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III.
Hörst 's Gras wachsen.

So Herzog Siegmund und Johannes nicht zu München Hof hielten, lebten sie zu Dachau oder auch im Schloß Starnberg am Würmsee. Herzog Christoph aber hatte sich dort nie aufgehalten und die Fischer und Bauern, welche ihn nicht bei des Vaters Tod zu Andechs gesehen, kannten ihn nicht von Person, obwohl sie sicher der Wunder genug von seiner Kraft, Frömmigkeit und dabei seinem lustigen Sinn vernommen hatten.

Nun ritt er einst mit dem Grafen von Wildenwarth und mehr anderen ins Schloß zu Starnberg, just während der Vesper.

Als sie zu Ende war, kam's rasch herum, der Christophel sei da, und sammelte sich im steilen Zwinger am Burgtor eine gute Zahl Bauern und Fischer vom Dorf und weiterher. Es standen da auch viele Dirnen und altehrbare Bäuerinnen und meinten alle, der Christophel müsse das wenige nicht breit und groß sein und zum mindesten so beschaffen, wie der starke Doll von Seeshaupten. Das Geschlecht der Doll besteht noch in der Gegend von Starnberg, zu Wolfratshausen u. a. O. Denselbigen Kaspar Doll schoben sie auch voraus, drängten sich hinter ihm herum und hatten die Augen aus den Erker gerichtet, ob der Herzog nicht herausluge. Nur hie und da schaute einer um und sagte: »Martha, geh' nauf und bitt schön!

Schloß Starnberg.

»Ja wie werd' i mi trau'n!« war dann stets der Martha Entgegnung. Und war die Martha ein recht ehrwürdig, fast wohlbeleibtes Weiblein mit gar christlichem Antlitz, drauf in hohen Jahren des tugendsamen Lebens unverwelklicher Frühling lag. Stand nun dieselbe Martha hinter den anderen, hielt die Hände über dem Leib gefaltet und sah auch zum Erker hinaus, aber recht sehnsuchtsvoll.

Als der Vogt dem Herzog verkündete, die Fischer und Bauern von Starnberg möchten ihn sehen, wandte er sich zum Grafen von Wildenwarth und sagte: »Da muß ich wieder meine Stärke weisen. Das wär das Geringste. Aber an den Geldsäckel wird's auch geh'n und bin eben nicht zum besten bestellt.«

Drauf sagte der Graf von Wildenwarth: »Bedürft Ihr, was Ihr wollt, ich leih' Euch, wieviel Ihr wollt. Das ist mir die größte Ehr'! Was wollt Ihr aber Euer Geld verschenken?! Ihr seid viel zu gut und mag's Euch noch gereuen genug. Da halt' ich's ganz anders. Vom Schenken ist bei mir keine Sprach', so mir aber das Bauernpack etwas schuldet, hab' ich nicht das mindeste Erbarmen. Die Gesellen würden zu übermütig – ich aber brauch' mein Geld zu Roß, Würfeln und Schachzagel, das wird hoch getrieben an Kaiser Friedrichs Hof.«

»Da mag's dereinst schlimm mit Euch stehn,« fiel Herzog Christoph ein, »der Geizteufel reißt Eure Seele vom Himmel, und der Spielteufel wirft sie in die Hölle.«

»Wär' mir nicht lieb!« versetzte jener lächelnd. »Will ich doch nur mein Recht und halt's mit meiner Barschaft, wie mir für gut dünkt. Wißt Ihr was? Morgen laß ich hier zu Ort eine Fischerin um zehn Goldgulden pfänden. Die müssen her, und müßt' ich ihr den letzten Nagel aus der Wand reißen. Zwo Jahre währt's schon seit des Mann's Tod, das wär' schier lang genug. Nun ist mir die Geduld gebrochen!« Dabei sah er just zum Erker hinab. »Dort könnt Ihr sie sehen, das alte Leut, das ist's, die Rother Martha.«

Als Herzog Christoph einen Blick hinabsandte, ging ihm sein ganzes Herz in Wehmut über, zugleich aber in größtem Zorn.

Rasch wandte er sich vom Fenster ab und fuhr den Grafen an: »So seid Ihr doch schon dem Teufel zu schlimm! Dem alten Weiblein könnt Ihr ins Antlitz schau'n und kein Erbarmen finden, so daß Ihr es in Verzweiflung und Jammer stürzt, wenig Tag, eh' daß es etwan ins Grab steigt?! Wenn Ihr's so treibt, schleud'r ich Euch all gutes Vernehmen dahin und sag' Euch voraus, auf Euerem Geld liegt Fluch und aber Fluch. Eh' Ihr's Euch verseht, laßt Euch Gott fallen, daß Ihr selbst zum Bettler werdet. Laßt ein christlich Wort mit Euch reden. Fünf Goldgulden, mehr hab' ich nicht. Die nehmt hin, und für die weiteren fünf laßt Ihr dem Weiblein Jahresfrist!«

»Das will ich nicht!« erwiderte der Wildenwarther. »Säh's doch just aus, als schämt' ich mich meines Vorhabens. Was Ihr aber vermeint, auf meinem Geld liege der Fluch, seid Ihr schlecht beraten. Was ich dort im Reitersack hab', all das ist gewonnenes Geld, das hab' ich manch fürstlich frommem Herrn abgelöffelt, und womit ich setzte, das war alles dem Bauernvolk abgeschunden. Da hat Gott nichts dawider, das sind schier nur halbe Menschen!«

»Daß kein Blitz auf Euere lästerliche Zung' fahrt!« rief Herzog Christoph. »Ist's mir doch, als könnt' ich Euch billig strafen und Eueres schnöden Frevels zeihen, daß ich Euch all verdammtes Geld abgewönn'!«

»Ei so versucht's!« gab der Graf spöttisch zurück. »An Wunder glaub' ich nicht so fast. Ich leih' Euch einhundert Goldgulden. Zieht Ihr dreimal ein in Zeit einer Stunde, sollt Ihr mir nichts mehr erstatten! Draus könnt Ihr meinen Mut ersehen. Nur her da mit den Würfeln – was setzt Ihr ein, Herr Herzog?« Zugleich zählt er das Geld auf.

»Steht schon« – sagte Herzog Christoph. »Euere einhundert Goldgulden setz' ich.«

»Seid Ihr bei Trost?« rief jener voll Erstaunen. »Nun, mir ist's wohl recht und genehm, soviel schneller sind wir zu Ende! Heisa, hört Ihr, wie's kollert im Becher? Ich spür' schon, daß die rechten fallen – – siebzehn Augen!«

»Ist noch eins mehr drin!« sagte Christoph. »Spielt Ihr mit dem Teufel, ich spiel' mit Gott!«

Dabei schüttelte er den Becher – und da lagen die achtzehn.

»Habt Ihr's gesehen, Herr Graf –?« Er zog einhundert Goldgulden ein, die andern hundert schob er dem Wildenwarther zu. »Da habt Ihr Euer geliehen Geld, wollt Ihr nun ablassen?«

»Daß ich ein Tor wär'!« rief jener. »Das gelingt Euch nimmer zum zweitenmal. Noch einmal soviel!« Er setzte.

Herzog Christoph warf, der Graf hinwieder und weniger. Es folgte Wurf auf Wurf. Nun war keine Viertelstunde verflossen, traf des Herzogs Weissagung schier wunderbar ein. Dem Wildenwarther zerfloß all sein Geld unter den Händen, bis er nichts mehr besaß, denn sein Roß und Schwert – und die zwo verlor er desgleichen.

Also saß er ganz verzweifelt da.

Da stand der Herzog Christoph aus und sagte mit eindringlicher Stimme: »Saht Ihr, wie's Gottes Wille sein kann? Draus schöpft Euch eine gute Lehr'! Wärt Ihr nun an einen anderen geraten, käm' sie Euch teuer zu stehn. Ich aber will nicht Euer Roß und Schwert und minder Euer Geld. Nehmt all jenes und Eueren güldenen Plunder zurück bis auf zehn Goldgulden. Heraus mit der Martha ihrem Schuldbrief – dann sollt Ihr die Zehne gleichfalls empfa'n!« Drüber geriet der Graf von Wildenwarth in großes Staunen, er stand ganz bewegt auf und sagte: »Hoher Herr, nun seh' ich wohl, daß Euerer Tugend und Mäßigkeit Ruhm nit zu groß ist. Ihr habt mich zwiefach besiegt. Laßt mir auch was Gutes zu tun – da nehmt den Schuldbrief – mit den zehn Goldgulden verfügt auf die Martha?«

»Das laßt sich hören, Herr Graf«, versetzte Christoph, trat an das Erkerfenster, öffnete es und sah hinab. Dazu sprach er: »Grüß Gott, ihr Leute! Laßt die Rother Martha herantreten!«

Als nun diese, aber recht furchtsam, unter den Erker trat und hinaufsah, sah Herzog Christoph recht mild herab und fuhr fort: »Heb' dein' Schurz auf, Martha, Furcht und Jammer ist aus, der Wildenwarther laßt dich fein grüßen!« Riß darauf den Schuldbrief in zwei Stücke, rollte die zehn Goldgulden darein und ließ sie hinabfallen.

Schier ungläubig öffnete die Martha, was ihr vom Erker entsandt ward. Als sie aber den Schuldbrief erkannte und das Gold erblickte, dessen ihr soviel geschenkt, als sie erst schuldig gewesen, fiel sie auf die Knie nieder, brach in die hellen Tränen aus und segnete den Grafen über und über.

Herzog Christoph nahm jedoch den Wildenwarther am Arm, wies ihn ans Fenster und sprach: »Da schaut hinab! Was wird Gott besser gefallen, so Euch die Menschen segnen oder fluchen?«

»Das sollt Ihr nicht in den Wind gesprochen haben«, entgegnete jener. »Ich seh's zum erstenmal und bedrückt mich nit fast vom Übel. Da mögt Ihr Euch des besten bei mir versehen!«

Ward auch weiterhin mild und leutselig und gar, heißt es, griff er nimmer zu den Würfeln.

Nun hatte Herzog Christoph wohl zum Fenster herausgeschaut, die Fischer und Bauern aber hatten ihn nicht erkannt und ließen sich das Warten keineswegs verdrießen.

Mit einemmal kam er unterm Schloßbogen hervor, trat in den Zwinger und sagte: »Ihr wollt den Herzog Christoph sehen, wohlan, da bin ich!«

Als er es sagte, schauten sie ihn an, lachten ein wenig oder balgten ihre Mützen und Hüte, wieder andere strichen sich über die Scheitel.

»Was soll das?« fragte Christoph. »Glaubt ihr nicht, daß ich der Christophel bin?«

»Wohl, wohl,« sagte der Doll von Seeshaupten, »bist sicher was groß'. Entweder aber so ist's derlogen, daß d' so fast stark bist, oder bist ein anderer Christophel als dersell, den wir meinen.«

»Warum denn?«

»Warum sagst? Dessell ist narret! Lang warst schon, aber schmachtig und dürr und Aug'n hast, wie der frummst geistlich Herr. Mein G'schau schaug' an – da fleugt kein' Flieg'n in der Luft, daß' zu hoch war', hör'n auf'm See – weitaus, und in der Kraft kunntst wohl was dermachen! Sieghst den Fuß und de Brust, da dürft's ganze G'schloß darauf fall'n, druckt m'r kein' Ripp'n ein. Und de Hand, da schlag ein, wenn d' Schneid hast!«

»Ich seh' deine Bärentatz gar wohl!« sagte Herzog Christoph. Dazu gab er ihm einen leichten Schlag auf die Hand, daß es jenem gleich den Arm zurückwarf.

»Oho!« rief der Doll von Seeshaupten. »War schon recht! Sieghst, dessell Handl hat sein' gute Kraft.«

»Merkst etwas?« erwiderte Christoph. »So komm her, weil du so wohl hörst und siehst! Ich hör und seh noch besser. Dort oben, wo der See zu End' ist, fünf Stunden weiter, sitzt ein Fink auf'm Zaun – und drunter hör ich s Gras wachsen. Ist's so oder nicht?«

»Was hörst? 's Gras hörst wachsen?« rief der Doll von Seeshaupten. »Aber du bist derlogen! Dessell hörst net und hör' ich net und seghn tust wieder nix!«

»So schau' und lug nur recht! war Christophs Antwort »Stehst etwan zu tief? Da tritt auf meine schwache Hand, du Bär, und laß dich lupfen! Alsbald hob er ihn empor und sagte: »Siehst'n noch nicht, den Fink? Vielleicht hörst 's Gras wachsen?« Und gab dem Doll einen hohen Schwung, daß er über den Weg flog und zu tiefst ins wuchernde Gras am Turm niederschlug.

»Bist schon der Christophel!« schrien alle zusammen. Was laufen konnte, rannte aus Leibeskräften den Schloßberg hinab. Hinterdrein der Doll von Seeshaupten, denn der war etliche Zeit voll Staunen im Gras sitzen geblieben.

Solches fand statt, als Herzog Christoph zum erstenmal an den Würmsee kam.

An dem hielt er sich etliche Tage, jagte, oder übte sich in Führung des Ruders. Da er drauf heimritt und noch einmal auf die Wasser hinblickte, dachte er wohl nicht daran, was ihm hier dermaleinst noch bevorstünd' in Sieg – und hinwieder stillem Kummer für lange Zeit seines Lebens.


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