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Herrn Herzog Christoph kam eines Tages zu Sinn, gen Landshut zu reiten.
War demnach bald auf dem Weg dahin und gar guter Dinge, denn er dachte nicht von ferne daran, was seinem Herzen in kurzer Zeit bevorstehe.
Als er nun zu Landshut und auf der Burg Trausnitz anlangte, freute sich der alte Vetter Ludwig von Niederbayern gar sehr, ihn zu sehen; verbrachten beide ein Stündlein in frohem Gespräch, zuletzt aber kam der Ludwig auf Christophs Streit und Späne mit seinem Bruder Albertus und gedachte Frieden zu stiften. Denn davon war er ein großer Freund.
Drauf ließ sich aber Herzog Christoph nicht ein und sagte: »Da es voreinst zum Schiedssprüche kam, habt Ihr gegen mich gesprochen. Das hab' ich Euch sicher vergeben, denn ich ließ Euch Richter sein. Nun ist die Angelegenheit wieder anders geworden, und tut mir der Albertus alles zum Trotz, bin ich auch bei der Hand.«
Sagte Herzog Ludwig: »Mit euch beeden ist nichts anzufangen. Ihr treibt Euch selbst und Euern Bruder treibt der Graf von Abensberg – da wird mein' Lebzeit keine Ruh' im Lande.«
»Muß auch nicht so bald sein – laßt den Abensberger nur Hetzen und drängen!« gab Herzog Christoph zurück. »Wär's mir nit ums Recht zu tun, mit der Gewalt allein hätt's fürwahr gute Wege. Denn wollt' ich dreinfegen mit dem Schwert, wie ich's vermag, ich könnt' alle zu Fetzen hauen, so viel Ihrer gen mich anrückten. Und itzt von was anderem, Herr Vetter!«
»Ist mir auch recht!« entgegnete der, langsam über die grauen Scheitel streifend und von der Angelegenheit nicht gerne ablassend. Sprachen nun beide von dem und jenem, bis die Rede auf die Ehe fiel und der Vetter Ludwig fragte, wie es mit Christophs Herzen stehe.
Auf die Frage erwiderte Herzog Christoph: »So schön, huldsam, lebensfrisch und fromm zugleich, wie ich mir's denke, find' ich keine Jungfrau. So mag ich wohl der Frauen Hort und Schirm genannt sein und zu jeder Zeit beweisen, was Tugend, Sitte und Schönheit Preises wert sei – ich selber doch bleib' ein freier Mann auf Erden.«
Da lachte der alte Ludwig urkräftig und sprach: »Wenn dem so ist, habt Ihr viel Sorge und Kümmernis vom Herzen, aber auch wenig Freud' und Wonne. Verschwört es nicht, denn eh' sich's einer versieht, ist all trotziger Sinn gewandt.«
Meinte Herzog Christoph, bei ihm treffe es nimmer zu, und wär' der Vetter Ludwig so festen Sinns gewesen wie er, hätt' ihn sicher nie ein Weib gewonnen.
Über diese Worte lachte Herzog Ludwig unbändig und rief: »So glaubt Ihr? Ei, ich war nit minder entschlossen denn Ihr und vermeinte, für mich müss' ganz was Sonderliches erblühen. Denn all' die Huld schien mir zu gering, so Gott über die Jungfrau'n hie aus Erden ausgegossen. Mit einemmal war all mein Stolz und Hochmut gebrochen.«
»Und wie traf das zu?« fragte Herzog Christoph.
»Das will ich Euch wohl verkünden«, war die Antwort. »Seht, da war ich zu Meißen auf Besuch, saß innerst im Erker und sah so in die Gegend hinaus. Da kommt die Amalia herein, meines fürstlichen Gastwirts Tochter, die einen silbernen Teller voll Kirschen trägt, gar schön granatrot und überaus groß, und die bietet sie mir an. Ich nehm' da etliche, geh' auf und nieder im Gemach, komm' vom Zehnten auf das Hundertste, zuletzt auf der Weibsen schalkhafte Zunft, speis' wieder etliche Kirschen und behaupte dabei, daß es im Kloster besser sei, denn in der Ehe. Erschien demnach als arger Weiberfeind, den nichts bekehren möchte, und sagte kurzweg, mich sollte wohl keine Jungfrau fesseln. Mittlerweil' ich da so mit verwegenen Worten in die Luft fecht' und hau', übersah ich, was mit den Kirschen geschah. Die hatte die Amalia angereiht und eine handsam schöne und lange Kette draus gemacht. Wie ich mich nun, des Gehens und Streitens satt, in den Erker zur fürstlichen Jungfrau setzen und Kirschen speisen wollte, sah ich keine mehr auf dem silbernen Teller und fragte: ›Wo sind sie?‹ Drauf sprach die Amalia schnell: ›Da sind sie auf meinem Schoß!‹ Nahm auch gleich die Kette auf, wand sie mir ein paarmal um die Hände, dazu lächelte sie in holdseliger Wehmut und wieder in süßer Schalkheit und sagte: ›Herr Herzog, nun hat Euch dennoch eine Jungfrau gefesselt – und wärt Ihr nur damit mein eigen, ich ließ Euch nimmer los und frei. So aber seid Ihr aller Jungfrau'n Feind und nit mein.‹ Bei den Worten zerriß sie die Kette, daß die Kirschen weit davon sprangen und im Gemach herum. Ich aber empfand in meinem Herzen was Wunderbares. Ich sah die fürstliche Maid an und hinwieder sie mich – und bei Sankt Martin, nicht gar vieler Worte bedurft's, denn da die Kirschen ins Gemach gesprungen, so waren wir schon eins in Herz und Sinn – seht, so hab' ich's erlebt, hab's nie bereut – – und also ergeht's Euch auch eines Tages, Herzog Christoph, geradeso wie mir.«
»Wohl, wohl, bei Euch ging's rasch«, sagte Herzog Christoph. »Ich aber hätt' mich so leicht nicht besiegen lassen. Zu Pavia, Rom und anderer Orte in welschen Landen hab' ich viele holde Jungfrau'n gesehen, die schaute ich mit Wohlgefallen – doch angefochten hat mich keine.«
Und so sprachen die zwo noch mehr. Herzog Christoph blieb bei seinem Wort; etliche Tage verlebte er auf der Trausnitz, dann ritt er wieder fort gen München und von da gen Wolfrathshausen.
Dort hielt er sich in letzter Zeit, hatte, wie oft, mehr Freunde um sich und so ihm zu Sinn kam, machten sie sich auf, da oder dorthin in die Nähe oder weiterhin bis an den Würmsee und legten sich sämtlich aufs Weidwerk.
Drüber verstrichen etliche Wochen.
* * *
Um dieselbe Zeit, als Herzog Christoph auf der Trausnitz war, lagen im Land Bayern zwo treffliche junge Rittersleute in Fehde.
Von den zweien hieß der eine Parzival von Puchberg, der andere Hartlieb von Sigenheim. Die waren früher gute Freunde gewesen. Mit einemmal kamen sie zu Streit über ein Besitztum von etlichen dreißig Hufen Landes und zwo Schlößlein und dachte keiner dran, wieviel Leides der Margret von Sigenheim, Ritter Hartliebs Schwesterlein, damit geschehe.
Die war dem Parzival im stillen ganz ergeben und sehnte sich nach Frieden und Versöhnung.
Zuzeiten sah's nun wohl aus, als wär' der Streit zu Ende, da war's aber stets wieder nichts. Denn derselbe Bösewicht, so die zwo Ritter zuerst gehetzt, der hetzte sie fürhin wieder und dachte: »Fallen beide, so fällt mir das Besitztum heim, und bleibt nur einer im Kampfe, mit dem andern will ich wohl fertig werden.« So schlugen sich Herr Parzival und Hartlieb, dem dritten zulieb', in Feld und Wald herum – Ritter Wolf Epser von Stain, der Hetzer und Schürer, lachte sich in die Faust, die Margret von Sigenheim trug im stillen ihren Liebesgram – und Ritter Parzivals von Puchberg schönes Schwesterlein, Edika, hätte auch gern Frieden gesehen. Denn wie die Margret dem Parzival, so war sie insgeheim dem Sigenheimer Hartlieb gewogen.
Nun traf sich's, daß jeder von den zwei jungen Rittern des anderen Schwester wieder einmal sah, ward einem, wie dem anderen wohl zumute, sprachen ein Wort zusammen, erkannten, daß sie des Epsers von Stain leidiger Spielball seien, und eh' die Margret und die Edika etwas ahnten, waren Bruder und Bruder auf bestem Pfad zur Versöhnung.
Nun war's just ein herrlich duftiger Lenztag.
Da schritt Ritter Hartlieb von Sigenheim ab und zu in der braungetäfelten Stube. Draußen lag, noch nicht lange aus güldenem Morgentraum erwacht, die schöne Landschaft; die Sonne schien gar wohltätig warm und hell, und im Schloßgarten, überm Zwinger drüben und hinab, da flatterten die Vöglein harmlos von Zweig zu Zweig und pfiffen dort und da ein Morgenlied, ein jedes nach seiner Weise.
Die Margret lehnte am hohen Fenster. Das hatte zu öberst vier farbige Scheiben, so viel bunten Glanz an die Wand warfen; die Spindel war der Margret Hand längst entsunken – und so lehnte die Jungfrau da, sah träumend hinaus und bemerkte kaum, wie der Bruder auf und ab schreite oder etwa stillstehe und den Blick auf sie richte.
Endlich trat Ritter Hartlieb näher zu ihr und sagte: »Margret, wo denkst du hin?«
Da sah sie ein wenig bewegt auf und entgegnete: »Und du, Bruder?«
»Soll ich dir's sagen?«
»Sprich nur!« sagte Margret halb leise. »Wär's doch das, woran ich denk'!«
»So wir an eins und das gleiche dächten,« versetzte Hartlieb, »ei, Grete, da wär' mancher Streit bald geschlichtet und vertragen.«
Die Margret sah ihn rasch an und ihre Wangen glühten flüchtig in brennendem Rote auf. Wie ungläubig schüttelte sie dann das Haupt. »Sprich nur!« wiederholte sie ganz leise. Ihre blendend weiße Stirn, halb verhüllt vom güldenbraunen Gelocke, das reich herniederfloß, lehnte sie auf die seidenweiche Hand und sah wieder hinaus in die Landschaft.
Der Ritter Hartlieb war ganz zu ihr hingetreten, sah auch in die Landschaft hinaus und sprach so halb vor sich hin: »Trifft nichts zu, wie ich mir's gern dächte, hab' ich den alten Span mit dem Parzival. Wolf Epfer von Stain schürt wieder die Hölle auf, dann geht der Tanz los und setzt es blutige Köpfe. Letzt bleibt gar einer von uns, ich oder der Parzival – dann geht's an dir aus. Du hast keinen Schutz, so ich fall' – und fällt der Parzival, ist's viel schad' um ihn. Denn er ist ein trefflicher Degen!« Er schwieg eine Weile, dann setzte er bei: »Meinst nit, Grete?«
»Jawohl, recht schad' wär's um ihn«, sagte die Jungfrau bewegt.
»Ei, wär's das? Und wie du es sagst!« Ritter Hartlieb lehnte einen Arm auf den hohen, geschnitzten Stuhl und sah auf die Schwester nieder. »Sprich weiter, Margret!«
Flüchtig sah die Margret auf und wandte sich wieder ab – aber nicht mehr so flüchtig. Dann sagte sie mit gedrückter Stimme: »Was soll ich da weiter sagen, so du mich nicht fragst. Aber du hast mich vordem auch nie gefragt, wann du davonrittst. Ich weiß nur dies, mich schmerzt jedweder Tropfen Blut – und Freundesblut und Zwist bringt wohl den mindesten Segen.«
»Aber Freundes lieb' bringt Segen«, sagte Hartlieb in freudiger Hoffnung. »Schau' mich an, Margret, und sag' alles, denn mir darfst ja bei Gott die Wahrheit nicht verhehlen!«
Sichtlich erbebte Margaret wieder.
»Willst den Parzival dein nennen?« drängte Ritter Hartlieb, der Schwester Hand ergreifend und sich gar traulich niederbeugend. »Schlag' ein, Margret, dann ist all der Streit vorbei! Sieh, mir bricht selber das Herz, daß ich ihn etlicher Hufe Landes wegen zum Feind haben soll. Wie möcht' gar dir zumute sein, so du ihm ergeben wärst – und beim Himmel, ich mein' schier, so ist's und hast es mir bisher verhehlt!«
Weit abgewandt hatte sich die Jungfrau. Und da ihr der Bruder ins Antlitz sah, war's ihm, als ob er einen Engel lächeln säh', dem zwo helle Zähren der Wonne aus den tiefblauen Augen flössen.
»Meiner Seel, du willst ihn!« rief Ritter Hartlieb.
»Ich will ihn wohl« – sagte Margret – »und nie möcht' ich einen anderen. Ist's aber wahr und treibst du keinen Spott? Da ist mein Herz und Glück dabei – und mit Herzen ist kein Spiel zu treiben –!«
»Des sei du sicher, Grete!« jubelte Hartlieb von Sigenheim. »Ich weiß es ja selber gar wohl, was der Liebe Schmerz bedeutet. So sei's dir offen bekannt. Des Parzival Schwester, die Edika, hat mir das Herz geraubt. Er läßt sie mir zum ehlichen Gemahl, sie gibt eine froh rüstig und treffliche Burgfrau. Der Parzival aber soll dich heimführen – ist's so recht, Margret?«
»Ja, so und nicht anders soll's sein!«
Kaum vermocht' es Margret zu lallen. In holdester Bewegtheit richtete sie sich auf und lehnte ihr schönes Haupt an des ritterlichen Bruders und Seelenfreundes Brust.
»Ei, hätt' ich es früher so sicher erkannt,« sagte Hartlieb, »da wär' viel Müh' und Kummer erspart. Aber ich ahnte da nichts, bis in die letzte Zeit. Nun ist's, Gott's Dank, auch nicht zu spät. Aller Streit hat ein Ende, halbpart wird jedwedem vom Besitztum – und nun weg da, Grete, weg vom Fenster, bis ich dir's sag'!« Dabei ergriff er ein weißes Tuch und wehte mächtig zum Fenster hinaus.
»Was soll denn das?« flehte Margret in freudiger Ahnung.
»Das wirft du bald erfahren« – gab Hartlieb zurück – – »nun schau' hinab, Schwester, und magst deine Freud' erleben!«
Die Margret sah rasch hinab zum Schloßweg – aber noch viel rascher trat sie wieder vom Fenster. »Da ist er ja,« sagte sie voll süßen Schreckens, »das ist der Ritter Parzival – und die Edika ist auch dabei –!«
»Sicher ist sie dabei!« fiel Hartlieb ein und rief hinab: »Glück auf, du alter Freund! Was Narrheit trieben wir, daß wir uns für den Epser von Stain rauften – hei, Parzival, die Margret mag dich weiters nit wenig und wär' schier vor Sehnsucht gestorben!«
»Um Himmels willen, was sagst du denn?« flehte Margret, den Bruder am Arme zurückhaltend.
»Laß dir kein' Gram erwachsen, Gret,« rief Ritter Hartlieb, »langer Groll, laute Lust!«
Eilte auch sogleich hinaus und die Treppe hinab.
Da kam er just recht. Denn Ritter Parzival sprengte, die Edika zur Seite, soeben in den Schloßhof.
»Gott zum Gruß, all beide!«
Herr Parzival sprang vom Roß und schüttelte des wiedergewonnenen Freundes Hand, der Edika half der Hartlieb vom Zelter, küßte ihr voll Freuden die Hand und sagte: »Mir möcht' mein Herz zerspringen, daß ich Euch seh', vielsüßeste Jungfrau! Die da oben ist Eures Bruders mit Herz und all ihrem Sinn. Erkennt Ihr nun, daß ich jüngst wahr gesprochen, da müsse was walten! Daß ihr aber der Parzival das Herz geraubt, dran dacht' ich ganz zuletzt – wißt Ihr's, Freund, die hellen Zährlein sind ihr in die Augen geschossen, so glückselig ist die Maid!«
Und hinauf zur Margret führte er die beiden, Freund und Braut. – –
* * *
In kurzem ging die Kunde weit aus, der Sigenheimer Hartlieb und Parzival von Puchberg hätten sich für alle Zeit verglichen und versöhnt und führ' einer des andern Schwester zum Altar. Drauf verlautete, der Puchberger hielte mit der Margret Hochzeit auf einem seiner Schlösser in den Bergen, sei auch schon auf dem Wege, die Edika aber und der Hartlieb seien schon getraut, folgten bald nach und wollten auch an der Margret Ehrentag teilnehmen.
Das alles erfuhr der Wolf Epser von Stain vor allen anderen und arger Grimm erfaßte ihn.
Seinem ganzen Gehetze war ein Ziel gesetzt, die Hoffnung auf das strittige Besitztum war zerstoben, und was ihn zu tiefst schmerzte, das war die Margret von Sigenheim.
Längst hatte er sein Aug' auf sie geworfen.
Alsbald beschloß er zwiefache Rache. Dem Parzival von Puchberg sollte der Weg ins Gebirg zum Todespfad, die Margret aber entführt werden. Und wär' dies geschehen, sollte dem Hartlieb von Sigenheim und der Edika Verderben werden.
Machte sich demnach auf mit etlichen vierzig seiner verwegensten Knechte und zog dem Würmsee zu. Nicht allzu fern davon ließ er die Schar auseinander reiten zu fünf, er selbst ritt ins Dorf zu Starnberg und sorgte unter gutem Vorwande für einen Kahn. Den führt' ihm ein harmloser Fischer seeaufwärts und ließ ihn am Schilf und Gestäude unten liegen, wo überm Sträßlein und hinterm Waldsaume der Hinterhalt bestimmt war. Zu fünf und fünf rückten auch bald die Knechte heran, von unten oder von weiter oben her am See, oder kamen durch den Forst und führten die Rosse am Zaum.
Als Wolf Epser von Stain anlangte, waren die Knechte längst alle gesammelt. Drauf entsandte er einen gen Starnberg auf Spähe. Der schlich sich durch das Gerüster und Gestäude dahin.
Es war spät am Abend und tiefer und tiefer sank schon die Sonne zum Scheiden. Die Alpen weit drüben hatten wundersam herrlich geglüht. Nun blaßten sie allgemach ab und verblichen und verglommen. In langen Schatten ergoß es sich über die einlullenden Wasser des Sees, in den Wäldern hüb und drüben ward's still und stiller – und so hin und zurück auf dem Sträßlein.
Schon ward Wolf Epser von Stain ungeduldig und dachte, Herr Parzival habe Kunde erhalten.
Da kam der Späher zurück und gab Bericht. Des Puchbergers Zug sei nimmer fern, weit voraus wär' der Ritter und seine Braut, die Margret. Also könne der Angriff geschehen – rasch müßten aber die Würfel fallen, denn ein argloser Köhler sei ihm begegnet und habe gesagt, Herzog Christoph mit etlichen Freunden sei weiter oben im Gejaid und käme sicher bald des Weges herab.
»Das soll mich wenig scheren!« grollte der Epser von Stain. »Für die Herren wird auch Bolz und Speer zu brauchen sein, wie für andere. So sie daherkämen, setzt ihnen all mitsamt zu, bis ich die Dirne im Sicheren hab', und wollte der Herzog des Guten zuviel tun, schießt oder haut ihn vom Roß wie jeden andern, da sollt ihr wenig umschneiden!«
Bald darauf dröhnte vom Sträßlein herauf Hufschlag, und Parzival von Puchberg mit der Margret von Eigenheim nahte. Die dachten im nächsten Schlößlein zu übernachten, da, wo nun Possenhofen steht.
Glückseligen Herzens ritt die Jungfrau zur Seite des Geliebten einher, und beide sprachen von frohfreudiger Zukunft.
Drauf schwiegen sie oft wieder, sahn sich einander an, und war's, als ob jedes spräche: »Weil du nur mein geworden!«
Mit einemmal fuhr Parzival von Puchberg auf, hielt sein Roß an, griff dem weißen Zelter, drauf Margret saß, in die Zügel und sagte, sein Schwert ziehend: »Halt ein, was seh' ich da blinken im Wald –?!«
Er hatte das Wort nicht von den Lippen, sprengten ihrer dreißig auf des Parzival Reisige zu.
Die anderen aber, Wolf Epser von Stain an der Spitze, drangen auf Ritter und Fräulein ein, und der freche Wegelagerer höhnte: »Kennst mich, du Schelm? Die frische Freundschaft zahl' ich dir – die zwo Schlößlein werden mein und die Margret auch dazu!«
»Ha! du Schurke bist's?« rief Parzival von Puchberg. »Das sollst du mit dem Leben büßen!« Und gewaltig schlug er auf den Wolf ein. Der aber schwenkte um und gab Parzival einen Stoß mit dem Schwert, daß er für sterbend vom Roß stürzte.
Wild lachte der Wolf und herrschte die Knechte an:
»Der da ist versorgt! Hebt die Maid vom Zelter euerer zwei und harrt am Waldsaume, bis ich wiederkehr'! Dort gilt's den Weg zu fegen – he da, ihr anderen, mir nach!«
Damit sprengte er fort. Hinter ihm drein stürmten acht Knechte.
Da wälzte sich der Kampf herauf. Schon an ein Dutzend von Parzivals Reisigen war von den Rossen gestochen, unbändig und racheglühend wehrten sich die übrigen. Aber vergebens war aller Mut. Einer um den anderen stürzte vom Roß oder brach mit ihm darnieder.
So rang und tobt' es bis zum Hinterhalte zurück.
Da war noch ein einziger, der braune Gilg, am Leben: dem war das Roß schon erstochen, nun focht er zu Fuß in Verzweiflung und rief ein über das andere Mal: »Ihr Schurken habt meinen Herrn erschlagen – helf Gott der Jungfrau – das schreit um Rache gen Himmel!«
Zuletzt war er ganz ermattet.
Da sah er Wolf Epser von Stain in seiner Nähe. Seine letzten Kräfte sammelte er und rief: »Sterben muß ich, sterben will ich, aber Ihr sollt mit!« Und wollte auf ihn stechen. Da traf ihn ein Lanzenstoß in den Leib, daß er taumelnd das Schwert fallen ließ. Wolf Epser von Stain aber gab ihm höhnend noch einen Streich über die Stirn, daß sie weit klaffte. Also stürzte der braune Gilg zu Boden und verhauchte seine mutige Seele in kürzester Frist.
Wie das geschah, erhoben die anderen unbändiges Siegesgeschrei.
Wolf Epser von Stain aber bot mit gewaltiger Stimme ab und herrschte drauf: »Fort ins Fahrzeug mit der Dirn' da, ich und zwo von euch! Ihr anderen rasch pfadabwärts und um den See herum, halbwegs treffen wir uns – was Wetter, hör' ich, da kommt was gesprengt! Ist's etwan der Herzog, verrennt ihm den Pfad und haut ihn zu Fetzen, wann er mir nach will!« Dann gleich seitab und fort mit der Margret, die Knechte aber in einem Ruck zu drei Reihen im halben Bogen aneinander und erwarteten, was da komme.
Es war wohl der Herzog Christoph und vier Genossen hatte er hinter sich. Die Fünfe brausten daher, hatten des Epsers Worte gar gut vernommen und vernahmen nun den Klageruf der unglückseligen Maid, wie sie durch Gebüsch und Gestrüpp geschleppt ward. Also wären sie gerne nach, konnten aber nicht, denn da standen viel Speere entgegen, der Schwerter gab's auch genug, und schrie alles durcheinander: »Hie nicht durch, sonst wären sie alle fünf des Todes, da sei gerechte Sache!«
»Also meint ihr zu lügen und zu schrecken? Schurken seid ihr, Frauenräuber!« donnerte Herzog Christoph und drang ein. Da ward das Geschrei um so größer und hieben und stießen voll Wut auf ihn ein. Das war dennoch für nichts. Denn wie zehn Blitze zugleich, sauste Herzog Christophs Schwert nach allen Seiten – ein Ruck her, die Lanze weggeschlagen und ein Streich dazu, daß dem Knecht das Lüstlein verging; also hatte der Tanz begonnen und war kein Widerstand, wo Christoph hinlenkte. Rechts, links und geradeswegs krachte hie Mann und Roß zusammen und wieder dort, und wie viel' sich neu davordrängten, so viel' stürzten heulend und ächzend darnieder. Herzog Christophs Freunde waren minder nicht zur Hand und fegten gewaltig drein, wurden gleichwohl hin und her gedrängt, da hieb er sie zweimal heraus – drängt ihn aber die Zeit, und wie sich eine neue Zahl über ihn wirft, er mitten hindurch, einen blutigen Pfad geschlagen bis zum Waldsaum und einen Satz über den Dornzaun. Da setzten ihm zwei nach. Die krachten mit den Rossen zusammen, so über die Wurzeln gestürzt waren, und vom Sträßlein sausten ihm etliche Speere nach, die fuhren vorbei an ihm und in die Bäume und Büsche. Die zwo hatten sich erhoben und wollten sein Roß erstechen, des versah er sich wohl und legte sie auf zwei Streiche ins Gras. So war er heil davongekommen – und wie er einen Blick zum See tat, glaubte er zu sehen, wie die Jungfrau in den Kahn gehoben werde, vernahm auch ihren Jammerruf, dann mit einemmal nichts mehr, da fesselte sie Schreck und Ohnmacht. Er aber gleich vom Roß und auf kürzestem Weg darnieder am Abhange. Da hielt ihn keine junge Tann' und Fichte, die knickte er wie Haselstöcke, und durch und weiter hinab. Hätte wohl unfern besseren Pfad gehabt, aber es war viel um. Also geradeaus, hinunter zum Strand – und da er unten war, kam er längst zu spät. Denn der Kahn war schon weit hinweg, an die achtzig Schritte im See.
Da ließ er's an drohenden Worten nicht fehlen und zeigte dem Epser, daß er ihn wohl kenne.
Der aber höhnte heraus, mit Lachen schreiend: »Bist da, du hungeriger Prinz, was meinst, hol die Dirn', so du kannst!« Und stets mächtiger holten die zwei Knechte aus und fuhren weiter in den See hinein und aufwärts.
Herzog Christoph das hören und ersehen, alsofort seinen gemachten Pfad zurück, aufs Roß und wieder über den Dornzaun auf die Walstatt. Da fand er nur noch etliche mit den Seinen im Kampfe. Die vom Epser von Stain waren halbenteils gefallen, die anderen hatten nimmer standgehalten und waren seeabwärts gesprengt, daß sie herumkämen und drüben zum Epser stoßen möchten, und als Herzog Christoph wieder erschien, rissen die letzten fünfe aus und sprengten den anderen nach – die auf Christophs Seite waren im Sieg und riefen ihm freudig zu, hatten aber alle ihren Teil davongetragen.
Er aber rief: »Wohl auf, es war Gott dabei, 's waren ihrer viele, ich aber hab' doch nichts verrichtet, der Schurke ist mir davon mit der Jungfrau und in den See, ich hab' kein Bleiben.« Und wollte fort. Da senkte er sein Auge und sagte: »Da liegt ein Ritter – seht zu, ob ihn einer kennt und ob er zu retten!«
Da zeigte sich, daß es der Parzival von Puchberg sei. Der berichtete mit wenigen Worten, wer der Räuber sei und wer die Jungfrau, und brach in Klage um seine Braut aus.
Darauf machte ihm Herzog Christoph Mut und wandte sich zu den Seinen, rufend: »Auf da mit dem Ritter, er ist noch bei Leben und etwan zu retten! Zu Starnberg auf dem Schloß ist der Burgpfaff, Pater Pfraim, der versteht sich auf die Arznei! Frisch auf und fort mit dem Ritter – ich hab's mit dem Schelm zu tun im See drin – er soll mir den Raub ablassen!«
Und dabei noch einmal vom Roß herab, raffte etliche Lanzen zusammen, so dort und da herumlagen, und sonder Bügel sah er gleich wieder im Sattel. »Gott mit mir!« rief er und stürmte seeaufwärts dem Schlößlein zu, drin Parzival vorher zu übernachten dachte.
Zu dem Schlößlein waren nicht tausend Schritte. Also traf er in kürzester Zeit ein, und ohne Säumen ritt er hinab an die Schifflände zu den Kähnen und Fähren.
Als er ankam, traf er mehrere Fischer. Die hatten das Toben des Gefechtes gar wohl vernommen, waren in großer Angst, hatten ihr Bestes bei sich und gedachten bei erster Gefahr in Kahn oder Einbaum zu steigen und davonzufahren, daß sie Hab' und Leben vor wilden Kriegsleuten retteten.
Wie nun jener dahersprengte, waren sie schon daran, zu flüchten.
Er aber rief: »Fürchtet nichts, ich bin der Herzog Christoph!« Schwang sich alsbald vom Roß und sagte: »Mit Gottes Hilf' hab' ich gesiegt – nun gilt's das Beste!«
Bei diesen Worten war er schon im nächsten Kahn – ein Stoß ans Gelände und hinaus zu weitest fuhr er, daß die Bauern einen Ruf der Verwunderung taten. Als er aber die Ruder faßte und dem Epser von Stain nachfuhr, als ob der wildeste Sturm das Fahrzeug triebe, kam's ihnen schier nimmer geheuer für. Standen demnach voll stummen Erstaunens da und sahen Herzog Christoph nach, wie er dahinflog durch Ried und Rohr in die weiten Spiegel des Sees.
Oben aus den klar nächtlichen Lüften trat der Mond im hellsten Glanz, und unten die geheimnisvolle Flut stob auf in aber tausend sprühenden Silberfunken beim Ruderschlage des kühnen Schiffers. –
So gelangte Herzog Christoph weit und weiter, schräg abwärts den See, und nun war Wolf Epser von Stain nimmer ferne.
»Was Teufel,« raunte der seinen zwei Knechten zu, »das ist der verdammte Waghals – zieht, was ihr könnt, daß wir das Gestad' gewinnen!«
Das vermochten die beiden nicht.
Herzog Christoph aber donnerte schon herüber: »Halt, Epser von Stain – her mit der Sigenheimerin, sonst werf' ich dich zu tot!«
»Oder ich dich!« gab der Epser von Stain zurück. »Laß ab, sonst werf' ich die Maid in den See, und will's sein, dich zu ihr, du übermütiger, daß dich die Fisch' fressen!« Zugleich fuhr ein Speer herüber, der Herzog Christophs Seite streifte und auf dem Wasser fortpfiff.
»So meinst du, Schurk'?« tobte Herzog Christoph auf und tat noch einen Ruderzug, daß er rasch auf zehn Schritte Weges nah rückte.
Drauf warf er einen Speer hinüber. Der fuhr dem ersten Knecht in die Brust, daß er vom Ruder stürzte. Der zweite sprang auf und wollte desgleichen herübergeben. Aber er hatte den Spieß noch nicht im Schwunge, stürzte er, von Christoph getroffen, taumelnd dahin und schlug über in den See, daß er schier den Kahn umriß.
Wie das Wolf Epser von Stain sah, schrie er, desselben Knechtes Speer fassend: »Hat dich der Teufel, du verdammter dürrer Herzog!«
»Mich nicht, dich aber wird er bald haben!« war die Antwort. »Her mit der Braut – oder du stirbst!«
»Nein und nimmer!« raste Epser von Stain und schoß den Speer herüber. Der fuhr an Christoph vorbei ins Gebälke.
Unverweilt riß ihn dieser heraus, schleuderte ihn dahin, des Zieles sicher – und heulend vor Schmerz und Wut brach der Epser von Stain zusammen. Seine letzten Kräfte nahm der auf, richtete knirschend sich empor und wollte auf die Margret von Sigenheim zu, sie zu fassen und in den See zu werfen.
In unsäglicher Angst rang die Jungfrau die Hände. Aber der Räuber wußte von keinem Erbarmen, und nur der brennende Schmerz seiner Wunde ließ ihn einen Augenblick zögern.
Das rettete der Margret Leben.
Denn Herzog Christoph ersah die Zeit, tat einen Sprung über die Wasser hinweg von seinem Kahn in den anderen, daß das Gebälke zerbersten wollte und das Fahrzeug auf und nieder schwankte, als peitschten es stürmende Wogen.
Als Wolf Epser von Stain das alles sah, riß er wutkeuchend sein Schwert heraus und zuckte es auf die Margret von Sigenheim.
Herzog Christoph aber schlug es ihm aus der Faust, und da ihn jener wild umklammerte, stieß ihn Christoph von sich, packte ihn – und weit hinaus schleudert' er ihn über die tiefen Wasser – dahinein stürzte Wolf Epser von Stain und versank. Sagenanklänge aus dem Starnberger Gebiet. ... » Christoph warf den Epser von Stain in den See und rettete die Sigenheimerin.«
* * *
Es war ein grauser Augenblick und dennoch ein ernst erhabener.
Ruhe weitaus, unsägliche Ruhe – die nichts unterbrach als der Gischt der Woge, so sich am hoh schwanken Kahne brach – und der Jungfrau leise flüsterndes Gebet.
Felsenfest im bewegten Fahrzeuge stand Herzog Christoph und sah hinaus und hinab, wo die Fluten sich für immer ob dem Frevler geschlossen hatten – dann auf den toten Knecht, der zu seinen Füßen lag.
»Gott hat meine Bitte erhört!« sagte er. Und hinweg von den Bildern des Verderbens wandte er sein Auge auf den Preis seiner wundersamen Tat – auf Margret von Sigenheim.
»Tröstet Euch, edle Jungfrau,« sprach er, »für Euch ist alle Gefahr verschwunden, und war der Himmel mir in Gnade bei dem einen, wird er auch das andere fügen. Habt Vertrauen, Euer Bräutigam ist in treubesorgter Freunde Geleit, und was Hilf' und heilsames Ding zu bieten ist, dran soll's in keiner Weis' ermangeln. Ihr seid Margret von Sigenheim?«
»Die bin ich – o habt Dank, mein Erretter« – stammelte Margret, »ich will's Euch nie, gar nie vergessen!«
Am Ende des Kahns auf ihren Knien ruhte die Jungfrau, da sie diese Worte sprach, und ihr Antlitz hatte sie, still schluchzend, halb verhüllt, wie einen furchtbaren Traum zu verscheuchen. Dann ließ sie die verschlungenen Hände in den Schoß sinken, sah mit wehmutsvoller Dankeswonne auf und fuhr fort: »Und wer seid Ihr, wunderbarer Held, der Ihr nah übermenschliches Werk vollführt habt? Ich erinnere mich eines Rufs des frechen Räubers, vernahm einen Namen und der muß der Euere sein! Wüßt' ich doch nur einen, der das vermag« – ein glückseliges Lächeln zuckte um ihre Lippen – »es ist nicht anders, Ihr seid Herzog Christoph?!«
Lange sagte Herzog Christoph nichts.
»Jawohl, du holde Maid,« sprach er dann langsam, »der bin ich!«
Und in stillem, staunensvollem Wohlgefallen ließ er seinen Blick auf Margrets Antlitz ruhen.
Da war eingetroffen, was Herzog Ludwig auf der Trausnitz vorhergesagt, mit einemmal bräch' all des Herzens Stolz und Hochmut.
So hatte sich Christoph die Maid seines Herzens geträumt.
Nun fand er sie. Beim ersten Blick war er schon besiegt – und sie gehörte einem andern.
Kaum selbst es wissend, hatte er das Ruder ergriffen und das Fahrzeug leise gewendet, daß es an das seine streifte.
»Verlaßt die Fährte des Todes«, mahnte er mit milder Stimme. Und mit scheuer Hand die Jungfrau umfassend, lüpfte er sie hinüber zum Kahn, in dem er dem Epser von Stain gefolgt war.
Die Margret ließ sich wie träumend nieder.
Herzog Christoph aber trat an das Ende des Kahns und sagte, auf ein Ruder gestützt: »Margret von Sigenheim, Euere Vorfahren haben es gut gemeint mit den unseren. Das hab' ich ihnen gern und freudig hie vergolten. Nun ist's geschehen. Euer Herz ist frohseliger Hoffnung voll – das meine voll bitteren Schmerzes!«
»Was soll das, o mein hoher Herr und Erretter?« sprach Margret bewegt. »Was sollte Euch Kummer bereiten?«
»Das will ich Euch nit verhehlen, edle, trefflichste aller Jungfrau'n, die mein Aug' erschaute!« Recht mild hatte Christoph das gesprochen. Dann fuhr er, sich bekämpfend, mit fester Stimme fort: »Kein Mann auf Gottes weiter Erden ehrt fremdes Liebesglück höher, denn ich – doch keiner haßt auch mehr die Lüge. So will ich Euch nicht verhehlen, was Wundersames mir in derselben Zeit an Euch begegnet. Ich dachte von je, mich könne nichts überwinden. Nun bin ich aber dennoch besiegt – von Euch, beim ersten Blick – und Euch will ich nimmer und nimmer vergessen!«
»O, mein Gott!« lallte Margret.
»Seid unbesorgt und grämt Euch jetzt und fürder nie!« sagte Herzog Christoph. »Ich bin besiegt in meines Hochmuts Wahn – doch nicht in Tugend und heiligster Pflicht. So glaubt denn, daß mir Euer Bild vorschweben soll, allwo ich bin – aber kein leisester Frevel wird da in Herz und Gedanken sein. So will ich' Euch ehren aus reinster Seel' und lieben, wie's Gott im Himmel nicht verbieten mag. Was so tief mein Herz bewegt, soll mich des Lebens frisch mutiger Tat nit entfremden, vielmehr dazu anspornen, und niemand soll's wissen, denn ich und Ihr und der Allmächtige, so's wunderbar gefügt – bis Ihr von hinnen scheidet – oder ich. Also bitt' ich Euch, o schöne, edle Maid, gestattet Herzog Christoph, Euerer eingedenk zu sein – und bricht's ja die heilige Treue nicht – – gedenkt des Christophs auch in frommer Weise zuzeiten!«
Von Tränen die Wangen überflutet, sah die Jungfrau empor zum Himmel und lispelte: »So läßt du mich den finden, dessen Lob und Preis schon so oft von meinen Lippen floß!«
Drauf sah sie auf Herzog Christoph und sagte mit holder Kraft: »Hoher Herr, was Ihr verlangt, darf die frömmste Maid vor Gott nicht versagen. Denkt meiner aus reiner Seel' – und Euer will auch ich öfters denken in meinem Gebete, daß es Euch wohl ergehe – und Gott Euch und Eueren fürstlichen Bruder versöhne – o, wie' gerne vernähm ich dieses – darum will ich beten!«
Herzog Christoph nickte langsam zu.
Noch einen Blick auf sie – dann lüpfte er schweigsam das Ruder. Nur ein paar Züge und dahin seeabwärts schwand der Kahn über die tiefen, verhängnisvollen Fluten. Im leisen Luftzuge zogen die geflockten Wölklein um den Mond – und dort und da weit herüber säuselte es vom Gestad' her aus Rohr und Wasserried. – –
* * *
Etliche Wochen später war Herzog Christophs Wort eingetroffen. Im einen war der Himmel gnädig gewesen und im anderen war er's auch.
Ritter Parzival von Puchberg ward gerettet.
Die Edika aber und der Hartlieb waren gekommen und waren der Margret in treu liebevollster Pflege beigestanden. Drauf zogen sie von dannen, voll Dankes für Herzog Christoph, der ihnen allen Freund geworden war. –
Glückselig an Parzivals Seite lebte fortan die Margret von Sigenheim. Ihr Wort löste sie treu und heilig und zu morgens und abends nahm sie Herzog Christoph in ihr Gebet auf und flehte um Frieden.
Doch wie sonderbar, es ward ihr oft gar weh ums Herz. Die Kunde wollte nicht kommen, daß sich die Brüder ganz versöhnt hätten. War's dies – oder was sonst, daß sie oft in tiefes Sinnen versank –? Sie wußte es nicht zu deuten.
So lebte sie dahin. –
Am Würmsee aber, im alten Kirchhofe zu Starnberg, da schlummern alle, die im Kampf oben, unweit des Schlößleins, gefallen waren. Der Reisige, so in des Epsers Kahn in der Nacht dahintrieb, auch.
Gott geb' ihnen und jedem sonst mildes Gericht! Dem Wolf Epser von Stain nach ewigem Ratschluß nicht minder.
Des Epsers Leiche kam nimmer zutage.
Die Fischer aber wandelte es grausig an, und es ging lange Zeit viel böse Sage von Ritter und Knecht, die da gerüstet in den tiefen Wassern begraben. Gar mancher, so er im Abendschatten dahinfuhr, wollte an zwo verschiedenen Orten zwei glimmende Gestalten gesehen haben, die über dem See schwebten und winkten. Da wußte jeder, was das bedeute. Aber keiner unternahm's und vermocht' es, hinabzutauchen und die Leichen an den Tag zu bringen.
Also war's und blieb's. –
Und wenn einer unfern der Insel im Würmsee über die Stelle fährt im rechten Stand der Sonne und schaut hinunter – da sieht er was blinken im tiefen Abgrunde der Wasser. –
Das ist Wolf Epser von Stain in seiner Wehr.