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Wie Kopfabski zu König Giglio zurückgeritten kam.
Hauptmann Kopfabski ritt hinweg, als König Padella diesen grausamen Befehl erteilte, denn er hatte seine Pflicht getan und die Botschaft überbracht, mit der ihn sein königlicher Herr beauftragt hatte. Natürlich tat ihm Rosalba sehr leid – aber was konnte er dabei tun?
So kehrte er denn in König Giglios Lager zurück und fand den jungen Herrscher, wie er im königlichen Zelte mit besorgtem Gemüte Zigaretten rauchte. Die Unruhe Seiner Majestät wurde nicht beschwichtigt durch die Nachrichten, die ihm sein Abgesandter brachte. »Der ruchlos rohe königliche Schuft!« rief Giglio aus. »Heißt es nicht irgendwo in Englands Dichtung: Der Mann, der anders als in Freundlichkeit sich einem Weibe nahet, ist ein Schurke?«
»Ja, das ist er, Ihro Majestät,« sagte der treue Kriegsmann.
»Warst du dabei, als man ins Blei sie warf? So fühllos es auch sei, das schwere Blei, hier macht sich's frei, nicht sieden will's, zu Brei zerkochen nicht die schönste aller Frauen! O sprich, Kopfabski – tatst du solches schauen?«
»Bei meiner Ehre, o mein Herr und König, ich hatte nicht das Herz mitanzusehen, wie sie die holde Maid zu Tode brühten! Ich brachte Euren königlichen Auftrag dem Herzog, und den seinen Euch zurücke. Ich sagte ihm, es hafte für Rosalba mit seinem Leben Bulbo hier, sein Sohn. Doch seine Antwort war: noch zwanzig Söhne besäße er, so gut wie Bulbo jeder; und die entmenschten Folterknechte hieß er ans Werk gehn ohne Zaudern.«
»O harter Vater – o unsel'ger Sohn!« rief der König. »Geh wer von Euch und bringe mir Prinz Bulbo her!«
Bulbo, der in Ketten herbeigeführt ward, schaute sehr unbehaglich drein. Als Gefangener hatte er sich leidlich glücklich gefühlt, vielleicht weil sein Gemüt beruhigt und die ganze Kriegerei nun zu Ende war, und er war eben dabei gewesen, mit seinen Wachen Marmel zu spielen, als der König ihn holen ließ.
»Mein armer Bulbo,« sagte Seine Majestät mit Blicken voll grenzenlosen Mitleids, »hast du's schon vernommen?« – Denn, seht ihr, Giglio wollte dem Prinzen die Sache eben schonend beibringen. – »Dein tigerherz'ger Vater hat Rosalba v–v–verurteilt, hat sie umgebracht, P–P–Prinz Bulbo!«
»Was, tot Betsinda? Bu–huh–huh!« heulte Bulbo. »Betsinda! unsre hübsche Betsinda! Die liebe Betsinda! Sie war das herzigste Mädelchen auf der Welt! Ich habe sie zwanzigtausendmal lieber als selbst Angelika!« Und er fuhr fort, seinen Schmerz auf so herzliche und natürliche Weise auszudrücken, daß der König ganz gerührt davon wurde und sagte, indem er Bulbo die Hand drückte, er wünschte, er hätte Bulbo eher kennen gelernt.
Bulbo erbot sich, ganz ahnungslos und in der besten Absicht, sich zu Seiner Majestät herzusetzen und eine Zigarre mit ihm zu rauchen, um ihn zu trösten. Der König in seiner Leutseligkeit überreichte Bulbo eine Zigarre; er habe keine gehabt, sagte er, seit er gefangen genommen worden sei.
Und nun stellt euch vor, was die Empfindungen des barmherzigsten aller Fürsten gewesen sein müssen, als er seinen Gefangenen darüber aufklärte, daß infolge des grausamen und feigen Betragens, dessen sich König Padella gegen Rosalba schuldig gemacht, Prinz Bulbo auf der Stelle hingerichtet werden müsse! Der hochherzige Giglio konnte seine Tränen nicht zurückhalten, auch die Grenadiere konnten es nicht, die Offiziere auch nicht, und Bulbo selber erst recht nicht, als ihm die Sache erklärt wurde, und er schließlich einsah, daß das Wort Seiner Majestät selbstverständlich allem anderen vorgehen und Bulbo sich fügen müsse. Also wurde der arme Bulbo hinweggeführt, und Kopfabski versuchte ihn zu trösten, indem er ihn darauf aufmerksam machte, daß, hätte er die Schlacht von Bombardaro gewonnen, er den Prinzen Giglio hängen könnte. »Ja! Aber das hilft mir jetzt wenig!« meinte der arme Bulbo; und es half ihm auch wirklich nicht viel, dem armen Kerl!
Man teilte ihm mit, die Sache werde am nächsten Morgen um acht Uhr abgemacht, und führte ihn in seinen Kerker zurück, wo ihm alle Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Frau des Kerkermeisters schickte ihm Tee, und die Tochter des Schließers bat ihn, seinen Namen in ihr Album zu schreiben, wie es schon so mancher Herr bei ähnlicher Gelegenheit getan hatte. »Hol' der Kuckuck Euer Album!« sagte Bulbo. Der Leichenbesorger kam und nahm ihm das Maß zu dem schönsten Sarge, den man für Geld kaufen konnte; – doch auch das vermochte Bulbo nicht zu trösten. Der Koch brachte ihm seine Leibgerichte, allein er ließ sie unberührt stehen. Er setzte sich hin und begann einen Abschiedsbrief an Angelika zu schreiben, während die Wanduhr ohne Unterlaß tickte und tickte, und die Zeiger dem nächsten Morgen näher und näher rückten. Der Barbier kam noch abends spät und wollte ihn für den nächsten Tag rasieren. Prinz Bulbo stieß ihn mit einem Fußtritte von sich und fuhr fort, ein paar Worte an Prinzessin Angelika zu schreiben, wahrend die Uhr immerfort weitertickte, und die Zeiger dem kommenden Morgen näher und immer näher rückten. Er stellte sein Bett auf seinen Tisch, und darauf einen Stuhl, und darauf eine Hutschachtel, und dann stellte er sich selbst zuoberst auf die Fußspitzen und schaute hinaus, um zu sehen, ob er vielleicht entkommen könnte; die Uhr aber tickte und tickte in einem fort, und die Zeiger rückten der Schreckensstunde näher und immer näher.
Jedoch zum Fenster hinausschauen und zum Fenster hinausspringen war zweierlei; und die Turmuhr schlug sieben. Da legte sich Bulbo ins Bett, um ein letztes Schläfchen zu halten; aber der Kerkermeister kam und weckte ihn und sagte: »Stehen S' auf, Dero Königliche Hoheit, wenn's beliebt, 's ist zehn Minuten vor acht!«
Da stand der arme Bulbo auf; er war in seinen Kleidern zu Bett gegangen – der faule Junge! – und er dehnte sich und sagte, es sei ihm nicht ums Ankleiden zu tun – auch nicht ums Frühstücken, danke schön! Und er sah die Soldaten, die gekommen waren, um ihn abzuholen. »Geht voran!« sagte er; und sie marschierten los, in tiefer Rührung, und sie kamen durch den Hof und auf den Platz heraus, und da war König Giglio, der gekommen war, um Abschied von Bulbo zu nehmen; Seine Majestät drückte ihm aufs liebreichste die Hand, und die düstere Prozession marschierte weiter; da plötzlich – horch!
Hauh – wurrauh – wurrauh – aworr!
Das Gebrüll wilder Tiere ließ sich hören. Und wer kam da in die Stadt geritten und jagte die Gassenjungen und sogar den Büttel und den Schutzmann in die Flucht? niemand anders als Rosalba!
Damit hatte es aber folgende Bewandtnis: Als Hauptmann Kopfabski in den Hof der Löwenmaul-Burg einritt und mit König Padella verhandelte, da machten die Löwen einen Ausfall aus dem offenen Tor, hatten im Nu die sechs Schweizer verschlungen, und fort trabten sie mit Rosalba auf dem Rücken des einen, und sie trugen sie immer abwechselnd, bis sie in die Stadt kamen, wo Prinz Giglios Heer im Quartier lag.
Als der König von der Ankunft der Königin hörte, da könnt ihr euch denken, wie er aus seinem Frühstückssaal herausstürzte, um Ihre Majestät von ihrem Löwen zu heben! Die Löwen waren nun so fett wie Mastschweine geworden, seit sie Panzersau und alle die vielen Schweizer zu fressen gekriegt hatten, und waren ganz zahm, jedermann konnte sie streicheln. Giglio kniete höchst anmutig vor der Fürstin nieder und half ihr beim Absteigen; Bulbo aber stürzte herbei und küßte den Löwen. Er schlang seine Arme um den König der Wildnis; er drückte ihn an sich und lachte und weinte vor Freude. »O du herziges altes Vieh, o wie froh bin ich, daß du da bist, und die liebe, liebe Bet– Rosalba will ich sagen!«
»Wie, Ihr seid es? Armer Bulbo!« sagte die Königin. »O wie ich mich freue, Euch zu sehen!« und sie reichte ihm ihre Hand zum Kusse. König Giglio klopfte ihm höchst freundlich auf die Schulter und sagte: »Bulbo, mein Junge, ich freu' mich königlich um deinetwillen, daß Ihre Majestät eingetroffen ist!«
»Und ich erst!« sagte Bulbo; »und Ihr wißt auch, warum!« Nun kam Hauptmann Kopfabski herbei: »Sire, es ist halb neun, soll die Hinrichtung vollzogen werden?«
»Hinrichtung, – wozu?« fragte Bulbo.
»Ein Offizier kennt nur seine Befehle,« erwiderte der Hauptmann, seinen Verhaftungsbefehl vorweisend, worauf Seine Majestät König Giglio lächelnd sagte, Prinz Bulbo sei für diesmal begnadigt, und ihn huldvollst zum Frühstück einlud.