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X.
Der Baumeister von Unserer Lieben Frauen.

Eines Tages stand die Angelegenheit zwischen Herzog Albertus und Christoph wieder einmal besser. Letzterer und Herzog Wolfgang hielten sich zu Grünwald ob der Isar auf, Herzog Siegmund aber war von Blutenburg auf Besuch zum Albertus gekommen.

Da sprachen die zwei von dem und jenem, was früher beschlossen war, und der Siegmund wollte nun sein liebstes Vorhaben verwirklichen.

* * *

So es einem recht wohl ergeht, meint er oft, es könnt' nimmer anders kommen. Da rückt das Unglück urplötzlich Schlag auf Schlag heran. Hinwieder lebt einer oft lang in Trübsal dahin und glaubt sich ganz verlassen und vergessen. Da zeigt sich urplötzlich ein froher Lichtstrahl und kömmt eine Freude um die andere.

So ging's einstmals einem zu München. Der hieß Jörg Gangkofen von Halsbach und war seines Zeichens ein Baumeister. Meister Jörg soll in jungen Jahren den Neubau des Anno 1416 abgebrannten Klosters Polling neben der dazu gehörigen Kirche geführt haben. Wenn dies, wie sehr wahrscheinlich, ist er der später zu München vielgenannte »Meister von Polling«. Als Geburtsort Jörgs wird neuerlich Sixt Haselbach (früher kurzab Halsbach) in der Pfarrei Inkofen angegeben. Eine Wohnung neben dem »Katzmaierschen Seelenhaus« in der Vingergasse wurde ihm nach längerem Aufenthalte angewiesen. Ein kleines Haus erkaufte er an der Prandes(Pranners)gasse. Jörg baute auch die Kirche »zu aller Heiligen« auf dem heiligen Kreuz in München und die zu Pipping.

Fürtrefflicher gab's wohl keinen. Weil er aber gar bescheiden war und sich nirgends vordrängte, kam er auch zu nichts. Sooft er nun erfuhr, der oder jener baue eine Kirche, freute es ihn wohl herzinnig, daß wieder etwas zur Ehre Gottes und seiner Heiligen geschehe. Im stillen aber dachte er jedesmal: »Wär' dir nur auch solch ein Werk bestimmt!«

Darüber war der Jörg allgemach in die Jahre gekommen, lebte so fort an der Seite seiner Hausfrau Margaret, und wenn er oft recht trübselig war, tröstete ihn diese mit frommen, freundlichen Worten, oder es kam sein Freund Heimeran zu ihm. Meister Heimeran, auch als Herman vorkommend, findet sich als »der von München Prugg Maister« bezeichnet, war demnach auch wesentlich mit Wasserbauten betraut. Der war ein Meister im Gezimmer und bescheiden, wie er. Da sprachen sie von allerlei, dabei verging dem Jörg wieder sein Kummer und er sagte zuzeiten: »Wenn's vom Herzog Christoph abhinge, möcht' mir wohl ein guter Auftrag werden. Aber da hat's seinen Haken. Mut und Kraft hat er, aber kein Geld.« Drüber kamen sie auf seine Taten zu sprechen und verstrich gar mancher Abend noch froh, so er auch fast traurig begonnen.

Was aber Herzog Christophs gute Absicht betraf, drin täuschte sich Herr Jörg von Halsbach keineswegs, und eine ganz kurze Zeit war verflossen, da hatte jener viel zugunsten des Meisters Jörg gesprochen und geschrieben.

Von dem wußte aber der Meister nichts.

Nun fiel in die Zeit sein Geburtstag und da erreichte er just sein fünfzigstes Lebensjahr. Recht trüb und wehmütig begab er sich abends vorher in sein Schlafkämmerlein, als wollte er zur Ruhe gehen. Wie gern er aber seiner Hausfrau verheimlicht hätte, was ihn drücke, sie erkannte es dennoch.

Mittlerweil' er also gedankenvoll am Fenster stand und auf den Kirchhof Unserer Lieben Frauen hinaussah, kniete Margaret im nächsten Gemach vor einem Christus in der Marter, erhob ihr Herz inbrünstig zu Gott und flehte ihn an, dem Jörg seinen stillen Kummer abzunehmen. Dann wandte sie sich an die heilige Jungfrau Maria und, ohne es selbst zu wissen, war ihr Flüstern lauter, so daß sich Herr Jörg wandte, und wie er so dastand, vernahm er recht deutlich, wie sie ihr Gebet schloß. Und das lautete:

»Also schau' du gnädig herunter vom Himmel, du allerheiligste Fürsprecherin in all Gram, Kummer und Herzensnot! O du allerseligste Jungfrau, erhör' mein Gebet, richt' auf dein Antlitz und bitt' für ihn, daß ihm sein Wunsch erfüllt wird. Gewiß ist's ihm nicht zu tun um schnöden Lohn und frevelhafte, weltliche Ehr'! All und jedes soll nur zur Ehre Gottes gescheh'n, und er möcht' gewiß nichts sein, als ein demütiges Werkzeug zu Ehr' und Glori des Allerhöchsten, aller Heiligen und deiner selbsten, du Mutter in Schmerzen! Gegrüßt seist du –«

Leise öffnete Meister Jörg die Türe.

Da sah er sie am Betstuhl knien, mit dem Haupt tief auf die gefalteten Hände geneigt. Sie war noch ganz in sich verloren und hörte es nicht, da er zu ihr trat.

Heimeran, Zimmermeister.

Jörg von Halsbach, Baumeister.

Er aber legte mild die Hand auf die Schulter und sagte: »Hab' Dank, du fromme Seele, für dein Gebet! Das hat mir gar wohl getan in meinem Herzen. Ach, weil ich nur dich habe und einen treuen Freund, und daß ihr mich beide erfaßt und versteht, da ist mir ja alles leichter zu tragen!«

Eine Weile schwieg er. Dann fuhr er fort: »Aber ich hab' es just bedacht. Ob's nicht doch ein Übermut ist, daß gerad' ich erkoren sein will ein großes Werk zu vollführen! Und dir hab' ich auch schon viele Stunden vergällt. Sei getrost, das soll fürhin anders werden und du sollst keine Klage mehr vernehmen – gute Nacht!«

Langsam schritt er zurück in sein Gemach.

Margaret hatte nicht aufgeschaut und gewaltsam ihren Schmerz unterdrückt. Da sie hörte, wie Meister Jörg die Türe schloß, brach sie in leises Schluchzen aus. So kniete sie lange in unaussprechlicher Wehmut – –

* * *

Am nächsten Morgen als Meister Jörg in die Wohnstube trat, war der Tisch weiß gedeckt. Ein schöner Korallenstock prangte in der Mitte. Links lag eine kalte Hammelskeule und ein großer gezackter Weißweck, reich mit Kümmel bestreut. Rechts ein Wams und Mantel, trefflich sauber genäht aus schwarzem Schamlott. Vor dem Korallenstock aber stand das Bild der Jungfrau Maria, das gar wohl geschnitzt war.

Sah demnach alles recht festlich aus. Margaret hatte auch die besten Kleider angetan. Meister Heimeran, der schon früh gekommen war, desgleichen, und so fehlte es an nichts, des Tages Feier würdig zu bezeichnen.

Da aber die letzten zwei recht herzlich Glück gewünscht hatten, zeigte sich, daß ihm Meister Heimeran das Muttergottesbild verehrt habe, Margaret aber die Hammelskeule, den Kümmelweck, den Korallenstock und Wams und Mantel auch. Dazu hatte sie dort und da abgespart, ohne daß es Herr Jörg bemerkt hatte.

Draus ist zu ersehen, was eine Frau vermag, wenn sie's zu richten weiß, also daß ein Mann seine Freude hat und kostet ihm nichts.

Selbiger Morgen begann demnach fast gut für den Meister Jörg von Halsbach, bezeigte der große Freude und Dank und sagte: »Ihr habt mir überreiche Bescherung gemacht und mir all mein Liebstes verehrt. Dazu hat mir Gott heute Nacht einen Traum verliehen, schöner hab' ich keinen gehabt, so lang' ich lebe. Es ist zwar nur ein Traum, dennoch aber ist mir zumute, als ob das alles wahr gewesen wäre.«

»Ei, was hat Euch denn geträumt?« fragte Meister Heimeran mit einem Blick auf die Margaret.

»Das sollt ihr vernehmen«, antwortete Herr Jörg von Halsbach. »Mir deuchte, ich stünde in einer großen, viel herrlichen Kirche, all entlang mit hohen Säulen und farbigen Fenstern, drauf war ein Wappen schöner ums andere. Da ich nun herumsah, ward mir stets mehr zumute, als sollt' ich das Gebäude wohl kennen, vermocht' aber nicht, zu ergründen, woher. Wie ich da sinnend und beschauend an mehr Kapellen und Altären vorbeischritt, gelangte ich an einen Ort, da bedünkte mich, hie wär' die Sakristei und die Tür, so ich sähe, führe dazu hinein und wär' überwölbt. Das war mir wieder nicht fremd. Mit einemmal sah ich eine Jungfrau unter dem Gewölbe stehen, die hatte ein unsäglich mildes Antlitz und sah mich lächelnd an, daß ich bald Vertrauen faßte und fragte: ›Sag' mir doch, du wundersam, frommblickende Maid, wo ich zu Stadt und Land bin und wer die Kirche gebaut hat! Ist mir doch, als sei ich schon da gewesen in Wahrheit oder in Gedanken, denn was immer ich seh', das ist mir überaus wohlbekannt‹«

»Das ist traun wunderbar!« unterbrach Heimeran den Meister Jörg, dabei er den Blick wieder auf die Margaret lenkte. »Und was sagte die Maid?«

»Als ich so fragte,« fuhr Herr Jörg fort, »sah sie mich gar huldreich an und sagte: ›Erkennst du dein eigen Werk nimmer? Das ist deiner Gedanken Werk und das alles hast du selbst geschaffen.‹ ›Mein eigen Werk?‹ sagte ich. Mit Gewalt zog's mich zu des Gottestempels Mitte, da warf ich einen Blick um mich und mir war's, als ob Vergangenheit und künftige Zeit sich vermische; aber was ich ringsum sah, das fühlte ich, sei alles mir entnommen und auf's kleinste so, wie ich mir's erdacht. Und kehrte gar hochbewegt zur Jungfrau zurück. Da war das Gewölb' ganz erhellt – wie von himmlischem Licht umgossen, sah ich die Jungfrau, in den Lüften weitaus war's, als erklänge einer mächtigen Orgel feierliche Stimme und heiliger Gesang dazwischen wie von Engelslippen. Der schwoll an zu einem überirdischen Halleluja, daß ich lobpreisend mich niederwarf auf mein Antlitz in süßseligster Bestürzung – und drüber bin ich erwacht – was ist dir, Margret?«

»Mir – mir hat dasselbe geträumt!« antwortete jene.

»Ich war in einer fremden Kirche und war mir doch auch, wie dir, als hätt' ich das Gebäu' schon früher gesehen oder gehört davon. Da sah ich, wie du, eine Jungfrau, und wie ich sie anrede, fragt sie: ›Ob ich meines eigenen Ehherrn Werk nicht erkennte?‹ Drauf sah ich sie in hellem Licht dastehen unter einem Gewölb' und habe Orgelspiel und Gesang vernommen und ein hochherrliches Halleluja, daß mir fast der Himmel offen ward vor meinem sterblichen Sinn und ich mich niederwarf – und drüber bin ich erwacht.«

Herr Jörg von Halsbach stand eine Weile sinnend. Dann bot er dem Freund und der Ehfrau die Hand und sprach, den Blick zum Himmel wendend: »Jeder fromme Traum ist des Herzens geheimsten Wünschen oder Gottes Zulassung entstammt. Wie's immer sei – daß uns beiden Gleiches träumte, mag mir ein Zeichen sein, er schaue sonder Zorn auf mich und mein lang gehegtes Verlangen.« Drauf schüttelte er Meister Heimeran und der treuen Margaret die Hand und setzte bei: »Sprecht mit niemand davon, es gibt gar allerhand Menschen, die verspotten das Heiligste. Und nun kommt, setzt euch zum Morgenbrot mit dankbar freudiger Seele, daß wir wieder nach einem Jahr in Wohlergehen beisammen sind. Ihr seid mein Gast, Heimeran, und heut abend auch. Da will ich dann nimmer hinter'm Busch halten und Ihr sollt die Aufrisse sehen, so ich in letzter Zeit gefertigt habe. Da ließe sich gut danach bauen. Nun mir wird's nicht zuteil, aber was tut's? Bin ich einmal nimmer – vielleicht vollführt's ein anderer!« – – –

Es war um die siebte Abendstunde.

Scharf hauchte der Nordwind über Unserer Lieben Frauen Friedhof und wehte große Schneeflocken dahin um das Marienkirchkein und die Sankt-Michaels-Kapelle.

In genannter Kapelle lagen viel Treffliche begraben: Ratsherren, Bürger und ihre Frauen. Mancher Kämpe, der im Zweikampf oder sonstwie zu München verstorben war, fand hier ein paar Nächte seine Ruhestätte, bis sie ihn fortführten auf seiner Väter Burg und ihn zu seinen Ahnen legten – und einer, dessen Name nimmer verklinge in deutschen Landen, lag auch vor alter Zeit dort, schier über ein Jahr. Der war Kaiser Ludwig der Bayer, vielgeplagt im Leben und im Bann und jähen Todes von hinnen geschieden unweit Fürstenfeld. Da kamen sie einst und trugen ihn hinüber von Sankt-Michaels-Gruft in der Maria Kirchlein, in stiller Nacht – – da schlummerte er.

Um selbige siebte Stunde saßen im ersten Stockwerke des Mesnerhauses nächst Unserer Lieben Frauen drei gar traulich beisammen – Herr Jörg von Halsbach, Meister Heimeran und Frau Margaret.

Fröhlich hatten sie zu Nacht gegessen und nun zeigte Herr Jörg eben einen Aufriß um den andern vor. Meister Heimeran aber meinte, so viel Erhabenheit und einfach anmutige Zier hab' er nie gesehen und käm's nur dazu, daß der Jörg aufbaue, er wollte schon einen trefflichen Dachstuhl setzen. Der würde doch wohl keinem zuteil, als ihm.

Drüber lächelte Herr Jörg wehmütig und sagte: »Ei, das dürft Ihr ja wohl glauben, Ihr müßt ihn zimmern! Denkt Euch, Freund, wie schön das wär'. Wir sitzen da beieinander, – da tät's kling, kling, es käm' ein hoher Herr und sagte: »Also wohl, Meister Jörg, die Risse da gefallen mir. Frisch auf und baut mir ein solches Gotteshaus!«

Unserer Lieben Frauen Friedhof im alten München.

»Das wär' freilich schön«, entgegnete Meister Heimeran.

»Hat aber gute Wege!« setzte Herr Jörg hinzu. Er ergriff die Lichtschere – – in demselben Augenblick läutete es an der Haustüre.

Die drei fuhren zusammen.

»Wer kommt so spät?« sagte Herr Jörg. »Schaut doch hinab!«

Langsam, halb abgewendeten Blickes, machte er das Licht zurecht, während Heimeran und Margaret zum Fenster traten und es öffneten, daß die Schneeflocken hereinschwebten und das Licht flackerte.

Frau Margaret aber hatte kaum hinausgeschaut, als sie in große Aufregung geriet und sich mit gefalteten Händen auf den nächsten Stuhl setzte. Meister Heimeran tat einen halb freudigen Schritt gegen Herrn Jörg, kehrte noch einmal zum Fenster zurück, schaute, beide Hände über den Augen haltend, hinab und stotterte: »Es ist nicht anders!«

»Was denn?« fiel Herr Jörg ein. Er stand auf, schaute zum Fenster hinab und sah einen unten stehen, den er zu erkennen glaubte.

»Seid Ihr nicht Hermann, Herzog Siegmunds Diener?« fragte er.

»Sicher!« kam's herauf. »Macht nur auf, Herzog Albertus und Siegmund folgen mir auf der Ferse. Seid fein demütig und untertänig, sonst mag's Euch nicht zum besten ergehen!«

»Weiß mich aber keiner Sache schuldig!« lallte Herr Jörg. Er schloß das Fenster, ergriff das Licht und machte sich die Treppe hinab. Kaum hatte er die Türe geöffnet, so kamen schon die zwei Herzoge, in Mäntel gehüllt, durch das Schneegestöber einher geschritten. Rasch nahm Herr Jörg die schwarze Samtmütze vom Kopf und unter den linken Arm, verhielt mit der Hand das Licht, daß es im Luftzuge nicht verlösche und begrüßte die hohen Herren ehrfurchtsvoll.

»Scharfer Wind und viel Schnee!« sagte Herzog Siegmund. Dabei schüttelte er seinen Mantel ab.

»Und bei dem Wetter sucht ihr, allergnädigste Herzoge, mein armes Losament auf?« sagte Herr Jörg. »Fast, bedünkt mich, in Unmut!«

»Werdet schon hören,« war die Antwort; »wir sind Euch hinter alles gekommen.«

»Daß ich nichts wüßte!« stotterte Herr Jörg von Halsbach und leuchtete in großem Schrecken voraus.

Die Herzoge traten ein und folgten Herrn Jörg hinauf in die Wohnstube. In vieler Verwirrung verbeugte sich Frau Margaret mehrmals. Meister Heimeran aber hatte sich hinter die Türe gestellt und wollte zu gelegener Zeit hinaus.

»Nur da geblieben, Heimeran!« sagte Herzog Albertus, sich wendend. »Was mein Herr Bruder zu sagen hat, dabei müßt und sollt Ihr sein.«

»Bleib' schon, bleib' schon« – entgegnete Heimeran rasch und postierte sich an die Wand nächst der Türe.

Die zwei Herzoge setzten sich.

»Was habt ihr denn da zu plauschen miteinander?« begann Herzog Albertus. »Das hat wohl was Rechtes zu bedeuten!«

»Zu bedeuten?« fiel Herr Jörg ein. »Allergnädigster Herr Herzog, das hat gar nichts zu bedeuten.«

»Still seid!« befahl Siegmund. »Allerorten schleicht sich der Brauch ein, daß die guten Freunde die Köpfe zusammenstecken, und mittlerweil' sie dergleichen tun, als sprächen sie von unschuldigen Dingen, fällen sie die härtesten Reden über meines Bruders Regiment, wo sie nit gar Ärgeres vorhaben!«

»Hab' aber nie ein Wort gesprochen und mein Freund auch nicht«, erwiderte Herr Jörg in steigender Angst. »Das wird mein Eheweib bezeugen müssen und wer mich immer sonst kennt.«

»So? Und nichts tut Ihr hinter meinem Rücken?« fragte Albertus.

»Was habt Ihr denn da beiseite geräumt, als wir eintraten?« setzte Herzog Siegmund hinzu. »Ich will das sehen!«

Mit wenigen Worten entdeckte Meister Jörg, warum er die Aufrisse heute vorgezeigt habe – und alsbald lagen sie vor den Herzogen.

Recht aufmerksam betrachteten beide dieselben.

Dann sagte Herzog Siegmund: »Nun laßt ein ernstes Wort mit Euch sprechen, Herr Jörg von Halsbach! Also heute ist Euer Geburtsfest? Das ist Euer Glück. Dennoch aber hört, was ich Euch vorwerfe. Ihr spielt Versteck mit Euerer Kunst, habt Euere Freude daran, so uns Herzogen der oder jener einen Bau verdirbt und nie und nimmer kommt Ihr sonderlich zu mir, auf daß Ihr sagtet: So taugt's nichts und so wär' die Sach' besser zu richten! – Oder habt Ihr das je getan? Sitzt Ihr nicht vielmehr hie daheim, plauscht und munkelt mit Meister Heimeran, behaltet all Euer Wissen und Kunst für Euch oder wenige, so aus fremden Landen kommen und voll Lobes von Euch scheiden – ich aber vertu' mein schönstes Geld und hab' keine Freud' dabei! Seid Ihr auch ein rechter Meister und Eueres Fürsten Freund? Schier möcht' ich Euch wohl zu Schadloshaltung zwingen, so Ihr etwas hättet!«

»Das tätet Ihr nimmermehr, Herr Herzog!« entgegnete Jörg ehrerbietig. »Ich geh still und bescheiden meiner Wege, verkleinere keinen – und dafür würdet Ihr mich nicht strafen wollen!«

»Was Ihr doch unschuldig tut!« war Herzog Siegmunds Antwort. Dabei stand er auf und fuhr fort: »Ihr seid nicht allein schuld, daß ich mein Geld in weltlichen Dingen vertu' – nein mehr – Ihr seid selber kein frommer Mann. Ihr fragt kein Deut danach, ob uns die Menschen hie zu München die Kirche versäumen, weil sie doch keinen Raum finden. Da schaut hinaus auf Unserer Lieben Frauen Gotteshaus! Die alte Marienkirche war schon Anno 1271 durch Konrad, Bischof von Freising, zur zweiten Pfarrkirche erhoben, und ward ein Friedhof umher genehmigt. Die päpstliche Bestätigung erfolgte Anno 1273. Der erste Pfarrer, welcher Anno 1295 starb, hieß Ulrich. Nicht der fünfte Teil der Pfarr' könnte hinein. Das seht Ihr alle Tage und tut doch den Mund nicht auf. Was kommt Ihr nicht längst zu Herzog Albertus oder zu mir und sprecht: Laßt Euch was sagen, eine neue Kirch' muß her und ich wär' der Mann dazu sie zu bauen!«

»O mein hoher Herr,« rief Meister Jörg mit unterdrückter Stimme, »was soll's Nutz und Frommen sein, wann ich armer Mann so vermessen zu Euch käme?«

»Ei, den Weg zu Euch hättet Ihr uns erspart,« sagte jener, »all durch Wind und Schneegestöber! So vernehmt den harten Entscheid. Ihr baut uns dorthinüber eine Kirche, groß und erhaben, wie weitum keine, die baut Ihr zu Ehr' und Gloria der allerseligsten Jungfrau – und der Meister Heimeran soll das Gezimmer schaffen, wenn Gott ihm das Leben gibt. Nun habt Ihr Euere Strafe!«

Herr Jörg stand eine Weile unfähig, all sein Glück zu erfassen. Dann sank er dem gnädigen Fürsten zu Füßen.

Meister Heimeran beugte sich in stummer Rührung – Frau Margaret aber konnte sich nicht halten, sondern kniete in der Ecke, unfern der Türe, nieder, hob die Hände empor und fing an das Ave Maria zu beten – das betete sie ununterbrochen zu Ende in der größten Seligkeit ihres Herzens – und zuletzt sagte sie: »So ist denn der Traum doch wahr geworden!«

Da nun Siegmund fragte, was das für ein Traum sei, und sie und Herr Jörg sollten sich erheben und erzählen, folgten beide dem Befehle.

Drauf sagte Herzog Siegmund: »In der Sache, bedünkt mich, ist gutes Gedeihen. Geträumt hat mir nun wohl nichts. Wie ich aber die Risse da sehe, erhaben und schlicht zugleich, so etwan hab' ich mir den Dom gedacht – und zu Lichtmeß könnten wir beginnen.«

»O allergnädigste Herren und Herzoge,« sagte Meister Jörg, »wieviel Mut hätt' ich von je gehabt – und nun, da's zutrifft, ist mir's, als sei ich so großer Aufgabe nicht wert und fähig. Wär' der Fra Paolo von Mantua nicht ein besserer Meister? Den kennt Ihr so wohl und habt so viele seiner Aufrisse gesehen.«

»Das ist trefflich und edel gedacht und gesprochen«, entgegnete Herzog Siegmund. »Aber es bleibt beim Gesagten.

»O, so will ich meiner großen Pflicht und Eueres Vertrauens wohl eingedenk sein,« sagte Herr Jörg, »und schenk Euch Gott ein langes Leben, o hoher Herr, daß Ihr Euer Werk zu Ende führt und es vollendet noch lange Jahre vor Euch seht!«

»Ich danke Euch,« sprach Siegmund, »des Himmels Gnade ist mir wie Euch wohl vonnöten. Denn das bauen wir nicht über Jahr und Tag.«

Albertus hatte sich erhoben, trat freundlich zu Meister Jörg und sagte: »Ihr könnt Euer Glück noch immer nicht fassen, mein liebster Meister! Es ist aber sicher so, wie mein vielliebster Herr Bruder Euch gesagt hat, und haben wir Euch kurze Zeit mit drohenden Worten fast erschreckt, so ist nun Euere Freude desto größer, und unsere Gunst und Neigung für Euch soll kein Ende haben. Weil Ihr nun lange gerungen und zuletzt Euer Ziel dennoch gewonnen habt, wird's Euch sicher angenehm sein zu wissen, wem Ihr das allermeiste verdankt. Das ist aber unser Herr Bruder, der Herzog Christoph. Der hat Euch aus eigener und großer Baumeister Meinung mehr und oft aufs beste empfohlen, noch eh' er wußte, was Herzog Siegmund Großes im Sinn trage.«

»Das lohn' ihm Gott in Ewigkeit«, sprach Herr Jörg – »weiß wohl, allergnädigster Herr Herzog, daß ich stets einen kleinen Stein im Brett hatte – so aber dacht' ich wohl nicht, daß es mir werden könnte.«

»Ja, Ihr habt traun einen Stein im Brett beim Herzog Christoph«, versetzte Albertus. »Dafür sollt Ihr auch ihm seinerzeit einen Stein setzen. Hört, was unser Herr Bruder Wolfgang von Grünwald aus heute schrieb, da er und Herzog Christoph die Kunde vom Bau der Kirche erhielt.«

Er nahm einen Brief heraus, trat zum Licht und las:

»Item Herr brueder, es hat der Cristoff große freud' bezeigt von wegen der kirche zue vnser lieben Frawen. Vnd allererst, da er's vernomen, hat er mit sein fueß auf ein quader gestoßen, rufend: Recht hat er, der brueder sigmund, aber mit dem geld wird er nit hinaussehen! Nächst er wegtrat, war die ganze spur seiner fersen im stain zu seen, drob sich männiglich verwundert hätt', sagend: Desgleichen möcht sich kein anderer Mann zu tun vermessen! Laßt euch dem meister jörg gunst vnd gnad' entpieten vnd frohe bezeigung, daß ihm nun ein rechtes werk zu teil werd, vnd schicket Jme hie anliegend einen gulden ring vnd ein silbern kettlin mit gutem Heiligthumb. Das möcht' er je Beides zu seim angedenken tragen, auf daß Die zu München erkennen mögen, wie wir ine billig eren vnd vns seins glückes freuen.

Also das.

»Vnd wär' nun mein rat vnd meinung, in selbem stain die spur einige tiefer aushauen zu lassn, damit sie nimmer abgewetzet wurd, ine zu bewahrn vnd an ein guten Ort im Dom zu setzen, wann's dereinst zum pflastern kommt, als daß es ein gedächtnuß vnd trefflich wahrzeichen wär.«

»Das soll seinerzeit in Erfüllung gehen, hoher Herr,« sagte Meister Jörg, »ein Wahrzeichen soll's bleiben für alle künftigen Geschlechter! So ich's erleb', will ich Herzog Christophen selber an den Ort führen, wo der Stein zu liegen kommt. Erleb' ich's aber nit, so möcht's wohl Ihr, Herzog Albertus oder Siegmund, statt meiner vollführen.« Das versprachen beide. Dann reichte ihm Herzog Siegmund des Bruders Geschenke. Also gab er ihm das Kettlein um und steckte ihm den Ring an den Finger. Inmitten des Ringes funkelten vier Granaten, die wie ein Kreuz geformt waren. Dann wandte er sich zu Meister Heimeran und sagte: »Ihr, lieber Meister, sollt auch nicht leer ausgehen – und Ihr, Frau Margaret, desgleichen. Und somit gute Nacht!«

»Gute Nacht, Meister!« setzte Albertus dazu. Allen dreien einen gnädigen Gruß entsendend, verließ er die Stube. Herzog Siegmund folgte ihm.

Sprachlos vor Seligkeit begleitete sie Meister Jörg hinab.

Die zwei Herzoge schritten über den Friedhof durchs nächste Gäßlein der Weinstraße zu und heimwärts.

Das Schneegestöber hatte nachgelassen. Eine klare Mondnacht wollte es werden.

Recht selig war den hohen Herren zumute, wie sie schweigsam nebeneinander dahingingen. Das war die heilige Wonne über fremdes, wohlverdientes Glück, das ein einziges ihrer mächtigen Worte gespendet.

Man zählte nach Christi Geburt das vierzehnhundertachtundsechzigste Jahr und der neunte Februar war's.

Da standen um die zweite Nachmittagsstunde gar viele Menschen auf dem Marienkirchhof, und nicht schöner hätte das Wetter sein können, denn vom blauen Himmel ergoß die Sonne ihr reinst unbewölktes Licht und lau war die Luft wie im Lenz.

Gar wohl achtete jeder der Worte des Herzogs Siegmund, sah mit Rührung zu, wie der Freisinger Bischof, Johannes Tulpeck, Bischof Tulpeck (Tulbeck) war Sohn des aus angesehener Familie stammenden Goldschmiedes Hans Tulpeck, welcher Anno 1395 als Siegler einer Urkunde vorkömmt und im Tölzer Landgericht zu Klafftentenbach eine Schwaige besaß. Zu München hatte er sein Haus bei den Salzstädeln (heutigen Promenadeplatz) an der vorspringenden Ecke, schrägüber der heutigen Karmelitengasse. Sein Sohn Johannes studierte, ward Doktor der geistlichen Rechte, Anno 1428 Propst bei St. Veit zu Freising, 1430 Generalvikar des Bischofs. Die Frauenpfarre zu München versah er vom 20. Juni 1452-1453, zu welcher Zeit er resignierte, da er Bischof ward. Er starb Anno 1476 am 9. Mai und wurde, da die neue Frauenkirche nicht vollendet war, im damals noch stehenden Teil der alten begraben. Der Grabstein lag ursprünglich und wurde später zunächst dem aus der alten Kirche übertragenen Sankt-Ottilien-Altar aufgerichtet, zu welchem seine Vorvorderen eine Stiftung gemacht hatten. Diese liegen, wie er selbst, an der Stelle im Glockenhaus. Jene Stiftung machte Johannes noch in seinen letzten Zeiten, ließ auch ein Marienbild fertigen und sich, dem zu Füßen liegend, darstellen. Desgleichen stiftete er dahin ein jetzt nicht mehr vorhandenes oder wegen vielfacher Ortsveränderung der Glasgemälde nicht mehr ausscheidbares Kirchenfenster. Was den Meister betrifft, welcher den Grabstein meißelte, dürfte er von Erasmus Grasser oder von Hans Halde sein, welch letzterer schon mit dem Grabstein Herzog Albrechts III. betraut worden war. Mit ziemlicher Sicherheit stammt von ersterem der unterhalb der Sonnenuhr an der Liebfrauenkirche befindliche Grabstein des blinden Orgelspielers Konrad Pauman. – Meine Kollektaneen. mit Meister Jörg den Grundstein zum Dom Unserer Lieben Frauen setzte und einsegnete, drauf Herzog Siegmund nach altem Brauch Hammer und Kelle führte und wie dann einer um den anderen der herzoglichen Brüder hinzutrat. Zunächst nach ihm der Albertus, nach dem der Christoph und zuletzt der Wolfgang. Mehrere fürstliche Äbte, Bürgermeister und Herren des Rates und Herr Ernestus Bittrich, der vielgelobte Pfarrherr des alten Kirchleins, all die waren auch zu sehen. Nicht zu vergessen der zwei Pröpste – davon war der eine, Herr Katzmayr, fast lang, hager und sehr ernsthaft, der andere, Herr Sänftl, um vieles kleiner, ganz wohl bei Leibe, dabei ein frommer, lustiger Mann.

Nun alles vorüber, wandten sich die Leute dem Marrenkirchlein zu, des Bischofs Predigt zu hören, und erwarteten in Ungeduld, auf welchen Text er sprechen werde. Daher war jedem fromm und friedselig zumute und freute sich jung und alt, daß Meister Jörgs Verdienst erkannt worden sei.

Nur einer befand sich da, der finster drein sah – Fra Paolo von Mantua. Fra Paolo in mehreren Handschriften kurzweg der »welsch Meister« genannt.

Schon manch weltlich und kirchliches Gebäu hatte er aufgeführt in deutschen und welschen Landen und unersättlich quälte ihn der Ehrgeiz, stets mehr zu schaffen. Also hatte er sich vor geraumer Zeit nach München gewandt und dem Herzog Siegmund und Albertus viele Aufrisse gezeigt. Wie prächtig nun alles war, was er vorzeigte, Herzog Siegmund ließ sich doch auf nichts ein, Drüber ging Fra Paolo in stillem Grimm umher, hielt sich für beleidigt und haßte den zum voraus, der erkoren würde, einen Dom zu bauen. Daß Siegmund solche Absicht habe, entnahm er aus gar manchem Wort, zurzeit es noch niemand ahnte. Spähte sofort gierigen Blickes, vermochte aber gleichwohl nimmer einen Meister zu finden, denn Herrn Jörg von Halsbach. Weil er aber hörte, wie ferne der dem Herzog Siegmund stehe, ließ er ihn wieder aus den Augen und dachte, es müsse ein anderer aus fremden Landen sein.

Mit einemmal sah er sich enttäuscht, und von wo er am mindesten fürchtete, war er überwunden. Mit gleisender Freundlichkeit besuchte er den Meister Jörg und erkannte, bei dem sei das zu finden, was ihm selbst nach Siegmunds Meinung fehle. Darüber brütete er Rache und erdachte das Schmählichste.

Wie nun alles dem Marienkirchlein zuströmte, war er auch dabei und dachte: »Predigt nur zu, Herr Bischof, und verkündet Freude und Frieden. Das mag bald anders werden!« So ließ er sich gemach mit hineindrängen unter den Eingang. Dort blieb er, wiewohl er einen Ehrenplatz hatte, und als sich eine Gasse auftat, die Herzoge und ihr Gefolge durchzulassen, wandte er sich ein weniges ab, als wär' er weggedrängt.

Herzog Siegmund aber erkannte ihn sogleich, hielt an und sagte: »Was steht Ihr hier, Meister Paolo? Folgt uns!«

Da könnt' er nimmer anders, schloß sich dem Zug an und, wie es sein wollte – da sie sich im Kirchstuhle reihten, war er Meister Jörgs Nebenmann. Der grüßte ihn freundlich und ehrerbietig, nicht ahnend, wie nah' ihm sein ärgster Feind sei.

Bischof Johannes aber trat bald auf die Kanzel, gab den Segen – und sein Text lautete vom Samenkorn und vom Unkraut.

Da ward der Stein im Grund mit dem Samenkorn verglichen und der kommende Bau mit dem herrlichen Ährenfeld. Das Unkraut waren die Bösen und Ungläubigen, und der Hussiten ward auch Erwähnung getan als der Feinde aller heiligen Zier. Drauf kam der Bischof auf das Herz der Menschen zu sprechen und wie da oft ein frommer Keim auflebe – seiner Zeit sich aber ein Teufel in menschlicher Gestalt heranmache und mit Neid, List und Bosheit Argwohn und Mutlosigkeit daneben hinpflanze, so daß stille Verzweiflung und Unfrieden in den Menschen emporwuchere und aller harmlose Sinn für Schönes und Gutes ersterbe. So sprach der Bischof fürder und fürder, bis er mit mächtigen Worten des Bösen Schicksal mit dem Unkraute verglich, das fortwuchere, aber dann ausgerissen und den Flammen übergeben würde – also könnten die reuelosen Bösen wohl in Bosheit fortstreben, aber es nahe die Stunde des Todes, und rettungslos stürzten sie in die ewige Verdammnis. Drauf ermahnte er alle, so zugegen waren, Gottes Wort im Herzen wohl zu pflegen, all sündiges Verlangen auszurotten selbsteigen, solange es noch Zeit sei, auf daß frei und fröhlich emporwachsen könne die viel herrliche Blume der Tugend.

Das war eine ergreifende Predigt. Gar mancher Schwache ging heimlich in sich und beschloß, sich in dem oder jenem zu bessern.

Wen es aber am mächtigsten erfaßte – war Meister Fra Paolo von Mantua.

Sein dunkles Auge fest auf den Verkündiger heiligen Wortes geheftet haltend, war er erst dagesessen, und ein arges Lächeln zuckte hin und wieder um seine Lippen. Urplötzlich aber, als wär' es höhere Fügung, hatte Bischof Johannes seinen Blick auf ihn gerichtet, und gleichsam ahnend, was in dem Welschen vorgehe, ließ er höher und höher aufflammen das Feuer seiner Beredsamkeit, entsendend die zermalmenden Blitze göttlicher Drohung für alle Ewigkeit.

Das vermochte Fra Paolo nicht mehr zu ertragen. Sein Auge schlug er, überwiesen seiner Schuld, zu Boden, und da er es, noch in sich kämpfend, wieder erhob und auf Meister Jörg neben sich blickte, war's ihm, als müßte er ihn beneiden um seiner Seele Glück – wie anders sah der empor!

Die Predigt war zu Ende.

Langsam und lautlos wallte das Volk hinaus ins Freie.

Die Herzoge und wer um sie herum war, blieben noch und harrten, bis der Bischof Johannes aus der Sakristei kam. Dankten ihm dann, der Herzog Siegmund aber sagte:

»All die Worte verdienten, daß sie in Stein gegraben und verewigt würden. Gebe Gott, daß keiner unter uns allen war, der sich schwer getroffen fühlte – vielmehr ist ihrer sicher eine gute Zahl dagewesen reinen Herzens, demütig und sonder Neid und all Arges in ihrer Seele. Einen davon kenn' ich, Herr Bischof. Der Mann ist's!« Dabei legte er seine Hand auf Meister Jörgs Schulter und wandte sich ein weniges zu Fra Paolo. »Seht,« fuhr er fort, »es war mancher hie zu München, den Ihr Freund nanntet, und als sie von Euch sprachen, hätten sie doch gern all Euere Kunst aufs tiefste erniedrigt. Da war Herr Jörg von Halsbach schon anders. Er, der so lange verkannt dahinlebte, schlug Euch hoch an, und da er die Kunde seines Glückes vernahm, war schier sein erstes Wort: – Ihr wärt so großen Werkes etwan besser würdig, denn er!«

»Wieviel Gewicht legt Ihr auf dies mein Wort, hoher Herr!« sagte Meister Jörg. »Ich hätt's dem Meister gegönnt, wie er's mir wohl auch gönnt, daß ich den Dom erbaue.«

Da trat Fra Paolo auf ihn zu und sagte mit mildem Ernst: » Nun ist's wohl so, Herr Jörg von Halsbach – aber ich will offen gegen Euch sein vor aller Welt, wie Ihr so voll der Gerechtigkeit gegen mich wart im geheimen. Bis zu der Stunde war ich Euer Feind. Beschlossen hatte ich, das Werk zu verleumden, Euch Euere Aufrisse zu rauben, daß Ihr Müh' und Sorge hättet, sie neu zu schaffen, und was Kummer und Verzweiflung ich Euch sonst bereiten könnte, das war aufs beste ersonnen in schlummerlosen Nächten. Nun stand ich hier, dachte mit Hohn anzuhören Gottes Wort und lächelte mit Schadenfreude des Textes vom Samenkorn und Unkraut. Aber ich bin unterlegen. Mein stolz blickendes Auge mußte ich niederschlagen, mich selber fand ich getroffen in jedwedem Wort des Bischofs Johannes und zur Reue wandte ich mein Herz. Also verlass' ich anders diese heilige Stätte, denn ich sie betreten habe. Vergebe mir Gott gehabten Neid, Groll und Rache gegen Euch – Ihr aber, weil ich offen bekenne, was bös und arg ich gesinnt war, vergebt mir und nehmt mich, statt mir zu grollen, als Freund an – und nimmer sollt Ihr's bereuen!«

Staunen hatte alle rings ergriffen.

Bischof Johannes aber erhob die Hand und sagte mit feierlicher Stimme:

»So ist es wahr und wird es wahr sein von Ewigkeit zu Ewigkeit – Gottes Wort kann nicht unterliegen. Mich bedeuchte, da ich auf Euch schaute, als spräch' eine Stimme in mein Ohr: Dort ist ein Sünder! Und siehe da, so war es, und der Himmel gab mir die Kraft, daß ich Euch bekehrte. Laut und offen habt Ihr nun bekannt – damit ist hinweg von Euch die Gewalt der Hölle und Friede ist eingezogen in Euere Seele. Vergeben ist Euch hie und jenseits – seid gesegnet!«

Tief beugte sich Fra Paolo, dann bot er dem Meister Jörg von Halsbach die Hand.

Der drückte sie ihm wehmütig froh und sagte: »Seid mir ein treuer Freund – alles ist Euch vergeben. O wieviel Glück wurde mir! Ein erhabenes Gotteshaus darf ich bauen – und kaum der erste Stein gelegt – ist schon eine Seele dem Himmel gerettet!«


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