Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Jugendthal.

                 

Da bist du ja im Morgenstrahl,
Mein nie vergeßnes Jugendthal!
    Der Berge Kranz, die wunderblaue Quelle,
    Städtchen und Kloster, Alles ist zur Stelle.

Noch immer steigt, gezackt und wild,
Empor seltsames Felsgebild,
    Burgtrümmer schauen über Höhlenschlünde
    Auf stillen Fluß und zarte Wiesengründe.

So oft hab' ich geträumt von dir:
Fast, liebes Thal, erschienst du mir
    Als Traum, als Märchen, alte, alte Sage
    Vom Morgenland, vom jungen Erdentage.

Hier kennt mich keine Seele mehr,
Fremd seh'n die Leute nach mir her,
    Doch bring' ich mit, was Einsamkeit versüßet:
    Ein Völkchen, das mich kennt und das mich grüßet.

Laut reget sich ein Knabenschwarm,
Zu Zweien manche, Arm in Arm,
    Mit hellem Aug' und rosenrothen Wangen
    Dort aus dem Kloster kommen sie gegangen.

O Duft, o Kelch der Blüthezeit!
Der Jugend süße Trunkenheit!
    Die Liebe weint, der holde Muthwill sprühet,
    Die Seele singt, der goldne Himmel glühet.

Wo sind sie hin? Zersprengt, verweht,
Wie Gras des Feldes hingemäht!
    Nur wenige Greise sind noch übrig blieben,
    Zu zählen, wer noch lebt von all' den Lieben.

Du dort in der gedrängten Schaar,
Du mit dem weichen Lockenhaar,
    Dich kenn' ich näher, munterer Geselle,
    Ja, du bist ich auf meiner Jugend Schwelle.

Wie lachte ich das Leben an!
Wie sprang ich jauchzend in die Bahn!
    Wie arglos wohnte neben wilden Scherzen
    Gesunder Ernst im frischen, schlichten Herzen!

Fern leuchtet Rom und Griechenland
Durch die getheilte Nebelwand,
    Von Plato's Silberfittigen gehoben
    Schwebt fromm und stolz der junge Geist nach oben.

Wie Licht so hell, wie Schnee so rein,
Gelobt' ich, soll mein Leben sein!
    Was wußt' ich von des Weltgangs irren Pfaden!
    Da bin ich nun, und bin so schuldbeladen.

Nicht, daß es bleiern mich beschwert,
Ich kenne meines Lebens Werth,
    Ich weiß, wie ich gestrebet und gerungen
    Und was der sauren Arbeit ist gelungen.

Doch heute, wo heraus zum Wald
Das alte Klosterglöckchen schallt,
    Heut, wo ich aus so ungetheilter Nähe
    Dem frohen Knaben in die Augen sehe,

Der ich einst war, der so vertraut,
So schuldlos mir entgegenschaut,
    Heut weiß ich nichts von meinem Tagewerke,
    Hin thaut der Stolz, es beuget sich die Stärke.

Zur Felsenhöhle wandl' ich hin –
Vor Zeiten träumt' ich oft darin –:
    Laß, alt Gestein, mich heut in meinen Thränen
    Ganz still an deine graue Wand mich lehnen.


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