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Wie Giglio und Angelika sich zankten.
Der Hofmaler Seiner Majestät des Königs von Krimtataria kehrte in das Land dieses Herrschers zurück, eine Anzahl Skizzen mit sich führend, die er in der Hauptstadt Paphlagoniens angefertigt hatte – ihr wißt natürlich, meine Lieben, daß diese Hauptstadt Blombodinga genannt war –; aber das entzückendste seiner Gemälde war ein Bildnis der Prinzessin Angelika, welches der ganze krimtatarische Adel anzusehen kam. An diesem Werke fand der König so großes Gefallen, daß er den Maler mit seinem Kürbisorden – sechster Klasse – auszeichnete, und von da an hieß der Künstler Tomaso von Lorenzo, Ritter des Kürbisordens.
Auch König Valoroso übersandte dem Ritter Tomaso seinen Kukumerorden nebst einer Anweisung auf eine hübsche Summe Geldes, denn er hatte während seines Aufenthaltes in Blombodinga den König, die Königin und den vornehmsten Adel gemalt und stand nun als Stern erster Größe am dortigen Kunsthimmel, zur bitteren Wut aller Künstler in Paphlagonien, wo der König auf das Bildnis des Prinzen Bulbo, welches Ritter Tomaso zurückgelassen hatte, zu deuten pflegte mit den Worten: »Welcher unter euch kann ein Bild malen wie dieses?«
Es hing im königlichen Wohnzimmer neben dem königlichen Wandbrett, und Prinzessin Angelika konnte es immer ansehen, wenn sie dasaß und den Tee bereitete. Mit jedem Tage schien es ihr schöner und immer schöner zu werden, und die Prinzessin vernarrte sich so sehr in seinen Anblick, daß sie oft den Tee auf das Tischtuch verschüttete; dann blinzelten ihre Eltern sich zu, nickten mit den Köpfen und sagten zueinander: »Aha, wir merken, wie es hier steht!«
Unterdessen lag Giglio sehr krank droben in seinem Zimmer, obwohl er als braver Junge alle die scheußlichen Arzneien des Doktors einnahm, wie auch ihr es tut, so will ich hoffen, wenn ihr unwohl seid und die Mama zum Arzte schickt. Und die einzige Seele, die Giglio besuchte – außer seinem Freund, dem Gardehauptmann, aber der war fast immer beschäftigt oder auf der Parade –, war die kleine Stubenmagd Betsinda, die sein Schlafzimmer und seine Wohnstube aufräumte, ihm seine Schleimsuppe brachte und sein Bett wärmte.
Wenn das kleine Zimmermädchen am Morgen und am Abend zu ihm kam, so sagte Prinz Giglio: »Betsinda, Betsinda, wie geht es der Prinzessin Angelika?«
Und Betsinda antwortete: »Der Prinzessin geht es sehr gut, danke schön, gnädiger Herr!«
Und Giglio seufzte tief und dachte: Wenn Angelika krank wäre, so ginge es mir ganz gewiß nicht sehr gut!
Dann sagte Giglio wohl: »Betsinda, hat die Prinzessin Angelika heute nach mir gefragt?« Und Betsinda antwortete: »Nein, gnädiger Herr, heute nicht;« oder: »Sie übte eben eifrig am Klavier, als ich sie sah;« oder: »Sie hat eben die Einladungen für eine Abendgesellschaft geschrieben und hat nicht mit mir geredet;« oder sie half sich mit irgend einer anderen Entschuldigung, die nicht genau der Wahrheit entsprach, denn Betsinda war ein so gutherziges Geschöpf, daß sie sich nach Kräften bemühte, alles Ungemach vom Prinzen Giglio fernzuhalten; ja, als es ihm anfing besser zu gehen und der Doktor es erlaubte, brachte sie ihm sogar ein gebratenes Hühnchen oder Gelee aus der Küche und sagte, daß die Prinzessin das Gelee oder die Sauce mit eigener Hand und besonders für ihn gemacht habe.
Als Giglio das hörte, ermannte er sich und fing auf der Stelle an zu genesen; er vertilgte alles Gelee und nagte, voll Dankbarkeit für seine liebe Angelika, das Hühnchen ab bis auf das letzte Knöchelchen – Trommelschlägel, Rücken, Pfaffenbißchen und was sonst noch da war. Und am nächsten Tage fühlte er sich so viel wohler, daß er sich ankleidete und hinunterging, und da stieß er – auf niemand anders als Angelika, die eben in den Salon ging. Die Stühle waren alle ohne Überzüge, die Kronleuchter von ihren Hüllen befreit, die Damastvorhänge unbedeckt, die Handarbeiten und dergleichen weggeräumt, und die hübschesten Albums auf den Tischen ausgelegt Angelika trug ihr Haar in Lockenwickeln – mit einem Worte: es war sonnenklar, daß es eine Gesellschaft geben sollte.
»O je – Giglio!« rief Angelika aus. »Du hier in so einem Aufzug! Nein, wie siehst du aus!«
»Ja, liebe Angelika, ich bin wieder aufgestanden und fühle mich heute so wohl, dank deinem Huhn und Gelee!«
»Was weiß ich von Hühnern und Gelee, daß du so ungezogen darauf anspielst?« fragte Angelika.
»Ja, hast du – hast du es denn nicht geschickt, Angelikachen?« sagte Giglio.
»Ich sie dir geschickt, warum nicht gar! Angelikachen! Dein, Gigliochen,« sagte sie, ihm nachäffend, »ich hatte zu tun mit dem Herrichten der Zimmer für Seine Königliche Hoheit den Prinzen von Krimtataria, welcher kommt, dem Hofe meines Papas einen Besuch abzustatten.«
»Der – Prinz – von – Krim–ta–taria,« stieß Giglio voller Bestürzung hervor.
»Ja, der Prinz von Krimtataria,« wiederholte Angelika, ihm abermals nachäffend. »Ich wette, du hast nie etwas von solch einem Lande gehört! Wovon weißt du denn überhaupt etwas? Du weißt ja nicht einmal, ob Krimtataria am Roten oder am Schwarzen Meere liegt, will ich wetten.«
»Doch, das weiß ich, es liegt am Roten Meere,« sagte Giglio, worauf die Prinzessin in ein spöttisches Gelächter ausbrach und sagte: »O, du Simpel! Du bist ja so unwissend, du kannst dich wirklich nicht in Gesellschaft sehen lassen! Du weißt über gar nichts zu reden als über Pferde und Hunde und gehörst höchstens an den Offizierstisch unter meines königlichen Vaters schwerste Dragoner. Schau mich der gnädige Herr nicht so verwundert an, geh Er lieber und zieh Er seine besten Kleider an, den Prinzen zu empfangen, und laß Er mich den Salon fertig aufräumen.«
Giglio sprach: »O Angelika, Angelika, das hätt' ich nicht von dir gedacht! So hast du nicht geredet, als du mir diesen Ring gabst, damals im Garten, und ich dir meinen gab, und du mir jenen K...«
Aber was K... war, werden wir niemals erfahren, denn Angelika schrie wütend: »Mach, daß du hinauskommst, du unverschämter Flegel! Wie darfst du es wagen, mich an deine Frechheit zu erinnern? Und dem sauberen Monsieur sein lumpiges Zweigroschenringel, da hat Er's, da!« Und damit warf sie den Ring zum Fenster hinaus.
»Es war der Trauring meiner Mutter!« rief Giglio.
»Was schert das mich, wessen Trauring es war!« rief Angelika. »Heirate doch die Person, die ihn aufliest, wenn es ein Frauenzimmer ist; mich sollst du nicht heiraten! Und gib mir meinen Ring zurück! Ich kann die Leute nicht ausstehen, die hinterher großtun mit den Sachen, die sie verschenkt haben! Ich weiß schon, wer mir viel schönere Geschenke machen wird, als du mir jemals gegeben hast! So ein schäbiger Ring, keinen Taler ist er wert!«
Nun ließ sich aber Angelika nicht träumen, daß der Ring, den Giglio ihr gegeben hatte, ein Zauberring war: wenn ihn ein Mann trug, so bewirkte er, daß alle Frauen ihm gut waren; trug ihn eine Frau, so liebten sie alle Herren. Die Königin, Giglios Mutter, eine Frau von ganz gewöhnlichem Aussehen, wurde über alle Maßen bewundert, solange sie diesen Ring trug, und ihr Gemahl war außer sich, als sie krank lag. Aber als sie ihren kleinen Jungen zu sich gerufen und ihm den Ring an den Finger gesteckt hatte, da schien König Savio seine Frau nicht mehr so lieb zu haben, sondern übertrug all seine Zärtlichkeit auf den kleinen Giglio. Auch liebte ihn jedermann, solange er den Ring trug; aber als er noch ein ganz kleiner Knabe war, gab er ihn Angelika; und seitdem hatten die Leute angefangen, sie zu lieben und zu bewundern, und Giglio spielte, wie man sagt, nur noch die zweite Geige.
»Ja,« fuhr Angelika in ihrer törichten, undankbaren Weise fort, »ich weiß schon, wer mir viel schönere Sachen schenken wird, als deinen lumpigen dummen Perlenkram!«
»Schon recht, mein gnädiges Fräulein! Ihr könnt auch Euern Ring zurücknehmen,« sprach Giglio, und seine Augen sprühten Blitze zu ihr hinüber; und dann, als fielen ihm plötzlich die Schuppen von den Augen, rief er aus: »Ha! was soll das heißen? Ist dies das Frauenzimmer, das ich mein ganzes Leben lang geliebt habe? Bin ich so ein Dummkopf gewesen, mein Gefühl an dich wegzuwerfen? Bist du nicht – ja wahrhaftig – du bist ein wenig krumm!«
»O du Schlange!« rief Angelika.
»Und, auf Ehre, du – du schielst ein wenig!«
»Was?!« schrie Angelika.
»Und dein Haar ist rot – und du bist pockennarbig – und – seh ich recht – du hast drei falsche Zähne – und ein zu kurzes Bein!«
»Du Scheusal, du Scheusal du!« kreischte Angelika, und, den Ring mit der einen Hand ergreifend, verabreichte sie Giglio eine – zwei – drei klatschende Ohrfeigen und würde ihm die Haare ausgerissen haben, hätte er nicht zu lachen angefangen und gerufen: »O du meine Güte, Angelika, mir mußt du die Haare nicht ausraufen, das tut weh! Von deinen eigenen, das merke ich jetzt, konntest du eine ganze Menge entfernen ohne Schere, und das, ohne auch nur daran zu reißen! O, ho ho! ha, ha, ha! hi, hi, hi!«
Und er erstickte fast vor Lachen, und sie vor Wut. Da trat, in Hoftracht und mit einer tiefen Verbeugung, wie ihr es auf Seite 39 seht, Graf Gambabella, der Zeremonienmeister, herein mit den Worten: »Königliche Hoheiten! Dero Majestäten erwarten Euch im roten Thronsaal, wo sie der Ankunft des Prinzen von Krimtataria harren.«