Alfred de Vigny
Cinq-Mars oder eine Verschwörung gegen Richelieu
Alfred de Vigny

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Dreiundzwanzigstes Kapitel. Die Abwesenheit

Wer von uns hat nicht schon einen eigentümlichen Reiz darin gefunden, mit den Augen den Wolken des Himmels zu folgen? Wer hat sie nicht schon um die Freiheit ihrer Reisen mitten durch die Lüfte beneidet, sei es, wenn sie massenweise vom Winde dahergewälzt und von der Sonne gefärbt worden oder ruhig, gleich einer Flotte dunkler Fahrzeuge, deren Vorderteile vergoldet sind, einherziehen, sei es, wenn sie als leichte Gruppen ausgesät, schnell und schlank gleich Zugvögeln, durchsichtig wie große dem Schatz des Himmels entfallende Opale am Gewölbe des Weltalls hinschweben?

Der Mensch ist ein langsamer Reisender, der diese schnellen Passagiere beneidet; zwar minder schnell als seine Einbildungskraft haben sie doch an einem Tage die Orte alle gesehen, die er aus Erinnerung oder Hoffnung liebt, die, welche Zeugen seines Glücks oder seiner Leiden waren, und jene so schönen unbekannten Länder, wo man alles auf einmal anzutreffen glaubt.

Es gibt ohne Zweifel nicht einen Ort der Erde, nicht einen wilden Felsen, nicht eine dürre Ebene, an der wir gleichgültig vorübergehen, die nicht durch die Lebensschicksale eines Menschen eine höhere Weihe erhielten und sich in seiner Erinnerung abmalen, denn gleich verwüsteten Schiffen lassen auch wir, bevor uns der unvermeidliche Schiffbruch ereilt hat, auf jeder Klippe Trümmer unseres Selbst zurück.

Wohin ziehen sie, die blauen, schweren Wolken dieses Gewitters der Pyrenäen? Mit seinem flammenden Hauche treibt sie der Wind aus Afrika vor sich her; sie fliegen dahin, sie wälzen sich donnernd übereinander, schleudern Blitze vor sich her, als brauchten sie Fackeln, und schleppen gleich einem Dunstkleide eine lange Regenschleife hinter sich nach. Haben sie sich mit Gewalt den felsigen Engpässen entwunden, die sie einen Augenblick in ihrem Laufe hemmten, so begießen sie im Béarn das malerische väterliche Erbgut Heinrichs IV.; in der Guienne die Eroberungen Karls VII.; in der Saintonge, in Poitou, in der Touraine die Karls V. und Philipp Augusts, und indem sie langsamer über die alte Domäne von Hugo Capet hinziehen, stehen sie grollend über den Türmen von Saint-Germain still.

»O Madame!« sagte Marie von Mantua zu der Königin, »sehen Sie, welch furchtbares Gewitter von Süden heraufzieht?«

»Sie schauen sehr oft nach dieser Seite, meine Liebe«, antwortete Anna von Österreich, auf den Balkon gelehnt.

»Es ist die Sonnenseite, Madame.«

»Und die Wetterseite«, sagte die Königin, »Sie sehen es; glauben Sie meiner Freundschaft, mein Kind, diese Wolken können nichts Glückliches für Sie gesehen haben. Ich würde Sie lieber die Augen nach der Richtung von Polen wenden sehen. Schauen Sie, über welch ein schönes Volk Sie herrschen könnten.«

In diesem Augenblick sprengte der Prinz Palatin, wahrscheinlich um dem beginnenden Regen zu entgehen, mit einem zahlreichen Gefolge junger Polen auf prächtigen Pferden unter den Fenstern der Königin hin; ihre türkischen, mit Knöpfen von Diamanten, Smaragden und Rubinen besetzten Wämser, ihre grünen und flachsblütfarbenen Mäntel, die hohen Federn ihrer Pferde und ihr abenteuerliches Aussehen ließen sie in einem seltsamen Glanze erscheinen, an den sich der Hof ohne Mühe gewöhnt hatte. Sie hielten einen Augenblick still, und der Prinz grüßte zweimal hinauf, während das leichte Tier, das er ritt, seitwärts ging und die Stirn immer gegen die Prinzessinnen drehte; sich bäumend und wiehernd schüttelte es seine Mähne und schien, den Kopf zwischen die Beine gesteckt, zu grüßen; sein ganzes Gefolge wiederholte im Vorüberreiten das nämliche Manöver. Die Prinzessin Marie hatte sich anfangs zurückgezogen, um die Tränen in ihren Augen nicht sehen zu lassen; allein der glänzende und schmeichelhafte Aufzug lockte sie auf den Balkon zurück und sie konnte sich nicht enthalten, zu rufen:

»Wie anmutig doch der Palatin dieses hübsche Pferd reitet! Er scheint nicht daran zu denken.«

Die Königin lächelte.

»Er denkt an die, welche morgen seine Königin wäre, wenn sie nur leicht mit diesem Kopfe nicken und auf diesen Thron einen huldreichen Blick ihrer großen schwarzen, mandelförmig geschlitzten Augen werfen wollte, statt diesen armen Fremden immer mit jener gewissen schmollenden Miene zu empfangen und, wie gerade jetzt, das Mäulchen hängen zu lassen.«

Mit diesen Worten versetzte Anna von Österreich mit ihrem Fächer den Lippen Maries einen leichten Schlag, so daß diese sich nicht enthalten konnte, ebenfalls zu lächeln; allein sogleich machte sie sich einen Vorwurf darüber, senkte den Kopf und sammelte sich, um wieder in ihre Traurigkeit zu versinken, die zu entfliehen begann. Ja, sie mußte, um dieses zu bezwecken, noch die schweren Wolken betrachten, die über dem Schlosse schwebten.

»Armes Kind«, fuhr die Königin fort, »du tust, was du kannst, um recht treu zu sein und dich in der Schwermut deines Romans zu erhalten. Du schadest dir durch die schlaflosen Nächte, die du mit Weinen, Nachsinnen oder Schreiben zubringst, und schadest dir, daß du an der Tafel nicht mehr issest; aber ich versichere dich, daß du's zu nichts bringst, als daß du mager wirst, deine Schönheit einbüßest und ein Königreich verscherzest. Dein Cinq-Mars ist ein kleiner Ehrgeiziger, der sich zugrunde gerichtet hat.«

Als Anna von Österreich sah, daß Marie ihren Kopf in ihr Sacktuch verbarg, um wieder zu weinen, ging sie auf einen Augenblick in ihr Zimmer, ließ sie allein auf dem Balkon zurück und tat, als suche sie Kleinodien in ihrer Toilette, bald jedoch kam sie langsam und ernst zurück und stellte sich ans Fenster; Marie war ruhiger und schaute traurig auf die Landschaft, die Hügel am Horizont und auf das allmählich sich ausbreitende Gewitter.

Mit ernsterem Tone begann die Königin wieder:

»Gott hat Ihnen mehr Güte bezeigt, als Ihre Unbesonnenheiten es vielleicht verdienten, Marie; er hat Sie aus einer großen Gefahr errettet: Sie wollten große Opfer bringen, die sich glücklicherweise nicht so erfüllt haben, wie Sie glaubten. Die Unschuld hat Sie vor der Liebe errettet; Sie gleichen einer Person, die, im Wahn ein tödliches Gift zu sich zu nehmen, nur reines und unschädliches Wasser getrunken hat.«

»Ach, Madame, was wollen Sie damit sagen? Bin ich nicht schon unglücklich genug?«

»Unterbrechen Sie mich nicht«, entgegnete die Königin, »Sie werden Ihre jetzige Lage mit anderen Augen ansehen. Ich will Sie nicht der Undankbarkeit gegen den Kardinal beschuldigen; ich habe zu viel Gründe, ihn nicht zu lieben! Auch war ich ja Zeuge des Entstehens der Verschwörung. Dennoch könnten Sie sich erinnern, meine Liebe, daß er der einzige in Frankreich war, der gegen den Rat der Königin-Mutter und des Hofes Krieg mit dem Herzogtum von Mantua wollte, das er dem Kaiserreich und Spanien entriß und dem Herzog von Nevers, Ihrem Vater, zurückgab; hier in eben diesem Schlosse Saint-Germain wurde der Vertrag unterzeichnet, der den Herzog von GuastallaAm 19. Mai 1632. des Herzogtums entsetzte. Sie waren damals noch sehr jung . . . Dennoch konnte Ihnen dies nicht unbekannt bleiben. Und jetzt ist ein junger Mann von zweiundzwanzig Jahren einzig aus Liebe (ich will es glauben, wie Sie) im Begriff, ihn ermorden zu lassen . . .«

»O, Madame, dessen ist er unfähig. Ich schwöre Ihnen, daß er sich dessen geweigert hat . . .«

»Ich habe Sie gebeten, Marie, mich reden zu lassen. Ich weiß, daß er groß, mutig und bieder ist: ich will glauben, daß er entgegen dem Brauch unserer Zeit Mäßigung genug besitzt, um nicht so weit zu gehen, einen Greis zu töten, wie es der Ritter von Guise getan hat. Wird er aber so viel Macht haben, das zu verhindern, wenn er ihn mit offener Gewalt fangen läßt? Das können wir so wenig wissen wie er! Gott allein kennt die Zukunft. So viel ist wenigstens gewiß, daß er ihn um Ihretwillen angreift und er, um ihn zu stürzen, den Bürgerkrieg vorbereitet, welch erfolgloser Krieg vielleicht in eben dieser Stunde, wo wir davon reden, ausbricht! Auf welche Art er sich immer wenden möge, er wird nur Unheil bringen, denn Monsieur ist im Begriff, sich von der Verschwörung loszusagen.«

»Wie, Madame!«

»Hören Sie mich an, sag' ich Ihnen: ich bin davon überzeugt, mehr brauche ich mich nicht zu erklären. Was wird der Großstallmeister tun? Der König ist gegangen, wie er geahnt hat, den Rat des Kardinals einzuholen. Seinen Rat holen heißt, ihm nachgeben! Der Vertrag mit Spanien ist aber unterzeichnet worden; wird er entdeckt, was beginnt dann Herr von Cinq-Mars allein? Zittern Sie nicht so, wir werden ihn retten, werden sein Leben retten, das verspreche ich Ihnen; es ist noch Zeit dazu . . . hoffe ich.«

»Ach, Madame! Sie hoffen? Ich bin verloren!« rief Marie schwach und halb ohnmächtig hinsinkend.

»Setzen wir uns«, sagte die Königin; und indem sie sich am Eingang des Zimmers neben Marie setzte, fuhr sie fort:

»Ohne Zweifel wird Monsieur, indem er für sich unterhandelt, für alle Verschworenen unterhandeln, allein die Verbannung, ewige Verbannung wird ihre geringste Strafe sein. Die Herzogin von Nevers und Mantua, die Prinzessin Marie von Gonzaga, die Gattin des Herrn Henri d'Effiat, Marquis von Cinq-Mars, ist also dann auch verbannt!«

»Wohlan, Madame, ich werde ihm ins Exil folgen; das ist meine Pflicht, ich bin sein Weib; ich möchte ihn schon darin in Sicherheit wissen!« rief Marie schluchzend.

»Achtzehnjähriger Mädchen Träume!« sagte die Königin, Marie haltend. »Erwachen Sie, Kind, erwachen Sie, es ist nötig; ich will keine der Eigenschaften des Herrn von Cinq-Mars leugnen; er hat einen großen Charakter, einen umfassenden Geist, einen ungewöhnlichen Mut; aber er kann Ihnen nichts mehr sein, und glücklicherweise sind Sie weder seine Frau noch selbst seine Verlobte.«

»Ich gehöre ihm an, Madame, ihm allein . . .«

»Doch ohne Einsegnung«, entgegnete Anna von Österreich, »kurz ohne Trauung; kein Priester hätte das gewagt, der Ihrige hat es nicht einmal getan, wie er mir sagte. – Schweigen Sie«, fügte sie hinzu, indem sie ihre beiden schönen Hände auf Maries Munde legte.

»Schweigen Sie! Sie wollen mir sagen, Gott habe Ihre Schwüre gehört, Sie können nicht ohne ihn leben, Ihre Geschicke seien unzertrennlich, der Tod allein könne Ihre Verbindung brechen? Reden Ihres Alters, süße Hirngespinste eines Augenblicks, über die Sie, glücklich, sie nicht Ihr Leben lang beweinen zu müssen, einst selbst lächeln werden! Unter allen den jungen, so glänzenden Frauen, die Sie in meiner Umgebung am Hofe sehen, ist nicht eine, die nicht in Ihrem Alter einen schönen Liebestraum gleich dem Ihrigen gehabt, die nicht eines jener Bande geknüpft, die man unauflöslich glaubt, und nicht insgeheim dem Gegenstand ihrer Liebe ewige Treue geschworen hätte. Wohlan, diese Träume sind zerronnen, diese Bande gebrochen, die Schwüre vergessen, und doch sehen Sie dieselben als glückliche Gattinnen und Mütter, von den Ehren ihres Ranges umringt und alle Abende bei mir lachen und tanzen . . . Ich errate, was Sie mir noch sagen wollen . . . daß diese nicht so herzlich liebten wie Sie, nicht wahr? Wohlan! Sie täuschen sich, mein liebes Kind; sie liebten ebenso herzlich und weinten nicht weniger. Aber hier muß ich Sie jenes große Geheimnis kennen lehren, das schuld an Ihrer Verzweiflung ist, weil Sie nicht wissen, welch ein Übel Sie verzehrt. Unser Dasein ist ein doppeltes, meine Freundin; unser inneres Leben, unser Gefühlsleben, arbeitet heftig in uns, während das äußere Leben wider Willen bei uns vorherrscht. Man ist nie von den Menschen unabhängig, und besonders nicht in einer höheren Stellung: allein glaubt man sich Herrin seines Geschickes; wir brauchen jedoch nur ein paar Personen zu sehen und wir fühlen alle unsere Fesseln wieder, indem wir uns unseres Ranges und unserer Umgebung erinnern. Was sag' ich! Halten Sie sich eingeschlossen und überlassen Sie sich allem, was die Leidenschaften an mutvollen und außerordentlichen Entschlüssen erwecken, an wundervollen Opfern Ihnen aufladen, und es bedarf nur eines Lakaien, der Ihre Befehle einzuholen kommt, um den Zauber zu brechen und Sie ins wirkliche Leben zurückzurufen. Dieser Kampf zwischen Ihren Vorsätzen und Ihrer Stellung ist das, was Sie aufreibt; Sie sind innerlich über sich selbst böse, machen sich bittere Vorwürfe . . .«

Marie wandte den Kopf ab.

»Ja, Sie halten sich für sehr strafbar. Verzeihen Sie sich, Marie; die Menschen alle sind so relative und voneinander abhängige Wesen, daß ich wahrlich nicht wüßte, ob das völlige Zurücktreten von der Welt, das wir bisweilen sehen, nicht gerade um der Welt willen geschieht; die Verzweiflung hat ihr Gesuchtes und die Einsamkeit ihre Koketterie. Man behauptet, die finsteren Eremiten hätten sich nicht enthalten können, sich zu erkundigen, was man von Ihnen sage. Dieses Bedürfnis der allgemeinen Meinung ist eine Wohltat, da sie beinahe immer das Ungehörige in unserer Einbildungskraft bekämpft, und Pflichten, die man nur zu leicht vergißt, zu Hilfe kommt. Man empfindet (und Sie werden das hoffentlich auch noch fühlen), indem man sich seinem vorgezeichneten Lose wieder fügt und nach dem Opfer dessen, was uns von der Vernunft abzog, die Befriedigung eines Verbannten, der in seine Familie zurückkehrt, eines Kranken, der nach einer durch Alpdrücken getrübten Nacht den Tag und die Sonne wiedersieht. Es ist das Gefühl eines sozusagen zu seinem natürlichen Zustande zurückgekehrten Wesens, das die Ruhe verleiht, die Sie in so vielen Augen sehen, die auch ihre Tränen hatten, denn es gibt wenige Frauen, welche die Ihrigen nicht gekannt haben. Sie würden sich für meineidig halten, wenn Sie auf Cinq-Mars verzichteten? Aber es bindet Sie ja nichts; Sie haben Ihre Schuld gegen ihn mehr als abgetragen, indem Sie während mehr als zwei Jahren die königlichen Hände, die Ihnen dargeboten waren, ausschlugen. Ei, was hat er eigentlich getan, dieser so leidenschaftliche Liebhaber? Er hat sich emporgeschwungen, um Sie zu erreichen; doch könnte der Ehrgeiz, der Ihnen hier der Liebe behilflich schien, sich nicht auch selbst behilflich gewesen sein? Dieser junge Mann scheint mir etwas zu durchdacht, etwas zu ruhig bei seinen politischen Schlichen, etwas zu unabhängig bei seinen umfassenden Entschlüssen, bei seinen ungeheueren Unternehmungen, um ihn nur von seiner Zärtlichkeit beseelt zu glauben. Wären Sie statt eines Zieles nur ein Mittel gewesen, was würden Sie dazu sagen?«

»Ich würde ihn doch noch lieben«, antwortete Marie, »so lange er lebt, werde ich ihm angehören, Madame.«

»So lange ich aber leben werde, ich«, sagte die Königin mit Festigkeit, »werde ich mich dem widersetzen.«

Bei diesen letzten Worten prasselten schwere Regentropfen und Schloßen heftig auf den Balkon nieder; die Königin benutzte das, um ihn rasch zu verlassen und in ihre Gemächer zurückzukehren, wo die Herzogin von Chevreuse, Mazarin, Frau von Guémenée und der Prinz Palatin sie seit einem Augenblick erwarteten. Die Königin trat zu ihnen hin; Marie setzte sich hinter einen Vorhang, um ihre roten Augen nicht sehen zu lassen. Sie wollte sich anfangs nicht in die heitere Unterhaltung mischen, dennoch zogen einige Worte ihre Aufmerksamkeit an. Die Königin zeigte der Prinzessin von Guémenée Diamanten, die sie soeben aus Paris erhalten hatte.

»Was diese Krone betrifft«, sagte sie dann unter anderem, »so gehört sie nicht mir, der König wollte sie für die künftige Königin von Polen machen lassen, und wer die sein wird, weiß man noch nicht.«

Und zu dem Prinzen Palatin gewandt:

»Wir sahen Sie vorbeireiten, Prinz, zu wem gingen Sie denn?«

»Zur Herzogin von Rohan«, antwortete der Pole.

Der zudringliche Mazarin, der alles benutzte, um die Geheimnisse zu erraten und sich durch vertraute Mitteilungen, die er zu entlocken wußte, unentbehrlich zu machen suchte, erwiderte, indem er sich der Königin näherte:

»Das kommt ja ganz gelegen, wo wir eben von der Krone Polens sprachen.«

Marie, welche zuhorchte, konnte dieses Wort in ihrer Anwesenheit nicht leiden und sagte zu der neben ihr stehenden Frau von Guémenée:

»Ist etwa Herr von Chabot König von Polen?«

Die Königin hörte dieses Wort und freute sich dieser leisen Regung von Stolz. Um den Keim desselben noch besser zu entwickeln, heuchelte sie bei der Unterhaltung über diesen Punkt, die sich fortspann, eine beifällige Aufmerksamkeit, die sie noch durch ihre Teilnahme daran ermutigte.

Da rief die Prinzessin von Guémenée:

»Kann man eine solche Heirat begreifen? Sie läßt sich dieselbe nicht ausreden, kurz, dieses nämliche Fräulein von Rohan, das wir alle so stolz fanden, will, nachdem sie den Grafen von Loissons, den Herzog von Weimar und den Herzog von Nemours ausgeschlagen, jetzt einen bloßen Edelmann heiraten. Das ist in der Tat erbärmlich! Wohin soll es noch kommen? Man weiß nicht, was es alles noch werden soll.«

Mazarin fügte in zweideutigem Tone hinzu:

»Wie, ist es auch wahr? Lieben! Am Hofe! eine wirkliche Liebe! eine tiefe! Läßt sich das glauben?«

Währenddessen fuhr die Königin fort, spielend die neue Krone zu schließen und wieder zu öffnen.

»Die Diamanten stehen nur schwarzen Haaren gut«, sagte sie, »laßt sehen, geben Sie Ihre Stirn, Marie . . .

Ach, sie steht Ihnen zum Entzücken«, fuhr sie fort.

»Man möchte sie wie für die Prinzessin gemacht glauben«, sagte der Kardinal.

»Ich würde mein Blut lassen, daß sie auf dieser Stirn bleiben dürfte«, versetzte der Prinz Palatin.

Marie ließ zwischen den Tränen, die noch auf ihren Wangen lagen, ein kindliches und unwillkürliches Lächeln, gleich einem Sonnenstrahl durch Regen, sehen; dann wurde sie plötzlich über und über rot und entfloh eilends in ihre Gemächer.

Man lachte. Die Königin folgte ihr mit den Augen, lächelte, reichte ihre Hand dem polnischen Gesandten zum Kusse und entfernte sich, um einen Brief zu schreiben.



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