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Wie Danischmend seinen Auftrag an Sadik ausrichtet und was daraus erfolgt
Perisadeh war eben aus dem ersten Schlaf erwacht, als der zurück gekommene Danischmend seinen gewohnten Platz an ihrer Seite einnahm. Da er kein Geheimnis vor ihr hatte, weil er nichts ohne ihren Rat unternahm, so entdeckte er ihr, was bei dieser nächtlichen Zusammenkunft zwischen ihm und dem Sultan verhandelt worden war, und den Auftrag, womit er sich von Seiner Hoheit habe beladen lassen.
»Wenn Aruja gesinnt ist wie ich«, sagte Perisadeh, »so wirst du wenig Freude von deiner Sendung haben, lieber Danischmend.«
»Gerade so viel«, antwortete er, »als ich haben werde wenn Sadik gesinnt ist wie ich: oder vielmehr, ich würde eine sehr große Freude haben, wenn dieses Ehepaar, der Ungleichheit ihrer Jahre zu Trotz, edel und zärtlich genug wäre, die blendenden Anträge, die ich ihnen zu machen habe, auszuschlagen. Aber, ob sie das sind, das ist die Frage, und das wird sich nun zeigen.«
»Ob es auch wohl so ganz recht ist, die guten Leute auf eine solche Probe zu stellen?« sagte Perisadeh mit etwas leiserer Stimme.
»Warum nicht?« versetzte Danischmend. »Das was auf dem Spiele liegt, ist ja nicht ihre Tugend, sondern bloß die Frage, ob sie auf diese oder eine andere Weise glücklich sein wollen, oder glücklicher zu sein glauben? Sadik kann der schönen Aruja mit gutem Gewissen den Scheidebrief geben, da er sie dadurch zur ersten und glücklichsten Frau von ganz Indostan machen kann« –
»Zur ersten«, unterbrach ihn Perisadeh, »aber auch zur glücklichsten?«
»Wenigstens glücklicher als sie wäre, die Frau eines Mannes zu sein, der Gold und Ehrenstellen ihrem Besitz vorzöge.«
»Aber wenn sich nun Aruja durch die Größe der Versuchung blenden ließe?«
»Dies wird und kann nicht geschehen, wenn sie eine größere Befriedigung und einen reinern Selbstgenuß darin findet, den Mann, der sie über alles liebt, so glücklich zu machen wie sie ihn machen kann, als die erste Dame im Harem des Sultans von Indien zu sein. Würdest Du dich etwa vor einer solchen Probe fürchten, Perisadeh, daß du für Arujas Standhaftigkeit so besorgt bist?«
»Du scherzest, Danischmend; aber du solltest auch im Scherze nicht fähig sein, so was zu sagen.«
»Nun so sei auch Arujas wegen ruhig, meine Liebe! Überdies geht mein Antrag nicht an sie. Sadik soll ihr den Scheidebrief geben, nicht sie ihm. Läßt er sich dazu bereden, so gewinnt sie augenscheinlich beim Tausche, oder – sie müßte kein Weib sein.«
»Danischmend, ich bin weder mehr noch weniger als ein Weib; aber ich würde sehr unglücklich sein, wenn du mir einen Scheidebrief gäbest, solltest du auch Monarch von ganz Asien dadurch werden können.«
»Da schließest du wieder von dir auf andere, Perisadeh! – Ob du, ohne dir selbst unrecht zu tun, diesen Schluß machen kannst, das muß ja die Probe erst entscheiden. Unser Fall, meine Liebe, gehört unter die Ausnahmen. Du bist meines Herzens so gewiß als ich des deinigen: das läßt sich vielleicht unter tausend Ehen kaum von Einer sagen; warum sollten wir's denn nicht auf eine Probe ankommen lassen, ob der alte Sadik und seine junge Frau unter die Ausnahmen oder unter den großen Haufen gehören?«
»Und doch kommt mir die Frage immer wieder auf die Zunge: Was für ein Recht hast du, ein glückliches Paar durch eine so schwere Versuchung auf eine Probe zu stellen, die ihrer Ruhe vielleicht gefährlich werden kann; da sie hingegen, wenn sie unversucht geblieben wären, sich nicht einmal die Möglichkeit untreu zu werden, hätten träumen lassen?«
»Liebe Perisadeh, du hättest recht so zu fragen, wenn es aus Mutwillen, oder bloß um ein Experiment aus Neugier zu machen, geschähe: aber bedenke, daß hier ein ganz besonderer Fall vorwaltet. Es ist um die Gemütsruhe eines Monarchen zu tun, dessen gute oder böse Laune das Glück oder Unglück von Hunderttausenden entscheiden kann; und der Versuch, den ich machen will, und wobei, im schlimmsten Falle, Sadik eine Statthalterschaft und Aruja den Rang einer Sultanin von Indien zu gewinnen hat, ist das einzige Mittel, ihm vielleicht dazu zu verhelfen. Da ist doch wohl nichts zu bedenken, sollt ich meinen?«
Perisadeh ergab sich ohne überzeugt zu sein, und schlummerte unvermerkt in der Hoffnung ein, daß Aruja und ihr Alter die Probe mit Ehren bestehen würden; indes Danischmend, der es mehr wünschte als hoffte, die Nacht mit Überlegungen zubrachte, wie er seine Unterhandlung mit dem alten Sadik einleiten wollte, damit er sich selbst, im Fall sie nicht gelänge, keinen Vorwurf zu machen hätte, das Interesse seines Herren – und Freundes nicht mit aller ihm möglichen Geschicklichkeit und Wärme besorgt zu haben.
Die Ungeduld des Sultans erlaubte keinen Aufschub. Danischmend begab sich also am folgenden Tage zu Sadik, und kündigte sich ihm als einen Mann an, der mit Aufträgen von Schach-Gebal zu ihm komme. Sadiks Erblassen bei diesen Worten schien ihm keine gute Vorbedeutung für seine Unterhandlung zu sein: aber er ließ sich dadurch nicht abschrecken, ihm das Ansinnen des Monarchen mit der möglichsten Schonung, und die Beweggründe zum Gehorsam mit dem möglichsten Feuer vorzutragen.
Wiewohl er nicht vergaß, die Vorteile, die dem Gemahl der schönen Aruja aus der erwarteten Gefälligkeit gegen die Wünsche seines Gebieters erwachsen würden, in ein verblendendes Licht zu stellen: so schien er doch den wenigsten Wert auf sie zu legen, und breitete sich desto mehr über das Verdienstliche einer so großmütigen Aufopferung aus, indem er alle seine Wohlredenheit aufbot, sie ihm als eine Pflicht vorzustellen, die von der guten Art, womit sie ausgeübt würde, den vollen unbezahlbaren Wert einer freiwilligen schönen Tat erhalte.
Sadik hörte ihn ruhig an bis er mit seiner Rede fertig war, und antwortete alsdann mit einer Gelassenheit, die dem Unterhändler noch weniger versprach, als der Schrecken, der bei Nennung des Sultans sein Gesicht mit Todesblässe überzogen hatte: »Du hast Aruja nicht gesehen?«
»Freilich nicht«, erwiderte Danischmend.
»Du sollst sie sehen«, fuhr jener fort, »und ich bin gewiß, ihr erster Anblick wird dir allen Mut benehmen, dem Manne, der schon sieben Jahre im Besitz eines solchen Kleinods ist, länger zuzumuten, daß er sich dessen freiwillig begeben solle. Der Sultan könnte mir die Hälfte seines Reichs für sie bieten und hätte mir nichts geboten; denn das, was er mir geben will, würde mir zu nichts helfen, und was er von mir verlangt, ist mir unentbehrlich. Du sagst, er liebe sie und könne ohne ihren Besitz nicht glücklich sein – urteile daraus, ob es der ohne sie sein könnte, der sie wirklich besitzt. Unmöglich kann der Sultan sie lieben wie ich; unmöglich kann sie ihm sein was sie mir ist: denn es gibt kein Gut, dessen Verlust sie mir nicht ersetzte, oder das ohne sie ein Gut für mich wäre. Also kein Wort mehr von Vergütung eines solchen Schatzes! Aruja ist über allen Preis. Verschenken könnt ich sie, wenn sie meine Sklavin wäre; verkaufen niemals. Gleichwohl, wenn es nur darauf ankäme, dem Sultan meinem unbeschränkten Gebieter mein eigenes Glück aufzuopfern, wie könnt ich es dem versagen, der alle Augenblicke über mein Leben zu gebieten hat?«
»Der Sultan ist gerecht«, sagte Danischmend: »er verabscheuet den bloßen Gedanken, dir die schöne Aruja mit Gewalt zu entwenden. Würde sie noch in deinem Hause sein, wenn er anders gesinnt wäre? Er bittet dich, als um den höchsten Beweis, den du ihm von deiner Zuneigung zu ihm geben kannst, sie ihm freiwillig abzutreten; und eben darum, weil er den unendlichen Wert eines solchen Geschenkes fühlt, hält er sich verbunden dir eine grenzenlose Dankbarkeit dafür zu beweisen. Betrachte ihn als einen Freund, für den man alles tut, weil er hinwieder alles für uns zu tun bereit ist.«
»Fordre nicht mehr von mir, Bruder«, sagte Sadik, »als ein Mensch von einem Menschen fordern kann. Ein Freund wird nichts von mir verlangen, das mir teurer als mein Leben ist. Aber, wie gesagt, weil mein Leben dem Sultan angehört, wär es Torheit von mir, ihm irgend etwas, dem er nachtrachtet, streitig machen zu wollen. Höre mein letztes Wort! Aruja hat über sich selbst zu gebieten; ich kann sie nicht wider ihren Willen verstoßen: denn unter dieser Bedingung wurde sie mein Weib. Aber ich will dich auf der Stelle zu ihr führen. Mache ihr deinen Antrag, und sie selbst soll sich, ohne mein Beisein, erklären, ob sie lieber dem erhabnen Sultan von Indien, oder dem armen Sadik angehören will. Ist sie es zufrieden dir in den Harem des Monarchen zu folgen, so gebe ich ihr den Scheidebrief. Nur laß alsdann den Sultan meinen Herrn unbekümmert sein, was aus dem geringsten seiner Sklaven werden mag!«
Mit diesen Worten stand der Alte auf, nahm ihn bei der Hand, und führte ihn in Arujas Zimmer. – »Hier, Aruja«, sprach er zu ihr, »ist ein Abgesandter des Sultans unsers Gebieters an mich. Er verlangt daß ich dir einen Scheidebrief gebe, damit dich der König der Könige zur ersten Sultanin in seinem Harem erheben könne. Du kennest mich, Aruja; aber du bist frei. Ich würde mich der Rechte, die du mir an dich gegeben hast, freiwillig gegen keine Macht im Himmel noch auf Erden begeben: aber ich begebe mich ihrer gegen dich selbst. Du bist frei, Aruja; laß dein Herz entscheiden, und denke dabei, wenn du kannst, nicht an das meinige!«
Als er dies gesprochen hatte, begab er sich weg und ließ Danischmenden bei Aruja allein.
Diesem hatte ihr erster Blick auf ihn sogleich das Herz abgewonnen: aber das Wunder von Schönheit, das er nach der Beschreibung des Sultans erwartete, konnt er nicht in ihr sehen; denn Perisadeh deuchte ihn doch noch schöner; wiewohl er sich selbst gestehen mußte, daß sie weder so blendend weiß war, noch zu eben so schönen Gasellen-Augen so hellbraunes Haar hatte, wie er in natürlichen Ringeln um Arujas Nacken bis unter den Gürtel herab wallen sah. »Sie sind Schwestern«, sprach er zu sich selbst, »und des Sultans Schicksal ist entschieden!«
»Höre mich, Herr!« sagte Aruja, nachdem sie ihn ersucht hatte auf dem Sofa Platz zu nehmen; »und wenn du, wie mir dein Gesicht ankündigt, ein Herz hast das für andre fühlen kann, so lege dem Sultan meine Antwort, ohne ihr ihre Stärke zu benehmen, mit jeder Milderung vor, die einen Ausbruch seines Unwillens über Sadik und mich verhüten kann. – Als mich Sadik wie eine sich eben entfaltende Blütenknospe an seinen Busen steckte, schwor ich den heiligsten Schwur, ihm bis in den Tod getreu zu sein, und wenn ich ihn überleben sollte, keines andern zu werden. Dieses Gelübde bindet mich: aber auch, wenn es mich nicht bände, hat er es durch sein ganzes Betragen um mich verdient, daß ich ihn nicht verlasse. Was ich ihm bin, kann ich keinem andern sein; denn ich weiß daß ich ihm alles bin, und daß er mit mir den einzigen Trost seines Lebens verlöre. Ihm dies zu sein, ist alle Glückseligkeit deren ich fähig bin. – Tausend Dinge, worauf andre Personen meines Geschlechts einen großen Wert legen, haben für mich keinen Reiz – mit Einem Wort, Herr, ich will lieber mit Sadik das Brot der Trübsal essen, lieber die Pflegerin seines herannahenden Alters, lieber seine Krankenwärterin sein, und Nächte durch bei ihm wachen, um ihm eine Stunde ruhigen Schlummers zu verschaffen, – als Sadik verlassen, um die Königin der Welt zu werden. Sage dies dem Sultan unserm Herren, und bitte ihn um Gnade für den guten Sadik, der bereit war, ihm sich selbst aufzuopfern, wenn ich nicht so fest entschlossen wäre, mein Recht an ihn nur mit meinem Leben aufzugeben.«
In diesem Augenblicke trat Sadik, der alles gehört hatte, wieder herein, und ging mit Tränen des Danks und der Liebe im Auge und mit ausgebreiteten Armen auf Aruja zu, die, indem sie den dankbaren Alten schweigend an ihren Busen drückte, dem an diesem Schauspiel reiner Liebe sich weidenden Danischmend einen Blick gab, welcher alles, was sie ihm gesagt hatte, unwiderruflich bekräftigte.
»Heil euch!« rief er in teilnehmender Entzückung aus, »und möge der Himmel, der an der Liebe der Tugendhaften Wohlgefallen hat, euch in seinen Schutz nehmen, und noch lange die Früchte dieses wonnevollen Augenblicks genießen lassen! Nehmt mich als den dritten in eure Freundschaft auf. Ich wurde berufen eure Tugend auf eine schwere Probe zu stellen, und ihr wißt nicht wie glücklich ihr mich dadurch machtet, daß ihr sie so herrlich bestanden habt. Der Sultan wird sie, wie ich hoffe, ehren, – wiewohl seine Leidenschaft für die schöne Aruja heftig genug ist, daß ich für eure Ruhe zittern würde, wenn er weniger gerecht und menschlich wäre als ich ihn kenne.«
Ungeachtet dieser tröstlichen Versicherung konnte sich doch Danischmend, indem ihn Sadik aus Arujas Gemach zurück führte, nicht entbrechen, noch einige Worte über die möglichen Folgen ihrer Erklärung gegen ihn fallen zu lassen. »Ich kannte einst einen Winkel des Erdbodens«, sagte er, »wohin ich euch raten würde zu fliehen, wenn er noch ein Sitz der Unschuld wäre, wie er's ehmals war. Und doch kehrte sie vielleicht mit euch wieder in die einst so glücklichen Täler von Jemal.«
»Von Jemal?« rief Sadik: »die kenne ich! eine meiner ehmaligen Reisen führte mich durch sie. Dank für diesen Wink, mein Bruder! – Gehe nun, und der Himmel schütze dich und uns vor dem Zorne des Sultans!«
»Sei getrost, Sadik«, sagte Danischmend. »Der erste Sturm fällt auf mich: ich werde ihn aushalten, und das Ungewitter wird ohne Schaden vorüber gehen.«
»Vorsicht ist die Mutter der Sicherheit«, versetzte Sadik, indem er ihm die Hand drückte: und so schieden sie von einander als Freunde, deren gegenseitige Zuneigung, wiewohl sie nur eine Stunde alt war, bereits die Stärke einer zwanzigjährigen Freundschaft gewonnen hatte.
Danischmend war mit dem Ausgang seiner Unterhandlung so innig vergnügt, daß er, als er dem Sultan seinen Bericht erstattete, nicht daran denken konnte, die aus seinen Augen funkelnde Freude hinter einem Nebel von angenommenem Gram zu verbergen, wie ein besserer Höfling, als er, zu tun nicht vergessen hätte. Schach-Gebal wurde dadurch getäuscht.
»Danischmend, mein Freund«, rief er ihm entgegen, »bringst du mir eine gute Botschaft?«
Der verunglückte Unterhändler wurde durch diese ihm zuvor eilende Frage auf einmal wieder zur Besonnenheit gebracht. Er raffte sich so gut er konnte zusammen, und antwortete mit einem etwas ernsten aber treuherzigen Blicke: »Sire, ich bringe Ihrer Hoheit eine Gelegenheit, Sich als den großmütigsten aller Fürsten und den tapfersten aller Helden zu zeigen« –
»Reize mich nicht zur Ungeduld«, fiel der Sultan ein: »du hast, wie ich höre, meine Sache nicht besser geführt als Kerim, und kommst mit strahlendem Angesicht, als ob du mir zu melden hättest, Aruja erwarte mich auf ihrem Sofa.«
»Sire«, versetzte Danischmend, »hätte ich diese Aruja und ihren alten Sadik gestern schon so gekannt, wie ich sie heute kennen gelernt habe, nie würde mir's in den Sinn gekommen sein, einen solchen Versuch mit ihnen zu machen. Aber wer hätte auch glauben sollen, daß ich gerade da würde abgewiesen werden, wo es am wenigsten zu vermuten war? Aus teilnehmender Treue gegen Ihre Hoheit tat ich den Vorschlag, den alten Sadik – der leider! so alt nicht ist als ich mir vorstellte – zu einem Scheidebrief zu bewegen, und übernahm die Ausführung, weil es doch unendlich wahrscheinlicher war, daß er und die schöne Aruja unter die Ehepaare, deren es zehen tausend gegen eins, als unter die, deren es eins gegen zehen tausend gibt, gehören. Mit Treue und in der Tat mit mehr Wärme, als ich vielleicht gegen mich selbst hätte rechtfertigen können wenn es mir geglückt wäre, bot ich allen meinen Mutterwitz auf, dem alten Sadik meinen Antrag annehmlich zu machen; aber ich fand, daß ich mit zwei Worten eben so weit gekommen wäre. Denn er wollte sich auf nichts einlassen, und blieb ein für allemal dabei, daß Aruja über allen Preis und ihm zu seinem Leben so unentbehrlich sei als Luft und Sonnenschein. Gleichwohl zeigte er sich bereitwillig, sich selbst dem Glücke seines Herren aufzuopfern, wenn Aruja es zufrieden sei. Er führte mich auf der Stelle zu ihr, ließ mich bei ihr allein, und erklärte sich gegen sie und mich, daß er alles gänzlich auf ihre freie Entscheidung ankommen lassen wolle. Das war edel von ihm gehandelt! – Auch muß ich gestehen, daß er ein Mann von Gefühl und Ehre zu sein scheint, und für seine Jahre ein so feiner, stattlicher und wohl erhaltener Mann ist, als mir jemals einer vor die Augen kam. Indessen konnt ich diese Zuversicht nicht anders als für eine schlimme Vorbedeutung ansehen. ›Er muß seiner Sache sehr gewiß sein‹, dacht ich; und so fand sich's auch. Denn, wiewohl Aruja von Ihrer Hoheit mit der größten Ehrfurcht und Dankbarkeit sprach, und sich viel zu gering fand, daß das Auge eines so großen Monarchen auch nur im Vorübergehen auf einem so unbedeutenden Geschöpfe wie sie verweilen sollte« –
»Danischmend! das hat sie nicht gesagt«, rief Schach-Gebal.
Unser Mann war, wie wir längst wissen, zum Lügner eben so verdorben wie zum Höfling; er wurde rot, verwirrte sich, und gestand endlich: er wollte zwar nicht behaupten, daß sie es gerade mit diesen nämlichen Worten gesagt habe; aber den Sinn der ihrigen versicherte er richtig ausgedrückt zu haben. »Immer ist gewiß«, fuhrt er fort, »daß sie sich auf meinen Antrag so bescheiden und anspruchslos erklärte, so tugendhafte Gesinnungen, eine so entschiedene Gleichgültigkeit gegen alles was die Begierden und Wünsche der meisten jungen Weiber reizt, und ein so tiefes Gefühl dessen was sie für ihre Pflicht gegen Sadik hält, zu Tage legte, daß ich mich gezwungen fand sie zu bewundern, und mit der Überzeugung von ihr wegging, es würde leichter sein, in dem ungeheuren Umfang der Staaten Ihrer Hoheit eine noch schönere Frau, und eine, die den Rang, den diese ehrliche Kaufmannsfrau nicht zu schätzen weiß, in jeder Rücksicht würdiger behaupten könnte, auszufinden, als den Eigensinn zu überwinden, womit sie sich an die sonderbare Grille angeklammert hat, ihr einziges Glück in der Einbildung zu finden, daß niemand als sie den alten Sadik glücklich machen könne.«
»Die Närrin!« murmelte der Sultan in seinen Bart. – »Und das wäre also alles, was du mit deinem Mutterwitz und mit der Beredsamkeit, worauf du dir immer so viel zu gute tatest, ausgerichtet hast?«
Danischmend sah in Demut auf den Fußboden und schwieg.
Der Sultan ging, die geballten Hände auf dem Rücken verschränkt, mit ziemlich starken Schritten auf und nieder, setzte sich, rief einen seiner großen Hunde zu sich, und unterhielt sich eine gute Weile mit ihm, als ob gar kein solcher Mensch in der Welt wäre wie sein Freund Danischmend. Endlich fing er wieder an: »Allerdings wär es unbillig, jemanden für den Erfolg einer Sache, die nicht von ihm allein abhängt, verantwortlich zu machen. Aber du mußt mir verzeihen, Danischmend«, setzte er mit einer kleinen spottenden Verbeugung hinzu, »daß ich eine allzu große Meinung von deinen Talenten und von deiner Freundschaft zu mir hegte.«
Was war auf ein solches Kompliment zu antworten? – Danischmend hob die Augen allmählich empor, sah dem Sultan mit einer ihm eigenen gutmütigen Verlegenheit ins Gesicht, und schwieg noch immer.
»Du glaubst also«, fuhr Schach-Gebal fort, »sie werde nicht auf bessere Gedanken zu bringen sein?«
»Ich zweifle sehr, Sire.«
»Du bist ein leidiger Tröster, Freund Danischmend! – Und was wäre denn also zu tun? Was rätst du mir?
»Was in einem solchen Falle Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Großmut, die drei besten Ratgeber der Fürsten, ganz gewiß dem edeln Herzen meines erhabenen Herren bereits zugeflüstert haben werden – des unscheinbaren häuslichen Glückes und der tugendhaften Einfalt dieser ehrlichen Seelen, die für Glanz und Größe keinen Sinn haben, zu schonen, und durch verdoppelte Bemühungen für das Wohl von Indostan eine Leidenschaft zu zerstreuen, die seiner nicht länger würdig ist, da sie ihm nur die Ruhe seines Lebens raubt, und ihn, dem die allgemeine Stimme seiner Völker den schönen Beinamen des Gerechten zuerkannte, in Gefahr setzt, seinen Ruhm durch eine ungerechte und grausame Handlung zu verdunkeln.«
Die Stirne des Sultans verfinsterte sich zusehens während dieser schönen Rede; er warf sich auf den Sofa, schien in tiefes aber grämliches Nachdenken zu verfallen, und schwieg abermal einige Minuten.
Endlich wandte er sich wieder mit einer plötzlich angenommenen Heiterkeit zu seinem unhöfischen Ratgeber. »Ich will dich nicht länger aufhalten, Freund Danischmend«, sagte er zu ihm: »ich danke dir für deine Mühe, und wenn ich deines Rates wieder bedarf, werde ich dich rufen lassen.«
Danischmend drückte seinen Turban gegen den Fußboden, und zog sich schweigend zurück, nicht wenig getröstet, daß das Ungewitter noch so gnädig vorüber gegangen war.