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Das, was uns tadelhaft, das, was uns lobenswerth macht,
Ist oft ein kleiner Zug, den nur ein Yorik entdecket.
Der Thaten wahre Gestalt bleibt immer in ewige Nacht
Dem Auge des Vorurtheils verstecket.
Wie oft wird mit dem Versehn der übereilten Natur
Mit einem Zufall, dem Pick von einem indischen Hahne,
Der Weisheit Ehre gemacht? – und wahre Carricatur
Für Schönheit angerühmt? Bis uns die Luciane
Den Dunst von den Augen blasen, und der entlarvte Sophist
Ein Theriaksmann, und der Halbgott – ein armer Sünder ist.
Beklagt indessen mit mir, ihr, die ihr Freunde seyd
Von unsrer Natur, das Loos der Sterblichkeit!
Den Ruhm zu verdunkeln von tausend schönen Thaten,
Darf, leider! uns nur die tausend und erste mißrathen.
Den Mann, der in unserm Wahn den Göttern ähnlich ist,
Dem unter die Augen zu sehn wir uns kaum würdig schätzen,
So tief, als hoch er stand, zu uns herab zu setzen,
Bedarfs nur einen Moment, worinn er sich vergißt!
Den schönsten, tapfersten, besten von allen irrenden Rittern
Sieht eine Blaffardine zu ihren Füßen zittern!
O! unglückselger Moment! Wieviel vermagst du nicht!
In welcher verächtlichen Stellung, in welch verdunkelndem Licht,
Wie unheroisch beschäfftigt, erschien' er vor unserm Gesicht,
Wenn ihn ein Hogarth gleich in diesem Augenblick mahlte!
Doch sey dies, edler Ritter, dein Trost, daß mancher Held
Und mancher feyrlicher Mann in langer Span'scher Perücke,
Mit wichtigem Bauch und gravitätischem Blicke,
In gleicher Positur wie du sich dargestellt!
Wie mancher, dessen Miene uns zwanzig Jahre belogen,
Spielt itzt den Seneca, vielleicht den Heiligen gar,
Der, würd' itzt gleich der Vorhang aufgezogen,
Beschämter stünd' als unser Ritter war,
Da ihn der laurende Mohr zur Unzeit überraschte.
Im übrigen hätte Demosthen
In diesem Falle so gut dem Knaben ähnlich gesehn,
Der Blumen brach und eine Schlange haschte,
Als unser Held. Ich zweifle, daß ein Mann
In einem solchen Moment sich selber gut seyn kann.
Es war ein Glück für ihn, daß in der ersten Hitze
Der eifersüchtige Mohr des magischen Scepters Spitze,
Noch eh er sich selbst der ersten Bestürzung entwand,
Ihm vor die Nase hielt. – Steh, rief er (und Amadis stand,
Stand, in der critischen Stellung, worinn der Neger ihn fand,
Wie eine Statue da) und bleib in diesem Stand,
Bis dich die Königin von allen Preciösen
Entzaubern wird! – So ist die Dame mir bekannt,
Rief Blaffardine, mit Lachen, der unter allen Wesen
Die Ehre zugedacht ist, den Ritter zu erlösen.
Und du, so fuhr der Neger zu Bambo's Tochter fort,
Wie müßt' ich dich nennen, um dir den rechten Namen zu geben?
Dein Schicksal hängt an einem einzigen Wort.
Entschleuß dich auf der Stelle, für mich allein zu leben,
Wo nicht, so werde, was ich in deinen Augen bin!
So schön wie die Fee Concombre. – Kein Aber, Fräulein, Sie müssen
Sich stehenden Fußes zu einem von beyden entschliessen.
Er führt sie mit diesen Worten vor einen Spiegel hin.
Entkleiden – da hilft kein Bitten, kein Trotz noch Eigensinn –
Entkleiden muß sie sich, entkleiden bis auf die Seele.
Nun, (schnarcht er sie an) schau in den Spiegel, und wähle!
Den Tod viel lieber als dich, ruft Blaffardine. – Den Tod?
Nein, Fräulein, (spricht der Mohr, indem er den Kopf ihr berühret)
Ich fühle zu sehr, wieviel die Welt an ihnen verlieret.
Wie diese Runzeln bezaubern! Welch eine Feuersnoth
Aus diesen triefenden Augen die halbe Welt bedroht!
Wie diese Nase, besetzt mit sprossenden Rubinen,
Das holde Gesicht schattiert! Wie diese Wangen grünen!
Wie blau der weite Mund! Die kleinen Augen wie roth!
Und blieb' auch Amor nicht an diesen Warzen hangen,
So muß er gewiß in den Gruben der hohlen Backen sich fangen!
Ein kalter Schauer kriecht der Schönen über die Haut
Indem sie die schreckliche Würkung von seiner Berührung beschaut;
Auf einer Venus Rumpf den wahren Kopf der Medusen!
Nun, Fräulein, wollen Sie? – fragt der Neger mit kaltem Blut.
Nein, schreyt sie rasend vor Zorn. – Sehr gut, spricht jener, sehr gut,
(Und greift mit magischer Hand an ihren schwellenden Busen)
Nach Ihrem Belieben, Madam! – So wie er sie berührt,
Sieht Blaffardine den Thron der Liebesgötter sinken.
Sieht, wie sich ein stolzes Gewölbe in schlappere Zitzen verliehrt,
Als jene, woran die Caffernkinder trinken.
Ein ganzer Schwarm von kleinen paphischen Göttern
Fährt flatternd heraus, wie Käuzchen aus einem verfallenen Grab.
So hangen dem Neid und dem Hunger die runzlichten Zitzen herab,
Wie lederne Schläuch' an Figur, an Farbe gleich den Blättern,
Die, welk und zusammengeschrumpft, von herbstlichen Nebeln geheizt,
Den sumpfichten Garten bedecken. – Nun! spricht der Mohr, ich dächte,
Man wäre mit solcher Waare, die wenig Kenner reizt,
Noch glücklich, wenn man sie an einen Käufer brächte.
Nein, ruft sie und klappt die Kiefern zusammen,
(Denn Zähne hatte sie nicht) eh stürb' ich mitten in Flammen!
Barockischer konnte man nichts als Blaffardinen sehn,
Vom Kopf zum Gürtel so häßlich als bis zum Knöchel schön!
Von unten, der besten Nymphe von Rubens zu vergleichen,
Von oben, ein Ideal um Vögel zu verscheuchen!
Noch gleicht sie zur Hälfte sich selbst! allein auch diesen Trost
Raubt ihr der Unhold. Sein grausames Werk zu vollenden,
Stirbt unter seinen verderbenden Händen
Ein Reiz am andern ab. Sanct Lorenz auf dem Rost
Sieht nicht so braun und gedörrt; nichts blieb ihr als Leder und Knochen.
Sie schien ein Todtengerippe, das seinem Grabe entkrochen.
Nun kann sie nicht länger sich halten, ihr Zorn verwandelt sich
in nahmenlosen Schmerz. Sie weinet bitterlich,
Indem sie die traurgen Ruinen von ihrer Schönheit betrachtet.
Ruinen? Wollte Gott! Sie hätte sich glücklich geachtet.
Allein kein Schatten, keine Spur
Von ihrer ehmaligen Blondheit und Penthesileen-Figur!Penthesilea, eine bekannte Königin der mehr fabelhaften als historischen Amazonen, wird hier gebraucht, um mit Einem Worte das Bild eines Frauenzimmers von derjenigen Classe darzustellen, welche ein Mittelding von Mann und Weib zu seyn scheint, und von den Lateinern und Franzosen Virago genennt wird. Daß Blaffardine eine Figur von dieser Art war, wissen wir schon aus der Beschreibung, welche Schwester Colifischon dem Amadis im 6ten Gesange von ihr macht, und aus andern Stellen.
Vollkommners konnte man sich in der häßlichen Gattung nichts dencken.
Die arme Dame beginnt vor Schmerz zu rasen; sie spricht
Von Gift und Dolch, von Hängen und Ertränken,
Und schlägt den Spiegel in Stücken, und flucht dem Sonnenlicht.
Der Neger hatte nun an Blaffardinens Schmerzen
Sich lange genug ergötzt. Princessin, fassen sie sich!
Sie merken doch, spricht er, ich wollte nur scherzen!
Zudem, was that ich Ihnen, das nicht unfehlbarlich
Die Zeit, die alles zerstört, dereinst an ihnen verübet?
Nun, fragen Sie Sich, was ihnen besser beliebet,
Zu bleiben, wie Sie sind, hingegen soviel Verstand
Zu haben, als möglich ist, oder so schön wie ehmals zu werden?
Soviel Verstand als möglich? – versetzt sie mit stolzen Gebehrden.
Mein Herr, man spricht mit den Damen politer in meinem Land.
Verstand? Als ob es daran mir etwan fehlte? Herr Neger,
Sie reden, verzeyhen Sie mir, als wie ein Sänftenträger.
Verstand! Man höre doch an, wie galant!
Herr Neger, behalten sie ihren Verstand,
Und geben mir, was ich gehabt, und was sie mir genommen!
Du bist nichts bessers werth, erwiedert verächtlich der Mohr,
Da, habe deinen Wunsch! Geh, wie du hergekommen,
Und sey so blond, und fad, und dumm als wie zuvor,
Noch mehr, wenns möglich ist! – und suche bey Weissen und Mohren
Das, was du nicht hast, – den unvergleichlichen Thoren,
Der Thor genug sey, so blond und dumm du bist,
Dich lieben zu können. Mich rechne für verlohren!
Und diesen Ritter dazu! Der steht so lange gefrohren,
Bis seine Stunde kömmt. – Der Neger hielt sein Wort.
Die Tochter Bambos findt sich wieder in sich selber,
Und hüpft vor Freuden, wie Rehekälber
Auf Bergen hüpfen. Und eilends verläßt sie den magischen Ort,
Und fliegt aus den Augen des Mohren auf einem Zelter fort.