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18. Kapitel.

Wie sie alle nach der Hauptstadt zurückritten.

 

Die Fee Schwarzstabel, durch deren Vermittlung das junge fürstliche Paar wieder zur Herrschaft gelangt war, pflegte ihnen häufig einen kleinen Besuch abzustatten, während sie in ihrem Triumphzuge der Hauptstadt Giglios zuritten; sie verwandelte ihren Zauberstab in ein Pony und trabte an der Seite Ihrer Majestäten, denen sie die besten Ratschläge erteilte. Ich bin nicht sicher, ob König Giglio die Fee und ihren guten Rat im Grunde nicht für eine rechte Plage hielt, da er sich einbildete, seine eigne Tapferkeit und Vortrefflichkeit hätten ihm zum Throne verholfen und Padella besiegt; kurz, ich fürchte, er benahm sich ein wenig hochfahrend gegen seine beste Freundin und Beschützerin. Sie ermahnte ihn eindringlich, seine Untertanen gerecht zu behandeln, nur milde Steuern zu erheben, sein einmal gegebenes Wort nie zu brechen und in jeder Hinsicht ein guter König zu sein.

»Ein guter König, meine liebe Fee!« rief Rosalba. »Natürlich wird er das sein. Sein Wort brechen! Könnt Ihr Euch vorstellen, daß mein Giglio jemals etwas so Ungehöriges tun wird, was ihm so gar nicht ähnlich sieht? Nein, nimmermehr!« Und sie blickte zärtlich zu Giglio hinüber, den sie für den Ausbund aller Vollendung hielt.

»Was hat mich denn die Fee Schwarzstabel in einem fort zu ermahnen, und mir vorzuschreiben, wie ich regieren soll, und mich zu warnen, daß ich mein Wort nicht breche? Meint sie denn, ich habe keinen Verstand im Kopf und keine Ehre im Leibe?« fragte Giglio gereizt. »Mir scheint, sie verläßt sich etwas zu sehr auf ihre Stellung.«

»Still, lieber Giglio!« sagte Rosalba. »Du weißt, Schwarzstabel ist sehr gut gegen uns gewesen, und wir dürfen sie nicht beleidigen!« Allein die Fee hörte nicht auf Giglios mürrische Bemerkungen; sie war zurückgeblieben und trabte nun auf ihrem Pony neben unserem Freund Bulbo her, der auf einem Esel ritt und sich in der Armee allgemein beliebt machte, weil er mit jedermann freundlich, heiter und gutmütig war. Er brannte vor Sehnsucht, seine Herzensangelika wiederzusehen; so ein reizendes Wesen gäbe es nimmer, glaubte er. Schwarzstabel sagte ihm nicht, daß es der Besitz der Zauberrose war, die Angelika in seinen Augen so liebenswürdig machte. Sie brachte ihm die allerbesten Nachrichten von seiner kleinen Frau – die sich durch Unglück und Demütigungen auch wirklich außerordentlich gebessert hatte –, denn die Fee konnte eben auf ihrem Zauberstabe in einer Minute hundert Meilen weit wegsausen und im Augenblick wieder zurück sein, und auf diese Weise konnte sie freundliche Botschaften von Bulbo zu Angelika tragen und von Angelika zu Bulbo, wodurch sie den jungen Mann auf seiner Reise hoch erfreute.

Als die königliche Gesellschaft die letzte Station vor Blombodinga erreichte, wer erwartete sie da in ihrer Kutsche, umgeben von ihren Hofdamen? Niemand anders als die Prinzessin Angelika! Sie flog in die Arme ihres Gemahls und nahm sich kaum Zeit, im Vorbeieilen dem König und der Königin einen flüchtigen Knix zu machen. Sie hatte nur Augen für Bulbo, der ihr ganz bezaubernd vorkam wegen des Zauberringes an seinem Finger; und sie selber, die die Zauberrose an ihrem Hute trug, erschien dem entzückten Bulbo in vollkommener Lieblichkeit.

Es wurde für die königliche Gesellschaft ein auserlesenes Gabelfrühstück aufgetragen, an dem der Reichskanzler, Herzog Kopfabski, Gräfin Schnauzibautz und alle unsere Freunde teilnahmen; die Fee Schwarzstabel saß zur Linken König Giglios, neben ihr Prinz Bulbo und Prinzessin Angelika.

Man konnte das helle Freudengeläute hören, das die Hauptstadt erfüllte, und das Krachen der Geschütze, welche die Einwohner Ihren Majestäten zu Ehren abfeuerten.

»Was kann nur die scheußliche alte Schnauzibautz bewogen haben, sich auf solch abgeschmackte Weise aufzuputzen? Hast du sie aufgefordert, deine Brautjungfer zu sein, mein Liebchen?« sagte Giglio zu Rosalba. »Nein, wie komisch sieht doch die Schnauzi aus!«

Die Schnauzi saß Ihren Majestäten gegenüber, zwischen dem Erzbischof und dem Reichskanzler, und komisch genug sah sie allerdings aus, denn sie hatte ein tief ausgeschnittenes weißseidenes Kleid mit einem Spitzenüberwurf an, einen Kranz von weißen Rosen auf ihrer Perücke und einen kostbaren Spitzenschleier, und ihr gelber alter Hals war mit Diamanten bedeckt. Sie liebäugelte mit dem König auf so närrische Weise, daß Seine Majestät in lautes Lachen ausbrach.

»Elf Uhr!« rief Giglio, als die große Turmuhr der Kathedrale von Blombodinga diese Stunde schlug. »Meine Herren und Damen, wir müssen aufbrechen. Herr Erzbischof, Ihr solltet, denk' ich, vor zwölf in der Kirche sein.«

»Wir müssen vor zwölf in der Kirche sein!« seufzte die Schnauzibautz mit schmachtender Stimme, ihr altes Gesicht hinter ihrem Fächer bergend.

»Und dann bin ich der glückseligste Mann in meinem Reiche!« rief Giglio mit einer zierlichen Verbeugung gegen die errötende Rosalba.

»O mein Giglio! O meine teure Majestät!« rief die Schnauzibautz aus. »Kann es denn wirklich sein, daß dieser selige Moment endlich erschienen ist ...?«

»Natürlich ist er erschienen,« sagte der König.

»... Und daß ich in wenigen Augenblicken die entzückte Gattin meines angebeteten Giglio sein werde?« fuhr die Schnauzibautz fort. »Leihe mir wer sein Riechfläschchen – ich werde sicherlich vor Freude ohnmächtig werden!«

» Ihr meine Braut?« schrie Giglio auf.

» Ihr meinen Prinzen heiraten?« rief die arme Rosalba.

»Pah! Unsinn! Das Weib ist toll!« rief der König aus. Und alle die Höflinge drückten in Mienen und Gebärden Überraschung, Hohn, Zweifel oder Verwunderung aus.

»Ich möchte nur wissen, wer denn sonst vermählt werden soll, wenn nicht ich?« kreischte die Schnauzibautz. »Ich möchte nur wissen, ob König Giglio ein Ehrenmann ist, und ob es überhaupt noch Gerechtigkeit gibt in Paphlagonien? Herr Reichskanzler! Dero erzbischöfliche Gnaden! Wollen Dero Herrlichkeiten dabeisitzen und zusehen, wie man einem armen, vertrauenden, sanftmütigen Geschöpf so übel mitspielt? Hat Prinz Giglio nicht versprochen, seine Barbara zu ehelichen? Ist dies nicht Giglios Unterschrift? Erklärt dieses Schriftstück nicht, daß er mein ist, und mein allein!« Und sie überreichte Seiner Gnaden dem Erzbischof das Dokument, welches der Prinz an jenem Abend unterzeichnet hatte, als sie den Zauberring trug und er so viel Champagner getrunken hatte. Und der alte Erzbischof holte seine Brille hervor und las:

»Ich, Giglio, einziger Sohn des Königs Savio von Paphlagonien, tue kund und zu wissen, daß ich hiemit verspreche, die liebenswürdige und tugendhafte Barbara Griselda, Gräfin Schnauzibautz, Witwe des seligen Anton Schnauzibautz, Wohlgeboren, zu heiraten.«

»Hm,« sagte der Erzbischof, »das Dokument ist allerdings ein – ein Dokument!«

»Ah bah!« sagte der Reichskanzler, »die Unterschrift ist nicht in der Handschrift Seiner Majestät!« In der Tat hatte Giglio wahrend seiner Studienzeit in Bosforo großartige Fortschritte im Schönschreiben gemacht.

»Ist es deine Handschrift, Giglio?« rief die Fee Schwarzstabel mit einer Miene voll unerbittlicher Strenge und Hoheit.

»J–j–j–ja!« stieß der arme Giglio hervor. »Ich hatte den verwünschten Wisch ganz vergessen; es kann nicht ihr Ernst sein, mich beim Wort zu nehmen! Du alter Drache, was willst du dafür haben, wenn du mich frei läßt? Steht der Königin bei, ihr da – Ihre Majestät ist in Ohnmacht gefallen!«

»Haut ihr den Kopf ab!«
»Erstickt die alte Hexe!«
»Schmeißt sie in den Fluß!«
} riefen der ungestüme Kopfabski, der feurige Schmid und der treue Weber.

Aber die Schnauzibautz umklammerte mit ihren Armen den Hals des Erzbischofs und: »Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, mein Herr Reichskanzler!« heulte sie so laut, daß ihr durchdringendes Geschrei jedermann verstummen machte. Rosalba aber wurde wie leblos von ihren Frauen weggetragen, und ihr könnt euch den Blick voll Todespein vorstellen, mit dem Giglio dem lieblichen Wesen nachschaute, als sie – seine Hoffnung, seine Freude, sein Herzblatt, sein Ein und Alles – auf diese Weise seinem Auge entschwand, während an ihrer Statt die abscheuliche alte Schnauzibautz an seine Seite flog und abermals kreischte: »Gerechtigkeit, Gerechtigkeit!«

»Wollt Ihr nicht jene Summe Geldes dafür nehmen, die Murriano versteckt hatte,« sagte Giglio; »zweihundertundachtzehntausend Millionen oder so was? Es ist eine hübsche Summe.«

»Die will ich haben und Euch dazu!« sagte die Schnauzibautz.

»Geben wir noch die Kronjuwelen mit in Kauf!« stieß Giglio hervor.

»Ich will sie an meines Giglio Seite tragen!« erwiderte die Schnauzibautz.

»Genügt Euch die Hälfte – drei Viertel – fünf Sechstel – neunzehn Zwanzigstel meines Königreiches, Gräfin?« fragte der zitternde Monarch.

»Was wäre mir ganz Europa ohne Dich, mein Giglio!« schrie die Schnauzi, niederkniend und seine Hand küssend.

»Ich will nicht – ich kann nicht – ich tu's nicht – lieber will ich meiner Krone entsagen!« rief Giglio laut aus, indem er seine Hand heftig zurückzog; doch die Schnauzi klammerte sich daran fest.

»Ich habe zu leben, Geliebter,« flötete sie, »und mit dir wird deine Barbara selbst in einer Hütte glücklich sein!«

Nun war Giglio schon halb wahnsinnig vor Wut geworden. »Ich will sie nicht heiraten!« schrie er. »O Fee, Fee, rate mir doch!« Mit diesen Worten wandte er sich um und schaute mit verstörtem Blick in das strenge Gesicht der Fee Schwarzstabel.

»Was hat mich die Fee Schwarzstabel in einem fort zu ermahnen und zu warnen, daß ich mein Wort nicht breche? Meint sie denn, ich habe keine Ehre im Leibe?« sprach die Fee in Giglios eigenen hochfahrenden Worten. Er bebte zurück unter dem Glanz ihres Blickes; er fühlte, daß es für ihn kein Entrinnen gab vor diesem unerbittlichen Richter.

»Wohlan denn, Erzbischof,« sagte er mit so fürchterlicher Stimme, daß Seine Gnaden zusammenfuhren, »da mich diese Fee auf den Gipfel der Glückseligkeit geführt hat, nur um mich in den Abgrund der Verzweiflung zu stürzen, da ich Rosalba verlieren soll – wohlan, so will ich doch wenigstens meine Ehre bewahren. Erhebt Euch, Gräfin, und laßt uns zum Altare gehen! Ich kann mein Wort halten – doch nachher kann ich auch sterben.«

»O liebster Giglio,« rief die Schnauzibautz, in die Höhe schnellend, »ich hab's ja gewußt, ich hab's ja gewußt, daß ich dir vertrauen kann – ich hab's gewußt, daß mein Prinz ein Ehrenmann ist durch und durch! Steigt schnell in eure Karossen, meine Damen und Herren, laßt uns flugs zur Kirche fahren; und was dein Sterben anlangt, lieber Giglio, nein, nein: du wirst jenes unbedeutende Kammerkätzchen von einer Königin vergessen, du wirst leben und dich von deiner Barbara trösten lassen! Sie wünscht Königin zu sein, und nicht Königin-Witwe, mein gnädiger Herr und Gebieter!«

Und indem sie sich an den Arm des unglücklichen Giglio hängte und ihm auf die widerwärtigste Art grinsend ins Gesicht schielte, trippelte das alte Scheusal in ihren weißen Atlasschuhen hinaus und entblödete sich nicht, in denselben Wagen zu hüpfen, der bereit stand, um Giglio und Rosalba zur Kirche zu bringen. Abermals donnerten die Kanonen, und von allen Türmen klang Freudengeläute; die Bürger kamen heraus und streuten Blumen auf den Weg des königlichen Brautpaares, und die Schnauzi schaute aus dem Fenster der vergoldeten Kutsche heraus und verneigte sich grinsend nach allen Seiten. Puh, die garstige alte Schlange!


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