Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Feld.

Antonella. Kann es wohl noch ein schlimmres Leben,
Als was ein Mädchen führet, geben?
Wie einem erst die Junggesellen
Mit allen Künsten Netze stellen;
Erlangen sie dann, was sie wollten,
Statt daß sie uns recht lieben sollten,
So lassen sie uns undankbar,
Verachten uns noch ganz und gar.
Mein Kind ist todt, und dergestalt
Sorgt er für keinen Unterhalt,
Es war ihm nur um das Vergnügen,
Gar oft und viel bei mir zu liegen,
Und leider war ich auch zu schwach,
Das hat mich in groß Leid gebracht.

Clemens mit dem Kinde.

Clemens. Ei, das heißt wohl ein saurer Gang,
Wie wird mir Zeit und Weile lang,
Und hab' noch weiten Weg, o weh!
Eh ich Paris mit Augen seh,
Dies heißt hier erst die Lombardey.
Ich bin dem Kinde also treu,
Weil ich nur bin ein alter Narr,
Ich könnt' es lassen ganz und gar
Allhier in einem fremden Land
Und geben Zehrung auf die Hand,
Und oft hab' ich's mir vorgenommen,
Doch ist es nie dazu gekommen:
Das heißt die Buße vervielfälten.

Antonella. Mit wem mag doch der Alte schelten?
Er schleppt sich mühsamlich daher
Mit einem kleinen Kinde schwer.

Clemens. Dann muß ich's putzen, sauber machen,
Und das seind gar nicht Mannes-Sachen,
Dann schreit es mal, dann will es trinken,
So muß ich durch das Land mit hinken.

Antonella. Ei, wem gehört der schöne Knab'?

Clemens. Ich ihn an mich gekaufet hab
Für richtig gutes schweres Geld,
Das mir erst jezt am schwersten fällt,
Hab noch zu meiner Heimath weit.
Wer seid ihr denn, ihr junge Maid?

Antonella. Ach Gott, mein lieber Pilger freundlich,
Mir ist das Schicksal gar zu feindlich,
Die Liebe hat mit ihrer Macht
Mich erstlich in groß Leid gebracht,
Drauf starb mir ab mein Kindelein.
Könnt' ich als Amme bei euch sein,
So lebt' ich wohl in guten Tagen.

Clemens. Was würde euer Mann zu sagen?

Antonella. Ich muß es euch bekennen alle,
Ich kam mit einem nur zu Falle,
Der läßt mich nun verachtet werden,
Dazu macht mir die Milch Beschwerden
Und peinigt mich in meiner Brust,
Nicht längst starb's Kindlein, meine Lust.

Clemens. Hört, Mädel jung, wenn ich nur wüßte,
Daß ihr nicht fielet in die Lüste,
Und würdet wieder liederlich,
(Denn das wär mir sehr widerlich)
So nähm' ich euch als Amme gern
Das kleine Kind hier zu ernähr'n.

Antonella. Mein Lebstag kommt's mir nicht in Sinn,
Da ich einmal gewarnet bin,
Mein Irrthum kommt mir warlich theuer,
Gebrannt Kind fürchtet sich vorm Feuer.

Clemens. So soll mich nicht gereun das Geld,
Das die für Unterhalt erhält,
Auch will für sie 'nen Esel kaufen,
So braucht's nicht neben her zu laufen;
Kein Kind kauf' ich wohl nimmermehr,
Es macht mir Last und viel Beschwer.

gehn ab.

Romanze tritt ein.
Wie beglückt, wer auf den Flügeln
Seiner Phantasieen wandelt,
Erde, Wasser, Luft und Himmel
Sieht er in dem hohen Gange.
Aufgeschlossen sind die Reiche,
Wo das Gold, die Erze wachsen,
Wo Demant, Rubinen keimen,
Ruhig sprießen in den Schaalen.
Also sieht er auch der Herzen
Geister, welche Rathschlag halten,
In der Morgen-Abendröthe
Lieblich blühende Gestalten.
Phantasie im goldnen Meere
Wirft, wo sie nur kann, den Anker,
Und aus grünen Wogen steigen
Blumenvolle Wunder-Lande.
Nirgend ruht sie, wer ihr folget
An dem schönen Zauberbande,
Steigt in's Innre, schaut die Kräfte
Der regierenden Gewalten:
Wie aus Wasser alle Welten
Hat der ewge Trieb erschaffen,
Wie das Feuer ihre Wurzel,
Die in ihren Kindern pranget;
Und das Licht die höchste Blüthe,
In dem Menschen Lieb' ihr Name,
Wie sich alles dahin stürzet,
Eilt im brünstigen Verlangen.
Immer will die Erde aufwärts
Liebend an der Sonne hangen,
Und das Feuer hält sie innen
In sich selber eingefangen;
So erbiert sie aus dem Sehnen
Liebelechzend reine Wasser,
Diese sind die Mutter-Thränen,
Die ihr fließen von den Wangen:
Und sie läßt die Blumen grünen,
Keimen läßt sie schöne Pflanzen,
Berge, Wälder, Flur sind trunken
In der Wonn', im Liebes-Glanze.
Dürstend lechzt der Menschenbusen,
Seele will hinauf gelangen,
Und in tiefster Inbrunst leise
Wird des Schaffens Trieb empfangen:
Denn das Feuer fängt die Liebe,
Und nun kann sie nicht von dannen,
Worauf manche tiefe Meister
Wissenschaft und Kunst ersannen:
Und am herrlichsten, am freisten
Die kristallnen Brunnen sprangen,
Die in Reimen, die in Tönen,
Dichtender Begeistrung klangen.
Wieder sind es Mutterthränen,
Daß die Kinder ihr entschwanden,
Daß der Lieben süßes Leben
Um sie in den Steinen starret.
Aber drinn sieht man das Herze,
Das die ganze Welt erlabet,
Und der Liebesgeist die Flügel
Lauter schwinget im Gesange.
Und der Schäfer hört es rauschen
Fern an seinem Blumenhange,
Und sein Herz in Freude zitternd
Will erwiedern, kann nur stammeln.
Also fühl' ich, also sinn' ich,
Wer die Worte nicht verstanden,
Denk', ich sei nur wildes Mädchen,
Mit dem Namen die Romanze. –
Auf dem Meere fährt die Kaisrin,
Durch die Wogen, und gelanget
Drauf das Schiff an jene Insel,
Wo ihr Kindlein liegt gefangen,
Wo der Leo es gesäuget,
Der den Greifen hat erschlagen: –
Nun mögt ihr sie selber hören,
Denn dort kommt sie schon gegangen. ab.

Felicitas, der Schiffshauptmann.

Felicitas. Ich dank' euch herzlich, daß ihr nicht begehrt
Das Näh're meines Leidens zu erfahren.

Schiffshauptmann.
Seid ruhig, gnädge Frau, ich weiß, daß immer
Von neuem jede Wunde blutet, wenn
Die unbescheidne Neugier daran stößt.

Felicitas. Wo sind die Pilger, wo ist denn Herr Adam?

Schiffshauptmann.
Sie sind hinweg und spüren durch die Insel,
Denn wißt, Herr Adam ist, was man so nennt,
Ein tiefgelehrter Mann, der seine Wallfahrt
Zugleich benutzt, was ihm an Steinen, Pflanzen,
An Thieren, Menschen, Ländern, Flüssen, Städten,
Merkwürdiges und Eignes nur begegnet,
Zu sehn und im Gedächtniß zu bewahren.
Es heißt, er will es nachher niederschreiben,
Zum ewigen Gedenken seiner Reise,
So hat er keine Ruhe denn, nicht Rast,
Wo nur das Schiff ein Weilchen stille liegt,
Da muß er gleich umher, was auszuspüren.

Adam, die Pilger, herbeilaufend.

Schiffshauptmann.
Was ist euch, Leute? – Wie? so blaß, so zitternd?
Erholt euch, denn ihr schnauft ja wie die Bären.
Was wollt ihr? – Nun schaut um euch und besinnt euch.

Adam. Sind wir auch sicher? Warlich sicher? Ganz?
Kein Ungeheuer hinter uns?

Felicitas.                                       Was hat
Euch so aus euren Sinnen aufgeschreckt?

Adam. Mein Gott –, nein, – so was, habt ihr nie gehört
Und nie gesehn.

Pilger.                       Wir gehn hin durch die Insel –

Adam. Laß mich erzählen. – Gehn hin durch die Insel,
Uns manchen Stein und manch Gewächs betrachtend,
Als wir von ferne hören wie ein Lallen.

Pilger. Und wie wir näher kommen –

Adam.                                                     Näher kommen,
Ist's eine Löwin, die in ihrem Neste
Da liegt mit blitzenden Karfunkel-Augen,
So roth wie Blut, so brennend wie ein Feuer,
Und zwischen ihren Klauen liegt ein Kindlein,
Das spielt mit ihr, ein Kindlein wie ein Engel,
So schön und reizend.

Pilger.                               Denkt euch das Erstaunen!

Adam. Ja, nicht verwundern gnug des Anblicks konnten
Wir uns, vergaßen, wie ein Löwe grimmig,
Als plötzlich uns das Thier ersah, vom Kinde
Losriß und auf uns sprang. Da mögt ihr glauben,
Daß wir gelaufen sind, was wir nur konnten;
Doch scheint's, es ist uns nicht gefolgt und drinnen
Bei seinem Kinde blieben. Armes Kind!
Das muß nun doch, wenn Gott nicht schützt, verderben,
Kommt mal der Durst, die Wuth die Löwin an,
So frißt sie doch das zarte Lämmchen auf.

Felicitas knieend.
O Gott! o gütger Gott! ich danke dir!
Nun bin ich wieder froh, noch eins der Kinder
Hast du mir aufbewahrt.

Schiffshauptmann.             Was macht ihr, Frau?

Felicitas. So führt mich hin, alsbald, wo ihr es saht,
Es ist mein Kind, so wunderbar erhalten,
Ich bin die Mutter, wunderbar geführt
Zu seiner fernen Wohnung über See,
Durch Wald und Fels. O bringt mich alsbald hin.

Adam. Von uns geht keiner nach dem Platze wieder.

Pilger. Wir danken Gott, daß wir hieher gelangt.

Adam. Bedenkt, der Löwe ist ein grimmig Thier,
Zerreißend, ohn' Erbarmen. Wollt ihr euch
So unbesonnen liefern der Gefahr?
Ist es nicht besser, wenn es so muß sein,
Es stirbt Ein Mensch, als ihrer zwei verderben?
Und sterben werdet ihr, wenn ihr ihm naht,
Denkt, will es Gott erhalten, hat er Wege
Gar mancherlei, die keiner mag ersinnen.

Felicitas. O zeigt mir nur den Ort an, wo es liegt,
Welch Mutterherz trüg' ich in meinem Busen,
Wenn es nicht jezt erwachte? War's mein Wunsch nicht,
Ich möcht' es wiedersehn, das liebe Kind,
War's nicht mein Klagen, daß es mir entrückt?
Nun kann ich's ab mit diesen Armen reichen,
Und wie, ich bliebe hier?

Pilger.                                     Glaubt unbeschwert,
Ihr wünscht euch wieder her, seid ihr erst dort.

Felicitas. Ihr seid aus Stein gemacht, aus hartem Fels,
Und nicht aus menschlichem Geblüt, Erbarmen
Ist euch entfremdet. Wohl, so geh' ich ohn' euch,
Mögt ihr hier meiner warten, oder fort
Von diesem Eiland seegeln, wie ihr wollt,
Mich kümmert's nicht, ich sterb' mit meinem Kinde.

Schiffshauptmann.
Vieledle Frau, wir wollen gerne warten,
Nur denkt, es ist ein hohes Abentheuer,
In dem euch Sterben näher ist als Leben.
Sich einer Löwin in die Klauen werfen?
So leicht mag man in Meereswogen springen,
Wenn Stürme wüthen, Blitze niederzücken,
So leicht sich auf den Scheiterhaufen setzen:
Drum wollt ihr's wagen, nun Gott sei mit euch,
Doch geht vorerst zum Priester, der dort sitzt,
Betet, empfangt Absolution und Segen,
Und sterbt ihr dann, so seid ihr vorbereitet.

Felicitas. Du räthst mir gut, es sei wie du gesagt.

Adam. Und wann ihr dann das Abentheuer wagt,
So wollen wir euch gern den Ort beschreiben,
Doch müssen wir zurück gesichert bleiben.

alle ab.

Die Romanze tritt ein.
Es geht die Frau mit Glauben und Vertrauen,
Im Herzen betend, zu dem Priester hin,
Ihr ist, sie spüret Segen niederthauen
Vom Himmel hoch, erheitert ist ihr Sinn,
Sie fühlt sich nicht die Aermste mehr der Frauen,
Ihr Leiden selber dünket ihr Gewinn,
Der Priester flehet, daß sie Hülfe fände,
Sie nimmt ein Crucifix in ihre Hände.

    So geht sie einsam; jene sind zurücke
Geblieben in der Furcht und stillem Bangen,
Es finden leicht und bald die heitern Blicke
Die Zeichen auf dem Weg, all ihr Verlangen
Steht nach dem Kind, das ihr das schönste Glücke,
So muß sie bald zur Höhle hingelangen,
Sie tritt hinzu, geführt von ihrem Herzen
Und sieht das Kind drinn mit der Löwin scherzen.

    Und ob dem Anblick dieses grimmen Leuen
Erschrickt sie inniglich, der Löwe schaut
Sie blitzend an, sie muß die Augen scheuen;
Doch bald ermannt sie sich. »Ich hab vertraut
»Auf Christi Bild, und fruchtlos ist dein Dräuen,
»Bei ihm beschwör' ich dich, – so spricht sie laut –
»Gieb mir mein Kind zurück, denn es ist mein,
»Es muß bei mir, und nicht bei Thieren sein.

    »Ja ich beschwör' dich bei den süßen Wunden,
»Die uns, den Sündern, Heil und Segen brachten,
»Die schmerzlich blutend liebreich offen stunden,
»Und uns das Himmelreich zu eigen machten,
»Durch die das Paradies wir wiederfunden,
»Durch die zerbrochen ward der Hölle Trachten,
»Bei Vater, Sohn und Geist beschwör' ich, Leu,
»Dich kühnlich, gieb mein Kindlein wieder frei.«

    Sie spricht mit herzdurchgehndem Ton die Rede,
Hält in gefaltner Hand das Christusbild,
Da wurd der Leo alsbald zahm und blöde,
Und krümmte sich zusammen still und mild,
Sie fürchtet nun nicht mehr, daß er sie tödte,
Sie steigt hinein von Sehnsucht ganz erfüllt,
Erfaßt ihr Kindlein, drückt es an die Brust,
Steigt aus der Höhle, kaum sich selbst bewußt.

    Den Mund, die Augen küßt sie brünstiglich,
Und Thränen fallen drein, sie lächelt innig,
Ihr Leben öffnet jezt von neuem sich,
Noch mehr als sonst dünkt ihr das Kindlein minnig,
Der Löwe nicht von ihrer Seite wich,
Ohn' daß sie's merkt, folgt er ihr still und sinnig,
Den großen Kopf gerichtet nach dem Kinde,
Als wenn zu diesem sein Verlangen stünde.

    So kömmt sie hin zu dem verlaßnen Strande,
Die Pilger warten ihrer schon im Boot,
Sie sehn den Leo, wollen stracks vom Lande,
Sie zittern bleich und fürchten Todesnoth.
»Nehmt mich, so ruft die Kaisrin, von dem Sande!« –
»Nein, rufen sie, von unserm Blute roth
»Würd' sich das Schiff und auch das Ufer färben,
»Nicht schont der Leo uns, wir müssen sterben.« –

    »Ihr kommt gewiß durch mich in keinen Schaden,«
Spricht sie, »dafür will ich euch Bürge sein.« –
Sie sagen wieder: »nun mit Gottes Gnaden!«
Und lassen sie mit ihrem Sohne ein.
Das Boot wird dann am Schiffe ausgeladen,
Und all beschaun das schöne Kindelein,
Doch plötzlich wird ein laut Geräusch vernommen,
Die Löwin ist zum Schiffe hingeschwommen.

    Sie spannen schnell, entsetzt, die Segel auf,
Und suchen wohl der Löwin zu entfliehen,
Doch die folgt unermüdet ihrem Lauf,
Dem Schiffe und dem Kinde nachzuziehen,
Und es gelingt, sie springt zuletzt hinauf,
Die Klaue faßt im Bret nach viel Bemühen,
Sie hält sich fest, dann steigt sie über Bord,
Und alle Schiffer fliehn bestürzet fort.

    Es dünkte ihnen schon der Tod gewiß,
»Frau, sprachen sie, ihr macht uns das Verderben,
»Daß uns der Löwe wüthend hier zerriß,
»Drum ist es besser, ihr müßt für uns sterben,
»Wir werfen euch ins Meer.« – »Ach, Freunde, dies
»Wär grausam, sagt sie; wollt ihr mir den herben
»Tod geben nach der vor'gen Freundlichkeit?
»Euch widerfährt vom Löwen nie kein Leid.« –

    Und Löwin macht, was sie gesprochen, wahr,
Die ging hindurch so wie ein zahmer Hund,
Berührte keinen von der ganzen Schaar,
Und als sie endlich vor der Kais'rin stund,
Hob sie den Kopf, sah wo das Kindlein war,
Und legte sich dann nieder auf den Grund,
Recht zu der Kais'rin Füßen, sanft und stille,
Die niemals zu verlassen war ihr Wille.

    Die Kais'rin ward von allen sehr geehrt,
Und jeder wollte ihr gefällig sein,
Bei günstgem Wetter, stillem Wasser fährt
Die Edle fort mit ihrem Kindelein;
Sie landen drauf in Asiam unbeschwert,
Und kehren in dem Dorf zu rasten ein;
Die Kais'rin, Kind und Leo ungetrennt.
Sie kommen alle her von jenem End. ab.

Felicitas mit dem Kinde, Schiffshauptmann, Adam treten ein, Pilger.

Felicitas. O gütger Gott, du trugest mit mir armen
Leidvollen Frau, so große Milde, Sünden,
Die ich beging, vergaß wohl dein Erbarmen,
Durch deine Hülf' mußt' ich mein Kindlein finden,
Die Lilie blieb, am Busen zu erwarmen:
Wer wollte deiner Allmacht sich verblinden?
Gerettet hast du mich auf Wunderwegen,
Mit stiller Furcht erkenn' ich deinen Segen.

Schiffshauptmann.
So nehm' ich Abschied von euch, edle Frau,
Und wünsch' euch ferner Glück und Heil, daß bald
Sich alle Leidenswolken von euch wenden,
Und wieder hell die Sonne niederstralt.
Ihr habt mir mehr bezahlt, als mir gebührt,
Habt alle Schiffsleut reichlich auch beschenkt,
Man sieht an eurer Großmuth, eurer Milde,
Daß ihr nicht von geringem Stand. Lebt wohl.

Felicitas. Du gehst zu deinem Schiff zurück?

Schiffshauptmann.                                           Alsbald;
Ich liege stille hier, bis wieder Pilger
Sich sammeln, die zurücke wollen nach
Europa. Nochmals sag' ich vielen Dank,
Euch muß es wohl gehn, denn ihr seid so fromm.

Felicitas. Ist der Mann bestellt, der uns den Weg weisen sollte?

Adam. Ja, man sagte mir, daß er sogleich kommen würde.

Felicitas. Nun bin ich hier im Orient, und sehe dort im blauen Dufte vor mir die hohen Gebirge. –

Adam. Edle Frau, das da ist der Libanon, der so mächtig schwarz vor uns liegt. Ich freue mich, daß ich in dem Lande bin, das ich mir seit so lange zu sehen wünschte. Aber, gnäd'ge Frau, ich bin überzeugt, daß mir auf meiner ganzen Reise nichts so Merkwürdiges aufstößt, als mir mit euch und eurem Kinde und dem Löwen begegnet ist. Es ist wahr, es liegt etwas Wunderbares in den Thieren, eine gewisse Sympathie zum Menschengeschlecht; denn so erzählt man vom Romulus und Remus, den Stiftern des Römischen Reichs, daß sie von einer Wölfin gesäugt wurden: die wunderbare Geschichte eines Römischen Sklaven, Androklus und seines Löwen ist bekannt; Ursus, der Bruder des Valentin, wurde von einer Bärin groß gemacht, nebst andern seltsamen Geschichten, doch dünkt mich das mit eurem Löwen noch immer das Allerwunderbarste. Und was völlig unbegreiflich bleibt, ist, wie der Löwe mit dem Kinde mag auf die Insel gekommen sein, die doch ganz vom Meere umflossen ist.

Felicitas. Ist der Wegweiser noch nicht da?

Adam. Holla! Wegweiser! Wegweiser!

Hornvilla kommt.

Hornvilla. Nun, nun, schreit nur nicht so gewaltig. Alles Ding will seine Zeit haben; ich habe mich doch erst ankleiden müssen.

Felicitas. Seid ihr es, der uns führen soll?

Hornvilla. Ich weiß nicht anders, indessen kann ich's auch bleiben lassen, wenn es euch nicht ansteht.

Felicitas. Nein, guter Mann, wir haben euch gedungen.

Adam. Der Gesell hat eine merkwürdige Phisiognomie. Er sieht fast etwas aus, wie ein Rhinoceros.

Hornvilla. He! Alivus! Komm heraus!

Alivus kommt.

Hornvilla. Sieh nach den Gänsen und Schweinen, weil ich nicht da bin. – Hörst?

Alivus. Ja.

Hornvilla. Nun, warum kannst nicht antworten? Juckt dir der Buckel wieder? – Jezt hinein, bewahr das Haus gut; wenn Gäste kommen, sei reputierlich, bediene sie fein ordentlich, häng's Maul nicht, als wenn sie dir im Wege wären. Ich muß die Leute hier über's Gebirge führen. – Nun her, nimm erst Abschied, einen Kuß vorher, – so, – und daß du nicht muckst – oder – Alivus ab.

Adam. Ist das eure Frau?

Hornvilla. Ja. – Ihr wollt nach Jerusalem?

Adam. Nicht anders.

Hornvilla. Es ist jezt ein erstaunliches Laufen von dem Pilgervolke. Die Frau und das Kind ebenfalls?

Adam. Ja, sie steigt nachher auf das schöne Pferd, das dort angebunden steht.

Hornvilla. Und geht der große Katz hier auch mit nach dem heiligen Grabe?

Adam. Es ist keine Katze, mein Freund, sondern gar ein wundervoller Löwe.

Hornvilla. Das lauft auf eins hinaus. Närrische Wirthschaft durch einander, das giebt jezt ein Wallfahrten von allen Creaturen, daß es zum Erbarmen ist. Hier haben wir alle Bestien aus dem Paradiese beisammen, nur Adam fehlt noch.

Adam. Ich heiße mit Namen Adam.

Hornvilla. So? – Kommt nur, sonst wird es Abend.

sie gehen ab.



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