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Stube.
Clemens, Susanne.
Susanne. Was ist dir nur in diesen Tagen, mein lieber Clemens? Ich kann nicht klug aus dir werden und erkenne dich gar nicht wieder. Du bist nicht munter, nicht gesprächig, wie sonst, du hängst den Kopf, des Nachts bist du unruhig, kein Essen will dir recht schmecken, ich mag auch kochen, was ich will. Man sollte fast auf die Gedanken kommen, du seist im Begriff Bankrutt zu machen, wenn ich es sonst nicht besser wüßte; auch hast du kein Capital verloren, denn du hast so ziemlich alle Gelder eingezogen. Krank bist du auch nicht, denn für dein Alter siehst du recht wohl aus; aber innerlich in deinem Herzen muß doch etwas sein, was dich quält und nagt, und das mußt du mir sagen, mein lieber Mann, ich lasse dir nicht eher Ruhe, bis ich es weiß. – Warum bist du doch auch so verschwiegen und hältst damit hinter dem Berge? Es kann doch eben nicht so was Besonders sein!
Clemens. Meinst du? Ja wie ihr Weibsleute das versteht!
Susanne. Laß mich mit dir überlegen, lieber Mann! Vier Augen sehn immer weiter als zwei, vielleicht kann ich dir auch einen guten Rath geben!
Clemens. Nun so nimm nur deinen Kopf zusammen und du wirst recht gut wissen, worüber ich nachdenke, warum ich mich abarbeite, was mir am Tage das Essen vergällt und des Nachts den Schlaf vertreibt. Besinne dich!
Susanne. Hm, – vielleicht, – aber das kann's nicht sein, denn darüber hast du nur gelacht, – daß sie dich neulich mit dem Florens so zum Besten hatten und meinten, das verdiene kein Lob, daß du dich im gelobten Lande damit abgegeben, Bastarde zur Welt zu befördern.
Clemens. Dummes Zeug!
Susanne. Oder, daß die Abergläubischen meinen, du hättest einen Kobold, der dir dein Geld und Gut geschafft hat.
Clemens. Ich denke zu vernünftig und bin zu weit gereist, zu ausgebildet, um auf dergleichen Possen zu achten.
Susanne. Hat dir vielleicht einer in den Kopf gesetzt, daß unser neues Haus nicht gut und schön wäre?
Clemens. Das kann man mir auch wohl so in den Kopf setzen? Nicht wahr? Als wenn ich nicht selber den Plan und Riß gemacht, zwei Jahre darüber gedacht, mit dem geschicktesten Baumeister mich besprochen hätte, so daß fremde und weitgereiste Leute kommen und mein Haus in Augenschein nehmen. – Ja, was hast du nun mit allem deinen Nachdenken heraus gebracht? Nichts als lauter ungewaschnes Zeug von geschmacklosem Hause, Kobolden und Bastarden.
Susanne. Nun so laß doch deinen Tiefsinn auch an's Tageslicht kommen.
Clemens. Nun sperre die Augen auf! – Was siehst du in unserm Hause? Was geht täglich ein und aus? Was sitzt mit uns zu Tische? Was spricht mit uns?
Susanne. Unsre Kinder.
Clemens. Also, unsre Kinder. Nun waren wir endlich auf den Punkt gekommen. Du siehst, sie essen, schlafen, wachsen und gedeihn, und fällt dir denn niemals dabei ein, was doch wohl in dieser Welt aus den Bengeln werden soll?
Susanna. Ich habe immer gedacht, Gott würde sie schon versorgen.
Clemens. Siehe, dies ist mein Nachdenken bei Tag und Nacht, was aus den Kindern werden soll. Es ist nicht genug, daß wir ihren Leib groß machen, wir müssen auch ihre Seele stärker machen, wir müssen ihnen auch ein sicheres Brod schaffen. Ich kann gestehn, daß ich an meinem Claudius so viele Freude erlebe, als ein Vater auf dieser Erde nur wünschen kann. Er kann lesen, schreiben und rechnen, wie der beste Schulmeister im ganzen Lande. Das scheint so recht sein eigentliches Talent zu sein, darin hat er immer in der Schule oben an gesessen, und, unter uns, er kann mir darin aufzurathen geben. Diesen hab' ich in Gedanken zum Wechsler bestimmt, so erfüllt er seinen Beruf.
Susanne. Der Junge wird eine rechte Freude haben, wenn er es hört. Und Florens?
Clemens. Ja, sein Schicksal ist auch schon gemacht. Mit dem Jungen ist es etwas Wunderliches. Was Großes wird Zeitlebens nicht aus ihm; das Feine, das Gründliche, das tiefe Denken ist nicht seine Sache, er kann sich in nichts finden, wozu kaum ein mittelmäßiger Verstand gehört, und will er sich bei Gelegenheit mal zeigen, so verdirbt er nur alles. Ehrgeiz hat er gar nicht, wodurch man ihn anspornen könnte, mit einem Wort, zum Kaufmann ist er verdorben. Aber sieh nur an, wie er gewachsen ist, er ist ein Jahr und mehr jünger als der Claudius, und er ist an zwei Köpfe höher, so daß der Claude nur schwach und dünnbeinig neben ihm aussieht; der Florens hat einen Rücken und Schenkel und Waden, wie sie nur sein müssen. Oft am Morgen, wenn ich ihn wiedersehe, muß ich mich über ihn verwundern, denn mir däucht fast, daß er zusehends wächst, so daß ich oft nicht begreifen kann, wo das hinaus will, ob er sich etwa gar in den Kopf gesetzt hat, ein Riese zu werden. Er hat keine Kinderkrankheiten gehabt, mit Denken strengt er sich auch nicht an, kurz, er ist so recht dazu gemacht, schwere Arbeiten zu thun und in den Tag hinein zu leben. Den will ich also bei der Gevatterin, bei der Wittwe Beate in die Lehre thun, da soll er ein Schlächter werden, so kann er wohl mit der Zeit sein Glück machen. Ich habe deswegen auch schon mit dem Gumprecht gesprochen, der jezt die Wirthschaft für ihren Mann, für den Cajus, führt.
Susanne. Ich denke nur, Clemens –
Clemens. Laß mich ausreden, hernach sage, was du denkst. Sieh, es ist nicht mehr als billig und nicht mehr als väterlich gehandelt, daß ich sorge, daß mein ächter Sohn Claudius höher in der Welt hinauf kommt, daß ich ihm auch mehr an Vermögen hinterlasse, als einem gefundenen Kinde, das ich aus Barmherzigkeit zu mir genommen, das keinen Vater hat, wie der Florens, und darum habe ich diese Anordnung getroffen und ich denke, es wird so recht vernünftig sein. Nun weißt du alles; sage nun, was du denkst, oder gedacht hast.
Susanne. Ich denke nur, ob sich nicht noch einmal die Eltern des Florens anfinden sollten.
Clemens. Wer weiß, wo die sind! Junge Leute, man kennt ja die Welt, die kein Nachdenken hatten, die sich in der Sinnlichkeit vergaßen – die an kein Kind dachten und die nun in der Angst nirgend damit hin wußten. – Ruf sie mal herein!
Susanne ab.
Clemens allein.
Ja man hat Noth! und doch sind Kinder Segen,
Daß man nichts Liebers mag auf Erden hegen.
Susanne kommt mit Claudius und Florens.
Clemens. Da seid ihr. Hört mal, meine lieben Kinder –
Steh grade, Claudius, nicht wie 'n kleines Kind, –
Sieh so – die Beine etwas auswärts. – Recht so!–
Hört meine lieben Kinder! wie ein Vater
Hab' ich für euch bis diesen Tag gesorgt
Und will es thun bis an mein selig Ende. –
– Florens, den Hut kannst du wohl immer abziehn,
Wenn mit dir spricht dein alter Vater. Ja
Ihr seid nunmehr in jenes Alter kommen,
In dem der Mensch sich die Bestimmung wählt:
Es giebt 'ne Zeit im Leben, wo jedweder
Bei sich fühlt, daß er zu Verstande kömmt;
Verstand ist seinen Stand sich wählen, wer
Dazu nicht den Verstand gebraucht, der kann
Wohl sagen, er sei unverständig, denn
Verstand ist mit dem Stand ein einzig Ding,
Im Stand sein Stand zu wählen, ist Verstand.
Claudius. Mein theurer Vater, ich bin zwanzig Jahr,
Ihr habt an mich gar viel gewandt und Lehrer
Und Geld, Ermahnung, Liebe nie gespart,
Schon lang' wollt' ich euch bitten, aus dem Hause
Wo in die Lehre mich zu thun, die Mutter
Fing immer an zu weinen: aber jezt
Bin ich erfreut, die Rede anzuhören,
Denn längst hab' ich die Kinderschuh vertreten.
Clemens. Schau, Sohn, das waren rechte güldne Worte.
Ich hab's bedacht und dein Talent erwogen,
Mit alten Freunden hin und her gesprochen,
Du bist durchaus zum Geldwechsler geboren.
Hört, lieben Kinder, ihr seid glücklich dran,
Daß ihr noch einen Vater habt; so gut
Wurd' mir es nicht, ich war ein junger Bursch
Und hatte meine Eltern schon verloren,
Ein ziemlich Erbtheil war mir zugefallen,
Das halfen schlechte Menschen mir verzehren,
Ich hatte keine Kenntniß von der Welt,
Man lieh mir ab und gab mir niemals wieder,
Der läugnete, der bat um längre Frist,
Den mahnt' ich und eh ich es denken konnte,
Hatt' er, statt mir zu zahlen, mehr geborgt.
Ein Krieg entstand, ich wurde frisch Soldat,
Versuchte mir mein Heil, kam gut davon,
Und dachte drauf, ansässig wo zu werden.
Paris gefiel mir wohl, ich hatte noch
Ein Theil der Erbschaft gut verwahrt und kaufte
Mir Aecker, einen Weinberg, handelte,
Im Kleinen erst und nach und nach im Großen.
Ich spürte Segen, doch gefiel mir nicht
Einsam zu sein, ich sah hier eure Mutter,
Ein hübsches Mädchen, auch vermögentlich,
Kurzum, gefiel drauf eins dem andern und
Wir wurden Mann und Frau. Wir kriegten Kinder,
Drauf ging ich auf die heil'ge Pilgerfahrt,
Jerusalem zu sehn und viele Länder,
Wovon ich euch schon oft erzählt des Abends.
Nun baut' ich drauf das schöne große Haus,
In dem wir jetzund wohnen. Seht, ihr Jungens,
Ich will euch das als Beispiel nur erzählen,
Wie man sich in die Welt muß schicken lernen,
Wie man muß suchen, vor sich was zu bringen,
Ihr sollt euch daran ein Exempel nehmen. –
Nun, Florens, auch mit dir ein kluges Wort!
Nicht wahr, mein Sohn, Rechnen ist nicht dein Fach?
'S ist schwer, die vielen Sorten Geld, das Agio,
Wie viel's in Münze macht, wie viel in Gold,
Wie hoch der Cours steht, das verwirrte Zeug all
Im Kopf beisammen stets zu haben? Nicht?
Florens. Zeitlebens wüßt' ich das nicht klein zu kriegen.
Clemens. Hast Recht, es ist ein knifflich, feines Ding,
Das nicht in alle Köpfe will. Hör' zu!
Was sagst dazu, wenn du ein Schlächter würdest?
Lach nicht, mein Sohn, das ist ein gutes Ding,
Und wenn ich dein' Statur und Wuchs und Bildung
Betrachte, scheint's, dahin will dein Genie.
Dein Buckel ist so recht, die Kälber, Schweine,
Mir nichts dir nichts zu tragen, aufzuhängen:
Ich seh dich mit dem Beil hörst nicht und siehst nicht
Die stärksten Ochsenknochen haun, daß's kracht.
Und dann wird Wurst gemacht, da fällt was ab,
Die besten Bissen hebst du auf, trinkst Wein zu,
Was übrig in der Metzig bleibt, das brätst du,
Gelt, da wird noch ein rechter Kerl aus dir?
Sieh nur die Mezger an, die Knechte, Mägde,
Die Fraun und Herrn, wie roth, wie Milch und Blut,
Wie dick und fett, wie festes Fleisch an allen.
Weißt noch, wie dick Gevatter Cajus war?
Und seine Wittib ist ein rundes Weib,
Da kömmst du hin, mein Söhnchen, in die Lehre,
Lach nicht, nicht bei der Frau, bei der zu lernen,
Gumprecht soll dich abrichten. Aber still!
Wer weiß noch, was es giebt, du bist recht hübsch,
Die Frau ist noch nicht alt, manch Junggesell
Macht sein Glück bei den Wittwen und sie sind
Erfahren in der Ehe, – doch zur Sache, –
Ja, was ich sagen wollte, mein Sohn Florens,
Draus hab' ich ein Paar Ochsen angebunden,
Recht feist und dick, die wiegen ihren Mann,
Die sind für dich, damit geh in den Scharren,
Sag, daß du lernen willst, hau sie zu Stücken,
Fang zu verkaufen an und sei recht flink.
Florens. Mir ist's schon recht, ich nehme meine Ochsen.
Mutter, Ade! Er, Vater, leb Er wohl!
Ist's Feier-Abend, komm ich wieder her. ab.
Claudius. Ich will auch meine Rechnung fertig machen,
Nochmals bedank' ich mich der Sorgfalt, Vater. ab.
Clemens. Nun ist mein Herz ganz frisch und leicht. 'Ne gute
Ehrliche Haut, der Florens, keinen Stolz
Und keine Kniffe. Komm, wir wollen gehn
Und unsern Nachbar Ludwig jezt besuchen.
sie gehn.