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II.
Der schwarze Christoph.

Nachdem der alte Herr in der andern Welt war, regierten zu München seine zwei ältesten Söhne, der Johannes und der Siegmund. Die nahmen alles Geld ein und gaben den Brüdern, soviel ihnen eben beliebte. Es war aber oft gar wenig.

Drob ergrimmte herzog Christoph, der sehr freigebig war, wie billig, gar oft. Gab nun, soviel er konnte, Und war er nicht zur Hand mit Geld und Gut, so half er auf andere Weise· Jederzeit aber verrichtete er treffliche und wundersame Taten.

Zu München in der Burggasse steht hart am Rathaus noch eines.

Im selben Haus wohnten dazumal ein gar frommer Herr, namens Hieronymus Ligsalz, und sein Ehegespons, eine auserlesene Frau, mit Namen Helika. Denen beiden war noch in späteren Jahren der Ehe Segen entsprossen und Herzog Siegmund dabei zum Gevatter worden.

Nun war's gegen Ende des Jahres 1460 um Mitternacht.

Die fromme Stadt München schlief allerorten aufs beste und ließ sich keiner träumen, es könne zu der Zeit noch ein Gewitter kommen. Mittlerweil kam aber doch eines und das zog so graus daher, daß es Nachtwächtern und der Scharwache großen Schrecken einflößte. Die Blitze zuckten bündelweis hin und wieder, erst ferner, dann näher, dazu war ein Rollen und Brummen weithin im schwarzen Gewölle, als wollte sichs erst recht ansammeln und kämen noch mehr Gewitter nach.

Das traf auch zu.

Mit einemmal war's, als ob der ganze Himmel in Flammen stünde und zuckte ein mächtiger Blitz schräg über den Marktplatz zu öberst in den Rathausturm, daß er gleich hell aufloderte. Drauf polterte es darnieder aus rasch einfallender Finsternis, als ob die ganze Stadt zu Trümmer gehen sollte.

Alsbald stürzten die Menschen allerorten an die Fenster und zu den Türen heraus und gab's in kurzem großes Lärmen, Jammern und Rennen durcheinander. Sturm wurde auch geläutet, die Nachtwächter stießen allerorten in die Hörner, die auf den Türmen bliesen desgleichen mit Macht und schlugen auf die Glocken – war's demnach ein schauerlich Getob und Gewirre, daß einem angst und bang wurde. Es konnte aber keiner helfen, denn 's war Mangel. an Wasser.

So brannte es fort und fort, der Wind blies auch in die Flamme und stand die ganze Stadt in Gefahr. Den Turm jedoch einzureißen, das war kein leichtes. Denn vom Dache floh das Zinn, der Knauf fiel halbzergangen darnieder, ein prasselnder Balken folgte dem anderen – nächst begann die Glocke zu schmelzen, da sprüht' und kochte das Metall herab, wie die brennende Lohspeise des Berges Vesuvius.

Urplötzlich tat die Flamme einen Sprung auf des Hieronymus Ligsalz Losament und ging da ein zweites Feuer auf. Also wuchs der Jammer noch mehr. Zumeist aber in selbigem Haus, denn in diesem konnte niemand aus und ein, weil Herr Ligsalz den Schlüssel nicht fand, und flehte er vom Fenster aus, die Türe zu zertrümmern, sonst möchten sie alle verbrennen.

Da rückten eben die Herzoge an, voraus der Christoph.

Kaum der sah, wo es fehle, tat er einen Stoß mit der Faust, daß die Tür in Trümmer ging, eilte hinauf und rief: »Wo ist die größte Gefahr?«

Dabei sah er den Herrn Ligsalz ganz verzweifelt umherirren, Frau Helika und die Amme aber lagen auf den Knien und stammelte die erste: »Mein Kind verbrennt – die Amme hat's im Schrecken verlassen – und die Hochstiege steht in Flammen!«

»So helfe Gott!« rief Herzog Christoph.

Und sogleich hinaus und hinauf durch Rauch und Feuer. Oben fand er das Kind schlafend, barg's wohl unterm Mantel, gleich damit hinunter und sagte: »Da habt Ihrs!«

Drauf eilt er wieder hinauf, warf eine Mauer darnieder, daß er die Lohe erstickte, und mahnte zum Fenster hinab mit gewaltiger Stimme, daß ihrer mehrere heraufkämen mit Schläuchen und Eimern, und so gelang's ihnen das grause Element zu bändigen.

Herzog Christoph aber stürmte die Treppen schier in drei Sprüngen hinunter, dann hinaus und herum auf den Ratsturm zu.

Die Gewitter hatten vertobt, als hätten sie's auf den einen Blitzstrahl abgesehen gehabt.

»Glück auf!« rief Herzog Christoph, »der Wind läßt nach und der Regen kommt, nun ist gut schaffen – her mit dem stärksten Feuerhaken, ich will in den Turm, ihr aber staut die Regenflut in den Rinnen auf, daß es Wasser zum Löschen gibt!«

Und über lodernde Trümmer und Balken schwang er sich, unbekümmert, wie's links und rechts herabströmte und polterte in gischendem Metall und prasselndem Gezimmer. Dann empor auf einer Leiter, kaum berührte er drei Sprossen, hinein durch das Fenster, fort durch Rauch und Flammen und donnerte drüben auf der Talseite hinab: »Weg da auf dreißig Schritte, wem sein Leben lieb ist!«

Da drängte alles zurück.

Er aber warf erst etliche Mauern ein, das brennende Gebälke riß er auseinander und schleuderte es hinunter ins Tal, als hätt' er einen Büschel Späne vor sich. Schier bedünkt's unglaublich, doch so war's. Dazu brauste der Regen stets mächtiger vom Himmel und dämpfte die Glut an manchem Orte, so daß sich die anderen mit vollen Schläuchen und Bütten heraufwagten.

Mittlerweil waren Herzog Christophs Brüder und alles Volk in großer Besorgnis und dachten, er sei im Rauch erstickt oder etwan erschlagen worden. Als er nun daherkam, zeigte sich wohl, daß ihm nichts widerfahren, wohl aber, wo er gewesen sei. Denn die Kleider waren versengt, der feine Bart rein weggebrannt und schwarz war er an Gesicht und Händen, als wie der schwärzeste Mohr.

Da könnt ihr wohl denken, was Freudengeschrei und hinwieder Gelächter erscholl.

Er aber rief: »Ihr habt gut lachen. Da oben war's fein heiß und viel heißer mag's in der Höll nit sein! Gelt' es fürs Fegfeuer, dann ist's gern gescheh'n. Ich tat das Meine – was itzt vonnöten, dazu braucht ihr mich nimmer!«

Drauf schritt er durch die Menge.

Davon eilte ein Teil dem Turme zu, der andere zog mit Herzog Christoph dahin bis zur Burg. Dort entließ er sie.

Dann sogleich hinaus und warf sich aufs Bett, wie er war.

Als er des Morgens erwachte, war das fürstliche Bett rabenschwarz, daß man die ganze Gestalt sah, und Herzog Christoph selber lachte.

Wie aber die Brüder daherkamen, der Johannes und der Siegmund, und auch lachten, trat er sehr gewaltig vor sie hin und grollte sie an: »Soviel mich bedeucht, gefällt euch selbig schwarzes Konterfei fast wohl, und soviel ich mich plag', tragt ihr Lust und Kurzweil davon mit Aug' und Ohren – aber bessert euch in nichts! Nun mag ich's euch deutlich beweisen. Da schaut nur her, was schnöde Gesellen ihr seid! Euch und Stadt und Land zulieb geh' ich durch Rauch und Feuer, daß ich kohlschwarz werde – ihr aber verschmäht zwo Finger für mich zu schwärzen, auf daß ihr mir etlich' Dutzend Pfund Heller mehr aufzählet, denn ihr mir schuldet!«

Dabei sah er sie mit seinem schwarzen Gesichte sehr zornig an und seine Augen funkelten, daß den vielliebsten Brüdern angst und bang wurde.


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