Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Dritte Akt.

Lager der Marcebille.

Marcebille, Roxane, Lealia.

Marcebille. Wie die Schatten gehn und kommen
Und die Sonne wechselnd blicket,
Ist die trunkne Flur entzücket,
Doch von Schatten überschwommen
Ist der Glanz hinweggenommen
Und es bleibt ein ernstes Grün:
Also auch mein Herz und Sinn,
Freude bald und stille Schmerzen
Wechseln im verborgnen Herzen,
Wandeln her und wandeln hin.
Ist es Trauer? Ist es Freude?
Nein, es ist ein süß Ermatten,
Wie das Kühl im Waldesschatten,
Wie die Blumen auf der Heide,
Wenn sie mit beglänztem Kleide
Ungewiß im Strome spiegeln:
Wie von waldumwachsnen Hügeln
Heimlich eine Quelle springt,
Ungesehn durch Büsche dringt
Mit kristallnen weichen Flügeln.
Seht! wie süß der Frühling pranget,
Wie die lauen Lüfte spielen
In bewegten Blumen wühlen,
Wie der Baum voll Blüthen hanget,
Und den Schmetterling verlanget
Und die Biene nach dem Glanze,
Und die Wiese wächst zum Kranze,
Und die kleinen blauen Quellen
Rennen mit den lust'gen Wellen
Eilig, eilig, wie zum Tanze.
Und die Waldung rauschet süße,
Alle grünen Blätter regen
Zur Umarmung sich entgegen,
Tönen nur und flüstern Küsse,
Laut verkünden die Genüsse
Alle Vögel aus dem Wald,
Und das grüne Dickicht schallt
Von den Nachtigallgesängen
Daß den wollustvollen Klängen
Rings das Echo widerhallt.
Sind die Blumen nicht wie Sterne
In das grüne Gras gesunken?
Locken sie den Blick nicht trunken
Nach dem lichten Brande gerne?
Alles ist so nah und ferne;
Möcht' ich nicht, mich zu beglücken,
An die Brust den Frühling drücken?
Und ihm sagen, wie ich fühle,
Daß er diese Sehnsucht kühle,
Oder ende dies Entzücken. –
O ihr Liebsten mir, Freundinnen,
Ach der blaue Himmelsbogen
Hat mein Herz an sich gesogen!
Welchen Trost soll ich ersinnen?
Nie kann ich das Herz gewinnen,
Das mir fern ist, ich nicht kenne
Und in Liebe ihm entbrenne.
Singt mir Lieder und vertreibet
Diesen Wahn, der mich betäubet
Und mich von mir selbst will trennen.

Roxane singt.
O beglückt, beglückt, du Persien!
Persien, Wunderland des Morgens!
Süße Fluren, heil'ge Wälder,
O du Glanz des vollen Stromes,
Meer mit deinem weiten Spiegel,
Luft mit deinem lieben Othem,
Quellen, mächtige Gebirge,
Heimath, wo die Lieder wohnen!
Aber ihr vor allen, Gärten!
Seid gegrüßt mir, Lauben, dorten
Möcht' ich auf den Fluren wandeln,
Wann sie blühen roth von Rosen.
Rose, liebste Mädchenblume!
Rose, die du dort geboren!
Ach, wie ist ein Liebesblut
Das Gefilde, wann du oben
An Gesträuchen blühend dichte
Wankst und zitterst mit den Knospen,
Und die heißen Sommerwinde
In der Farbengluth verloren
Kühlend baden, sich berauschen:
Nein, so schön ist nichts geworden
Was die Erde liebend treibet,
Was vom Himmel schaut die Sonne,
Als flatternd auf grünem Stengel
Meine liebste rothe Rose;
Rose, liebste Mädchenblume,
Liebesblume, süße Rose!

    Wie ich dich in Händen halte,
Die zur Lieb' ich mir erkoren,
Und ich schau in deine Blätter,
In das Labyrinth, das rothe,
Und ich frage die Bedeutung
Und wie du zur Welt geboren,
Bin ich trunken und weissagend
Süßen Rausches aufgehoben;
Liebesblume, Mädchenblume,
Rosenblume, süße Rose.

    Nicht umsonst bist du erst quillend
Eingehüllt in deiner Knospe;
Also schläft des Mädchens Busen,
Eh die Liebe ihn erhoben:
Und das Roth, ein heimlich Feuer,
Bricht hervor süß angeschwollen,
Und wie ein verstohlen Küßchen
Hängst du an dem Zweig gebogen:
Aber inniger entbrennen
Lüfte, die dich aufgesogen,
Immer süßer träumst du Liebe,
Hast die Luft in dich gezogen,
Immer buhlerischer küsset
Dich das Licht, das dir gewogen,
Und du lässest nun die Schaam,
Und es dringt zu deinem Schooße
Alle Kraft des heil'gen Aethers,
Seine Pfeile, glänzend golden. – –
Mußt du welken in der Liebe
Mädchenblume, süße Rose?

    Als die Göttin sonst der Liebe
Venus auf der Erden wohnte,
Und zum erstenmal sie wandelnd
Trat der grünen Wiese Boden,
Jungfrau noch und unvermählet
Aus dem Meere jüngst entsprossen, –
Aus der Zeugungskraft des Wassers
War das Licht empor geflogen, –
Und sie stand, sich selbst besinnend,
Selber über sich betroffen,
Ihre Schönheit, ihre Anmuth
Mußte Venus selber loben,
Und der Himmel glänzte heller,
Wie den Blick sie aufgehoben,
Und die Erde grünte grüner
Von dem Fuß getreten, stolzer
Sangen murmelnd blaue Bäche
Von dem Widerschein vergoldet,
Und die Tauben girrten inn'ger,
Und die Nachtigall schlug voller,
Hub und breitete ihr Lied aus
Wie ein Kleid von süßem Wohllaut,
Deckte Wald mit und Gefilde,
Daß die Bäume treibend quollen.
Noch nicht war die Liebesblume
Lebend, meine süße Rose.

    Aus dem Walde tritt ein Jüngling,
Und wie Flammen angezogen
Fliegen zündend ihre Blicke
Brennen nicht mehr hier und dorten,
Beider Blick ist jezt nur einer,
Liebe, einsam noch und ohne
Liebe, wird nun bang und freudig,
Fühlt sich zweifelnd neu geboren.
Doch der Jüngling tritt zur Jungfrau;
Und sie halten sich umschlossen,
Und die Unschuld lehrt sie küssen,
Und es treibt zum süßen Zorne
Wie sie sehnen und ermatten
Kaum erkannt ein Liebeswollen:
Und im Sträuben und Ergeben
Löset sich der wunderholde
Zauber, Liebe wird zur Liebe,
Und der Flur wird von dem Zorne,
Von den Küssen, von der Milde
Ein Andenken wie zum Zolle
Dargebracht; dem heil'gen Blut
Zittert gleich das Feld voll Wollust,
Und es rauschen und es treiben
Quillend ungestüm die rothen
Blumen her, bedecken blutig,
Lächelnd, küssend, voll und voller,
Knospend, blumend, ganz den Anger,
Und die Göttin weiht die Rose
Zu dem Eigenthum der Liebe:
Also wurdest du geboren
Mädchenblume, Liebesblume,
Rosenblume, süße Rose.

Marcebille. Wundervoll hast du, o Lose,
Uns gesungen von der Blume,
Ja, es dient dem Liebesruhme
Sie, mit der ich gerne kose,
Diese liebe süße Rose,
Und es mischt sich in dem Blute,
Wie sie folgt dem Liebesmuthe,
Wundervoll so Lieb' und Zorn,
Ein Geheimniß ist der Dorn,
Mit dem sich beschützt die Gute.

Lealia singt.
Sei du mein Gesang, o weiße,
Heil'ge, sanfte Liebeslilge,
Wenn ich dich mit Lippen küsse
Weißt du, wie ich innig liebe.
Keiner soll die Rose schelten,
Deren süßes Blut durchdringet
Unser Blut mit froher Sehnsucht,
Zündet in dem Herzen Schimmer:
Aber wer den blauen Aether
Kannte und das Licht des Himmels,
Und die stille Kraft der Wellen,
Liebt auch dich, holdsel'ge Lilge.

    Unter Felsen, unter Wäldern,
In dem einsamsten Gefilde,
Wo nur heilig Rauschen wohnte,
Geister in den Quellen rieselnd
Mit den Bäumen sich besprachen
Und sich in dem Echo riefen,
Lebten zwei Geliebten glücklich,
Selig ganz in ihrer Liebe,
Aus der wüsten Welt geflohen
Fanden sie die Ruhe wieder
Und ihr Herz in Blumen, Bäumen,
Bergen und der heil'gen Stille.
Einst, als sie nach langen Küssen
Sich beglückt in Armen hielten,
Und die Blicke zu einander
Sehnsüchtig, befriedigt spielten,
Blickte er in ihre Augen,
Sie in seines Herzens Tiefe,
Und wie aus dem Geisterbrunnen
Stiegen beiden in die lichten
Augen auf zwei große Thränen,
Die sie fest im Zittern hielten.
Was bedeuten, sprach er seufzend,
Die Gefühle, Liebe, diese
Wehmuthsvollen süßen Thränen,
Die in Andacht du erwiederst?
Nein, ich mag sie nicht verbergen,
Gern hab' ich sie dir gewiesen,
Und die Thräne soll nicht rinnend
Aus dem Blicke niederfließen. –
Ein Geheimniß ist es, sprach sie,
Wonach diese Wasser zielen,
Das sie gerne mit der Andacht
Wollen aus dem Herzen ziehen,
Aber schwach sind ihre Arme,
Und es fällt in's dunkle wieder,
Und ermüdet sinkt die Thräne
Ueber unsre Wange nieder. –
Also nur ist Erd' und Wasser,
Sang er, Luft, Licht und Gestirne
Aus der Sehnsucht hergequollen,
Ein Geheimniß aufzufinden:
Wie im Golde funkelt Sehnsucht,
Süß Ermatten glänzt im Silber;
Wollte sich doch deine Thräne
Auch gestalten als Erinn'rung!
Ward ja aus der Fluth Geheimniß
Doch der Bau der Welt gebildet.
Süße Geister, regt euch alle,
Daß ein Sein der Thrän' entquille,
Und ein neues Gold wird leuchten
Süßer, sanfter, glänzen milder. –
Und es waren Geister nahe,
Die im Quell mit Blumen spielten,
Sie erhörten das Gebet, die
Thränen sanken, Blumen fielen,
Griffen, hielten fest die Erde,
Und geheimnißvoll zwei Lilgen
Sahen hin auf die Entzückten,
Inn'ger fühlten sie die Liebe.
Sanfte, goldne, silberweiße,
Also wardst du, Liebeslilge.

Marcebille. Ja, es giebt ein schönes Sehnen,
Das wie aus der tiefsten Nacht
In dem Herzen aufgewacht
Greift nach Waffen, findet Thränen;
Viele lieben, viele wähnen,
Daß Liebe nur Lust dem Herzen
Schenken soll und keine Schmerzen:
Alle Farben müssen fließen,
Wenn ein Licht sich soll ergießen
Aus dem goldnen Brand der Kerzen. –
Darum weiß ich, wie du gerne
Immer mit der Blume spielest,
Und dein Auge wie begeistert
Durst am weißen Glanze stillet.

Lealia. Ja ein süßlebend'ger Brunnen
War mir diese Blume immer,
Und ich trinke manche Welle
Von dem labend kühlen Schimmer,
Auch ist sie mir wie ein Zauber,
Wenn ich tief verloren sinne,
Denn ich meine, so im Anschaun
Soll sie den Tag wieder bringen
Und die Augen und die Worte,
Ach, die süßberedten Blicke!
Als ich einsam einst im Walde
Sie in Händen auch so hielte;
Als bei ihm ein Löwe stand,
Sanft gekrümmt und ohne Grimme,
Und er bald darauf verschwunden,
Daß ich ihn nie wieder finde. geht ab.

Marcebille. Liebste, laß uns Blumen suchen,
Daraus flechten eine Krone,
Blau und rothe Wiesenblümchen,
Andere darunter golden,
Wenn der König wiederkehret,
Daß ich ihn so mag belohnen,
Denn ich zittre vor dem Kusse,
Wäre dessen gern enthoben.
Nimm der Blumen nicht zu wenig,
Flicht den Kranz nicht, meine Rose,
Allzueng, er paßt sonst nimmer
Zu des Königs mächt'gem Kopfe.

Roxane. Kleine Blümchen, kleine Kinder,
Werdet ihr dem Grund entnommen,
Eurer Mutter so entrissen,
Um so schneller zu verdorren
Auf dem Haupte, das doch nie weiß
Diese schöne Gunst zu loben. –
Meine Königin, was nahet
Dorten auf dem schwarzen Rosse?

Marcebille. Es ist einer von den Feinden,
Wie es scheinet, ein Franzose,
Aber widerwärtig, schwarz
Und am ganzen Harnisch rostig.

Roxane. Sage nicht so, nur ein wenig
Hat der Rauch ihn überzogen,
Da er also eilen mußte
Deine Schönheit zu erobern,
Darum fand er keine Stunde,
Helm und Harnisch aus dem groben
Sich zu säubern und zu schmücken.
Welche Milch hat er gesogen?
Vielleicht kommt er aus der Hölle
Und wir sind mit ihm betrogen.

Marcebille. Scherze nicht so wild, mein Mädchen,
Wäre ich ihm nun gewogen? –
Er steigt ab, macht fest sein Pferd,
Kommt, so scheint's, zu diesem Orte.

Roxane. Königin, er ist mein Liebchen
Und er kommt mich abzuholen,
O er ist gar liebenswürdig
Von dem Haupte zu den Sohlen.
Küßt er mich, so fürcht' ich das nur,
Er färbt ab wie alle Kohlen.

Florens tritt auf.

Florens für sich.
Ja, dies ist sie, und ich kehre
Nicht zurück in jene Thore,
Bis sie mich geküßt, weiß, daß ich
Ihr zum Liebsten mich gelobet.

Marcebille. Wer seid ihr, der so verwegen
Euch so weit her habt verloren?

Florens. Euch ein heimlich Wort zu sagen,
Hab' ich diesen Weg erkoren.

Marcebille. Sagt es schnell und kehrt geschwinde,
Sonst seid ihr gewiß ein Todter.

sie gehn.

Roxane. Ha! was seh ich? Himmel! was?
Aufgestiegen er, gehoben
Zu sich plötzlich die Prinzessin
Und im Lauf davon geflogen!
Wie sie weint, die Arme breitet –
Hülfe! Hülfe! – Ha! des Thoren!
Des verwegnen Mädchenräubers!
Ist Machmud uns denn verschworen?
Hülfe! Hülfe! Habt ihr alle
Mich zu hören keine Ohren?

Arlanges kommt eilig.

Arlanges. Warum rufst du, meine Liebe,
Was begehrst du, theure Tochter?

Roxane. Vater, auf, nehmt Ritter, Knechte,
Den Ungläub'gen zu verfolgen,
Ein Scheusal kam hergeritten,
Hat die Fürstin aufgehoben
Zu dem Rosse, reitet eilend
Fort so wie ein schneller Vogel.

Arlanges. Auf ihr Leute! Auf ihr Ritter!
Unsre Fürstin ist gestohlen! ab.

Roxane. Wer sah je solch kühnes Wagstück?

Der Admiral kommt.

Admiral. Ist es wahr? Ist es gelogen?

Roxane. Dorthin eilet ihr Entführer.

Admiral. Machmud! Wie muß ich erboßen!
Schild, Helm, Harnisch, Pferd und Waffen!
Ich, ich will sie wieder holen,
Und den niederträcht'gen Räuber
Stoß ich in den Schlund des Todes. ab.

Bertrand aus dem Zelte.

Bertrand. Die Verwirrung macht mich sicher.
Lebe wohl, du Mädchenkrone
Und gedenke manchmal freundlich
Des in deiner Liebe Todten. ab.

Roxane. Welch Getümmel! Der Gefangne
Hat ein Roß sich schnell genommen,
Unsre Kämpfer stürzen alle
Vor dem Teufel, der so drohet.
Marcebille kommt zurücke.
Ha, nicht zögert, nicht verschont ihn!

Marcebille kommt.

Roxane. Ist er todt? Ist er verwundet?

Marcebille. Fort du! – Rox. ab. Weh! daß ich geboren!
Was beginne, denke, sag' ich?
Was ist denn aus mir geworden?
Und der Riese, wie er sagte,
Liegt getödtet auf dem Boden. –

Arlanges kommt zurück.

Arlanges. O Prinzeß, geschwind zu Pferde.
Wie der Teufel hat gefochten!
Denn der Admiral, des Sultans
Bruder, liegt unter den Todten.
Gut, daß er euch fahren ließ,
Er allein ist fort geflohen,
Denn zu viele drängten kämpfend,
Drum entfloh er, sonsten
Nahm er euch zur Stadt, so stritt' er. –
Reiter sprengen aus den Thoren. –
Laßt uns zu dem großen Lager
Eilig hin auf unsern Rossen.

gehn ab.


Saint Germain, die Matte.
Lager, Zelte, Getümmel von Soldaten und Volk.

König Dagobert, Kg. Edward, Kais. Octavianus, Kg. Rodrich, Gr. Armand.

Kg. Dagobert.
In Freuden schwärmen Ritter und das Volk.
Wir athmen freier, unsre Angst ist todt,
Und tiefbeschämt in ihrer vollen Freude
Sind viele alte Krieger, daß ein Jüngling
Den Ungeheuern schlug, der uns bedrohte.
Welch edler Geist, welch ungestümer Muth
Und welche Ruhe, Heldenheiterkeit
In diesem unbekannten Jüngling wohnt!
Wie er uns die Gefahr vom Haupte nahm,
So laßt uns Lohn auf seine Schultern legen,
Ein König dankt nicht wie der Unterthan,
Aus jedem seiner Worte blüht ein Glück,
In dessen Schatten noch die Enkel ruhn.

Gr. Armand. Seitdem ist er mit einer kleinen Schaar
Hinaus geritten, hat das nahe Lager
Geschlagen und erobert und geplündert,
Die Heiden sind dem Sultan zugeflohn,
Und einige Gefangne sind gekommen,
Der ungestalte Both', der euch obsagte,
Ist unter diesen.

Kg. Dagobert.         Führt ihn vor mein Antlitz.

Gr. Armand. Der mißgeschaffne Türke trete vor.

Hornvilla kommt.

Hornvilla. Da bin ich schon, meine gestrenge Herrn!

Kg. Dagobert.
Du siehst, es ist gekommen, wie ich sagte,
Du bist in meine Hand nunmehr gerathen.

Hornvilla. Doch glaub' ich nicht durch Schuld Eu'r Majestät.

Kg. Dagobert.
Nun, welchen Lohn darfst du dir wohl versprechen
Nach deinen frechen ungezognen Reden?
Kann ich für diese dich nicht hängen lassen?

Hornvilla. Gleich hängen! Meiner Seel, das geht hoch her
Mit Drohen; aber zwischen Thun und Sagen
Ist immer etwas Zeit, und man verändert
Im Augenblick oft, was man lang beschloß:
So wird es auch mit euch, mein König, sein,
Der christliche Monarch denkt nicht so türkisch
Für ein Paar Worte mich gleich stumm zu machen.

Kg. Dagobert.
Wie kannst du Türk vom Christenthume reden?

Hornvilla. Ach schaut, ihr denkt von mir noch viel zu gut,
Daß ihr mich Türke nennt, ich bin ein simpler
Freigeist und Atheist, der sich bis Dato
Mit keinem Glauben noch inkommodirt.
Stirb! sagten zu mir erst die Türk'schen Hunde,
Oder bekenne Machmud! – Ich bekenne. –
Denn ich bin ein ganz nagelneuer Türke.
So thaten sie mich denn in den Habit
Und schickten mich hieher mit losen Reden.
Drum, Majestät, bin ich noch zu bekehren,
Mein Geist ist rein und unbeschrieben noch,
Nimmt Lehre an in seinem leeren Raum,
An mir fruchtet Ermahnen, Bußepred'gen,
Schickt mir nur einen Mönch her auf den Hals.
Aus solchen Dingern, wie ich bin, macht man
Wohl oft die allerbesten frommsten Christen,
Wer weiß, wie manch Heil'ger die Kunst begann.

Kg. Dagobert.
Verwahrt ihn sicher, führt ihn ins Gefängniß.

Hornvilla ab.

Clemens und Florens treten ein.

Clemens. Da bring' ich ihn, da bring' ich meinen Sohn –
Knie nieder, Florens, sauber knie da nieder, –
Seht, Majestät, das ist mein eigner Sohn,
Schmierig, unsauber, voller Blut und Staub,
Hat eben einen Riesen eingeschlachtet,
Der Kopf von dem steht auf dem großen Markt
Hoch aufgesteckt, scheint wie ein voller Mond. –
G'horsamer Diener, Fürsten ihr und Herrn,
Bitt' unterthänig allerseits Verzeihung,
Wenn ich die Etikett und Redensarten,
Titulaturen und dergleichen Sachen,
Nicht in der Form so ganz beobachte,
Meine Handthierung bracht' mich nie mit Prinzen
In Confussion, wollt' sagen Collision, –
Susanne! ach! Susanne! Lebst du noch
Nach dieser Freude? Mit Erlaubniß, Fürsten! geht in sein Haus.

Kg. Dagobert.
Florens, du hast heut' unserm Königreiche
Und mir den allergrößten Dienst geleistet,
Wir danken dir, sei ferner tapfer, glücklich,
Und bleib' in unsrer Näh' und Gegenwart.

Clemens aus dem Hause zurück.
Alles steht gut, da sitzt die alte Frau,
Die Mutter drinn und weint Ihr Majestät –

Gr. Armand. Vor Freude kommt der alte Mann von Sinnen.
Seid stille jezt ein wenig, guter Mann!

Clemens. Wer wollte hier auch wohl zur Unzeit sprechen.

Kg. Dagobert.
Sei künftig einer meiner nächsten Diener;
Und daß wir uns nicht vorzuwerfen haben,
Wir schicken dich in die Gefahr nackt, wehrlos,
Mit unbrauchbaren Waffen, so ernennen
Wir dich zum Ritter. Geh in deine Wohnung,
Du findest eine Kleidung deinem Stande
Gemäß und kehre wieder dann zurück.

Florens. Wie soll ich meinem gnäd'gen König danken?
Haltet mein Stammeln, mein Verstummen nicht
Für bäurisch blöden Sinn, der nicht empfindet,
Wie gütig ihr in euren Worten, Blicken,
Mit einer Welt von Glück mich überschüttet.

Octavianus. Mein edler Jüngling, könnt' ich sagen Sohn,
Umarme mich. So theuer bist du mir,
Daß nur der Druck am Herzen, die Berührung
Der Lippen, mir ein Zeichen können sein
Zu sagen dir, wie sehr ich dich verehre.

Florens. Mein kaiserlicher Herr, o diese Freude,
Dieser Tag, die Gegenwart der Fürsten,
Die Liebe, die ihr, hoher Herr, mir zeigt,
Das alles schlägt so hohe Freudenwellen
In meinem Herzen, daß das Wasser wohl
Muß aus den Augen springen: – o mein Kaiser,
Wie bin ich nichts, bis ihr mich so gewürdigt, –
Mein König, welche That kann euch wohl danken? –
Ihr edlen Fürsten, Zeugen seid des Glücks,
Nicht der Beschämung, denn ich würd' euch dünken
Unmündig, kindisch, drum verberg' ich mich. geht in das Haus.

Octavianus. Mich rührt so wundersam die Gegenwart
Des holden Jünglings, daß so alle Lust
Wie alle Trauer meines ganzen Lebens
Mit neugeschärften Pfeilen auf mich dringt.

Kg. Dagobert.
Der edle Sinn wirkt so geheimnißvoll
Wie nur die Schönheit immer wirken kann,
Was Helden thun und denken ist im Weibe
Gegliedert und als Körper ausgebildet,
Drum locken die anmuthigen Geberden
Magnetisch unsre Augen ewig nach,
Sie gehen gern in allen Linien mit
Und suchen nichts als nur die schöne Reise:
So ist es, wenn ein zart Gemüth uns nah tritt,
Wir fühlen wohl den Zauber, der uns fesselt,
Wir wissen nicht zu sagen, was es ist,
Wie in Verliebtheit ist der Sinn verstrickt. –
Stolz, Clemens, sei auf diesen theuern Sohn.

Clemens. Ja, Ihr Maj'stät sagt recht, ein theurer Sohn,
Er kostet mich sehr viel, erst schweres Geld,
Und Wartung, Amme, Esel, mancherlei,
Dann ein paar tücht'ge Ochsen, wieder Geld,
Verdruß: je nun, mag's sein. Ich denke mir
Daß Euer Maj'stät ihn will zum Ritter schlagen.
Ach, das wird wieder Kosten, Kosten machen!
Dabei die schlechte theure Kriegeszeit!
Du lieber Gott! Ich dachte, Wechsler könnt' er
Wohl mit der Zeit noch werden, doch das ist nichts:
Nun, wie Eu'r Majestät und Gott es haben wollen.
Denn all' die Herren lachen über mich,
Ich mein' es gut und rede gern vernünftig,
Doch wird das Wort oft anders als man's denkt,
Und wenn sich Vorsatz, Nachsatz nur ein bischen
Verschiebt, man in die Parenthesen fällt,
Bauz! liegt die ganze Redekunst im Dreck.

Kg. Edward. Und dies war so vortrefflich, alter Mann,
Als hättet ihr drinn Unterricht gegeben.

Clemens. Mit großen Herrn ist nicht gut Kirschen essen,
So sagt man, sprechen ist mit ihnen schwerer,
Ich äße lieber mit euch alle Sorten
Von Obst, der Bürger spricht nur schlecht und recht.
        Florens kommt in adelicher Kleidung aus dem Hause.
Wer kommt denn da? – ha! bist du's? bist du's nicht?
Ei, wird mir doch ganz bang dabei zu Muthe,
So schön, so vornehm, so ganz anders schaust du,
Es wird mir sauer dich nun Du zu nennen.

Florens. Ich knie wieder hier vor meinem König.

Kg. Dagobert.
Setze dich neben mir auf diesen Sessel.

Florens. Vergönnt mir diesen Platz, denn er gebührt mir,
So kann ich mein beschämt Antlitz verbergen,
Das niedre Gras zu euren Füßen anschaun
Und meiner Niedrigkeit mich still erinnern.

Kg. Dagobert.
Man bringe mir des Ritterthumes Zeichen!

Herolde treten herzu, die auf Küssen Helm, Schilde, Harnisch, Schwerdt, Kette, Sporen bringen.

Empfange dieses Schwerdtes sanften Schlag
Und stehe dann als Ritter wieder auf
In Gottes Namen, als ein Feind der Bösen,
Schützer Bedrängter, Kämpfer für die Unschuld. –
        Trompeten.
Und so setz' ich den Helm dir auf dein Haupt,
Und freue mich, daß ich so edlem Jüngling
Das Schwerdt und meine Freundschaft schenken darf.

Gr. Armand. Ich leg' um deine Brust den edlen Harnisch,
Stählern, so sei die Treue für den König,
So wie das Gold auf ihm, so sei dein Sinn.
Zum Guten schnell und allem Laster abhold,
Wie dieses reine Gold nie rosten kann.

Kg. Edward. Nimm diesen guten Schild, so stehe immer
Hinter gerechter Sache in dem Schutz,
So schwing' ihn nur für die gerechte Sache
Und er wird undurchdringlich, felsenfest sein.

Kg. Rodrich.
Dies gute Schwerdt werf' ich um deine Schulter,
Zieh es für Gott und die geweihte Kirche,
Für deinen König, für bedrängte Unschuld,
Und denke, wer es dir in Liebe gab.

Octavianus. Zuletzt, doch nicht in Liebe dir der Letzte,
Häng' ich den ritterlichen Schmuck dir um.
Sieh, der Sanct Michael schwebt auf dem Harnisch
Und schlägt, so wie du gehst und athmest, mahnend
Dir an dein edles Herz: erwäge immer
Im muth'gen Sinn, wie er für Gott gestritten,
So zitt're, wenn du denkst, zu thun begehrst,
Was edel nicht, was falsch und gottlos ist,
Sonst ist dein Herz der abgefallne Engel,
In den Sanct Michael die Lanze bohrt. –
für sich. Welch Wort ist meinen Lippen doch entflohn,
Gegen mich selber hab' ich jezt gesprochen.

Florens. Beglückter Tag, der endlich mir erschienen!
Oft dacht' ich's, wünscht' ich's, träumte wohl davon;
Doch hat ihn mir kein Traum so schön gewiesen.
Mir ist vergönnt, die Augen aufzuheben,
Den vor'gen engen Stand darf ich jezt von mir
Legen so wie ein Kleid, es ist mir Pflicht
Auf Ritterthat zu denken, sie zu üben,
Beruf wird mir, was wie ein Spiel des Wahnsinns
Mich lockte und mein wildes Herz erregte.
Sanct Michael, Sanct Dionys sein Zeugen,
Und auf das Kreuz dieses geweihten Schwerdts
Leg' ich zum Schwur die Finger, für den Heiland,
Für meinen König, für Gerechtigkeit,
Bedrängte Unschuld und verfolgte Waisen,
Für meine Liebe und für alle Damen
Will ich dies Schwerdt in Gottes Namen ziehn.

Clemens. Doch, meine Herrn, noch eins ist ja vergessen!
Die Sporen, – ach, erlaubt mir gütigst, daß ich
Doch meinem Sohn auch eine Ehre anthu'. –
Herr Herold, mit Erlaubniß: – ja, nun ja,
Nun hast du, Florens, was du immer wünschtest,
Das wird dir früh genug den Nacken brechen. –
Wie ist denn das? Welcher ist rechts und links?
In dreißig Jahren hab' ich keine Sporen
Getragen, da kann man es wohl vergessen –
Nun ja, so geht's! – o hol das Ding der Teufel!
Ich hab' es unbedachtsam übernommen,
Blamiren wird's mich vor den Potentaten –
Ja, dich gereut's noch mal, gieb Acht, mein Sohn!
Wenn Claudius hinter'm Wechseltische sitzt,
Sein ruh'ges, sichres Brod hat, du im Felde
Mit funfzig schweren Wunden liegst und hungerst,
Gefangen wirst, in Stricken, Ketten, Eisen
Hinweggeführt, – nun geht es schon, Herr Herold,
Dank für den Rath, – nun bist du fix und fertig!

Florens. Ich dank' euch, Vater, möge Gott euch segnen.

Kg. Dagobert.
Ihr Kön'ge, Fürsten, meine Brüder, gehn wir
Nach unserm Heer zu sehn ein jeglicher!
Florens, morgen bist du an meiner Tafel,
Dann meldest du dich bei dem Schatzmeister,
Dein Titel, dein Einkommen wird dir sicher.

geht ab mit den Fürsten.

Florens. Ich danke unterthänigst meinem Herrn. –
Mein Bertrand! – Bertrand kommt. Dank bin ich dir schuldig, Liebe,
Als ich die Fürstin rasch entführen wollte
Und Säbel mir und Pfeile, Spieße drohten,
Warst du mein Schutz und rettetest mein Leben,
Du flohest nicht, wie du gekonnt; als Freund,
Als Bruder hast du dich erwiesen, laß
Uns so vereint Gefahr und Kampf bestehn.

Bertrand. In Glück bin ich und Unglück dir verbunden,
So lebe wohl, der Stern begleite dich,
Der deine Jugend also schön erleuchtet. geht ab.

Octavianus. Laßt uns allein, mein guter, lieber Alter! Clemens ab.
Weißt du gewiß, mein Sohn, daß dieser Mann
Dein Vater ist, der eben von uns ging?

Florens. Mein edler Kaiser, wie ich glaube, nein!
Ich hörte wohl von ihm und auch von andern
In abgebrochnen Reden mancher Stunde,
Daß er aus fremden Land, vom Meergestade
Mich hat hiehergeführt, und ist dem so,
Wie ich es glauben muß, so hab' ich wissend
Nie Vater und die Mutter nie gesehn:
Doch weiter kann ich euch davon nichts melden.

Octavianus. So lebe wohl, gebenedeiter Jüngling,
Auf den in Liebe alle Sterne lächeln. geht ab.

Florens allein.
    O welch süßes Entzücken,
Zu euch, ihr Abendsterne, aufzublicken,
Wie eure Lichter spielen
Und nach mir her mit allen Stralen winken,
Wie tiefer nun des Abends Schatten sinken,
So muß ich einsam fühlen
Mein Glück, mein Leben und mich lockt die Weite,
Daß ich mir jenes liebste Gut erbeute.
Nun hab' ich dich, Schwerdt, Harnisch, Helm, errungen,
Umsonst nicht ist mein schönster Traum gelungen,
Nun darf ich kühnlich wagen
Dein Bild, Geliebte, in dem Blut zu tragen,
Nun soll kein feiger Zweifel mehr mich binden,
Du bist wahrlich die meine,
Beim frühsten Morgenscheine
Zieh' ich hinaus, dich wieder aufzufinden.

    Noch fühl' ich von den Küssen
Feuer und Muth durch alle Adern fließen,
Des Mundes frische Röthe,
Der Augen glänzend, lieblich, lockend Spielen,
Des Busens Lilienweiß. und muß ich fühlen
Dies alles wieder? Tödte
Mich, Glück, Erinn'rung, wenn es ist verschwunden!
O Morgen! zieh herauf des Tages Stunden!
Sie war vor mir frei auf dem Rosse schwebend
Und halb in Freuden, halb in Zweifeln bebend,
Und das Gewand gehoben,
Vom zarten Fuß und Bein hinweggeschoben,
Mund, Wangen, Augen, blendend in der Nähe,
Erst vor den Küssen zagend,
Die Arme um mich schlagend,
Erwiedernd dann gab sie mir Lust und Wehe.

    Ha, diese Hand beglücket
Hat ihre Brust gefühlet und gedrücket,
Seitdem zittert ein Beben
In diesen Fingern und in meinem Blute,
Ja, mich verlangt, im sel'gen Liebesmuthe
Mein Leben hinzugeben,
Nur einmal noch ihr Herz so fühlen schlagen,
Mit Küssen, wie ich liebe, ihr zu sagen.
Die Lippen sind entzückt noch und berauschet,
Von Flüstern ist das Ohr noch stets umrauschet,
Ich höre nur die Töne,
Ich sehe nur der Locken reiche Schöne,
Die wie ein Netz um meine Arme gestricket,
Wie Bande von vergold'ten
Wellen sie spielend rollten
Mir um mein Herz, das himmlisch ward beglücket.

    O bringe, liebe Sonne,
Mir wieder Lippen, und der Augen Wonne!
Hinaus denn will ich eilen
Und jezo noch die dunkeln Schatten theilen. geht ab.



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