom Titelblatt an bisher schon gesagt habe, wo nicht überflüßig, doch entbehrlich; und diejenige unter euch müßten blöde Augen haben, welche dies alles nicht eben so gut als ich selbst wissen sollten, wenn sie bis zum letzten Blatt des letzten Titels gekommen seyn werden. Denn, in der That, kann man (wie der große Ritter Don Quixotte von Mancha weislich sagt) denjenigen, ohne Bedenken, blind nennen, der nicht durch ein Sieb sehen kann.

Ich weiß es übrigens nur gar zu wohl, wozu ich mich anheischig mache, indem ich euch hoffen lasse, Belustigung für euern Witz, und Unterhaltung für euern Kopf – vielleicht, auch für euer Herz, – in einem Buche zu finden, welches, nach meinem bereits abgelegten Bekenntniß, eine ganz andere Absicht hat. Ich weiß, lieben Leser, alles was ihr von mir zu fordern berechtiget seyd. Aber erlaubet mir zu sagen, daß ich eine eben so gerechte Gegenforderung an euch zu machen habe. Wenn ich euern Witz belustigen, und euer Herz unterhalten soll, so kann ich mit der äußersten Billigkeit nicht weniger von euch verlangen, als – daß ihr schon Witz und Herz habet, eh ihr zu lesen anfangt; denn kein Prometheus bin ich nicht. Ich kann euch keines von beyden geben, und es wäre, aufs gelindeste gesprochen, sehr Sultanisch von euch, wenn ihr amüsiert seyn wolltet, ohne amüsabel zu seyn. Der Himmel wolle, daß über diesen Punct kein Streit zwischen euch und mir entstehe! denn in der That, ich wüßte nicht, wer Richter seyn könnte.

Indessen ist zu meiner Rechtfertigung genung, daß ich mich deutlich erklärt zu haben glaube, für was für eine Art von Lesern ich diese Beyträge zur geheimen Geschichte des Menschen aus den Archiven der Natur gezogen habe. Mehr kann, wie Fielding bemerkt, ein Schriftsteller nicht thun, um seine Leser vor einem Kaufe zu warnen, der sie reuen könnte. Ein Talisman, oben auf der ersten Seite, wodurch das ganze Buch für alle, die es nicht lesen sollten, zu weissem Papier würde, wäre freilich noch besser. Aber, leider! – Es geht mir wie euern Philosophen. Auf die Magie verstehe ich mich so ziemlich; aber – zaubern kann ich nicht.

 


Inhalt:

Koxkox und Kikequetzel

Betrachtungen über J. J. Rousseaus ursprünglichen Zustand des Menschen

Über die von J. J. Rousseau vorgeschlagene Versuche den wahren Stand der Natur des Menschen zu entdecken

Über die Behauptung daß ungehemmte Ausbildung der menschlichen Gattung nachtheilig sey

Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen Geschlechts

Reise des Priesters Abulfauaris ins innere Afrika

Die Bekenntnisse des Abulfauaris gewesenen Priesters der Isis in ihrem Tempel zu Memfis in Nieder-Ägypten



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