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Der Morgen kam. Franz hatte eine Gesellschaft gefunden, die auf dem Kanal mit einem Schiffe nach Rotterdam fahren wollte, dort wollten sie dann ein größeres nehmen, um vollends nach Antwerpen zu kommen.
Es war helles Wetter, als sie in das Boot stiegen; die Gesellschaft schien bei guter Laune. Franz betrachtete sie nach der Reihe, und keiner darunter fiel ihm besonders auf, außer ein junger Mensch, der einige zwanzig Jahr alt zu sein schien, und ungemein schön von Gesicht und sehr anmutig in seinen Gebärden war. Franz fühlte sich immer mehr zu den jüngern als zu den ältern Leuten hingezogen; er sprach mit den letztern ungern, weil er nur selten in ihre Empfindungen einstimmen konnte. Bei alten Leuten empfand er seine Beschränkung noch quälender, und er merkte es immer, daß er ihnen zu lebhaft, zu jugendlich war, daß er sich gemeiniglich an Dingen entzückte, die jenen immer fremd geblieben, und daß sie doch zuweilen mit einem gewissen Mitleiden, mit einer hoffärtigen Duldung auf ihn hinabblickten, als wenn er endlich allen diesen Gefühlen und Stürmen vorüberschiffen würde, um in ihr ruhiges kaltes Land festen Fuß zu fassen. Vollends demütigte es ihn oft, wenn sie dieselben Gegenstände liebten, die er verehrte; Lob und Tadel, Anpreisung und Nachsicht aber mit so scheinbarer Gerechtigkeit austeilten, daß von ihrer Liebe fast nichts übrigblieb. Er dagegen war gewohnt aus vollem Herzen zu zahlen, seine Liebe nicht zu messen und einzuschränken, sondern es zu dulden, daß sie sich in vollen Strömen durch das Land der Kunst, sein Land der Verheißung ergoß; je mehr er liebte, je wohler ward ihm. – Er konnte sein Auge von dem Jünglinge nicht zurückziehn, die lustigen hellen braunen Augen und das gelockte Haar, eine freie Stirn, und dazu eine bunte, fremdartige Tracht machten ihn zum Gegenstand seiner Neugier.
Das Schiff fuhr fort, und man sah links weit in das ebene Land hinein. Die Gesellschaft schien nachdenkend, oder vielleicht müde, weil sie alle früh aufgestanden waren; nur der Jüngling schaute unbefangen mit seinen großen Augen umher. Ein ältlicher Mann zog ein Buch hervor und fing an zu lesen; doch es währte nicht lange, so schlummerte er. Die übrigen schienen ein Gespräch zu wünschen.
»Der Herr Vansen schläft«, sagte der eine zu seinem Nachbar, »das Lesen ist ihm nicht bekommen.«
»Er schläft nicht so, Nachbar Peters, daß er Euch nicht hören sollte«, sagte Vansen, indem er sich ermunterte. »Ihr solltet nur etwas erzählen, oder ein lustiges Lied singen.«
»Ich bin heiser«, sagte jener, »Ihr wißt es selber; auch hab ich eigentlich seit Jahr und Tag das Singen schon aufgegeben.«
Der fremde Jüngling sagte: »Ich will mich wohl anbieten, ein Lied zu singen, wenn ich nur wüßte, daß die Herren es mit der Poesie nicht so genau nehmen wollen.«
Sie versicherten ihn alle, daß es nicht geschehn würde, und jener sprach weiter: »Es ist auch nur, daß man sich das bißchen Freude verbittert; alle Lieder, die ich gern singe, müssen sich hübsch geradezu, und ohne Umschweife ausdrücken. Ich will also mit eurer Erlaubnis anfangen.
Über Reisen kein Vergnügen, Wenn Gesundheit mit uns geht: Hinter uns die Städte liegen, Berg und Waldung vor mir steht. Jenseit, jenseit, ist der Himmel heiter, Treibt mich rege Sehnsucht weiter. Schau dich um, und laß die trüben Blicke, Auch ein Mädchen muß dich nimmer quälen, Immer munter, Freunde, munter, Siehst du die Sonne nicht Durch den Wald Funkelschein, So auch der Liebe Licht Liebst du die Morgenpracht, Wenn alle Vögel jubeln laut, Auch wenn die Sonne nun den Wagen lenkt, Und dann funkeln neue Schimmer Prächtig mit Rubinen und Saphiren, Also wenn die erste Liebe dir entschwunden, Nie vergißt der Frühling wiederzukommen, Dann sucht er sein Spielzeug wieder zusammen, Er rührt den Obstbaum mit rötlicher Hand, Dann geht er und schläft im waldigen Grund, In den verschloßnen Garten Er räumt den Schnee aus dem Wege, Dann ruft er: ›Wo säumen die Spielkameraden Die Lilie kommt und reicht die weißen Finger, Der bunte Teppich ist nun gestickt, Dann küßt der Frühling die zarten Blumenwangen, Der Frühling spricht: ›Vollendet ist mein Tun, Ich bin zu klein, das Obst zu pflücken, Ich liebe das Spielen, bin nur ein Kind, |
»Ihr habt das Lied sehr schön gesungen«, sagte Vansen, »aber es ist wahr, daß man es mit dem Texte nicht so genau nehmen muß, denn das letzte hängt gar nicht mit dem ersten zusammen.«
»Ihr habt sehr recht«, sagte der Fremde, »indessen Ihr kennt das Sprichwort: Ein Schelm gibt's besser, als er es hat.«
»Ich habe einen guten und schönen Zusammenhang darin gefunden«, sagte Franz. »Der Hauptgedanke ist der fröhliche Anblick der Welt, das Lied will uns von trüben Gedanken und Melancholie abziehen, und so kömmt es von einer Vorstellung auf die andre. Zwar ist nicht der Zusammenhang einer Rede darin, aber es wandelt gerade so fort, wie sich unsre Gedanken in einer schönen heitern Stunde bilden.«