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Danischmend läßt sich in Kischmir nieder. Sein Hauswesen. Ein neues Bedürfnis
Unterdessen hatte Danischmend, nachdem er auf Befehl des Sultans von dem Schatzmeister zu Lahor zehentausend Bahamd'or empfangen, in den Gebirgen, welche Kischmir von Tibet absondern, sich einen Wohnplatz ersehen, wo er, fern von Sultanen und Fakirn, nach seinem Geschmack und nach seinem Herzen glücklich zu leben hoffte. Es war ein langes, zwischen fruchtbaren Hügeln und waldigen Bergen sich hinziehendes Tal, Jemal genannt, von tausend Bächen und Quellen aus dem Gebirge bewässert, und von den glücklichsten Menschen bewohnt, die vielleicht damals auf dem ganzen Erdboden anzutreffen waren.
Hier war ihm vor allen Dingen nötig, sich ein kleines Hauswesen einzurichten. Denn (nach seiner Philosophie) setzt ein weiser Mann sich zuerst in seinem Mittelpunkte so waagerecht als immer möglich fest, und sorgt – für sich selbst. Dann zieht er einen Kreis mitfühlender Zuneigung und wohltätiger Wirksamkeit um sich her, schießt seine Strahlen gegen alle Punkte dieses Kreises aus, und macht, so viel an ihm ist, alles glücklich, was er erreichen kann.
Diesem Plane gemäß kaufte sich Danischmend ein kleines Gut, ungefähr so groß wie Plinius meint, daß ein gelehrter Müßiggänger eines nötig habe;Briefe des Plinius, B. I. Br. 24. das heißt, »gerade so viel Grund und Boden, als er brauchte, um den Kopf an einen Baum zurück zu lehnen, seine kurzsichtigen Augen an einer Aussicht ins Grüne zu laben, auf dem nämlichen Fußpfade zwischen seinem Kohlgarten und Kornfelde hin und her zu kriechen, alle seine Weinstöcke auswendig zu wissen, und über alle seine Bäumchen ein Register zu halten.«
Danischmend, der ein wenig mehr Bedürfnisse hatte als Suetonius, legte sich noch überdies ein Wäldchen an, wo er in dunkeln kunstlosen Irrgängen herum schlendern konnte, und vergaß nicht, hier und da eine Bank hinsetzen zu lassen, damit zwei oder drei Personen im Frieden neben einander Platz nehmen könnten, wenn sie des Gehens müde wären. Auch leitete er eine Felsenquelle, die seine Wohnung mit Wasser versah, durch eine Wiese, die er seinen Blumengarten nannte, pflanzte da und dort auf die Wiese und längs seines Kornfeldes Obstbäume, unter deren Schatten seine Mäher und Schnitter ausruhen konnten, und ließ in den Felsen, aus dem die Quelle kam, eine Grotte hauen (die Natur hatte schon das meiste dabei getan) wo man in der Sommerhitze, hinter einem Vordach von Eppich und Weinreben, auf einer Bank von Moos, beim Gemurmel der Quelle schlummern, oder dem Gesang der Grillen zuhören konnte so lange man wollte.
Danischmend, wiewohl er eine Art von Philosophen war, verstand wenig oder nichts von der Landwirtschaft. Kraft dieser seiner Unwissenheit wollte er nichts besser wissen als die Natur; bepflanzte seine Felder nicht mit Disteln, um eine Manufaktur von ihrer Wolle anzulegen; pflügte mit dem Pfluge seiner Voreltern, und machte keine Versuche die ihm mehr kosteten als sie wert waren. Kurz, seine Unwissenheit ersparte ihm vielleicht mehr als manchem hochgelehrten landwirtschaftlichen Metaphysiker seine Wissenschaft einträgt. Aber dafür ließ er sein Feld mit dem alten Pfluge so lange ackern bis es locker war; wo er einen leeren Platz sah, da pflanzte er einen Baum hin, oder etwas andres das besser war als nichts; und wo sich nach einem starken Regen kleine Pfützen und Sümpfe zeigten, da ließ er so lange Sand und Erde hinführen bis sie ausgefüllt waren. Die Sperlinge und die Raubvögel hatten alle Ruhe vor ihm: »denn« (sagte er) »jene tun mir gute Dienste gegen das Ungeziefer, und diese gegen die Sperlinge.« Überhaupt war er ein großer Freund von der Maxime, nichts ausrotten zu wollen was Gott erschaffen hat. »Der Urheber der Natur« (pflegte er zu sagen) »versteht gewiß die Ökonomie besser als man glaubt. Er hat durch den einzigen kleinen Umstand, daß immer eine Gattung die andre frißt, hinlänglich dafür gesorgt, daß sie einander so ziemlich die Waage halten. Ich lebe beinahe auf aller andern Gattungen Unkosten; und ich sollte so unbillig sein, nicht leiden zu wollen daß sie sich helfen wie sie können?«
Der gute Philosoph, der (wie wir schon wissen) einer von den empfindsamen war, hatte sich schon lange eine sehr einladende Vorstellung von einem in der großen Welt wenig bekannten Zustande gemacht, den er häusliche Glückseligkeit nannte. Um sich in seinem vorerwähnten Mittelpunkt in das gehörige Gleichgewicht zu setzen, schien ihm eine Gesellin, an deren Busen er ruhen könnte, unentbehrlich zu sein. Was ihm, da er noch in der Welt lebte, höchstens – und nur in gewissen Augenblicken – eine ganz behagliche Sache schien, ward in seiner jetzigen Lage zum Bedürfnis. Er dachte anfangs alle Tage beim Erwachen und alle Nächte beim Einschlafen daran. Bald darauf dacht er des Tages etlichemal und des Nachts auf seiner Matratze ganze Stunden lang daran, bis er zuletzt gar nicht mehr davor schlafen konnte; oder wenn er ja einschlief, so träumte ihm von nichts als Hochzeiten und Wochenstuben, Puppen und Steckenpferden; und wenn er des Morgens vor Sonnenaufgang ans Fenster ging frische Luft zu schöpfen, sah er aus den Wölkchen, die wie kleine Inseln im Morgenhimmel herum schwammen, lauter gelblockige und schwarzlockige, blauaugige und braunaugige Mädchenköpfe heraus gucken. Je mehr er über die Sache philosophierte, je völliger überzeugte sich der gute Mann, das schönste und beste aller Geschöpfe, der Auszug und Inbegriff alles dessen was in der Natur Reizendes ist, das lieblichste, begehrenswürdigste und unentbehrlichste aller Dinge sei – ein Weib. Kurz, er hörte nicht auf darüber zu philosophieren, bis er's endlich so weit brachte, mit ich weiß nicht welchen alten Weisen,Als ob man so was vergessen könnte? Plato oder vielmehr Aristophanes beim Plato war's. Siehe dessen Συμπόσιον, Tom. opp. III p. 159 seqq.
M. Pantaleon Onocephalus
Zwar hätte er, als ein Musulmann, sich wenigstens zwei bis drei Weiber, und allenfalls, nach alter morgenländischer Sitte, noch eben so viel Kebsweiber zulegen mögen, ohne daß weder der Imam von Mekka, noch der große Lama in Tibet, noch der Bramine der Sultanin Nurmahal sich sehr daran geärgert hätten. Denn jeder dieser würdigen Herren hatte ihrer noch viel mehr in seinem Weiberstalle. Aber Danischmenden war es nicht um Weiber, sondern um seine Hälfte zu tun: und da zwei Hälften nach dem allgemeinen Geständnis aller Menschen hinlänglich sind ein Ganzes zu machen; so wäre die dritte, vierte, fünfte usw. wie liebenswürdig sie an sich selbst hätte sein mögen, im Grunde doch nichts anders als ein Auswuchs, eine Art von Höker, Kropf oder Überbein gewesen, der, anstatt die Vollkommenheit des Ganzen zu befördern, demselben nur überlästig gefallen wäre, und die schöne Eintracht beider Hälften gestört hätte. Vernünftiger Weise blieb ihm also nichts übrig, als diese nämliche gleichartige, genau einpassende, und, mit Einem Worte, geflissentlich für ihn allein gemachte Hälfte seines Ichs je eher je lieber ausfündig zu machen.
Wer ernstlich sucht, findet immer etwas das des Auflesens wert ist; entweder das Gesuchte, oder auch wohl zuweilen etwas Besseres. Danischmend, den das edelste unter allen menschlichen Bedürfnissen – zu lieben und geliebt zu werden – plagte, suchte sich ein Weib für sein Herz und nach seinem Herzen, und fand sie, wie man einen Schatz findet, oder den Schnupfen aufliest, unversehens und ohne zu wissen wie.