Josef Wenter
Laikan
Josef Wenter

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Ein Ritter ohne Furcht und Tadel

Altbekanntes und Langvertrautes aus den Gegenden des sterbenden Stroms ist wieder um den jungen Lachs, lebt und west vergnügt durch die Tage und Nächte; und wenn neue Gesichter und Gestalten herankamen, hatten 183 sie nichts Schreckliches, nichts besonders Ängstigendes; anders waren sie und fremd. Doch dazu reiste man wahrscheinlich.

Einen Kerl aber gab es hier, dem mußte man lange zuschauen, ehe man sein Dasein und seine wahrhaft ungeheure Klugheit begriff. Er ist nur wenig größer als ein Gründling, aber ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Er nennt sich Stichling; und das ist er und sieht danach aus. Der ganze Bursch ist eine geschleuderte Lanze mit schrecklichen Widerhaken. Er ist so flachschädelig wie der große Räuber, und er ist kein kleinerer. Bewahre! Sein Glotzauge sticht grünlich, wenn er zornig ist; und er ist fast immer in Wut. Seinen Blicken entgeht nichts. Den Schwanz hat er zu einem dünnen Peitschenstiel gereckt, an dem eine Quirlflosse arge Strudel schlagen kann, wann er zornig ist. Und er ist fast immer zornig. Und ohne Pardon! Und schrecklich behend! Aber der Rücken! Der ist ein Teufelsstück! Fünfzehn messerscharfe Dornen reckt der Ritter ins Leben hinaus, und am Bauch zückt er einen Dolch. Ein gefährlicher Kerl! Gnade Gott, wenn der die Größe eines Hechts hätte!

Oh, es ist ein kühnes und lustvolles Dasein, wenn die Welt voller Feinde ist und man allein durch sein Aussehen ihr Respekt einflößt; und wenn die Lebenstage voll Mut und Männlichkeit einhergehen.

Natürlich ist man, so schwer bewaffnet, in stetem Krieg mit der eigenen Sippe, die eben solche Stachelseelen hat. Und gar wenn man Hochzeiter ist, kann die Welt nicht räumig genug sein für selbstsüchtige Zukunftspläne.

Laikan sieht, wie diese Geharnischten vor Leidenschaft 184 und Eifersucht am ganzen Leib erglühen. Einer ist da, der eine wahre Bannmeile um sich her schafft. Ist er der Anführer der Sippe? Keineswegs! Solche stolzen und eigensüchtigen Ritter würden keinem Anführer gehorchen. Jeder treibt sein Leben vor sich her und läßt keinen Verwandten in es hinein. Wahrscheinlich sind sie überhaupt nur beisammen, um zu raufen und ihre Kräfte und Stacheln in Kondition zu halten.

Jener eine hat sich etwas Besonderes ergattert. Über die sanfte Abdachung einer Sandbank, die nicht sehr hoch vom Wasser überspült wird, hängt ein zerschlissenes, halbvermodertes Schiffstau. Hier wird der Mordskerl sich anbauen, hat er sich im Winter vorgenommen. Jetzt ist er damit beschäftigt.

Laikan hat viel erlebt, meint er. Aber daß ein Fischmann es treibt fast wie die Bachamsel, die er stundenlang oben in der Region der Nestmulde beäugt hat, das scheint ihm ungeheuer merkwürdig, und er steuert neugierig näher an das Tauende. Da kriegt er unversehens einen derben Stoß in die Flanke und kann von Glück sagen, daß der Stichling nicht aus anderer Richtung angriff. Er hätte es mörderischer und heimtückischer tun können. So etwa, wie der Lachs es bald darauf sehen muß, als der Erzürnte einem der eigenen Sippe seine Dolche in den Leib rennt, daß er schnappend und schieftreibend davonfließt.

Einen Augenblick ist Laikan erschrocken und ist mit blitzgeschwinder Wendung davongeflitzt. Er ist wütend, und weil er sehr jung ist, hat er Rachegedanken. Wäre er so alt wie Mutter Lachs, dann hätte er den Ritter 185 einfach verschluckt. Alte Lachse sind die einzigen Fischleute fast, vor denen die Stichlinge Angst haben. Aber zur Wehr setzen sie sich auch vor ihnen, ehe sie gefressen werden.

Der Stachelmann schleppt Baumaterial an. Hier findet er eine Alge, dort Tanghalme. Jetzt schwemmt die Strömung allerhand Brauchbares heran. Er stürzt sich darauf. Ein Tangbüschel hängt über die Sandbank, daran ihm dunkles Gefaser paßt. Wütend verbeißt er sich darein, zerrt und reißt, daß es hinter seinem Ruder ordentliche Strudel gibt, und läßt nicht ab, ehe er es hat. Sorglich legt er es zu den anderen Bausteinen.

Dann hat er bald den Boden fertig. Ho, das Taugefaser ist prächtig! Man kann Halm und Faser, Tang und Wurzel herrlich anheften. Das seltsame Häuschen wächst. Manchmal rutscht Sand herab. Das ist man gewöhnt. Die Schwanzflosse entfernt ihn rasch. Aber noch immer will es nicht fest genug halten. Dann schwimmt er sacht und dicht über dem Nest hin und verliert einen klaren Tropfen aus seinem Leib, der auf das Faserwerk hinabsinkt und dieses festleimt. Jetzt hält der Nestboden. Das Kunststück wird der Stichling noch oft wiederholen, und in ein paar Tagen hat er den Bau vollendet.

Die Ritterburg hängt stolz und schön im Taugefaser und ist so groß wie eine kleine Kokosnuß. An dieser Stirnwand hat der Baumeister ein kleines Tor offen gelassen, durch das er vergnügt ein und aus schlüpft. Denn im Innern gibt es noch allerhand zu tun, damit es sauber und hochzeitlich sich ausnimmt. Er ist sehr stolz auf sein Gebäu und umkreist es selbstzufrieden und glücklich. 186

Ein Wasserskorpion kommt das Tau herab. Funkelnden Blicks starrt der Stichling und ist über die Maßen wild auf den Frechen. Der Skorpion merkt von gar nichts und turnt weiter. Ganz nahe vor den Ahnungslosen pflanzt der Stichling sich hin. Der verhält; weil aber nichts passiert, krabbelt er weiter und nähert sich bedenklich dem Nest. Er kennt Stichlingeier gut und fadendünne junge Stichlinge auch. Jetzt landet der Zangenkerl auf dem Hausdach. Dann wird er die Wand herunterklettern und schnell in die offene Tür sich schwingen.

Noch immer starrt der Stichling. Seine Augen sind grün vor Wut, und er faßt die Frechheit des Einbrechers nicht. Aber jetzt! Vorwärts peitschen ihn seine Ruder, und die Hechtschnauze hat den Skorpion gepackt. Der reißt drohend die Zangen auf; aber darüber lacht der Grimmige. Sausend fährt er mit ihm ans Ende der Bank und spuckt ihn dort in den Sand.

Wie er wieder zurückkommt, ist ein Vetter dabei, von der Burg Besitz zu ergreifen, und beginnt dies damit, daß er einiges am Bau zu ändern versucht, was ihm wahrscheinlich anders besser paßt. Eben zerrt er an einer Tangrippe, als der Bauherr um die Ecke biegt. Gott schütze den Verwegenen!

Einige Minuten ist nichts mehr da als ein flitzender, gischtender Knäuel, zischendes und strudelndes Wasser, dunkel vor aufwölkendem Schlick und Sand. Manchmal funkelt ein haßerfülltes, grün schimmerndes Auge. Stacheln zucken, und Dolche blitzen schrecklich aus den Wirbeln. Beide Kämpen sind im übergroßen Zorn erblaßt, und die schöne Hochzeitsfarbe ist hin. 187

Vielleicht werden beide sich umbringen, denkt ein dritter, der um die Ecke lugt und sich an das Nest heranpirscht. Hinter ihm lugen viele Vettern und Basen.

Wenn es wieder klar wird um den Kampfplatz, steht der Sieger hochatmend zur Seite des Nests und sieht den Abgeschlagenen hinter der Vetternschaft Schutz suchen. Da kommt allmählich mit dem Bewußtsein seines Sieges die Freude über ihn und der Stolz auf seine Burg und die Hochzeitslust. In solcher Schöne und Kraft strahlt der Ritter jetzt, daß die neugierigen Weibchen, die mit grausamer Lust dem Zweikampf von ferne zugeschaut haben, zögernd näher kommen. Aber ihre Liebe verbergen sie.

Sie sind hochmütige Frauen. Aus wehrhaftem Geschlecht, halten sie nichts von williger oder gar schrankenloser Hingabe, wie sie die etwa bei den Sardinen oder gar bei den Heringen und anderen Fischleuten kennen. Streitsüchtig und hochfahrend wie alle Bewaffneten, tun sie, als sähen sie den strahlenden Ritter nicht. Nur das Haus interessiert sie. Aber auch dieses beäugen sie nur von oben herab.

Wie die Frauen langsam, nahe der Oberfläche über das Nest ziehen und hinabäugen, merkt er, daß sie aufeinander eifersüchtig sind. Er ersieht sich die Schönste aus ihnen. Die will er haben, und wenn er tagelang mit ihr und um sie kämpfen müßte. Er schießt aufwärts, daß er fast in den Stachel der Ziehenden gerannt wäre. Sie stieben auseinander, und er stürmt der Erkorenen nach. Das nehmen die anderen übel und stürzen sich zornig auf den Werber. Er schlägt sie ab, daß sie erbittert und 188 rachsüchtig davonfahren. Ho, sie werden den Pascha noch wirbeln lassen! Er soll beileibe nicht glauben, daß sie sich minder schön und begehrlich halten! Sie haben jenseits der Sandbank noch viele Männer, und einige haben ihr Haus bald fertig gebaut. Übrigens: man wird diesem Ritter einfach die Burg einreißen! Und schon zerren diese kleinen, stachligen Megären an dem Gerüst.

Da stürzt er herbei, gesträubt alle Dornen, toll vor Zorn; hinter ihm die Erwählte, die sich zwar keinesfalls noch für überwunden hält, sich aber soweit zu ihm gehörig fühlt, daß sie sein Haus als das ihrige betrachtet. Es gibt einen harten Kampf, denn die Verschmähten sind tapfer. Auch ist er nie sicher, ob die Auserwählte nicht plötzlich mit ihren Genossinnen halten wird. Es ist ungewiß, wie der Kampf ausgegangen wäre.

Da zieht das Tal zwischen den Sandbänken ein riesiger Barsch her, langsam, drohend, und aus schwarzen Augen grausam funkelnd. Wie auf Befehl sind die Stichlinge vereint und stehen waffenstarrend, die Hechtsägen aufreißend und aus zorngrünen Lichtern glotzend, in Phalanx.

Der Unhold fährt höhnisch und langsam steuernd, einmal, wie um zu schrecken, verhaltend, vorüber. »Nur, weil ich euch nicht mag, meine Kleinen«, scheinen seine Gieraugen zu sagen, und das riesige Maul schluckt Wasserstrudel ein. Dann verschwindet sein schwarzgrünes Ruder um die Sandbank ins Unsichtige.

Jetzt ziehen die rachsüchtigen Frauen ab, denn fernher kommt ein Trupp einjähriger glasheller Seeaale, die der Barsch flüchtig gemacht hat. Ho, das gibt eine 189 vergnügliche Treibjagd! Schon sind sie um die Ecke. Die beiden Hochzeiter sind allein.

»Das ist mein Haus!« –

»Ich habe es gebaut!« –

»Es ist sehr fest; ich habe fleißig gearbeitet.« –

»Willst du es nicht anschauen?« –

Weil sie nichts dergleichen tut und teilnahmslos vor dem Nest langsam hin und her rudert, schlüpft er hinein, glättet den feinen Sandboden mit der Schwanzflosse, lugt dann stolz und feurig aus grünen Lichtern zu ihr hinaus. Weil sie ein wenig aufmerksamer schaut, schlüpft er, strahlender noch das Hochzeitsgewand, wieder heraus und umkreist sie werbend. Aber sie entfernt sich wieder von der Hochzeitskammer und taucht aufwärts.

Er taucht ihr nach. Einen leichten Stoß versetzt er der Hochfahrenden in die Seite. Entrüstet tut sie einen Schlag mit dem Ruder und kommt vom Nest ab. Er verstellt ihr den Weg und pufft sie in die andere Seite. Sie flitzt, durch solch ungestüme Werbung eingeschüchtert, gegen das Nest, und er glaubt an gewonnenes Spiel. Aber sie dreht bei und kehrt um. Jetzt zeigt er ihr die offene Säge, und weil die auch keinen Eindruck macht – denn die ihrige ist fast gleich schrecklich, und sie hat schon mehr als einen Mann halb zerrissen –, starren plötzlich seine Stacheln giftig den Rücken entlang, und der Dolch am Bauch reckt sich mörderisch. Damit aber hat er ausgespielt. Vergewaltigen läßt sich diese hochmütige Frau nicht, und sie schießt pfeilschnell davon.

Vor Enttäuschung ist seine Glut erkaltet, und der 190 Regenbogen über seinem Leib erlischt. Die smaragdenen Augen werden weißgrau und starren der Entflohenen nach. Es ist, als schrumpfe der Ritter in sich ein. –

Von den drei Weibchen, die jetzt zögernd heranrudern, wählt er die strahlendste aus, und gleich rötet sein Leib sich, und der schimmernde Harnisch zeigt den Herannahenden seine Leidenschaft.

Ein wenig Gewalt muß er wieder anwenden. So spröde aber wie die Entflohene ist die Neuerkorene nicht. Ein paar freundliche Püffe, die sie noch für Zärtlichkeiten halten kann, versetzt er ihr, und die grünen Augen funkeln auf, als sie jetzt vor der Tür des Hauses verhält und neugierig hineinblickt. Vielleicht schaut sie nach, ob die Kinderstube groß genug und sauber ist. Er hält gespannt seitlich hinter ihr, und seine Flossen zittern vor freudigem Stolz.

Dann schlüpft sie hinein. Er folgt ihr. Oh, glückseliges Liebesspiel! Im dunklen Haus leuchten die großen Smaragde der Hochzeiter, und sanfte Strudel bewegen sich über diesem Spiel.

Aber dann findet sie, daß die Kinderstube nicht genug frische Luft hat. Sie bohrt in der, der Tür gegenüberliegenden Wand ein Loch, durch das sie davongeht. Nun mag das Wasser freundlich über das winzige Gelege fächeln. Das brauchen die Kinder, die noch in den Eihäutchen schlafen. Damit hat sie ihre Pflicht in diesem Haus erfüllt. An mehr denkt sie nicht. Sie denkt nicht daran, etwa weiter um ihre Kinder sich zu kümmern. Oh, keinen Deut! Das mag er besorgen! Hat er nicht auch das Haus gebaut? Natürlich! Auch das weitere ist 191 seine Sache. Es ist überhaupt bei Fischleuten nicht der Brauch, um das Geschlecht sich zu kümmern. Wozu, wenn man Millionen zu verschenken hat? Freilich, bei dieser geharnischten Sippe ist die Nachkommenschaft recht gering. Vielleicht hat er darum das feste Haus gebaut? Sie jedenfalls hält es, als hätte sie für Millionen gesorgt, und kümmert sich um nichts mehr. Keinen Blick tut sie zurück auf die drei winzigen Eier, die sie dem Burgherrn gelassen hat. Aber in viele andere Nester und zu vielen anderen Männern noch wird sie schlüpfen. Sollte sie da Kinder betreuen? Wie denn? Zärtlichkeit und Gefühl hat sie nicht. Sie treibt ein herrisches und eigensüchtiges Leben, in dem viel zornige Grausamkeit ist. Wie anders als die heitere Lust der Gründlinge oder die stille Zufriedenheit der Karpfen; ja selbst als die gewalttätige Liebe großer Hechte oder die stolze und herrscherliche Hochzeit und geduldige Liebeswanderschaft der adligen Lachse!

Sie ist schon jenseits der Sandbank verschwunden, als er zur Tür herauskommt und nach ihr schaut.

Er ist es gewöhnt, von den Müttern seiner Kinder so behandelt zu werden. Viele Frauen kommen jeden Frühling in seine Burg und lassen von seiner Leidenschaft sich überrennen. Alle gehen sie aus der anderen Tür davon und schauen ihn nicht mehr an. Oh, wollte es eine unternehmen, ihm treu zu bleiben, wie das andere Fischmänner dulden, dann würde aus seiner Leidenschaft alsogleich Grausamkeit und Haß sich erheben. Denn die ruhen als erste auf dem Grund seiner Stachelseele. Warum etwa könnten sie zum Nest zurückkehren? Um die eigenen Kinder 192 aufzufressen! Andere Gründe kennen sein Mißtrauen, sein Haß und seine Erfahrung nicht. Mag jede sich vorsehen! Wenn sie ihre Pflicht getan haben und das Gelege ihm groß genug scheint, dann hat er seine Dolche für jede Frau, die etwa unter mütterlichen Vorwänden oder auch, wann seine Leidenschaft erkaltet ist, als Geliebte sich nahen will. Der Zweikampf wäre schrecklich.

Nein, was das Leben der Kinder noch weiterhin fordert, das zu tun ist seine Sache, war immer seine Sache, wird es bleiben in alle Zukunft. Liebe ist tot, aber Vaterliebe ist aufgewacht.

Die hinausschlüpfenden Frauen haben die rückwärtige Tür zuviel ausgeweitet. Er mauert sie enger. Manch heißeren Tag scheint ihm die Strömung zu schwach und stickig, und er fürchtet, daß die Kinder in den Eihäutchen sterben könnten. Da stellt er sich vor der Tür oder im Haus drinnen kopfunter über dem Gelege auf und fächelt stundenlang mit den Brustflossen, erzeugt kleine Strudel und Strömungen, und die Eier können leichter leben. Er ist ein besorgter Vater.

Als Laikan nach etwa zehn Tagen seit jenem ersten Besuch wieder vorbeikommt, sieht er den Stichling damit beschäftigt, sein Haus abzubrechen. So wütend ist er bei der Zerstörung der mühselig gebauten Burg; so heftig zerrt und reißt er an Halmen und Gräsern, Tang und Gefaser, daß er den Lachs, der um die Biegung der Sandbank lugt, gar nicht gewahrt. Laikan staunt und begreift nichts. Warum baut man, wenn man zerstört? Weder Bachamsel noch Bachstelze tun das; sie sind nur eines Tages nicht mehr da. Aber das Nest ist immer noch da. 193 Auch die Haarleute hat er nie ihre Röhren zugrunde richten gesehen. Im Gegenteil: wann das Wasser dies tat, haben sie emsig sie wieder hergerichtet. Es wird also etwas Neues sein, was der Stachlige treibt. Denn ohne Grund treibt keiner was; soviel hat Laikan erfahren. Vielleicht ist der Stichling nur wieder zornig? Aber auch das wird einen Grund haben! Vorsichtig rudert Laikan näher und ohne Flossen fast.

Wahrhaftig, da hat der Ritter die Burg völlig eingerissen. Den bloßen Boden hat er stehenlassen, und um dessen Glätte und Sauberkeit bemüht er sich gerade. Immer noch hat er den Lachs nicht gewahrt, der ohne Wellen und Strudel herankommt.

Oh, jetzt begreift Laikan alles. Seine Augen funkeln plötzlich vor Jagdlust. Denn da, auf dem Boden des zerstörten Hauses, wimmeln winzige Ritterbübchen und Rittermädchen, die an fast unsichtbaren Dottersäcken hängen. Der Lachs ist ganz sicher, daß er mit einem einzigen und köstlichen Schluck die ganze Kinderstube bewältigen wird, und er schickt sich an. Vergessen hat er des Ritters Dolche, vergessen die Hechtsäge und die unbändige Wut dieses Geharnischten.

Da fällt sein Schatten in das grüne Auge des Stichlings. Blitzschnell dreht er bei und steht starrend in allen Waffen, funkelnd in Wehr und Tapferkeit, vor dem Nesträuber.

Einen Augenblick nur zögert dieser, denn die Witterung aus der Kinderstube ist köstlich. Da aber schießt der Stichling, der genau weiß, was dieser Besuch bedeutet und das Hinstarren der grauen Augen, vorwärts. Wie 194 eine Lanze schleudert er sich und landet in der Flanke des Lachses, dessen Bauchflosse er zornig einen scharfen Biß versetzt.

Einen gewaltigen Ruderschlag tut Laikan, aber der Stichling ist ein erfahrener Kämpe. Er stößt sich abwärts und ist schon dabei, dem Nesträuber die Rückendolche in den Leib zu rennen. Nur daß der Schlag des Lachses diesen rasch fördert, rettet ihm das Leben. Zischend und gischtend ist die Furche des verfolgenden Wehrhaften; und erst als Laikan um das Ende der Sandbank hinausstürmt, läßt der Stichling ab und kehrt reißend zum Nest zurück.

Ängstliche Tage sind es für den besorgten Vater aller dieser Kinder so verschiedener Frauen. Sie wachsen rasch, und sein Hüteramt ist aufregend genug.

Der Skorpion ist eines Abends wiedergekommen. Diesmal hat ihn der Ritter durch und durch gebissen. Jetzt wird er nicht mehr kommen. Aber andere kommen, und es geht ihnen allen gleich.

Aus der Schar der jungen Lachse sind ein paar vorbeigekommen, und fast wäre der Stichling ihrer nicht Herr geworden. Nach diesem Abenteuer hat ihn eine Schwäche übermannt, und er ist still neben der Kinderstube auf dem Sand gelegen.

Laikan hat sich noch einmal angepirscht, aber als er den Ritter sah, ist er wieder umgekehrt.

Vater Stichling rettet sein Kind vorm Versinken

Die größte Sorge aber kommt erst für ihn. Die Kinder beginnen frühe Ruderversuche und wagen sich in die tödliche Welt hinaus. Sie sind verschiedenen Muts und Verlangens, nach der Verschiedenheit ihrer vielfältigen 195 Mütter. Da flitzt ein Kerlchen, das kaum zwei Millimeter groß ist, über den Nestrand hinaus und sinkt, von solchem Abenteuer rasch geschwächt, ins Bodenlose. Er stürzt dem Versinkenden nach, schluckt ihn und speit ihn über dem Nestboden in die Schar der andern wieder aus. Inzwischen ist ein Verwegener aufwärts getaucht und gerät in die Nähe gefährlicher Räuber. Eine Wasserspinne ist vorwärts gestürzt, und gerade erwischt der Stichling den Ausreißer noch vor der Spinne.

Endlich aber bewältigt er dieses täglich unmöglicher werdende Hüteramt nicht mehr. Immer häufiger wird die Nestflucht, immer weiter fort gelangen die jungen Rittersleutchen. Einige finden nicht mehr zurück. Und als er eines Tages einen blutigen Strauß auszufechten hat mit einer der Mütter, die gekommen war, um dem Gelege einen mörderischen Besuch zu machen, und er siegreich über dem Nest sich einfindet, ist dieses fast leer.

Da gibt er es auf. Ein paar Stunden noch verhält er äugend und fächelnd vor der dünnen Kinderstube und wehrt den Davonstrebenden nicht mehr. Die großen Augen der Jungen blicken schon feindselig aufeinander. Da weiß er, daß sie ihn nicht mehr brauchen und daß sie tüchtige Ritter und Raufer werden. Seine Hochzeitsgewänder sind verblichen, und die großen Smaragde blicken kalt und grau ins Unsichtige, wo das Leben des Jahres wieder herkommen wird.

Für dieses Mal hat er seine Pflicht redlich und nach Ritterweise getan und ist es zufrieden, wieder sein eigenes Leben leben zu können, das erfüllt ist von Waffengerassel und hochmütigem Selbstgefühl. 197

 


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