Friedrich Theodor Fischer
Lyrische Gänge
Friedrich Theodor Fischer

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Sprache.

I.

                 

Wohl mir, daß ich im Land aufwuchs, wo die Sprache der Deutschen
    Noch mit lebendigem Leib im Dialekte sich regt,
Milch der Mutter noch trinkt, noch quellendes Wasser am Borne,
    Vom Schulmeister noch nicht rektifizirtes Getränk!
Immer wenn Einer spricht, der nie gelebt in der Mundart,
    Hör' ich im Oberton einen didaktischen Klang.

 
II.

       

Freue des Lobs dich nicht, mein biederer schwäbischer Vetter,
    Der du verwachsen blind im Dialekte noch steckst,
Der du kokett naiv vor fremden Ohren ihn bloßstellst:
    Dazu, gemüthlicher Freund, ist er zu schlecht und zu – gut.
Nicht versteht es die Welt, welch' ungehobene Schätze
    Köstlichen ächten Golds er noch im Schoße bewahrt.
Draußen weiß man es nur, daß er nicht korrekt und modern ist,
    Und der Ironiker lacht über das lallende Kind,
Daß ein Schnitzer ihm scheint, was organisch gut und naturvoll,
    Reicher und saftiger ist, wundre und ärgre dich nicht!
Unrecht hat er, es sei! Doch Recht auch hat er im Unrecht;
    Sieht er auch farblos hell, sieht er doch heller als du.
Soll vom Besondern heraus das Allgemeine sich bilden,
    Schwindet auch immer ein Theil Frische und Fülle dahin.
Kennst du es ganz, das Gut, wenn in Einer Sprache sich finden,
    Sich empfinden, versteh'n sämmtliche Stämme des Volks?
Kennst du des Gutes Werth? Er ist unendlich. Die Mundart,
    Traulichem Lampenschein gleicht sie im wohnlichen Haus,
Aber die Sprache, sie gleicht der Königlichen, der Sonne,
    Wie sie in's Offne hinaus Meere des Lichtes ergießt.

 
III.

           

Also, Lieber, was folgt? Man befehle jeglichem Schwaben:
    Drei der Jahre hindurch sprichst du kein schwäbisches Wort!
Wenn dir Eines entfällt, so trifft dich empfindliche Strafe:
    Etwa mit Einer Mark werde die Sylbe gebüßt!
Ist sie zu Ende die Zeit, so bist du entlassen, und frei nun
    Stehst du, ein wählender Herr, über und im Dialekt,
Meidest, wo er nicht paßt, und sprichst ihn, wo er im Recht ist,
    Unter den Deinen, im Haus, in dem befreundeten Kreis,
Scheidest mit freiem Blick, was er hat, von dem, was er nicht hat,
    Scheuest vielleicht sogar einiges Studium nicht.
Nun erkennst du das Gold, das einst die Sprache zurückließ,
    Als sie aus Mundartschoß langsam und schwer sich entband,
Hebst es mit sicherem Griff und rückst es kühnlich in's Licht vor,
    Wo die Sprache der Schrift Lücken und Blößen dir zeigt.
Jetzt, Freund, bist du im Recht und magst des Kritikers lachen,
    Der von Sprache nur weiß, wie sie die Schule dozirt.
Laß ihn stehen, den Kopf, der eine lebendige Sprache
    Vor der Bereicherung Glück hütet, als wäre sie todt,
Laß ihn stehen, er riecht ja nichts, er ist ja von Leder,
    Lederne Nase verspürt nimmer den Hauch der Natur.

 
IV.

       

Zeitungsdeutsch, ihr meine Lieben,
Nein! Das hab' ich nie geschrieben,
Die Setzer hab' ich arg erschreckt,
Die Korrektoren hart geneckt.
Sie aber waren auch nicht dumm,
Sie drehten klug den Stiel herum,
Sie haben mir's in's Wachs gedrückt:
Mit Besserungen zum Verzweifeln
Ward mir von diesen schwarzen Teufeln
Zum Schlusse noch der Text beglückt.


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