Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Saint Germain, die Matte.

Hornvilla allein. Das ist ein Zeter und ein Lärmen in der Stadt. Jezt kommt einer und sagt: so steht es mit der Schlacht. Nein! schreit ein andrer, der durch die Thore sprengt, ihr Befinden ist ganz anders, sie ist wohl aus und in bester Gesundheit, sie trinkt das Blut tonnenweise und taumelt betrunken hiehin und dorthin, und wird immer gefräßiger, immer erpichter auf den rothen Wein. Dann kommt wieder ein andrer Bote und ruft: eben noch habe ich ihr an den Puls gefühlt, sie liegt in den letzten Zügen, sie hat sich übergessen, sie hat zu viel getrunken, sie kann auf keinem Beine mehr stehen, unser gnädigster Dagobert wird ihr eben den letzten Tritt appliciren und nach einem geringen Zappeln wird es dann wohl aus mit ihr sein. Nun kommen die Patrioten und jubiliren darüber.

Clemens aus dem Hause.

Clemens. Habt ihr nichts Neues vernommen? die Schlacht soll ja schon gewonnen und alles vorüber sein.

Hornvilla. Grasköpfiger, was habt ihr denn für ein Interesse daran?

Clemens. Ich werd' es schon ohne euch erfahren, Hans-Narr.

Hornvilla. Ihr verschimmelte, verrostete, von Mäusen angefressene Vernünftigkeit, durchlöcherte, abgeschmackte Leutseligkeit, kummervolle und engbrüstige Fröhlichkeit, ihr spießbürgerliche geschmackvolle Freidenkerei.

Clemens. Schimpft nur, schimpft nur, ihr seid dazu privilegirt, euch darf man nichts übel nehmen.

Hornvilla. Spricht von Krieg und Kriegsgeschrei und Staatssachen und Lebensgefahren, seit er das ruppige Nashorn von Pferd gestohlen hat.

Clemens. Wie euch die Eselsmütze zu den Redensarten gut steht.

Marcebille, Lealia, Roxane, aus dem Hause.

Marcebille. Mein Kummer, meine Thränen und mein Beben
Will mich nicht mehr im Hause drinnen leiden.

Lealia. Du bist gefahrenvoll dem eignen Leben,
Ergiebst du dich so ganz dem Sturm der Leiden.

Roxane. Kann dir der Himmel Trost und Ruhe geben?
Die Bäume, die in Abendroth sich kleiden?

Marcebille. Kein Baum, kein Land, nicht Himmel, Abendröthen.
Horch! tröstend klingen dort die Siegs-Trompeten!

Kg. Dagobert, Kg. Edward, Kg. Rodrich, Soldaten.

Marcebille. Gegrüßt seist du als Sieger in den Thoren!
Wo Florens ist, sollst du mir schnell verkünden.

Kg. Dagobert.
Er hatte sich von unserm Heer verloren,
Ich glaubt' ihn wieder hier bei dir zu finden.

Marcebille. O weh mir Aermsten! Wär' ich nie geboren!
Dahin mein Leben in den stürm'gen Winden!

Kg. Dagobert.
Wie kam er von uns? Wo ist er geblieben?
Weiß keiner denn von ihm, ihr meine Lieben?

Graf Armand kommt.

Gr. Armand. Der Kaiser Octavianus ist gefangen
Und auch Florens, der kühne junge Degen,
Sie beide zu befrein war mein Verlangen,
Den Heiden eilt' ich nach auf ihren Wegen,
Doch sie jagt Todesfurcht und Graun und Bangen,
Die Angst peitscht sie dahin mit Feuerschlägen,
Voraus sind sie mit der kostbaren Beute,
Es sichert sie die Ferne und die Weite.

Marcebille. Dulden könnt ihr, daß der junge
Held, der eure Angst geschlagen,
Der die Sorge, die euch quälte,
Von euch nahm und alles Bangen,
Der sein Blut nicht schonen wollte,
Dem die Schlacht ein Blumen-Anger,
Wo er Häupter brach wie Rosen,
In das Blut stieg wie zum Bade,
Der mit heil'ger Demuth, Liebe,
Dich, o König, nur bewachte
Und in deinem Leben Leben,
Glück nur fand in deinem Danke,
Der den Ritterorden zieret
Und den Helm und Harnisch adelt, –
Den könnt ihr, da er den Sieg
Euch erfocht, also verlassen? –
Läg er doch unter den Todten!
Weinen könntet ihr den Tapfern
Und rühmlich wär' er gestorben;
Aber nein, er ist gefangen!
Wenn ihr Liebe könnt vergelten,
Für empfangne Gabe danken,
Wenn ihr königlich gemuthet
Und im Christensinn bestanden,
O so wendet schnell die Rosse,
Mit verhängtem Zügel stampfet
Ueber Schlachtfeld, über Berge,
Ueber Fels, durch Ströme Wassers,
Kehrt nicht nach Paris zurücke,
Bis ihr Freiheit ihm erlanget.

Kg. Dagobert.
Ja, bei Gott, du edle Fürstin,
Du hast Recht und sprichst die Wahrheit.
Wendet noch einmal die Rosse,
Rollt noch einmal auf die Fahnen,
Wir erlösen sie von jenen,
Oder mehren, die da starben!
Auch der Kaiser ist mir theuer,
Und wenn sie also verderben,
Wär' die Schlacht für uns kein Ruhm,
Sondern eine ew'ge Schande.

Marcebille. Ich begleit' euch. Reicht den Helm mir
Und den Schild und Spieß und Harnisch.

Lealia. Sieh den Helm, den güldnen, schönen,
Der hell in der Sonne strahlet,
Den drück' ich auf deine Locken,
Gold wird nun auf Gold gemahlet
Und dein Auge blitzet kühner,
In dem Zorn und Muth nun waltet.^

Roxane. Und ich lege um die Brüste,
Um die schönen, dir den Harnisch,
Goldgetrieben, wundervoll,
Blitzend von Rubin, Demanten,
Reitzend bist du und auch schrecklich,
Wonnevoll, furchtbar gestaltet.

Lealia. Nimm an seinen güldnen Riemen
Nun den Schild am weißen Arme,
Wie du ihn schon sonst geführet,
Wie du ihn schon ehmals schwangest,
Daß geschreckt der Berge Klüfte
Von dem Kriegeston erklangen.

Roxane. In die Rechte nimm den Spieß,
Gülden unten, erzbeschlagen
Oben, diese todesvolle
Kriegerische starke Lanze,
Nun trägst du des Himmels Blitze
Wild verderblich in der Hand dir.

Marcebille. Also war ich oft geschmücket,
Rief das Hüfthorn mich zum Jagen,
Wo in Waldesgrün und Schluften
Löwen sich und Tiger bargen.
Auf denn, meine kühnen Jäger!
Folget meinem Rosse alle,
Laßt Zorn, Wuth, die Kriegeshunde,
Los vom Seile, wohl aufjagen
Sollen sie das Ungeheuer,
Das mein Herz, mein Leben, Alles,
Mir im Raube hat entführet,
All mein Wünschen, mein Verlangen. –
Hindre, frommer Gott der Christen,
Daß mir nicht zuerst mein Vater
Mag begegnen, denn ich stürze
Ihm, oder er mir im Kampfe,
Dieses fleh mit Demuth ich in
Deines lieben Kindes Namen.

Kg. Dagobert.
Führ' uns an, du Heldenmädchen,
Denn aus Federbusch, aus Spangen,
Ja aus jedem Edelsteine
Blitzt Kühnheit und Glück, die Wangen
Sind geröthet dir wie Rosen,
Wie die Kriegsgöttin gestaltet
Weiß man nimmer, ob Bellona
Oder Venus vor uns wandelt.

gehn ab.

Hornvilla. Folgen wir dem Zuge gleichfalls,
Seht, ich nehm' euch unterm Arme.

Clemens. Wenig ziemt's dem alten Bürger,
So zu gehn mit einem Narren.

Hornvilla. Macht euch frei von diesen Grillen,
Nicht nach Vorurtheilen handeln
Muß der Edle, dem ein Herz
An dem rechten Flecke zappelt.

gehn ab.



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