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Felicitas. Nikanor.
Nikanor. Hier endigt meine Pflicht, hier ist der Wald,
Zu dessen Saum ich euch geleiten sollte.
Lebt wohl, die ich noch Fürstin nennen muß,
Mein Herz weint Blut, da ich hier Abschied nehme,
Nun sei der Herr des Himmels euch Geleitsmann.
Felicitas. So müßt ihr gehn? Müßt ihr mich hier verlassen
Mit meinen armen Kindern? Könnt ihr nicht
Zu sichern Leuten mich, zu einer Stadt,
Die ferne liegt und unbekannt, mich bringen?
Nikanor. Ein theurer Eid hält meinen Willen fest.
Bundbrüchig wär ich meinem Kaiser, Gott,
Wollt' ich von hier nicht meinen Rückweg nehmen.
Felicitas. O ihr seid alt, das Alter macht euch furchtsam,
Euch will ich gern vergeben, aber denk' ich
Der jungen Ritter, die den Preis gewannen
In vielerlei Turnieren, ihn von mir
Empfingen, meine Schönheit prießen, laut
Verhießen, das Unmögliche zu wagen
Für meine Ehre: – keiner hat gewagt,
Ein lautes Wort zu sprechen.
Nikanor. Sie verstummten
Dem Zeugniß alle, das der Kaiser gab.
Felicitas. Hilf mir zum Pferd, zu meinen Kindern, lebe
Dann wohl; kehr glücklich heim zur Stadt, mit dir
Die fünf erwählten Ritter, die mich schützten;
Bis jezt ist uns kein Unfall aufgestoßen,
Nun geht ihr fort, nun kömmt vielleicht Gefahr.
Grüßt meinen Kaiser, sagt, ich sei ihm treu
Verblieben, lieb ihn stets bis an den Tod,
Einst wird er die Verläumder kennen lernen. ab.
Albert, zwei Knechte.
1. Knecht. Die Pferde, Herr Ritter, sind abgefüttert. Wollt ihr aufsitzen?
Albert. Schlimm Reisen ohne Wirthshaus, wo man einkehren und rasten mag, Vieh und Menschen kommen leicht zu Schaden. Mir graut recht, hier durch den großen Wald zu reiten. Meine Frau wird daheim auch in Sorge sein.
2. Knecht. Ich wollte Gott danken, wenn wir diese Bäume erst hinter uns hätten. Die Einsamkeit, die Hohlwege, das Brüllen der wilden Thiere drinnen macht mir Grausen und Haarsträuben.
Albert. Wir müssen hindurch. Sitzt auf und reitet ihr beiden mir immer eine Strecke voran, so können wir uns besser umschauen.
1. Knecht. Recht so, wenigstens seid ihr etwas sicherer, Herr Ritter.
gehn ab.
Felicitas mit den Kindern.
Mein Pferd laß ich mit freiem Zügel weiden,
Hier ist ein Platz mit schönem grünen Klee,
Goldgelbe Blümlein drunter, und ein Brünnlein
Macht in der Einsamkeit gar lieblich Rauschen.
Hier leg' ich euch, ihr Kinder, in die Blumen,
Ihr lacht sie an, sie lachen wiederum.
Eur rother Mund, der Glanz der lichten Augen
Schaut als die schönste Blumenzier im Grase.
Noch küß' ich eure Lippen, ihr Holdselgen,
Schlaft jezt ein wenig und ich reich euch wieder
Die Brust nachher. – Herr Gott, wie schön ist's hier,
Mir deucht, ich sah noch nie solch lieblich Thal,
Das klare Wasser und der grüne Plan,
Die sanften Hügel und der blaue Himmel,
Der Bäume Flispern und die Einsamkeit,
Sie machen mir mein Herz so froh beklommen.
Wie schön ist Gottes Welt! – So hab ich oft
Geträumt, mir in der Jugend oft gewünscht,
An solchem abgelegnen Platz im Wald
Zu sein, recht plötzlich ohne Menschen, Freunde,
Zu fühlen recht, was Einsamkeit bedeutet,
Die Felsen so zu sehn, wie ich sie schaue.
Wie wunderbar, daß mir es jezt so wird! –
Wo gehst du hin, du liebes, eilend Wasser?
Du thust als hätt'st du Botschaft abzugeben
Dem liebetrunknen Ohr, das deiner wartet,
So fließen, grüßen deine hellen Kreise
In süßer Weise durch die schönen Gleise.
Die Kinder dort – ich bin im Unglück glücklich.
– Welch schönen Frühlingshauch der Baum, an dem
Ich ruhe, von sich giebt aus seinen Blüthen.
Die Schmetterlinge spielen in der Sonne, –
Es thaut ein milder Geist in diesem Dufte
Mit lieber Ruhe auf mich nieder. – sie entschläft.
Der Schlaf steigt vom Baume.
Wieder steig' ich aus dem Wipfel,
Bin ein Knabe, heiße Schlaf,
Oben wohn' ich in den Blüthen,
Düfte sind mein süßes Grab.
Wo die sanften Wellen wandeln,
Steht mein Haus auch neben an,
Bienen wissen, wo ich athme,
Summen leis' im Frühlingsstral.
Wenn der Mensch recht Leiden duldet
Und er fühlt sich ganz verarmt,
Zürnt auf Schicksal, auf sich selber,
Weiß auf Erden keinen Rath,
Komm ich her auf meinem Schifflein,
Mit der stillen, leisen Fahrt,
Er sieht meine blonden Locken,
Schüttl' ich diese, schläft er sanft.
Diese arme, unterdrückte,
Mit den Kindlein auf dem Arm,
Möcht' ich gar zu gerne schützen,
Aber ich bin allzuschwach.
Konnt' ihr weiter nichts mehr helfen,
Aber regen mußte Blatt
Sich mit Welle, mit dem Winde
Alles klagen freundlich: Ach!
Und sie thaten alle willig
Was ich kindlich nur befahl,
Bis die süße Dämmerunge
Sich in das Gemüthe stahl.
Elend ist nunmehr vergessen,
Wie der Othem auf und ab
Steiget, fließen Melodieen
Durch den Sinn mit Zauberklang.
Küssen will ich ihre Augen,
Träume steigen an den Rand
Dieser Quelle, jede Welle
Schmeichelt auf 'ne Liebsgestalt.
Wie die Mutter, so die Kinder,
Beide träumen ebenfalls
Dunkel von den Abendwolken,
Von dem hellen Wasserfall.
Lieben in dem Traum die Mutter,
Die sie wachend nie erkannt,
Denn zuerst im süßen Schlummer
Knüpft sich still das Liebesband. –
Doch was drängt mich? Ich entfliehe,
Welch ein Unthier mich verjagt!
Gutes wollt' ich, es gelingt nicht,
O ihr Armen, daß ihr schlaft! schlüpft zum Baum hinauf
Die Romanze tritt ein.
Als die Mutter schlief im Grase
Dorten bei dem Brünnlein kalt,
Das ein lieblich Rauschen machte
Zwischen Blumen in dem Wald,
Kam indem aus dem Gebüsche
Hergeflohn ein großer Aff,
Der die Mutter an dem Baume,
Sammt den Kindlein schnell ersah.
Reizt' ihn sehr das eine Kindlein
Und ihr lieber süßer Schlaf,
Daß er ein Gelüst empfand,
Und das eine Kindlein stahl.
Er erwischt' es ganz behende,
Lief zum Walde mit, so lang,
Bis er kam durch das Gesträuche
Hin zu einem grünen Platz.
Dort setzt' sich der Affe nieder,
Wollte sehn das Kindlein nackt,
Und entband es von den Tüchern,
Legt' es auf die Erde sacht.
Wie es ihm denn nun gelungen
Und es nackend vor ihm lag,
Saß er vor dem Kinde schmollend,
Bleckte gegen ihn den Zahn,
Wollte wie die Mutter lachen,
Meinte, lachen sollt' der Knab',
Doch der fing an laut zu schreien,
Daß es tönte durch den Wald.
Sanft war noch die Frau im Schlummer,
Durch den Wald ein Löwe kam,
Sah das zweite Kindlein liegen,
Es sogleich in Rachen nahm.
Doch die Löwin hatt' den Kleinen
Eben nur noch angefaßt,
Als die Kaiserin ermuntert
Von dem tiefen Schlaf erwacht.
Und sie sah mit ihren Augen
Wie der Leo groß und stark
Trug das Kind in seinem Maule
Und damit von dannen sprang.
Meinte, daß von ihm der Zwilling
Schon zuvor zerrissen war,
Rief im Jammer: ach, was hast du,
Bittres Schicksal, mir gethan?
Das war mir noch aufbehalten,
Nun beginnt erst meine Quaal!
Schwur bei Gott im hohen Muthe
An der Löwin mindstens Rach
Sich zu nehmen, gab dem Pferde
Zaum und Zügel, oben saß
Schnell die unglücksel'ge Fürstin,
Ritt der Löwin nach, so stark
Nur vermocht' das Roß zu laufen,
Aber nimmer sie erlangt.
Denn im Walde mit der Beute
Ihr der Leo bald entschwand,
Und sie mußt' in Dorn und Sträuchern
Wider Willen machen Halt.
Doch der Löwin bald gereute
Was ihr Muthwill' erst gethan,
Denn aus Lüften fiel ein Greif ihr
Auf den Nacken steil herab.
Wie ein Blitz schoß er hernieder,
Und erhaschte mit Gewalt
Kräftig Löwin samt dem Kinde,
Führt sie durch die Luft alsbald.
Leo konnte sich nicht regen,
Herbe Schmerzen der empfand,
Immer schwang Greif sein Gefieder,
Flog hin über See und Land,
Flog mit seinen Riesenschwingen
Ueber Berg, Wald, Fels und Thal,
Fern hinweg zu einer Insel,
Die im großen Meere lag.
Einsam war und wild die Insel,
Unbewohnt und ohne Gras,
Rund umflossen von dem Wasser,
Und ein Felsen ganz und gar.
Hier ließ sich der Greif nun nieder
Als er sich herunter schwang,
Denn er hatte hier sein Wohnhaus,
Setzte ab die Löwin bang.
Diese stieß im grimmen Zorne
Auf den Greifen also hart,
Daß sie ihm mit ihren Zähnen
Gleich entzwei den Schenkel brach.
Nieder fiel der Greif zur Erde,
Weil der Schmerz ihn überwand,
Wehrte sich auf's allerbeste
Wohl mit manchem harten Schlag,
Mit den Flügeln, mit den Klauen,
Mit dem grausam wilden Zahn,
Aber nichts vermocht' er, wüthig
Machte ihn die Löwin zahm.
Nicht mehr regte sich der Greife,
Elend ward er umgebracht,
Leo nahm ihn drauf zur Speise
Und dem Kind geschah kein Harm.
Als die Löwin satt gespeiset,
Sie zum Kindlein nieder lag,
Wie sie wohl daheim zu Hause
Mit den jungen Löwen pflag.
Und das Kind, die Milch erspürend,
Wie der Löwin es so nah,
Saugte wie an Mutterbrüsten,
Gott erhielt es wunderbar.
Als die Löwin ihn genähret,
Grub sie in den Boden hart
Mit den spitzgen Klauen mächtig
Eine Grub' in Steineswand,
Legte sich im Schatten nieder
Und das Kindlein zu sich nahm.
Ließ es saugen, macht' ihm Bette,
Von der Mähne wundersam,
War sie hungrig, aß sie selber
Von dem Greifen, der dort lag.
Wie wird nun die Mutter klagen
In dem einsam wilden Wald,
Daß ihr Schreien durch die Zweige,
Durch die Felsen widerschallt? –
Jezo geht das Schauspiel weiter,
Ich, Romanze, trete ab;
Duldet gütig, laßt den Geistern,
Wie sie mögen, frei Gewalt.
Hin und wieder gehn die Scenen,
Dann ergreifet sie die Hand,
Und man sieht, was schien zu trennen,
Ist es, was es alles band. – ab.
Zwei Knechte.
1. Knecht. Wir haben hier schon eine Weil' gehalten, und er kommt immer noch nicht.
2. Knecht. Ich weiß nicht, wo er bleibt. Ich hätte fast Lust, wieder umzukehren.
1. Knecht. Da ist er!
2. Knecht. Was trägt er in seinen Armen?
Albert kommt mit dem einen Kinde.
1. Knecht. Wir waren euretwegen in Sorgen, Herr Ritter, und nun kommt ihr mit einem nackten Knäblein zurück.
Albert. Schaut einmal, Leute, den schönsten Buben, den
ich noch in meinem Leben bin gewahr geworden, wie eine Rose. Den will ich meiner Hausfrauen mitnehmen, damit wir ihn in aller Zucht und Ehrbarkeit als einen Christen auferziehn.
1. Knecht. Wie seid ihr denn in dem wilden Walde an das Kind kommen?
Albert. Gar wunderlich. Ich ritt euch hintennach
Und ging mein Auge stets nach allen Seiten,
Die wilden Thiere oder Räuber fürchtend.
So schau' ich was im Grase in Bewegung.
Und wie ich näher reit, ist es ein Affe,
Der grinzend vor dem nackten Kinde sitzt,
Es anbleckt, sann als wenn er lachen thäte,
Hub bald ein Tappen auf und bald den andern
Und streichelt mit des Kinds Gesicht, das schrie
Und weinte laut, wollt' nicht den Affen sehn.
Wie ich nun sah, daß mit dem Kindlein so
Die Bestie umging, dacht' ich drauf, wie ich
Das Kind von ihm erlösen möcht', sprengt' mit
Dem Pferde schnell hinzu und schriee laut:
He, Meister Aff! das Kind laß liegen, was
Hast mit dem Kinde vor? Wie mich der Aff
Ersah, ließ er alsbald vom Kind, sprang grausam
An mich hinauf und hätt' mich fast herab
Vom Pferd gezerrt, riß mir ein großes Stück
Aus meinem Rock. Da dacht' ich: soll ein Aff,
Wenn noch so groß, dir solchen Possen spielen?
Nahm drauf mein Schwerdt, und that so guten Streich,
Daß ich ihm hieb den rechten Arm vom Leib.
Wie sich mein Aff nun seines Arms beraubt
Empfand und schadhaft, sprang er wüthend grimmig
Wohl zehen Schuh hoch wie ein tolles Thier,
Indem schlug auch mein Pferd von hinten aus
So ungestüm, daß mir der Sinn verging,
Doch traf's zum Glück den Affen an die Lenden,
Daß er gleich niederfiel. Da stieg ich ab,
Hieb schnell den Kopf dem Affen ab, und nahm
Das Kind und wickelt' es in meinen Mantel,
Erfreut ob seiner Schöne, saß zu Pferd
Und kam zu euch, und so hat's sich begeben.
1. Knecht. Aeußerst wunderbar. Gut, daß ihr nur mit einem Affen und nicht mit Räubern und Mördern zu thun gehabt.
2. Knecht. Horch! es pfeift im Walde.
Albert. Wenn man vom Wolf spricht, pflegt er nicht weit zu sein. Haltet euch gefaßt.
Robert, Malchus, Pontinus, Abraham, andre Räuber.
Robert. Holla he! ihr da! Wer seid ihr?
Albert. Und wer seid ihr, daß ihr uns so fragen und so anfahren dürft?
Robert. Das wollen wir dir bald zeigen, alter Gimpel. Gieb her, was du an Geld bei dir hast, oder dein Leben ist verloren.
Albert. Ob mein Leben verloren ist, weiß nur Gott. Geld habe ich keins bei mir, am wenigsten aber, um es Spitzbuben zu geben.
Malchus. Stopf ihm das Maul, Robert.
Robert. Gieb das Kind her, alter Schelm, das schöne Kind, das du gewiß einem Biedermann gestohlen hast.
Albert. Nein, ihr Bösewichter, haltet Ruhe, so will ich euch erzählen, wie ich das Kind von einem Affen erbeutet.
Malchus. So wollen wir es vom zweiten erbeuten.
Albert. Ihr Ehrenschänder, ihr Verräther! Ich setze mich gegen euch alle zur Wehr. Helft, helft ihr meine getreuen Knechte, schlagt in Gottes Namen drunter, daß die Stücken davon fliegen. Gefecht.
1. Knecht. Laßt ab, Herr, sie sind zu gewaltig.
Albert. Ei, was wollten Spitzbuben zu gewaltig sein. Schlagt sie bis sie genug haben.
Robert. Du Bösewicht! Seht Leute, da hat er unserm Malchus den Kopf herunter gehauen. Nehmt ihm das Kind, solche Kerle stehlen Kinder den Fürsten weg, um sie nachher wieder theuer zu verkaufen; denn wo sollte er sonst das schöne Kind her haben?
Albert. Schweigt vom Stehlen, Lümmel! Ich hab' es im ehrlichen Kampf einem Affen abgewonnen. – Ihr Knechte, ihr nützt mir nichts, haltet mir den Rücken frei, schlagt mit beßrer Gewalt. – Nein, die Spitzbuben sind mir zu mächtig. Da, liege, Kind, in Gottes Namen, ich kann dich nicht länger beschützen. ab mit den Knechten.
Pontinus. Da steigen sie auf ihre Pferde, die Bestien. Sollen wir ihnen nach?
Robert. Laßt sie ins Teufels Namen gehn. Das Kind ist unser.
Pontinus. So haben wir den Malchus verloren, einen ganzen Kerl, und ich bin blessirt.
Robert. Einmal müssen wir alle dran. Was machen wir mit dem Kinde? Es ist ein gar schöner Bube.
Pontinus. Wir müssen würfeln, wer's beste trifft, der hat ihn. – Drei. Ich muß immer von Unglück sagen, und die Wunde oben ein.
Abraham. Ich habs nicht.
Ein andrer. Zwölfe, weiter.
Robert. Alle sechs. Er ist mein. Aber was mach ich mit dem Kinde? Kommt ihrer etliche mit mir an den Strand des Meeres, da findet sich mancher Kaufmann, der nach allerhand Waaren sucht, vielleicht kann ich dort das Kind um einen guten Preis los werden. Ihr übrigen, an eure Plätze. Alle ab.
Der Schlaf. Wie so traurig ist die Arme,
Die die Kinder hat verloren,
Sie durchstreift die ganze Waldung,
Wünscht, sie wäre nie geboren.
Dachte alles gut zu machen,
Habe alles gar verdorben,
Könnt' ich doch etwas ersinnen,
Ihr zur Hülfe, ihr zum Troste.
Muß das Vieh der Wildniß, Affen,
Löwen zu den Kindern kommen?
Sie wünscht sich anjezt zu sterben
Mit dem allerliebsten Sohne.
Schon hör' ich den Ton von weitem,
Ja, ich halte mich verborgen,
Schlaf darf nicht hernieder sinken,
Als ein Echo sag' ich Worte. verbirgt sich in den Felsen.
Felicitas tritt ein.
Geh mein Roß auf grüner Weide.
– Leide.
Ach, was bleibt mir nun noch offen?
– Hoffen.
Sagt ihr mir ein Wort, ihr Winde?
– Finde!
Ach, wie tönt es so gelinde
Durch die Waldung, durch die Düfte,
Freundlich sagen mir die Lüfte:
Leide, hoffe, endlich finde! –
Immer ist mein Kind entschwunden.
– Gefunden.
Löwe hat ihm Tod gegeben.
– Leben.
Glaub' ich, daß es wiederkehre?
– Im Meere.
Lieblich trösten will der leere
Nachhall: soll ich Hoffnung fassen?
Ist das Leben ihm gelassen?
Finden soll ich es im Meere? –
Nein, beständig ist dies Wehe.
– Gehe!
Was, o was beginn' ich, sage!
– Wage!
Mich verdarb des Schlafes Tücke.
– Geschicke.
Er zerriß mein schönes Glücke,
Gehe! Wage! ruft der Schall,
Ach, du schwacher Widerhall,
Wie bezwing' ich das Geschicke?
Ja, des verrätherischen Schlafes Tücke
Hat alles, was mein Leben, mir entzogen,
Den andern Menschen zeigt er sich gewogen,
Mir tödtete der Falsche Lieb' und Glücke.
Die Bosheit nutzt des Schlummers Augenblicke,
Und hat mit Blendwerk den Gemal betrogen,
Mir ward sein Haß: an meinen Brüsten sogen
Dem Herzen nah, noch meines Herzens Stücke.
Da kam der Schlaf, betäubte meine Sinnen,
Ich sah ein Kind, das meinen Kindern lachte,
Ein goldnes Haar floß lockigt ihm vom Haupte:
Doch als ich auf vom bösen Schlummer wachte,
Sah ich das Unthier, das mein Kindlein raubte,
Ein Löw, gelbmähnicht, floh damit von hinnen.
Echo. – Sollst wieder es gewinnen. –
Nein, mich soll nicht die Zauberstimme binden,
Ich gehe, Kinder oder Tod zu finden. geht.
Robert mit dem Kinde. Pontinus, Abraham.
Abraham. So hatte der alte Ritter doch die Wahrheit gesprochen, denn wir haben den Affen todt im Walde gefunden, von dem er das Kind erlöst hatte.
Robert. Seht ihr nichts auf der See?
Pontinus. Dort rudert vom Schiff ein Boot mit Leuten heran.
Robert. Mir wird auch das Kind zur Last auf die Länge, bin an dergleichen nicht gewöhnt. – Ja, es steigen Leut' an das Land. Vielleicht, daß ich einen guten Handel treffe.
Abraham. Mit Kindern ist immer ein mißlicher Verkehr, die Waare hat nie einen bestimmten Preis, dazu ist diese Creatur so klein; ja wär' er erzogen und erwachsen, so wär' er eine gute Beute gewesen.
Robert. Du bist immer klug hintennach. Wär' er, ja freilich, wär' er! Halt dein Maul und bekümmre dich um deine Sachen.
Kaufleute, Pilger treten auf, unter diesen Clemens.
Clemens. Gott Lob, daß ich wieder Land unter mir fühle! Mir ist noch schwindlich zu Sinne, von dem Wiegen und Wogen, und hinauf und hinunter, Tag und Nacht; nein, auf dem Meere zu leben wäre nicht meine Sache.
1. Kaufmann. Wir, Herr Clemens, sind des Dinges mehr gewohnt, das ficht uns nicht an.
Clemens. Euer Gewerbe, meine werthen Herrn, bringt dergleichen mit sich, ein Kaufherr muß sich immer zur See und zu Lande umtreiben. Ich denke aber, keine Pilgerfahrt wieder zu unternehmen.
2. Kaufmann. Ihr habt mit einem male eurem Gewissen Genüge gethan.
3. Kaufmann. Heute seh ich niemand an der Küste, der etwas zum Verkauf ausböte.
Robert. Edle Kaufherrn, seht das wunderschöne Kind, das ich habe. Ist es euch anständig, es zu kaufen?
1. Kaufmann. Zeigt uns doch her. Wahrlich, ein schöner Knabe, edel gewachsen, der gewiß nach seiner Bildung aus keinem geringen Hause sein muß. Ich fürchte nur, aufrichtig zu sprechen, ihr habt, wie es wohl zu geschehen pflegt, das Kind aus dem Hause eines ehrlichen Mannes entwendet.
Robert. Nein, mein werther Herr, wir haben es von einem Ritter bekommen, der es drinn im einsamen Walde einem wilden Affen abgejagt hat.
1. Kaufmann. Das Kind ist schön. Was begehrt ihr denn dafür?
Robert. Ihr seht gewiß kein anmuthigers Kind und darum ist vierzig Kronen kein zu hoher Preis dafür.
1. Kaufmann. O geht, ihr seid nicht gescheidt, bedenkt die Mühe und die Kosten der Auferziehung, daß das Kind noch vieler Pflege bedarf. Der erste Kauf ist immer der beste, nehmt zehn Kronen und wir sind eins.
Robert. Mein Herr, dafür müßte ich das Kind gestohlen haben, das ist ja gar kein Gebot. Dann sollte mich nur meine Mühe dauern, daß ich es so weit getragen habe.
Clemens. Was man auf Reisen erlebt! Schaut doch, ein Kind wie die Sonne, im wilden Walde gefunden! Augen, und ein Angesicht, daß einem das Herz im Leibe lacht! Hab' ich doch mein Lebtstage nicht so schöne Lippen gesehn, und Augen wie die himmlischen Sterne. Ei, du Allerweltsjunge, bist vom Himmel herunter gefallen? Gelt, Schlingel, bist ein klein Englein? Lachst du, Schurk? Ja, lach nur, das steht dir am allerbesten, das weißt du wohl. Hab' auch so ein Kerlein daheim, bei meiner Frauen. Ihr würdet ein paar allerliebste Spielgesellen sein. – Sagt, mein Freund, kurz und gut, das Kind hat mir mein Herz gestohlen, wollt ihr dreißig Kronen?
Robert. Topp, da nehmt's hin. Gebt mir das Geld.
Clemens zählt. Da habt ihr. Gott befohlen!
Robert. Viel Glücks damit. Lebt wohl, kommt gesund nach Hause. geht mit Pontinus und Abraham ab.
1. Kaufmann. Ei, Herr Clemens, wahrlich man sieht es, daß ihr reich und großmüthig seid. Das muß gute Waare sein, die so wenig ist und die man so theuer bezahlt.
2. Kaufmann. Bequemlichkeit, Herr Balthasar, wird niemals zu theuer erkauft. Der Herr Clemens will sich die Mühe sparen, selber noch Kinder zu zeugen, darum kauft er sie unterwegs für sein baares Geld ein und schenkt sie seiner Frau.
Clemens. Spottet nur, spottet nur, werthe Herrn. Hab' ich doch so das schönste Knäblein auf Gottes Erdboden aus den Händen wilder Leute erlöst, und ich achte drum, weil es so holdselig ist, die Summe noch für zu geringe.
1. Kaufmann. Es ist die Frage, ob eure Frau auch so denken wird.
2. Kaufmann. Sie muß sich doch trösten, denn was man nicht umsonst haben kann, muß man kaufen. Nun, lebt wohl, wir müssen wieder in unser Schiff.
3. Kaufmann. Viel Glück auf die Reise. die Kaufleute ab.
Clemens. Lieber Herr, helft mir doch ein wenig, das Kind in das Tüchlein zu schlagen, denn so nackend mag ich's nicht fortbringen.
1. Pilger. So, Herr Clemens, seht, nun ist es eingebunden, tragt es nun so am Halse, das wird die beste Art sein.
Clemens. Schönen Dank. Ihr zieht nicht meine Straßen?
1. Pilger. Nein, ich geh hinab nach Rom.
2. Pilger. Ich noch tiefer, nach Neapel. Lebt wohl.
Clemens. Ich dank euch, und wünsch' euch glückliche Heimkunft.
die Pilger ab.
Clemens allein.
Ich bin führwahr ein närrscher alter Mann;
Weiß selbst nicht, wie ich bin zum Kind gekommen,
Da hab' ich's nun, und muß es mit mir schleppen.
Je, schaut es doch so hold, so freundlich drein,
Da, laß' dich küssen Bub'! Komm her, ich will
Dein Näschen sauber machen. So. Das Köpfchen
Kuckt wie ein runder Apfel aus dem Tuch.
Wie die Leut' mich werden anschaun. Nun, was schadt's?
Was gehn mich denn die Leut' an? Aber sauer
Wird mir mein Gang, das Kind ist rund und schwer.
Wie nur die Blitzkröt mir mein Herz so stahl,
Daß ich nicht lassen konnt' darauf zu bieten!
Und was für Augen meine Frau wird machen,
Mein kleiner Jung, der Claudius! O, der ist
So schön wie dieser. Hui! das wird ein Paar,
Wenn die zusammen spielen ist's wie Engel.
Zwar solche Augen hat der Claude nicht;
Potztausend, wie zwei Sterne gehn sie vor mir.
O glücklichs Kind, jedweder muß dich lieben.
Ich will dich fromm erziehn zu einem Christen:
Hat Gott vielleicht das Claudchen heimgenommen,
So sollst du erben Haus und Hof und alles,
Denn mehr der Kinder werd' ich wohl nicht kriegen.
Ja, kleines Herz, du sollst mein Söhnchen werden,
Und ich will dir ein lieber Vater sein.
Hast du verloren Vater schon und Mutter?
Du bist mein Kind, mein lieber Schatz. – Ich muß
Mich auf die Reise machen. – Er ist schwer,
Das Gehen wird mir sauer. Nun, man hat
Doch ohne Mühe nichts in dieser Welt. geht.
Felicitas kommt.
Da ist das große Meer. Wie unermeßlich!
Wie brennt der Himmel in den Wasserwogen,
Wie treiben Wolken durch den weiten Spiegel.
Nun fühl' ich erst mein einsam Elend. Kommt
Kein Mensch zu helfen mir, zu rathen? –
Wie bin ich durch die Wälder hingejagt,
Gewandert dann zu Fuß, als müd' das Pferd,
Gerufen und geklagt, mein Haar gerauft?
Ich konnte nichts als nur mich selber strafen. –
Ich höre Stimmen, –
Es kommen Leute, dort seh ich ein Schiff;
O gütger Himmel, laß es Christen sein!
Schiffshauptmann, Adam, Pilger.
Schiffshauptmann. Der Wind macht sich auf, er ist uns günstig, wir müssen die Zeit nicht versäumen.
Adam. Je früher wir hinüber kommen, je besser.
Felicitas. Ich sehe Männer in der Pilgrimstracht,
Es müssen Christen sein. –
Adam. Welch Frauenbild
Kömmt auf uns zu mit schmerzlicher Gebehrde?
Felicitas. O lieben Leute, wenn ihr glaubt an Gott,
An seinen eingebornen Sohn, die Mutter
Maria, o so laßt euch mein erbarmen.
Ich unglückselge Frau bin hier verirrt,
Von Leiden sehr gebeugt, von jedermann
Verlassen, ausgestoßen in die Wildniß,
Doch widerfuhr mir das um keines Lasters,
So wahr ein Gott im hohen Himmel lebt.
O helft mir doch und weist mich nicht zurück,
Mir blieb kein ander Glück, kein ander Heil
Als nur dies arme Leben, das ich nicht
Verzweifelnd in der Einöd' enden möchte,
Die Seele mit dem Leib nicht zu verderben.
O nehmt mich auf in euer Schiff und führt
Mich fern hinweg zu weit entlegnen Küsten,
Dort will ich gern in Thränen und in Jammer
In heiligen Gebeten still verscheiden.
Schiffshauptmann.
So kommt mit uns, wir sind nicht wilde Heiden,
Drum braucht es der Beschwörung nicht, steigt ein
Und gerne soll geschehn, was wir vermögen.
Felicitas. Nach welchem Lande geht ihr unter Segel?
Adam. Nach Palästina, um das heilge Grab
Zu sehn, die theure Stätte zu besuchen.
Felicitas. Ich bin in Freuden dieses Wort zu hören,
Und nehm' es an für schöne Vorbedeutung.
Seit Jahren ging dahin Gelübd' und Wunsch,
Und hat der Himmel mich vielleicht gestraft,
Weil ich die heilge Pilgerfahrt versäumt.
Auch sollst du, Hauptmann, nichts bei mir verlieren,
Ich zahle deinen Dienst dir reich mit Gold.
Schiffshauptmann.
Kommt jezo, gnädge Frau.
Felicitas. Doch seid so gut
Und schafft mein Pferd, das dort am Baume steht,
Mit mir in euer Schiff, es dient nachher
Mir auf der Reis'.
Schiffshauptmann. Gleich sollen Knechte helfen.
sie gehen.