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Der versammelte Rath.
Octavianus, die alte Kaiserin, Adrastus, Nikanor, andre Räthe.
Octavianus. Jezt sprecht nach eurer Einsicht, denn ihr wißt
(Und schrecklich war mir, dieses vorzutragen)
Was sich begeben hat, ich selbst war Zeuge,
Ihr kennet ihr Verbrechen, ihre That,
Ermeßt die Strafe jezt, die ihr gebührt.
Adrastus. Erhabne Majestät, ich saß schon oft
Wie heut, auf diesem Richterstuhl vor dir,
Doch nie als heut mit diesem bangen Herzen.
Mein Haupt ist weiß, ich habe viel erfahren
Und viel gelitten, wie es denn kein Mensch
Vermag zu sagen, daß er leben könne
Und aus dem Wege allen Leiden gehn;
Ich war ein Mann, als du ein Knabe warst,
Du hörtest gern auf mich, und meine Freude
War, deine Weisheit, deine Tapferkeit,
Und deinen Ruhm zu sehn, der sich mit Flügeln
Verbreitete durch alle Nationen,
Die jezt die Wissenschaft und Sitte kennen,
Dein Werth, dein Glanz, dein Ruhm und deine Thaten,
Sie wurden meine Kinder, meine Enkel,
Und gern vergaß ich mich in diesem Spiegel.
So ging ich froh dem Todestag entgegen,
Du bliebst zurück, und Kraft und Glanz und Größe,
Ein ewger Ruhm, und Glück und Macht des Reiches,
Vor allen aber innge, heilge Liebe,
Sie blieben hier als deine Hausgenossen. –
Doch heut – (o weh mir, daß ich's sagen muß!)
Zum erstenmal empfind' ich heut die Schmerzen,
Ein Richter sein vor deinem Angesicht:
Ich seh dein Licht getrübt, dein Glück entwichen,
In einem Irrsaal selber dich befangen,
Das tiefer stets und innger dich verstrickt.
Wo deine Liebe war, ist nun die Hölle,
Wo dir ein schöner Garten üppig blühte,
Hat jezt ein Sturm die Blumenflur verwüstet,
Dein Herz fühlt sich verarmt, und ich bin trostlos,
Mit dir verlor ich alle meine Haabe.
Drum Octavianus, galt in deiner Jugend
Dir je mein Rath etwas und mein Bedünken,
Meinst du, daß Weisheit mit den Jahren wächst,
Kannst du, ein Mann, mir um so mehr vertrauen,
Wie deine Einsicht größer jezt als Jünglings-
Erfahrung ist, bist du der Ueberzeugung,
Daß nur die reinste Liebe aus mir spricht,
Daß nur Ergebenheit, nur innge Demuth,
Nur Sorge für dein Glück die Zunge lenkt,
So hör' heut meinen Rath, dann sterb' ich gerne.
O mein Monarch, ich darf es dir nicht sagen,
Wie nicht jedwedes Ding ist, was es scheint.
Das Laster trägt zu oft der Tugend Mantel,
Die Dürftigkeit erscheint als Reichthum oft,
Und Einfalt brüstet sich als Weisheit häufig,
Daß nur der Unerfahrne, Niegetäuschte,
In heilger Miene Tugend sieht, und Schätze
Beim Bettel-Armen und Vernunft beim Thoren.
Dies führt uns auf den sichern Schluß, daß oftmals
Was Laster scheint, es nicht im Innren ist,
Und zwingt uns, (wollen wir Gerechte heißen,
Vor Gott nicht grausam wild erfunden werden,
Daß wir die Tugend lästern, ja verfolgen,
Indem wir sie recht zu beschützen streben,)
Es zwingt uns, sag' ich, jedem äußern Schein
In's Innre recht zu schauen, jeden Umstand
Zu prüfen, zu erwägen, nachzuforschen,
Sonst mag der Unterthan, der vor dir kniet,
Gerechtigkeit erheischt vor deinem Stuhle,
Dich als Tyrannen klagen an vor Gott:
Wie mehr dein Nächstes, die so nah dir war,
Daß sie des Herzens Hälfte, ja im Herzen
Der innre Geist, der Kern, die Liebe war.
Vergönne mir zu sagen, daß zu schnell
Und unverhört du den hinweggetilgt,
Den du den Mörder deiner Ehre wähnst;
So hast du auch die Kaisrin nicht vernommen,
Was sie zu ihrem Schutze sagen mag,
Du klagst sie an und bist der Richter selbst,
Wir heißen Richter, doch wir sollen nur,
So heischt dein Wort, ein Todesurtheil sprechen;
Auch ist ihr nicht vergönnt, wie sonst gebräuchlich,
Die Frist, in der die Anklag publicirt,
Daß sich ein Ritter stelle gegen sie,
Ein andrer komme ihre Ehr' und Leben
Mit starker Hand und Waffen zu beschützen,
Daß Gott entscheide, und der Ausgang zeige,
Wes Sache gut, und wessen faul gewesen.
Octavianus. Ihr wißt ja, (o daß ich es wiederhole)
Daß hier kein Zweifel gilt, kein Untersuchen.
Ich danke dir die Liebe, die du trägst,
Die Schonung, die du räthst, doch zu gewiß
Ist ihre Schuld, mein Elend. O wie glücklich,
Wär' mir ein Zweifel noch erlaubt, wie gern
Wollt' ich den allerkleinsten hegen, pflegen,
Und ihre Unschuld und mein vorges Glück
Mit Mühe, Sorgfalt, Angst und nächtlich Wachen
Aus Wüstenei und Abgrund wieder suchen.
Doch, o ich weiß, ich fühl' es, denk' es ewig,
Und möchte mir und dem Gedanken fliehen,
Und möchte mich vernichten im Gedanken,
Und lebe nur in dem Gedanken fort,
Der mich ertödtet: daß die Schuld gewiß,
Daß sie kein Wort zu sprechen wagte, er,
Der Bösewicht verstummte und erstarb
Mit dem Bekenntniß seiner Missethat,
Denn seine Stummheit, seine Todes-Angst,
War sein Geständniß.
Nikanor. Mein erlauchter Fürst,
Ihr fühlt gewiß, wenn wir euch widersprechen,
In dieser sehr hochwichtgen Sache, die
Nicht weniger als der Gemahlin Leben
Betrifft, daß nur die Treu zu euch, mein König,
So kühn uns macht, darum erwägt zuvor,
Was euch Adrastus eben hat gesagt,
Und dann erlaubt, daß ich hinzu dies füge:
Wir alle kennen unsre Kaiserin
Als tugendhaft, ihr saht sie niemals anders,
Als kürzlich erst;
Was selbst bisher der allerstrengste Richter,
Ja die Verläumdung mit der giftgen Zunge,
Hat auszustellen an der Kaisrin Weise
Gewagt, sind doch nur leichte kleine Flecken,
Die unbefangnen, heitern Sinnen nicht
Also erschienen: als, ein froh Gemüth,
Die Lust zum Tanzen und zur Fröhlichkeit,
Gesang, Musik, ein buntgemengt Gefolge
Von Thoren und von Weisen, farbge Trachten,
Ein aufgewecktes Herz, das gerne lacht,
Daß sie geliebt, zu Pferde sich zu sehn,
Euch auf der Jagd in Mannstracht zu begleiten,
Und selten oder nie dem Ernst, der Klage,
Dem Stirnerunzeln Raum gegeben hat;
Wohlwollenheit und Liebe, und ihr selbst
Habt dies als Tugend, adliches Gemüth
An ihr geschätzt, für hohen Geist gehalten,
Der bange Furcht nicht kennt, weil kleine Seelen
Den Anschein ängstlich meiden, denn sie fühlen,
Wie nahe ihnen stets das Laster geht;
In farbgem Schimmer stand sie hoch erhaben,
Und schaute Thorheit, Weisheit, weltlich Wesen
Als ihr geliebt Gefolge an, das dienstbar
Nur ihren Glanz erhöhte. So erschien sie,
Und Freude glänzte über ihre Schönheit
Aus aller ihrer Unterthanen Augen,
Doch euer königliches Auge war
Der schönste Spiegel ihres Werths, bis Argwohn
Und Lästerung, und böse Geister frei
Und unbewacht des Herzens Eingang fanden:
Worauf ihr zürntet, und im Zorn gesehn,
Was ihr zu sehen meintet, ohne Hören
Das Urthel spracht. Gedenkt der vorgen Liebe,
Und thut, was sie verlangen darf, gebt frei
Die Untersuchung, ihr Verantwortung;
Was gilt's, die That ist anders dann beschaffen
Als sie erscheint? Freilich kann ich nicht sagen
Wie alles sein mag; aber ich vermuthe,
Das Ganze ist von Feinden angestiftet,
Die wohl Felicitas Verderben wünschen.
Kaiserin. Wer wären diese Feinde? – Unverschämt
Seid ihr in euren Reden, und vergeßt
Die Achtung ganz, die ihr dem Kaiser schuldig.
Spracht ihr nicht eben mit beredter Zunge,
Wie jedermann von Hoh und Niedrig sie
Geliebt, verehrt, ein Götzenbild gemacht
Aus ihrer Schönheit? Wie sie zauberisch
Die Herzen an sich zieht? Nur unbestochen
Blieb ich von ihrer schmeichlerischen Zunge,
Ich sah sie, wie sie war, und sagte immer
Dem Kaiser, wie er nicht der Schlange trauen,
Vor ihrem Biß sich hüten solle, wachsam
Verblieb ich stets, und sah geheime Schande
Das königliche Bett beflecken, ihn,
Das Abbild Gottes, seinen Stellvertreter,
Entehren, seine Liebe treten in den Koth.
Er ist mein Sohn, ich lieb' ihn und ich ehr' ihn,
Drum war ich ihr entgegen, allen Thoren
Und ungehirnten Schwätzern, euch zum Trutz.
Ich selbst, der Kaiser hier, wir beide zeugen
Auf ihre Schande, Untreu, Todverbrechen,
Was darf es da des Zögerns, Untersuchens,
Geschwätzes für sie? Wahrlich, dieses heißt
Das Laster schützen, Majestät entweihen,
Ihr steht im Bund mit unsern schlimmsten Feinden.
Ist aber einer hier so frech zu sagen,
Ich habe sie verläumdet, unwahr sei
Mein Reden und mein Zeugniß: nun, er wage
Hervorzutreten mit der Anklag, und
Wir wollen dann Gericht und Untersuchung
Auf sein Haupt oder meins entscheiden lassen.
Und du mein Sohn? – Du achtest nichts das Schänden
Der Würde deiner Mutter, deiner eignen?
Octavianus. Ich fühl' im Busen heiße Schmerzen brennen,
Ich kann nur dulden, kann nichts thun, nichts sagen,
Muß die Geburt verhüllt im Innern tragen,
Bricht sie hervor, werd' ich mein Unglück kennen.
Ich sehne mich, und weiß es nicht zu nennen,
Mein müdes Herz will nicht mehr blutig schlagen,
Ich fühl' es wohl, und weiß nicht was zu klagen,
Mir ist, als will sich Leib und Seele trennen.
Und ist nicht Liebe nur des Leibes Leben?
Sie nimmt den schweren Abschied, und verwaiset
Verblutet nun das Herz im ewgen Sehnen.
Kein Gott, kein Himmel kann mir Ruhe geben;
Von Angst, Quaal, Herbigkeit und Grimm gespeiset,
Dürst' ich jezt nach dem Labetrunk der Thränen. geht ab.
Kaiserin. Er ist sich selbst und seinem Geist entwendet,
So tief muß ihn das Unglück niederbeugen,
Der Schmerz hat seine Lebenskraft verschwendet,
So geht er fort mit räthselhaftem Schweigen,
Drum sei von uns das große Werk vollendet,
Und seine Tugend wird sich wieder zeigen.
Entfernt euch heut, ich will euch rufen lassen,
Wir wollen morgen festes Urthel fassen.
gehn ab.