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Das weite und ziellose Herumreisen im Meere hat Laikan aufgegeben. In seiner Seele wird es immer strenger, daß er im zugewiesenen Lebensraum zu bleiben hat, wenn das Leben ein gutes und ernsthaftes sein soll. Kann sein, daß es Leute gibt, deren Aufgabe es ist, grenzenlosen Lebensraum auszufüllen und immer vor sich selber davon und hinter ihren Unrasten herzufahren. Es ist möglich, daß das Leben auch solche Gedanken hatte, als es in derartige Kerle fuhr. Ein wenig von dieser Unrast ist den Edelleuten eigen, die geheimen Rufen folgen müssen. Und es ist dieser geheime Ruf, der Laikan zurück in den heimatlichen Strom heißt. Aber während er südwärts zieht, bleibt er nach Art und Herkommen seiner Sippe in der Nähe der Küste.
Die Ränder des Meeres sind da und dort voll weiter und flacher Sandbänke und stürzen dann mit schroffen Wänden und Zacken ins Unsichtige hinab. Es gefällt dem Lachs, in Flutzeiten weit gegen das Meerufer hinzupirschen, und oft ist nur zollhohes Wasser zwischen ihm und dem weißen, schimmernden Sand. Noch hat er keine Witterung süßen Wassers, aber er weiß, daß ihn seine Seele zur rechten Zeit an den rechten Ort bringen wird.
Laikan rudert unter dünnem Wasser und liest da und 294 dort kleine Krabben und dünnschalige Schnecken aus dem Sand. Ein Fischerboot gleitet langsam über das fast unbewegte Meer und kommt mehrmals nahe an ihm vorüber. Er verhält ruhig und fürchtet das Boot nicht. Wahrscheinlich hat es tückische Absichten, denn zum Vergnügen kreuzt der Mensch nicht über den Seichten. Das weiß Laikan seit vielen Jahren.
Als das Boot wieder vorbeikommt, gewahrt Laikan, daß hinter ihm her ein silberner Schimmer zieht, wie eine Krabbe groß, flach und auffunkelnd, dann wieder, wenn das Licht nicht darauffällt, grau erlöschend. Einen kurzen Schlag tut der Lachs und schwimmt nahe heran, äugt scharf und sieht die Leine und daß das Funkelnde nicht von selber sich bewegt. Oh, natürlich hängt es am Menschen! Laikan verhält augenblicklich und dreht in einem scharfen Winkel bei. Der Mensch hat den Lachs wohl bemerkt. Aber er weiß aus jahrelanger Erfahrung, daß diese Leute an keine Angel gehen. Büchse und Spieß hat er nicht mit, weil er andere Jagd heute treiben will. Er kennt dem Lachs gleich an, daß der die List durchschaut hat, und weiß, daß keine noch so große Schlauheit diesen Mordskerl in seine Gewalt brächte.
Im Hinausrudern begegnet Laikan einem schönen und fast durchsichtigen Geschöpf. Im nördlichen Meer hat der Lachs solche Leute nie gesehen, die nichts von felsigen Küsten und langen Nächten halten und zu Hochzeiten nahe an die flachen Ränder des Meeres herankommen.
Sie sind schön wie kühle schimmernde Sommermorgen über südlichen Meeren, und ihre Leiber, die nicht viel größer sind als die groß hintreibenden Blätter der Ahorne 295 am Bergfluß, halten sich in einer sanften und ruhigen Schwebe und tun ungern eine hastige Bewegung. Der mondene Saum ihrer wie Perlenlicht scheinenden Schabracken wallt unaufhörlich, gleich sanft dünender Flut, um den Rand ihrer flachen Leiber, und bewahrt sie in heiterem Gleichgewicht. Sie haben ernsthafte, fast nachdenkliche Gesichter und lassen ihre Arme und Saugfüße vom Kopf herabhängen. Das macht, daß sie zuzeiten, besonders wenn sie dösen – und sie dösen sehr gerne! –, fast traurig aussehen. Oh, sie sind keine traurigen Gesellen! Keineswegs! Wenn sie ihre herrlich geschweiften Augen auftun und ihr schwarzer Blick aus dem schön geschwungenen goldenen Rand funkelt, dann glaubt man ihnen, daß sie ihr Leben liebhaben und daß sie ein mutiges und keineswegs sanftes Leben führen.
Laikan sonnt sich unter dünnem Wasser und verdaut eine Krabbe. Da zieht der lichte, leichte Mann nahe vorbei. Er rudert ein wenig mit den Armen und gleitet schimmernd und saumumwallt langsam hin. Sein schwarzer Blick geht über den Lachs; aber er weiß, daß er von ihm nichts will. Ein flüchtiger, rötlicher Schauer überspielt sekundenlang den perlenlichten Leib, weil er sich entrüstet, daß solch ein Mordskerl in seine Hochzeitsseichten einbrach. Aber gleich schimmert die Seele wieder silbern durch den Leib.
Jetzt geht der Schatten des Bootes über den hinwallenden Sepiamann. Sofort schauert der Leib mit rötlichen Wolken. Dann kommt die silberne List des Menschen über den Sand her. Nur ein Stückchen Spiegelglas, das in der Sonne auffunkelt und farbig durchs Wasser flirrt. 296
Einen Augenblick stutzt der Silberne. So schön, so strahlend hat er noch keine Frau erblickt. Denn was könnte es sein, das so flach und flirrend und sanft und unentwegt durchs dünne Wasser zieht? Was könnte so unsäglich locken und an dem leidenschaftlichen Herzen vorübergleiten und keinen Deut sich um den einsamen Mann kümmern? Oh, er kennt die hochmütigen und strahlenden, die in allen Farben erschauernden Frauen seiner Sippe. Aus weit offenen, goldgeränderten, schwarzen Augen starrt er der silbern Enteilenden nach. Dann schleudert er sich vorwärts.
Laikan staunt über die Blitzgeschwindigkeit dieses verliebten Toren. Er weiß nicht, was der will. Das Blitzende, an dem der Mensch hängt, zu verschlucken: dazu ist der Perlenmann viel zu klein. Es ist so groß fast wie er selbst. Und kann Liebe so verwirren, daß man listigen Glanz und Schimmer für eine Frau hält? Oh, wahrhaftig! Da hat der Perlenmann sich über die Menschenlist geworfen. Mit allen seinen Armen umschlingt er das hingleitende Menschengemäch, und seinen Mund preßt er auf das spiegelnde Glas. Er fühlt nicht die scharfen Ränder; er fühlt nicht die kalte Härte des leblosen Körpers. Er weiß nur, daß er nicht loslassen darf; denn rasch entwände sich ihm die schimmernde Frau. Oh, er hat es erlebt! Enger umschlingt er in irrender Leidenschaft, und seine Zähne knirschen am Glas. Er hat keine Zeit zum Überlegen. Weil der Zug der Leine ohne Unterlaß vorwärts fährt, strudelt er mit seinem Leib rückwärts, und steht Wille gegen Wille, wie es die Luft dieser mondenen Geschöpfe ist. Alle Schauer der aufgeregten Seele fahren 297 farbig über seinen Leib, und den lichten Saum hat er eingezogen.
Dann gewahrt Laikan den Menschen, der sich über den Bootrand beugt und den betrogenen Hochzeiter langsam heranzieht. Wie der die heißen Hände des Menschen unterm Wasser herankommen fühlt, steht fremd und riesengroß Gefahr vor seiner Seele, und er tut, was er immer bei Gefahr tut, und was die gnädige Schöpfung als einzige Waffe ihm verlieh: er speit zornige, schwarze Wolken um sich her. Aus solchem Dunkel rettet er immer sein Leben. Aber die Frau! Nein, er läßt sie nicht! Oh, soll sie mit ihm davonfahren! Aber sie rührt sich nicht, sie rudert nicht, sie speit keine Wolken aus! Was ist mit ihr? Sei es, was es wolle! Er wird sie nicht loslassen! Nicht, nicht!
Leidenschaftlich umschlingt das gläubige und liebende Tier den Köder, den der Mensch – oh, nicht nach Gaumen und Magen, nein, viel treuloser! – nach dem Herzen des perlenschimmernden, mondlichten Gottesgeschöpfs geworfen hat. Und es läßt sich von ihm herauswinden aus glückseligem Leben in den Tod.