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19. Kapitel.

Und nun kommen wir zum letzten Auftritt unseres Märchenspiels.

 

Die vielen Wechselfälle ihres Lebens hatten der Prinzessin Rosalba erstaunliche Seelenstärke verliehen, und das hochherzige Mädchen erholte sich bald von ihrer Ohnmacht, aus der die Fee Schwarzstabel sie vermittels einer kostbaren Essenz, welche sie immer bei sich trug, erweckt hatte. Statt sich nun das Haar zu raufen, in Tränen und Wehklagen auszubrechen und aufs neue ohnmächtig zu werden, wie es manche junge Dame an ihrer Stelle getan hätte, dachte Rosalba daran, daß es ihre Pflicht sei, ihren Untertanen ein Vorbild der Standhaftigkeit zu sein; und obgleich sie Giglio mehr liebte als ihr Leben, war sie doch fest entschlossen, sich nicht hemmend zwischen ihn und die Gerechtigkeit zu stellen oder ihn zu veranlassen, sein königliches Wort zu brechen.

»Ich kann ihn nicht heiraten, aber ich werde ihn immer lieben,« sprach sie zu der Fee Schwarzstabel; »ich will hingehen und seiner Trauung mit der Gräfin beiwohnen und ihnen von ganzem Herzen Gluck wünschen. Ich will sehen, wenn ich heimkomme, ob ich nicht der neuen Königin ein paar hübsche Geschenke machen kann. Die krimtatarischen Krondiamanten sind außergewöhnlich kostbar, und ich werde niemals davon Gebrauch machen können; ich will unvermählt leben und sterben, wie die Königin Elisabeth, und natürlich werde ich meine Krone Giglio hinterlassen, wenn ich von dieser Welt scheide. Gehen wir jetzt, ihrer Trauung beizuwohnen, meine liebe Fee, laß mich ihm ein letztes Lebewohl sagen; und dann möchte ich in mein eigenes Reich zurückkehren.«

Darauf küßte die Fee Rosalba mit besonderer Zärtlichkeit und verwandelte sogleich ihren Zauberstab in eine sehr bequeme vierspännige Kutsche mit einem zuverlässigen Kutscher und zwei tadellosen Lakaien hinten drauf, und als die Fee und Rosalba ihre Plätze darin eingenommen hatten, stiegen auch noch Angelika und Bulbo zu ihnen ein.

Der ehrliche Bulbo war ganz überwältigt von Rosalbas Unglück und schluchzte auf die gefühlvollste Weise. Sie war gerührt von der Teilnahme des braven Burschen; sie versprach, ihn wieder mit den eingezogenen Besitzungen seines Vaters, des Herzogs Padella, zu belehnen und ernannte ihn, so wie er da in der Kutsche saß, zum Großfürsten, Prinzen und ersten Magnaten des krimtatarischen Reiches.

Die Kutsche rollte dahin, und da es eine Zauberkutsche war, so holte sie den Brautzug bald ein.

Wie in anderen Ländern, so war es auch in Paphlagonien Sitte, daß der Bräutigam und die Braut vor der heiligen Handlung in der Kirche den Ehevertrag unterschrieben, wobei der Kanzler, der Minister, der Bürgermeister und die ersten Kronbeamten als Zeugen ebenfalls unterzeichneten.

Da nun aber der königliche Palast gerade neu angestrichen und eingerichtet wurde, war er nicht bereit für den Empfang des Königs und seiner Braut, die deshalb fürs erste das kronprinzliche Schloß beziehen sollten, dasselbe, welches Valoroso zur Zeit von Angelikas Geburt bewohnte, als er sich den Thron noch nicht angeeignet hatte.

Also fuhr die Hochzeitsgesellschaft am Schlosse vor: die Würdenträger stiegen aus ihren Wagen und bildeten zu beiden Seiten Spalier; die arme Rosalba entstieg, von Bulbo gestützt, ihrer Kutsche und stand halb ohnmächtig gegen das Geländer gelehnt, um einen letzten Blick auf ihren lieben Giglio zu werfen.

Schwarzstabel aber war auf unerforschliche Weise zum Kutschenfenster hinausgeflogen und stand jetzt an der Türe des Schlosses.

Giglio stieg mit seiner gräulichen Braut am Arme die Stufen hinan, so bleich, als ob es zur Hinrichtung ginge. Er blickte die Fee finster an – er war böse auf sie und glaubte, sie sei nur gekommen, ihn in seinem Elend zu verhöhnen.

»Geht aus dem Wege, Ihr da!« sagte die Schnauzibautz in hochmütigem Tone. »Ich möchte nur wissen, warum Ihr Eure Nase immer in anderer Leute Angelegenheiten stecken müßt?«

»Bist du entschlossen, diesen armen jungen Mann unglücklich zu machen?« fragte Schwarzstabel.

»Ihn zu heiraten? Jawohl! Was geht das Euch an? Bitte, Madam, nenn' Sie eine Königin nicht du!« schrie die Schnauzibautz.

»Du willst das Geld, das er dir angeboten hat, nicht annehmen?«

»Nein.«

»Du willst ihn nicht von seinem Vertrag lossprechen, obwohl du weißt, daß du ihn betrogen hast, als du ihn das Schriftstück unterzeichnen ließest?«

»Unverschämt! Schutzleute, schafft das Weib da weg!« zeterte die Schnauzibautz. Und die Polizeidiener wollten auf Schwarzstabel losstürzen, aber mit einem Winke ihres Zauberstabes bannte die Fee alle an ihrem Platze fest, als ob sie lauter Statuen wären.

»Du willst keinerlei Vergütung für deinen Schein annehmen, Frau Schnauzibautz?« rief die Fee mit fürchterlichem Ernst. »Ich spreche zum letzten Male.«

»Nein!« kreischte die Schnauzibautz, mit dem Fuße stampfend. »Ich will meinen Mann, meinen Mann, meinen Mann!«

»Du sollst deinen Mann haben!« rief die Fee Schwarzstabel und legte, einen Schritt vortretend, ihre Hand auf die Nase des – Türklopfers.

Unter ihrer Berührung schien sich die Messingnase zu verlängern, der offene Mund öffnete sich noch weiter und stieß ein Gebrüll aus, bei dem alle Anwesenden zusammenfuhren. Schauerlich rollten seine Augen, seine Arme und Beine streckten sich unter krampfhaften Zuckungen und schienen mit jedem Ruck länger zu werden; der Klopfer schwoll an zu einer sechs Fuß langen Gestalt in gelber Livree; die Schrauben, mit denen sie an der Türe befestigt war, lösten sich, und Anton Schnauzibautz stand wiederum auf der Schwelle, von welcher er vor mehr als zwanzig Jahren emporgehoben worden war!

»Der gnä' Herr ist net z' Haus!« sagte Anton mit ganz derselben Stimme wie vor alters; Frau Schnauzibautz aber fiel mit einem röchelnden: »Juhp!« ohnmächtig zu Boden. Doch niemand kümmerte sich um sie, denn alles jauchzte: »Vivat hoch!« »Hip, hip, hurrah!« »Lang lebe unser Königspaar!« »Nein, ist das alles wunderbar!« »So was kann's nimmermehr geben!« »Schwarzstabel, die Fee, soll leben!«

Alle Glocken läuteten, die Kanonen dröhnten und donnerten, es war ein ungeheurer Freudenlärm!

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Madam Schnauzibautz findet einen Mann.

Bulbo fiel aller Welt um den Hals; der Reichskanzler warf seine Perücke in die Luft und jauchzte wie ein Wahnsinniger; Kopfabski hatte den Erzbischof um den Leib gefaßt, und sie tanzten vor Freuden einen Hopser miteinander; und was Giglio angeht, so mögt ihr euch selber vorstellen, was er tat; mochte er seine Rosalba immerhin einmal-, zweimal-, ja, zwanzigtausendmal küssen – ich glaube ganz gewiß, man kann's ihm nicht verargen!

Anton Schnauzibautz aber öffnete die Haustüre mit einer tiefen Verbeugung, gerade wie er es früher immer getan hatte; und sie gingen alle hinein und trugen ihre Namen ins Eheregister ein, und dann gingen sie in die Kirche und wurden getraut, und die Fee Schwarzstabel flog auf ihrem Stock davon, und seither hat man nie mehr etwas von ihr gehört in Paphlagonien.

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