Christoph Martin Wieland
Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit
Christoph Martin Wieland

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2.

Die Grille, gegen das allgemeine Gefühl und den einstimmigen Glauben des menschlichen Geschlechts zu behaupten, daß der Schnee schwarz sey, hat in unsern Tagen (unsers Wissens) keinen stärker angefochten, als den berühmten Verfasser des Emils und der neuen Heloise, des Devin de village und des Briefs gegen das Theater, des gesellschaftlichen Vertrags und der beiden Abhandlungen, daß die Wissenschaften und Künste der Gesellschaft, und daß die Geselligkeit dem menschlichen Geschlechte verderblich seyen, u. s. w. – Doch, was sag' ich von unsern Tagen? Niemahls hat ein Sterblicher die Neigung allen andern Geschöpfen seiner Gattung ins Angesicht zu widersprechen weiter getrieben, als dieser mit allen seinen Wunderlichkeiten dennoch hochachtungswürdige Sonderling.

Ich glaube nicht, daß ich ihm Unrecht thue, wenn ich unter den letztern den Einfall oben an stelle, den er in der Vorrede zur Abhandlung über den Ursprung der Ungleichheit u. s. w. hatte, der Welt zu sagen: »Daß eine gute Auflösung des Problems:

Was für Erfahrungen wären erforderlich, um zu einer zuverlässigen Erkenntniß des natürlichen Menschen zu gelangen? Und wie könnten diese Erfahrungen im Schooße der Gesellschaft angestellt werden? –

der Aristotelesse und Pliniusse unsrer Zeit nicht nur nicht unwürdig wäre; sondern daß in der That diese Erfahrungen zu dirigieren, die größten Filosofen nicht zu groß, und die Unkosten dazu herzugeben, die mächtigsten Könige nicht zu reich seyn würden;« – eine doppelte Bedingung, die unserm Weisen selbst so wenig unter die Dinge, auf die man Rechnung machen darf, zu gehören scheint, daß er alle Hoffnung aufgiebt, eine dem menschlichen Geschlechte so ersprießliche Aufgabe jemahls aufgelöst und realisiert zu sehen.

Ich weiß nicht, was Rousseau für Ursache hat, dem guten Willen, oder dem Vermögen aller der Kaiser, Könige, Sultane, Schachs, Nabobs, Kans, Emirs u. s. w. welche den Erdboden beherrschen, so wenig zuzutrauen; – denn die Aristotelesse und Pliniusse unsrer Zeit kann sein Mißtrauen unmöglich zum Gegenstande haben. Ich meines Orts habe mir, des gemeinen Besten und meine eignen Gemächlichkeit wegen, zum Gesetze gemacht, von unsern Obern zu denken, wie der ehrliche Plutarch will daß man von den Göttern denken soll. »Man kann unmöglich eine zu gute Meinung von ihnen haben, sagt er; und man würde sich weniger an ihnen versündigen, wenn man vorgäbe, sie seyen gar nicht, als wenn man zweifelte, daß es ihnen an Weisheit oder Güte fehlen könnte.« Ich glaube, sage und behaupte also, im Nothfall mit Faust und Ferse, ohne einen Häller dafür und verlangen: daß – »vorausgesetzt, das Rousseauische Problem, und die dazu gehörigen Erfahrungen, seyen so beschaffen, daß dem menschlichen Geschlechte wirklich daran gelegen sey, daß sie gemacht werden,« – und vorausgesetzt, »daß sonst alles, was zur Auflösung des Problems erfordert wird, vorhanden sey,« – es an dem Könige, Sultan, Nabob oder Emir nicht fehlen solle, der sich das größte Vergnügen von der Welt daraus machen wird, seine Mätresse, seine Pferde und Hunde, seine Oper, und vier oder fünf Dutzend andre entbehrliche Personen und Sachen an seinem Hofe abzuschaffen, um die Unkosten zu einer so schönen Unternehmung ohne Belästigung seines Volkes vorschießen zu können.


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