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Schon rief die Sonn' ans Werk die Erdgenossen, Und schon die zehnte Tagesstund' entschwand, Als jene Schar, im großen Turm verschlossen, Ein dunkles Etwas schaut im fernen Land, Wie wenn am Abend Nebels ich ergossen; Und endlich wird das Freundesheer erkannt, Das weit umher mit Staub umhüllt den Himmel Und Feld und Hügel deckt mit Volksgewimmel. |
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Kaum sahen dies von ihren hohen Zinnen Die Heiden, als sie laut gen Himmel schrien, Gleich Kranichen, die bei des Frosts Beginnen In dichter Schar aus Thraciens Nestern ziehn Und mit Gekreisch, den Stürmen zu entrinnen, Durch Wolken hin zu wärmern Ufern fliehn; Denn die erfüllte Hoffnung macht die Hände Zum Pfeilschuß und den Mund zum Schmähn behende. |
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3. |
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Der Franken Schar kann ohne Mühe deuten, Woher dies Drohn entspringt, die neue Wut, Und sieht vom Hügel bald des weit zerstreuten, Zahllosen Heeres ungeheure Flut. Und alsobald nun flammt den tapfern Leuten Die Kühnheit auf, und Kampf begehrt ihr Mut. Die stolze Jugend ruft im Volksgedränge: Das Zeichen, großer Fürst! – es braust die Menge. |
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4. |
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Doch Gottfried weigert, vor dem neuen Tage Ins Feld zu gehn, und zäumt den kühnen Flug; Auch selber daß man Streitgefechte wage, Den Feind zu prüfen, wehrt er streng genug. Wohl ziemet, spricht er, nach so heißer Plage Ein Tag zum Ausruhn euch mit Recht und Fug. Vielleicht auch wollt' er in des Feindes Heeren Das Selbstvertraun, die eitle Keckheit nähren. |
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5. |
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Ein jeder rüstet sich und wünscht das neue Frühlicht herbei mit eifrigem Begehr. Nie war so rein, so schön des Aethers Bläue, Als da der Tag anbricht, von Thaten schwer. Aurora lächelt, und es scheint, sie streue Der Sonne Strahlen sämtlich um sich her. Der Himmel mehrt sein Licht, und sonder Hülle Will er nun schaun der großen Thaten Fülle. |
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Kaum sieht Bouillon die goldne Früh' erglänzen, So führt er sein geordnet Heer ins Feld. Graf Raimund muß des Königs Turm umkränzen, Indem er ringsumher die Gläub'gen stellt., Die kürzlich erst von Syriens nahen Grenzen Zu ihren Rettern häufig sich gesellt. Mit diesen muß, obwohl sie g'nügend scheinen, Noch eine Schar Gasconier sich vereinen. |
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7. |
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Der Feldherr zieht daher, und Siegsentzücken Glänzt jedem sichtbar aus dem Aug' empor. Ihn scheint die Gunst des Himmels zu beglücken; Erhabner, größer scheint er denn zuvor. Man sieht der Würde Strahl sein Antlitz schmücken, Der Jugend Purpurglanz bricht neu hervor. In Haltung, Blick und jeglicher Gebärde Erscheint er höher als ein Sohn der Erde. |
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8. |
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Nicht lange zog er fort, als er den Schranken Des Heidenlagers sich im Antlitz fand. Besetzen läßt er gleich durch seine Franken Die Höhn im Rücken und zur linken Hand. Dann ordnet er das Heer, mit schmalen Flanken Und breiter Stirn der Ebne zugewandt. Inmitten stehn die unberittnen Streiter, Und auf den Flügeln rechts und links die Reiter. |
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9. |
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Vom linken Haufen, dem der steile Hügel, Den er sogleich besetzt, zur Deckung war, Gibt er den beiden Robert jetzt die Zügel; Die Mitte hat der Bruder in Gewahr. Zur Rechten steht er selbst, weil diesem Flügel Am meisten aus der Ebne droht Gefahr, Und weil der Feind, an Zahl ihm überlegen, Zuerst dort hoffen darf ihn zu umhegen. |
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10. |
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Hier stellt er seine lothring'schen Genossen Und was er für den Kern des Heeres hält; Fußvolk, gewohnt zu kämpfen zwischen Rossen, Wird den berittnen Schützen zugesellt. An diese wird der Ritter Schar geschlossen, Wozu er manchen Auserlesnen stellt; Rechts läßt er diese stehn im Hintergrunde, Und macht Rinald zum Haupt von ihrem Bunde; |
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11. |
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Und spricht zu ihm: In diesem großen Streite Kommt, Herr, auf dich des Siegs Entscheidung an. Birg hinter meinem Heer in ein'ger Weite Dein Häuflein noch, und laß den Feind sich nahn; Doch rückt er vor, dann fall ihm in die Seite Und rasch vereitle den verwegnen Plan. Denn irr' ich nicht, so will er uns umringen Und in die Seit' und in den Rücken dringen. |
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12. |
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Von Schar zu Schar nun sprengt er durch die Auen Hin durch des Fußvolks und der Reiter Zahl. Frei läßt das Helmvisier sein Antlitz schauen, Aug' und Gesicht flammt wie von Blitzes Strahl. Die zweifeln, regt er auf, stärkt, die vertrauen; Er ruft zurück dem Kecken sein Geprahl', Dem Tapfern seine That; gelobt Vermehrung Des Soldes dem, und jenem Ehrgewährung. |
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13. |
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Am Ende ließ er dort den Renner halten, Wo sich des Heeres bester Teil befand; Und als vom hohen Platz die Wort' erschallten, Fühlt jeder, der ihn hört, sich übermannt. Wie der geschmolzne Schnee unaufgehalten In Bächen niederströmt vom Bergesrand, So rasch entflohn in dieser großen Stunde Mit hellem Klang die Worte seinem Munde: |
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14. |
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O du mein Heer, des Orients Bezwinger, Du Geißel des, der Christi Wort verlacht! Sieh, endlich ist der frohe Siegesbringer, Der lang' ersehnte letzte Tag erwacht. Mit großer Absicht hat des Höchsten Finger Sein ganz rebellisch Volk heran gebracht; All' eure Feinde wollt' er hierher senden, Um viele Krieg' in einem Schlag zu enden. |
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15. |
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Wir werden viel in einem Sieg erlangen, Und größer nicht wird Fahr und Mühe sein. Fern sei von euch, fern jedes eitle Bangen Vor unsrer Feind' unzähligem Verein! Zu ordnen schwer, in innerm Zwist befangen, Verwickelt er sich selbst in seinen Reihn Und wird im Kampf nur wenig Streiter zählen; Denn Raum wird vielen, vielen Kühnheit fehlen. |
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Die, welche sich jetzt wider uns erheben, Sind meistens nackt und ohne Kunst und Kraft, Nur durch Gewalt dem niedern Sklavenleben, Durch Herrscherzwang der feigen Muß' entrafft. Schon seh' ich Schild und Schwert und Fahne beben, Und wie der Arm schon vor dem Kampf erschlafft; Seh' Angst und Zweifel alle Reihn durchschleichen, Seh' ihren Tod an wohlbekannten Zeichen. |
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17. |
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Der Feldherr, der im purpurnen Gewande Die Scharen stellt, so wild von Angesicht, Er hat der Araber, der Mohren Bande Vielleicht besiegt; uns widersteht er nicht. Was kann er thun mit Klugheit und Verstande, Wenn Angst, Verwirrung durch die Haufen bricht? Kaum kennen ihn, kaum kennet er die Scharen, Sagt wen'gen wohl: Dort kämpften wir zu Paaren! |
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18. |
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Doch ich bin Feldherr auserlesner Streiter; Zusammen kämpften einst und siegten wir, Und lange war ich nachmals euer Leiter. Wes Land und Abkunft ist verborgen mir? Welch Schwert, das ich nicht kenne? Ja, wenn weiter Der Pfeil noch fliegt im luftigen Revier, Weiß ich, ob Irland, ob ihn Frankreich sandte, Und welches Schützen Arm den Bogen spannte. |
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19. |
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Gewohntes fordr' ich nur: Auch heute wieder Sei jeder so wie sonst sich selber gleich, Voll Mut, wie sonst; und denke treu und bieder An seinen, meinen, Christi Ruhm zugleich. Geht, stürzet die Verruchten; ihre Glieder Zermalmt und sichert unser heil'ges Reich. Was säum' ich noch? Mich läßt eu'r Aug' erkunden Mit heller Schrift: Schon habt ihr überwunden! |
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20. |
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Es schien, als ob beim Enden dieser Töne Ein lichter Strahl dem Himmel sich entwand, Wie oft die Sommernacht in heitrer Schöne Stern' oder Blitze schüttelt vom Gewand. Doch dieser Strahl – so glaubten Christi Söhne – Ward aus der Sonne tiefstem Schoß gesandt; Er schien sein Haupt im Kreise zu umstreichen, Und manchem schien er künft'ger Herrschaft Zeichen. |
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21. |
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Vielleicht, wenn vom Geheimnis jener Zonen Nicht allzu kühn des Menschen Zunge spricht, Hüllt' ihn sein Schutzgeist, von der Engel Thronen Herab geschwebt, in seiner Schwingen Licht. Indes Bouillon der Christen Legionen In Ordnung stellt und mahnt an ihre Pflicht, Läßt's auch Aegyptens Feldherr nicht dran fehlen, Sein Volk zu ordnen, ihm den Mut zu stählen. |
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22. |
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Er führt sein Heer hinaus, sobald vom Hügel Herab die Franken seinem Blick sich nahn. Auch er verteilt die Reiter auf die Flügel Und stellt das Fußvolk mitten auf den Plan. Vom rechten Haufen nimmt er selbst die Zügel, Fürst Altamor führt den zur Linken an; Das Fußvolk wird dem Muleaß beschieden, Und in der Mitte sieht man dort Armiden. |
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23. |
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Der Königs Schar steht auf des Feldherrn Seite, So auch der Inderfürst und Tissaphern. Doch Altamor, wo in die ebne Weite Sich dehnt der linke Flügel, führt den Kern Von Afrikas und Persiens Heer zum Streite Nebst jenen zwei, des heißern Landes Herrn; Und alle sind zu seiner Schar gezogen, Die Schleuder führen, Armbrust oder Bogen. |
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So ordnet Emiren; durch alle Glieder Sprengt nun auch er im ganzen Felde rund, Lobt und belohnt, schilt und bestraft hinwieder Bald durch den Dolmetsch, bald durch eignen Mund. Er sagt zu dem: Du senkst dein Antlitz nieder? Was zu befürchten, Krieger, hast du Grund? Kann einer auch sich gegen hundert schlagen? Mit Schatten und Geschrei will ich sie jagen. |
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25. |
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Zu jenem: Du, mit kühnem Angesichte Entreiße, Tapfrer, seinen Raub dem Feind. Dann zeigt er manchem in so hellem Lichte, Daß er mit Augen es zu schauen meint, Das Vaterland mit flehendem Gesichte, Der Seinen Schar, die zitternd klagt und weint. O glaube, spricht er, hier an diesem Orte Fleht dich dein Vaterland durch meine Worte: |
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26. |
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Sei dem Gesetze Schutz und dem Altare, Daß ihn nicht wasche meines Herzens Blut. Die zarten Jungfraun rette du; bewahre Das Grab, in dem der Väter Asche ruht. Dir zeigen Greise die gebleichten Haare, Beweinend der entflohnen Jugend Glut; Dir Mütter ihre Kleinen um die Wette, Und Brust und Wieg' und eheliches Bette. |
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27. |
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Und vielen sagt er dann: Zu seiner Ehre Verteidigern hat Asien euch gemacht; An diesen wen'gen Räubern hofft es schwere, Gerechte Rache jetzt von eurer Macht. So redet er in manchem Ton zum Heere Und reizt durch manche Kunst es an zur Schlacht. Die Feldherrn schweigen, und nur wenig Schritte Mußt nun der Raum in beider Scharen Mitte. |
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Groß ist es und bewundernswert zu schauen, Wie jetzt die Heere sich im Antlitz stehn, Und ausgedehnt in Ordnung schon zum rauhen Angriff bereit sind, auf den Feind zu gehn; Wie die Paniere flattern durch die Auen Und auf dem Helm die großen Büsche wehn; Wie Kleidung, Schmuck, Feldzeichen, Schwert und Lanze Blitzt, flammt von Gold und Stahl im Sonnenglanze. |
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Als ob ein Wald von dichten Bäumen sprosse, So starrt von hohen Lanzen jedes Heer. Schon sausen Schleudern, schwirren Wurfgeschosse; Der Bogen ist gespannt, gefällt der Speer. Der Reiters Wut zeigt schon sich auch am Rosse; Es rüstet sich zur Schlacht, dreht sich umher, Stampft, wiehert, bäumt sich, wie von Kampfgier trunken, Sprüht aus geschwollnen Nüstern Dampf und Funken. |
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Schön ist das Graun im schönen Kriegsgepränge, Vergnügen geht selbst aus der Furcht hervor; Und der Drommeten hell' und wilde Klänge Erfreun und schrecken allzugleich das Ohr. Doch geht der Christen, wenn auch kleinre, Menge Im Anblick wie im Klang den Heiden vor, Weil mut'ger dort die Kriegsdrommeten klingen Und hellre Blitz' aus ihren Waffen dringen. |
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Zum Kampfe ruft die christliche Drommete, Und die der Heiden nimmt die Ladung an. Nun knieet hin zum eifrigen Gebete Der Franken Schar und küßt die Erde dann. Der Mittelraum nimmt ab, bald ist die Stäte Nicht mehr zu sehn; schon trifft sich Mann und Mann. Schon kämpfen wild die Flügel, und schon weiter Dringt vor die Schar der unberittnen Streiter. |
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Wer war der Kämpfer nun im Christenheere, Den man zuerst des Lobes würdig fand? Du warst's, Gildippe, die mit mächt'gem Speere Hyrkan, den Herrn von Ormus, in den Sand Hinwarf, die Brust ihm spaltend. So viel Ehre Vergönnt der Himmel einer Weiberhand. Er fällt durchbohrt und höret noch im Fallen Des Stoßes Lob aus Feindes Mund erschallen. |
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Sie zieht sogleich mit männlich starker Rechte, Nachdem die Lanze brach, das gute Schwert Und spornet kühn zu blutigem Gefechte Auf Persiens Reihen los ihr rasches Pferd. Zopiren haut sie durch das Gurtgeflechte, So daß er wie geteilt zu Boden fährt; Dem schrecklichen Alark wird gleicherweise Durchhaun der Doppelweg der Stimm' und Speise. |
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Vom Hieb betäubt muß Artaxerxes sinken; Vom Stich durchbohrt stirbt Argeus alsogleich. Dann trifft sie Ismael, wo mit der Linken Der Arm sich bindet, an Geflechten reich. Die Hand läßt fallend sich den Zaum entsinken, Und um des Rosses Ohren saust der Streich. Kaum merkt das Pferd, der Zügel sinke nieder, So setzt es durch und stört die Reihn und Glieder. |
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Die und viel' andre hatte sie erschlagen, Die in der Nacht des Schweigens untergehn, Als auf sie los vereint die Perser jagen, Voll Lüsternheit nach solchen Siegs-Trophä'n. Doch der getreue Gatte sieht's mit Zagen Und fliegt, um der Geliebten beizustehn; Und beide nun, vereint zum heißen Werke, Verdoppeln durch den treuen Bund die Stärke. |
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Mit ungewohnter Kämpferkunst, dergleichen Man nie gesehn, zeigt sich das edle Paar. Um Schutz und Schirm dem andern darzureichen, Nimmt keines mehr der eignen Deckung wahr. Die kühne Frau begegnet allen Streichen, Die dem geliebten Gatten drohn Gefahr; Er deckt sie mit dem Schild und, falls er glaubte Es wäre not, thät's mit dem bloßen Haupte. |
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Ein jedes sieht im Schützen wie im Rächen Des andern Sache gleich der eignen an. Sein Eisen muß den Artaban durchstechen, Den Oberherrn der Insel Boëcan. Dasselbe Schwert erlegt Alvant, den Frechen, Der nach Gildippen einen Hieb gethan. Sie teilt die Stirn dem Arimont, der eben Auf ihren Treuen wagt sein Schwert zu heben. |
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So drängten sie die Perser; doch es drängte Die Franken mehr der Fürst von Samarkand; Denn wo er hin mit Schwert und Rosse sprengte, Da warf er Pferd' und Fußvolk in den Sand. Und glücklich, wem er gleich den Tod verhängte, Wer ächzend nicht sich unterm Rosse wand; Denn die das Schwert halb lebend noch gelassen, Die weiß das Roß mit Biß und Tritt zu fassen. |
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Durch seine Hand muß Brunellon erkalten, Den Toden wird Ardonio beigemengt. Dem hat er so den Helm und Kopf gespalten, Daß eine Hälft' auf jeder Schulter hängt; Und dem sein Schwert mit unbarmherz'gem Walten Da, wo das Lachen anhebt, eingedrängt, So daß der Mann – ein Graunbild ohnegleichen! – Gezwungen lacht und lachend muß erbleichen. |
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Doch nicht verjagt sein mörderischer Degen Nur diese hier vom holden Erdenrund; Zusammen treibt er grausem Tod entgegen Genton und Guasco, Guido und Rosmund. Wer zählt sie, die dem Altamor erlegen? Und die sein Roß zerstampft auf blut'gem Grund? Wer kann die Namen der Erschlagnen nennen? Wer alle Stöß' und Todesarten kennen? |
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Kein Krieger ist, der stark genug sich meine, Ihm zu begegnen auf dem Schlachtgefild. Und dennoch wagt's Gildippe jetzt, die eine; Sie scheut ihn nicht, wie stark er sei und wild. Gewißlich führt' am Strand Thermodons keine Der Amazonen Streitaxt oder Schild Mit solchem Mut, als in Gildippen lodert, Da sie zum Kampf den mächt'gen Perser fodert. |
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Sie trifft ihn da, wo um den Helm geschlungen Erglänzt des goldnen Diademes Pracht. Es war sogleich durchbrochen und zersprungen, Und selbst sein Haupt beugt sich vor ihrer Macht. Wohl fühlt der Fürst, von Scham und Zorn durchdrungen, Welch starker Arm ihm diesen Gruß gebracht; Auch rächt er gleich die Schmach, die er erfahren, Und läßt die Rache mit dem Schimpf sich paaren. |
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Er trifft im Augenblick, schnell wie Gedanken, Der Heldin Stirn mit so gewalt'gem Hieb, Daß Sinn und Kraft entfliehn; sie kam ins Wanken, Doch half ihr Freund, daß sie im Sattel blieb. War's Glück, war's seinem Edelmut zu danken: Den Streich zu doppeln fühlt' er keinen Trieb. So stolz verschmäht der edle Leu den Streiter, Der ihm erlag, beschaut ihn und geht weiter. |
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Indes hat Ormond, der sich unterwunden Heimtückisch zu vollziehn die grause That, Samt den Genossen, ihm durch Eid verbunden, In falscher Wehr den Christen sich genaht: Wie nächt'ge Wölfe, gleichend fast den Hunden, Zur Hürde ziehn auf nebelvollem Pfad, Indem sie spähn, den Eingang zu entdecken, Und den verdächt'gen Schweif geschickt verstecken. |
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Sie nähern sich; schon hat der freche Heide Von Gottfrieds Seite sich nicht fern gestellt; Doch wie Bouillon das Gold, die weiße Seide Des Truggewands erblickt, da ruft der Held: Seht da den Frevler, der in falschem Kleide Verrätrisch sich als einen Franken stellt! Seht da mit ihm die andern Missethäter! So rufend sprengt er los auf den Verräter. |
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Er trifft ihn scharf; der Frevler, ohne Regen, Haut nicht, noch wehrt sich, noch entweicht den Reihn. Als säh' er Gorgos Haupt, wie höchst verwegen Er sonst auch war, wird er zu Eis und Stein. Auf sie nun stürmt ein jeder Speer und Degen, Und jeder Bogen zielt auf sie allein; Bald ist die Schar der Frevler aufgerieben, Den Toten selbst der Leichnam nicht geblieben. |
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Bouillon, bespritzt mit Blut der Frevlermeute, Eilt in die Schlacht nach jenem Ort gewandt, Wo er die dichtste Heerschar seiner Leute Von Altamor gesprengt, zerstoben fand, So daß sie rings im Felde sich zerstreute, Wie vor dem Südwind afrikan'scher Sand. Er rennt herbei, schilt, droht und hält mit strenger Gewalt die Flücht'gen und bestürmt den Dränger. |
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Nun kämpft das Paar der Helden, kühn und kräftig, Kampf, wie nicht Ida, wie nicht Xanthus sah. Auch andern Orts, im Fußgefecht geschäftig, Stehn Muleaß und Balduin kämpfend da; Indes der andern Reiter Schlacht gleich heftig Am obern Ende glüht, dem Hügel nah, Dort, wo der Heidenfeldherr selber streitet, Von jenem mächt'gen Heldenpaar begleitet. |
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Der Scharen Lenker und ein Robert hauen Im Zweikampf sich und halten gleich das Feld; Dem andern hat Adrast den Helm zerhauen Und auch die Wehr gespalten und zerspellt. Doch Tissaphern kann keinen Gegner schauen, Den er besondern Kampfs für würdig hält; Allein er streift umher im dichtsten Kreise Und tötet viel' und auf verschiedne Weise. |
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So kämpft man; und die Wage gleich geschwungen Schwebt zwischen Furcht und Hoffnung hin und her. Das Feld ist voll von Lanzen, die zersprungen, Von halben Schilden und zerbrochner Wehr; Von Schwertern, die in Brust und Bauch gedrungen, Und andern Schwertern, hingestreut umher; Von Leiber, rücklings die, vornüber jene, Als bissen in den Boden noch die Zähne. |
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Hier liegt das Kampfroß und sein Herr daneben; Hier liegt der Freund bei seinem Freund erblaßt, Der Feind beim Feind; und oft sind, die noch leben, Der Toten, Sieger der Besiegten Last, Kein Schweigen ist, kein deutlich Schrein; doch schweben Dumpfheisre Tön' umher, wild, ohne Rast: Der Kämpferwut Geknirsch, des Zornes Krächzen, Hinsterbender Geseufz, Durchbohrter Aechzen. |
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Die Waffen, kurz vorhin so hell und heiter, Sind jetzt ein finstrer Anblick und voll Graun. Nicht strahlt das Gold, das Eisen blitzt nicht weiter, Nicht lieblich sind die Farben mehr zu schaun. Feldzeichen, Helmbusch, jeder Schmuck der Streiter Liegt jetzt zertreten auf des Kampfes Aun. Was Blut verschont, bedeckt des Staubes Menge; So wandelt sich das stolze Kampfgepränge. |
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Die Aethiopen, Araber und Neger, Die auf dem linken Flügelende stehn, Ziehn jetzt heran und breiten sich in schräger Schlachtordnung aus, die Feinde zu umgehn. Schon ist von fern durch Schleudrer, Bogenträger Dem Frankenvolk des Abbruchs viel geschehn; Da bricht Rinald hervor mit seinen Rittern, Erdbeben gleich und schrecklichen Gewittern. |
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Bei jener Schar, die Aethiopien sendet, War Assimir von Meroe, kühn und wild; Wo auf dem Rumpf der schwarze Hals sich wendet, Trifft ihn Rinald und wirft ihn aufs Gefild. Und da, nachdem der erste Sieg vollendet, Des Siegers Brust von Blut- und Mordgier schwillt, Vollbringt er Thaten jetzt im Kampfesfeuer, Unglaublich, schauderhaft und ungeheuer. |
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Mehr Tod' als Hiebe gibt er, und der Regen Der mächt'gen Streiche fällt doch häufig g'nug. Die Schlange scheint drei Zungen zu bewegen, So seltsam täuscht der einen schneller Flug: Und so auch sieht das bange Volk drei Degen In seiner raschen Hand durch gleichen Trug. Die Schnelle muß dem Blick die Wahrheit rauben, Und die Bestürzung schafft dem Wunder Glauben. |
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56. |
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Die Negerfürsten, die aus Libyens Reichen, Wirft er dahin, den in des andern Blut. Auf andre haun die Ritter ein und weichen Dem edeln Führer nicht an wilder Glut. Mit großer Schmach fällt unter ihren Streichen Das Heidenvolk, das nichts zur Abwehr thut. Kein Kampf ist dies, nur Mord und Niederlage; Denn dort gebraucht man Stahl, hier Schrei und Klage. |
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57. |
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Nicht lang' empfangen sie am edlern Teile Die Wunden noch, und zeigen ihr Gesicht. Die Scharen fliehn, und Furcht treibt sie zur Eile, Daß alles wild aus Reihn und Gliedern bricht. Allein Rinald verfolgt sie sonder Weile, Und eh' sie ganz versprengt sind, ruht er nicht. Dann aber sammelt sich der rasche Sieger, Der minder wild ist gegen flücht'ge Krieger. |
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58. |
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Gleichwie der Wind, erzürnt vom Widerstande Des Waldes oder Bergs, sein Toben mehrt, Allein hernach die offnen, ebnen Lande Mit sanfterm und gelinderm Hauch durchfährt; Und wie das Meer aufschäumt am Felsenstrande, Doch stiller fließt, wo nichts den Fluten wehrt: So mildert sich Rinaldos Wut und schwindet, Je minder starken Widerstand sie findet. |
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59. |
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Auf fliehnde Rücken in vergebnem Streite Glaubt er den edlen Zorn zu schlecht verwandt. Er wirft sich auf das Fußvolk, dem zur Seite Vorhin der Araber und Libyer stand. Nun ist's entblößt; tot oder in der Weite Ist alles schon, was ihm zum Schutz gesandt: Und plötzlich fällt die Ritterschar der Franken Mit Ungestüm dem Fußvolk in die Flanken. |
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60. |
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Sie bricht die Lanzen, räumt im schnellen Ritte Die Hemmung fort und dringt ins Feindesheer, Zersprengt und wirft es; mit so wildem Schritte Fährt über schwanke Saat kein Sturm daher. Ein Estrich pflastert sich mit blut'gem Kitte Aus Gliederstümpfen und zerbrochner Wehr; Und ohne Säumen sprengen Roß und Reiter Im Flug darüber hin und stürmen weiter. |
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61. |
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Rinald erscheint, wo auf dem goldnen Wagen Armida steht in kriegerischer Tracht, Wo des Gefolges Ritter sie umragen, Zusamt der Buhlen Schar als Edelwacht. Sie kennt ihn gleich, und ihre Blicke sagen, Wie Rachgier bald, bald Sehnsucht sie durchfacht. Er wandelt sich ein wenig im Gesichte, Sie wird wie Eis, dann flammt sie gleich dem Lichte. |
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62. |
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Der Ritter sucht den Wagen zu vermeiden Und eilt vorüber in geschäft'ger Hast; Doch ohne Kampf läßt ihn der Bund nicht scheiden, Der einig ihn als Nebenbuhler haßt. Hier drohen Lanzen ihm, dort Schwerterschneiden; Armida selbst hat schon den Pfeil gefaßt. Zorn treibt die Hand zu grausam heft'gem Walten, Doch Liebe fleht und will zurück sie halten. |
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63. |
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Die Liebe wagt's, dem Zorn zu widerstreben, Und offenbart den still verborgnen Brand. Dreimal will sich der Arm zum Bogen heben, Und dreimal sinkt die eingehaltne Hand. Doch siegt der Zorn; sie spannt nicht ohne Beben Den Bogen jetzt, der Pfeil wird abgesandt. Er fliegt hinweg, doch aus der tiefsten Seele Mit ihm der Wunsch, daß er sein Ziel verfehle. |
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64. |
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Sie wünscht zurück den Pfeil; sie wünscht, es fliege Das stechende Geschoß in ihre Brust. O was vermöchte nicht die Lieb' im Siege, Vermag sie schon so viel selbst im Verlust? Doch sie bereut den Wunsch; im innern Kriege, Der sie entzweit, siegt nun der Rache Lust. So bebt sie bald, bald hofft sie vom Geschicke, Es treff' ihr Pfeil, und folgt ihm mit dem Blicke. |
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65. |
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Doch nicht vergeblich war der Schuß zum Teile; Er fehlt Rinaldos harten Panzer nicht, Wohl viel zu hart dem schwachen Frauenpfeile, Der, statt zu stechen, dort die Spitze bricht. Der Ritter wendet sich; sie hält die Eile Für bittern Hohn; und nun auf Rach' erpicht Schießt sie noch oft und kann ihn nicht verwunden; Und wann sie schießt, versetzt ihr Amor Wunden. |
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Ist, sprach sie, dieser Mann so undurchdringlich, Daß jede Feindesmacht ihm dient zum Scherz? Sind alle Glieder ihm so unbezwinglich Durch Jaspishärte, wie sein fühllos Herz? Ihn zu verletzen ist gleich unerschwinglich Dem Blick, dem Pfeil; ihn panzert dreifach Erz. Bewehrt und wehrlos muß ich ihm erliegen, Gleich sehr verhöhnt im Lieben wie im Kriegen. |
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Und welche neue Kunst ist mir noch offen? Welch neue Form der Wandlung bleibt mir mehr? Unglückliche! nichts weiter darf ich hoffen Von meinen Rittern, denn mir scheint, vielmehr Ich seh' es deutlich jetzt, an diesem Schroffen Zerschellt ohnmächtig jede Kraft und Wehr. – Wohl sah sie, daß die Ritter teils erschlagen, Teils hingestürzt, besiegt zu Boden lagen. |
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68. |
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Sie kann allein sich keinen Schutz verschaffen Und glaubt gefangen, Sklavin sich zu schaun. Nicht auf Dianens, auf Minervens Waffen, Auf Bogen nicht noch Speer hat sie Vertraun. Wie der erschrockne Schwan mit bangem Gaffen Dem Adler folgt und seinen scharfen Klaun, Sich niederduckt und läßt die Flügel hangen, So zeigt jetzt jegliche Gebärd' ihr Bangen. |
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Doch König Altamor, der seine Scharen, Der Perser Haufen, die schon im Beginn Zurückzuweichen, ja, zu fliehen waren, Mühsam allein gehalten bis dahin, Sieht kaum Armidens drohende Gefahren, So eilt er rennend, fliegend zu ihr hin, Ohn' erst um Ehr' und Volk sich zu bekümmern; Mag, rettet er nur sie, die Welt zertrümmern. |
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70. |
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Er stellt sich selbst vor den entblößten Wagen Und macht ihm freie Bahn mit seinem Schwert; Da kommen Gottfried und Rinald und jagen Und töten seine Schar fast unverwehrt. Der Unglücksel'ge sieht's und kann's ertragen, Denn mehr ist Lieb' als Führersorg' ihm wert. Er sichert jene; dann, zu spät besonnen, Kehrt er zurück und sieht sein Volk zerronnen. |
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71. |
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Denn unherstellbar ist auf dieser Seite Der Heiden Heer geschlagen und zersprengt. Doch auf der andern sind in Feldesweite Die Unsern fortgejagt und hart bedrängt. Der eine Robert, schwer verletzt im Streite, Entgeht mit Not der Schar, die ihn umfängt; Den andern nahm Adrast. So ähnlich waren Verlust noch und Gewinn für beide Scharen. |
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72. |
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Allein Bouillon macht sich die Zeit zu gute, Schart wieder seine Reihn und führt zur Schlacht Sie schnell zurück mit neubelebtem Mute; Zwei ganze Flügel treffen sich mit Macht. Gefärbt ist jeder schon mit Feindesblute, Geschmückt ist jeder mit Trophäenpracht, Und Sieg und Ruhm begleiten beider Schritte; Fortuna, Mars stehn zweifelnd in der Mitte. |
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Indessen hier mit wechselndem Gewinne Der Heid' und Christ sich wagt in blut'gem Spiel, Steigt Soliman auf seiner Turmes Zinne Und schaut von dort nach einem fernen Ziel, Schaut, wie auf Bühnen, mit geschärftem Sinne Des Menschenlebens wildes Trauerspiel: Tod und Verwüstung unaufhörlich rege Und des Geschicks, des Zufalls große Schläge. |
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74. |
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Er steht betäubt und mit erstauntem Gaffen Beim ersten Blick; doch bald erwacht die Wut. Um gleiche Thaten kühn und groß zu schaffen, Strebt nach dem Felde der Gefahr sein Mut. Er zaudert nicht; schon ist er ganz in Waffen, Ergreift den Helm und ruft voll mächt'ger Glut: Auf, Krieger, auf! Noch zögern ist Verderben; Heut ist die Losung: Siegen oder Sterben! |
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Sei's, daß vielleicht des Himmels wundergleiche Vorsehung solche Wut ihm angefacht, Damit der Rest vom Palästinerreiche Zertrümmert werd' in dieser einen Schlacht; Sei's, daß ihn jetzt dem nahen Todesstreiche Entgegenführt des eignen Triebes Macht: Er sprengt das Thor im wilden Zorneskrampfe Und stürzt hinaus zu unversehnem Kampfe. |
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Nicht warten will er, bis die Kampfgenossen Ihm Folge thun; er stürmt allein hinaus, Allein auf tausend Feinde dicht geschlossen, Stürzt sich allein in tausendfachen Graus. Doch folgt ihm rasch, von seinem Mut durchflossen, Der andern Schar; selbst Aladin zieht aus. Wer feige war, wer schüchtern, zagt nicht weiter, Spornt Wut auch mehr als Hoffnung die Begleiter. |
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77. |
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Die ersten, die er findet, wirft des kecken Nicäners Schwert, eh' einer sich's versieht; Und er ist so geschwind, sie hinzustrecken, Daß man nicht fallen, nur Gefallne sieht. Vom ersten bis zum letzten läuft der Schrecken, Die Grauenkunde fliegt von Glied zu Glied, So daß die Syrer-Christen schon bei Haufen Aufbrechen im Tumult, wie zum Entlaufen. |
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78. |
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Mit weniger Verwirrung, minderm Grauen Behaupten die Gasconier Platz und Halt, Obwohl sie die Gefahr am nächsten schauen, Zuerst bestehn des jähen Sturms Gewalt. Nie färbten so sich Zähne, so sich Klauen Des Raubgewilds in Lüften oder Wald Mit Blut von Vögeln oder Vieh auf Weiden, Wie jetzt mit ihrem Blut das Schwert des Heiden. |
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79. |
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Heißhungrig, gierig scheint dies Schwert zu hausen, Als fräß' es ihre Glieder, sög' ihr Blut. Auch Aladin, auch seine Leute brausen Auf die Belagrer los mit gleicher Wut. Doch Raimund naht, wo zu der Seinen Grausen Der Sultan tobt; und nicht entweicht sein Mut, Obwohl er bald erkennt die wilde Rechte, Die ihn zum Tod getroffen im Gefechte. |
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80. |
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Doch stürmt er jetzt von neuem ihm entgegen, Doch wird er jetzt wie damals hingestreckt; Sein läst'ges Alter kann den läst'gen Schlägen Nicht widerstehn, womit der Sultan schreckt. Von hundert Schilden und von hundert Degen Wird er auch jetzt bestritten und gedeckt. Doch Soliman glaubt ihn zu leichte Beute, Wenn nicht schon tot, und stürzt auf andre Leute. |
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81. |
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Die Menge fällt er an mit raschen Hieben Und thut viel Großes an beschränktem Ort; Doch sucht er bald von seiner Wut getrieben An andern Orten Stoff zu neuem Mord. So eilt ein Mann, geplagt von Hungers Trieben, Vom kargen Tisch zur reichen Mahlzeit fort, Wie jetzt der Sultan eilt zu größern Kämpfen, Um seine tolle Blutbegier zu dämpfen. |
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82. |
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Wo jüngst beim Sturm die Mauer ward durchschossen, Steigt er hinab und eilt zur großen Schlacht; Doch bleibt die Wut zurück in den Genossen, Und in dem Feind die Furcht, die er entfacht. Vollenden will die eine Schar entschlossen Den großen Sieg, den er nicht ganz vollbracht; Die andre widersteht den wilden Fluten, Doch läßt ihr Widerstand schon Flucht vermuten. |
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83. |
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Allmählich, langsam weicht die Schar der Franken, Doch ganz zersprengt entflieht der Syrer Heer. Sie nahn dem Aufenthalt Tankreds, des kranken, Und ihr Geschrei dringt mächtig zu ihm her. Vom Lager steht er auf, nicht ohne Wanken, Steigt auf des Hauses Höh' und schaut umher, Sieht Raimund hingestreckt, die einen weichen, Die andern fliehn mit allen Schreckenszeichen. |
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84. |
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Nie weicht der Mut aus heldenkräft'gen Seelen, Und kränkelt auch der Leib, er kränkelt nicht; Er scheint vielmehr den wunden Leib zu stählen Und übernimmt des Bluts und Atems Pflicht. Der Ritter eilt, den schwersten Schild zu wählen, Dem blutberaubten Arm ein leicht Gewicht. Den nackten Stahl ergreift des Helden Rechte; Dies ist ihm g'nug, so eilt er zum Gefechte. |
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85. |
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Ihr fliehet fort, ruft er mit lautem Tone, Und lasset euern Herrn als Beute hier? Soll man in Heidentempeln euch zum Hohne Einst seine Waffen schaun als Siegeszier? Geht nach Gasconien und erzählt's dem Sohne; Sagt, wo der Vater starb, da flohet ihr. Er ruft's, und dem bewehrten, kräft'gen Heere Gibt er die nackte, kranke Brust zur Wehre; |
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86. |
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Und mit dem schweren Schilde, der aus sieben Stierhäuten von der stärksten Wucht besteht, Dem eine Deck', aus feinem Stahl getrieben, Zu besserm Schutz noch um den Rücken geht, Bewahrt er Raimund vor der Schwerter Hieben, Der Pfeile Drang und allem Kriegsgerät, Treibt mit dem Schwert die Feinde von dem Matten Und läßt ihn sicher ruhen wie im Schatten. |
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87. |
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Aufatmend bald erhebt der Greis sich wieder, Da ihn Tankred so treu in Obhut nahm, Und doppelt Feuer strömt durch seine Glieder; Zorn brennt im Herzen, im Gesichte Scham. Sein glühend Auge rollt er auf und nieder Nach ihm, von dem er jenen Hieb bekam; Doch ihn nicht schauend, eilt er, für des Frechen Verwegne That am Volke sich zu rächen. |
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88. |
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Rasch folgt der Franken Schar nicht weichend länger Dem Führer nach, den Rachbegier durchmannt. Das Volk, vorhin so keck, zeigt schon sich bänger; Mut kehrt zurück, wo Schrecken sich befand. Der Dränger flieht, der Flüchtling wird zum Dränger: So plötzlich wandelt sich der Dinge Stand; Und Raimund, wie ihm Ehr' und Pflicht geboten, Tilgt jetzt die eine Schmach mit hundert Toten. |
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89. |
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Der Graf, der an des Feindes größten Mannen Zu lüften sucht der Scham, des Zornes Glut, Wird jetzt gewahr des edeln Reichs Tyrannen, Der vorne kämpft, und greift ihn an voll Mut, Trifft seine Stirn und weichet nicht von dannen, Haut und haut wieder mit vermehrter Wut. Der König stürzt und beißt im Todesgrauen Laut heulend in die einst beherrschten Auen. |
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90. |
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Fern ist der Sultan, Aladin erschlagen, Und ihre Mannschaft folgt verschiedner Wahl: Die einen jetzt gleich wüt'gen Tigern jagen Die Brust verzweifelnd in des Feindes Stahl; Die andern suchen wie betäubt vom Zagen Im hohen Turme Schutz zum zweitenmal. Doch mit den Flücht'gen drängt sich mutentglommen Der Sieger ein und macht den Sieg vollkommen. |
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91. |
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So fällt die Burg, und teils wird auf den Stiegen, Teils unten schon der Flüchtling umgebracht. Indes hat Raimund, der die Zinn' erstiegen, Des Kreuzpanier mit sich hinauf gebracht Und läßt's im Wind' als Siegeszeichen fliegen, Im Angesicht der großen Völkerschlacht. Doch Soliman sieht nicht das Siegsgepränge, Er ist schon fern und mischt sich ins Gedränge. |
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92. |
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Schon ist das Feld bedeckt mit rotem Schaume, Ein See von Blut, der immer um sich greift; Schon herrscht der Tod allein im weiten Raume, Den er mit stolzem Siegerschritt durchstreift. Der Sultan sieht ein Roß mit freiem Zaume, Das ohne Herrn umher im Felde schweift; Er faßt den Zügel, schwingt sich auf den Rücken Und eilt, den Sporn ihm in den Leib zu drücken. |
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93. |
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Groß ist, doch kurz, die Hilfe, die den Seinen, Schon ganz Verzagten, Soliman gewährt; Groß, doch nur kurz, so wie des Strahls Erscheinen, Der schnell, so wie er kam, vorüber fährt, Allein von dessen Lauf in Felsensteinen, Die er zerschlug, ein ewig Denkmal währt. Viel hundert tötet er; doch soll von allen Nur eines Paars Gedächtnis nicht verhallen. |
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94. |
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Gildipp' und Odoard, von euern schönen, Erhabnen Thaten, euerm herben Leid Soll einst der Ruf bei fernen Völkern tönen, Dringt mein toscanischer Gesang so weit. Euch soll der Ruhm der fernsten Tage krönen Als Wunderbild der Lieb' und Tapferkeit, Und manches treue Herz mit seinen Zähren Einst euern Tod und meine Leier ehren! |
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95. |
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Die Heldin hat ihr Roß dahin getrieben, Wo jener Wütrich tobt im Schlachtgefild, Und trifft mit zwei gewalt'gen graden Hieben Ihn in die Seit' und schmettert seinen Schild. Er kennt die Tracht: Seht doch mit ihrem Lieben Die Dirne dort! so ruft er frech und wild; Dir frommte mehr die Nadel samt der Spule, Als zur Verteid'gung hier dein Schwert und Buhle! |
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96. |
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Er schweigt, und mehr als je von Wut durchgoren Haut er nach ihr, der furchtbar wilde Feind. Sein Eisen wagt's, den Busen zu durchbohren, Der nur des Pfeils der Liebe würdig scheint. Schon hat sie aus der Hand den Zaum verloren Und schmachtet hin, wie wer zu sterben meint. Der arme Gatte sieht's vor Schrecken schaudernd, Ein unglücksel'ger Helfer, doch nicht zaudernd. |
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97. |
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Was thun im großen Fall? Nach zweien Seiten Ziehn gleicherweis' ihn Zorn und Mitleid fort: Dies will, daß er die Teure halt' im Gleiten, Der, daß er räche der Geliebten Mord. Die Lieb',. im Mittel, strebt ihn zu verleiten, Hier sie zu halten, sie zu rächen dort. So stützt er mit der linken Hand die Schwache, Die andre dient als Werkzeug seiner Rache. |
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98. |
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Geteilte Kraft, geteilter Wille nützen Ihm wenig wider den gewalt'gen Mann; So daß er nun nicht die Geliebte schützen, Noch den, der sie erschlug, bestrafen kann. Den Arm, bestimmt, das teure Weib zu stützen, Haut ihm vom Rumpf der wilde Soliman. Er läßt sie fallen; auch er selbst sinkt nieder Und drückt mit seinen Gliedern ihre Glieder. |
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99. |
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Gleich einem Ulmbaum, den die Reb' umklettert, Heiß ihn umschlingend, mit der Liebe Kraft, Der umgehaun vom Beil, vom Blitz zerschmettert Die zarte Freundin mit zu Boden rafft Und selbst des grünen Schmuckes sie entblättert, Ausdrückend ihrer Trauben süßen Saft, Und mehr zu trauern scheint um ihr Verderben, Als um des eignen Stamms gewisses Sterben: |
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100. |
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So sinkt der Held, nur sie allein beklagend, Die ihm der Himmel gab zu ew'gem Bund. Sie möchten reden; doch, das Wort versagend, Stöhnt nur noch Seufzer der gebrochne Mund. Sie schaun sich an, fest umeinander schlagend Die treuen Arm', obwohl zerhaun und wund. Zugleich sehn beide sich den Tag verhehlen, Und miteinander fliehn die frommen Seelen. |
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101. |
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Nun löst der Ruf die Zungen und die Schwingen Und macht sogleich den harten Fall bekannt. Bald muß die Kunde zum Rinaldo dringen, Auch wird deshalb ein Bot' an ihn gesandt. Wohlwollen, Ingrimm, Schmerz und Eifer bringen Des Helden Rachbegier in hellen Brand. Er sprengt hinzu; doch nahe dem Verhaßten Sieht er den Weg verrammelt durch Adrasten. |
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102. |
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Der wilde König schreit: An allen Zeichen Seh' ich, du bist's, nach dem ich längst gestöhnt. Nie hört' ich auf, die Schilde zu vergleichen, Stets ist dein Nam' aus meinem Mund ertönt; Nun will ich eher nicht vom Platze weichen, Als bis dein Haupt der Götter Zorn versöhnt. Hier zeig' es sich, wer stärker sei, wer schwächer, Du, Feind Armidens, oder ich, ihr Rächer. |
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103. |
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So ruft Adrast und haut mit mächt'gen Schlägen Erst auf die Schläf' und in den Nacken dann. Zwar widersteht der heil'ge Helm dem Degen, Doch wohl erschüttert wird der tapfre Mann. Nun gibt Rinald ihm einen Hieb dagegen, Den selbst Apollos Kunst nicht heilen kann. So wird der ungeheure Held zur Leiche, Und dieser Ruhm gebührt nur einem Streiche. |
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104. |
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Bei allen, die das Heldenpaar umstehen, Erstarrt vor Schreck und Staunen Herz und Blut; Und Soliman, der diesen Schlag gesehen, Wird blaß im Antlitz und verliert den Mut. Er glaubt den eignen Tod voraus zu spähen, Entschließt sich nicht und weiß nicht, was er thut. Wohl ungewohnt bei ihm; doch was hienieden Wird nicht durch ewiges Gesetz entschieden? |
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105. |
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Wie böse Träume manchmal den erschrecken, Der krank von Leib ist oder von Gemüt, Daß er zum Lauf die Glieder sucht zu strecken Und fruchtlos sich bestrebt, von Angst durchglüht, Weil weder Hand noch matter Fuß vollstrecken, Was er gebeut, wie sehr er sich bemüht; Auch löst er wohl die Zung' und möchte sprechen Und kann es nicht, weil Stimm' und Wort gebrechen: |
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106. |
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So mahnt den Sultan jetzt die innre Stimme Zum Angriff auf, so zwingt er sich zur Schlacht; Doch kennt er nichts in sich vom alten Grimme, Noch kennt er sich an der geschwundnen Macht. Wie mancher Funken Muts in ihm entglimme, Sie alle hüllt ein heimlich Graun in Nacht. Doch was auch für Gefühl' ins Herz ihm schleichen, An Fliehen denkt er nicht und nicht an weichen. |
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107. |
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Unschlüssig weilt er auf derselben Stelle, Bis der Betäubung ihn Rinald entreißt, Der, wie ihm deucht, an Größe, Wut und Schnelle Weit alles übertrifft, was sterblich heißt. Er kämpft nur schwach; doch auf des Todes Schwelle Legt er nicht ab den heldenmüt'gen Geist, Flieht keinen Hieb, läßt keinen Seufzer steigen Und hört nicht auf, sich stolz und groß zu zeigen. |
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108. |
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Als Soliman, der dem Antäus gleichend Im langen Krieg' oft fiel und immer drauf Furchtbarer sich erhob, nun sank erbleichend Zu ew'ger Rast: da eilt des Rufes Lauf. Das Glück, unstät bisher im Felde streichend, Hält länger nicht des Siegs Entscheidung auf; Es hemmt die Kreise, fügt sich ohne Schwanken Zu Gottfrieds Heer und streitet für die Franken. |
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109. |
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Der Nerv des Morgenlandes, die Genossen Der Königsschar fliehn, wie die andern flohn. Einst hießen sie unsterblich; doch beschlossen Ist ihr Verderb, dem Titelprunk zum Hohn. Des Fahnenträgers Flucht hemmt jetzt entschlossen Fürst Emiren und spricht in bitterm Ton: Bist du's, den ich vor tausend tüchtig glaubte, Daß er das Banner meines Herrn behaupte? |
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110. |
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Wählt' ich dich, Rimedon, zu solcher Ehre, Um rückwärts es zu tragen aus den Reihn? Du, Feiger, siehst den Feldherrn mit dem Heere Des Feinds im Kampf und lässest ihn allein? Was suchst du? Rettung? Nun wohlan, so kehre Mit mir zurück; dort harrt Verderben dein. Wer Rettung will, der kämpfe, der verweile; Der Ehre Bahn ist einz'ge Bahn zum Heile. |
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111. |
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Voll Scham kehrt jener um, indes mit Strenge Der Fürst die andern aufzuhalten strebt. Hier droht er, haut dort ein und treibt die Menge Dem Schwerte zu, die vor dem Schwerte bebt. So führt er noch einmal ins Kampfgedränge Die beßre Schar, von Hoffnung neu belebt; Und es bestärkt sie Tissaphern vor allen, Dem kein Gedank' an Flucht noch eingefallen. |
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112. |
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Schon wirkte Tissaphern der Wunder viele: Die Normannschar hatt' er durchaus gesprengt, Die Flandrer hart geplagt im blut'gen Spiele, Dem Gernier, Rüd'ger, Gerhard Tod verhängt. Nachdem er so durch Thaten bis zum Ziele Des ew'gen Ruhms dies kurze Sein verlängt – Als acht' er's klein, des Lebens noch zu wahren – Sucht er die größte nun der Schlachtgefahren. |
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113. |
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Er sieht Rinald; und sind die himmelblauen, Einst hellen Farben jetzt auch rot von Blut, Sind blutbefleckt der Schnabel und die Klauen Des Adlers jetzt: er kennt die Zeichen gut. Hier, ruft er, läßt die Hauptgefahr sich schauen; Hier fleh' ich, Himmel, stütze meinen Mut Und laß ersehnte Rach' Armiden sehen! Sieg' ich, o Mahom: dein sind die Trophäen! |
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114. |
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Vergeblich fleht er mit so heißem Triebe, Weil ihm der taube Gott sein Ohr nicht leiht. Dem Löwen gleich, der durch des Schweifes Hiebe Zu wecken sucht die alte Grausamkeit, Wetzt dieser seinen Haß am Stein der Liebe, Befeuert sich an ihrer Glut zum Streit. Er zieht sich ein und sammelt seine Stärke Und spornt sein Roß zum großen Waffenwerke. |
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115. |
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Rasch kam nun auch Rinald herangeritten, Da er die Absicht Tissapherns erkannt. Das Volk macht' ihnen Platz in seiner Mitten, Den Blick zum wilden Schauspiel hingewandt. Der Held Italiens und der Heide stritten Mit solcher Kunst, mit so gewalt'ger Hand, Daß jeder vor Bewundrung dieser beiden Den eignen Groll vergaß, die eignen Leiden. |
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116. |
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Doch dieser haut nur, jener nur haut Wunden, Denn er ist kräft'ger, stärker seine Wehr. Schon ist dem Tissaphern der Schild entwunden, Der Helm zerhaun; sein Blut strömt weit umher. Armida sieht des Heiden Kraft geschwunden Und seine Glieder fast schon waffenleer, Sieht auch die andern so von Furcht gepeinigt, Daß nur ein schwaches Band sie noch vereinigt. |
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117. |
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Einst in der Schar so vieler Krieger ragend, Bleibt sie auf ihrem Wagen jetzt allein. Verzweiflungsvoll, dem Sieg, der Rach' entsagend Bebt sie vor Sklaverei und haßt das Sein. Ab steigt sie und halb wütend und halb zagend Besteigt sie schnell ein Roß und sprengt feldein. Sie eilt und flieht; doch bleiben zum Geleite, Windhunden gleich, ihr Lieb' und Zorn zur Seite. |
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118. |
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So floh Kleopatra vor grauen Jahren Allein hinweg aus der gewalt'gen Schlacht Und ließ den Treuen in des Meers Gefahren, Im Antlitz von Augusts beglückter Macht. Er folgt' ihr rasch, der Liebe zu willfahren, Die ihn zum Feinde seiner selbst gemacht; So folgt' auch Tissaphern Armidens Schritten, Hätt' ihm Rinald den Weg nicht abgeschnitten. |
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119. |
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Dem Unglücksel'gen scheint, als er Armiden Entfliehen sieht, zu schwinden Sonn' und Licht. Er stürzt auf den, der ihn von ihr geschieden, Und trifft sein Haupt mit seines Schwerts Gesicht. Um Jupiters gezackten Blitz zu schmieden, Fällt Brontes Hammer mächt'ger, schwerer nicht. Rinalden fährt der Schlag durch alle Glieder Und drückt sein Haupt bis auf die Brust hernieder. |
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120. |
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Doch er erhebt sich schnell, und gleich dem Blitze Schwingt er den Stahl, durchbohrt den Panzer bald, Stößt durch die Ripp' und senkt die scharfe Spitze Ihm tief ins Herz, des Lebens Aufenthalt. Sie dringt so tief, daß aus zwiefacher Ritze Dem Rücken und der Brust sein Blut entwallt, Und daß sein Geist, der sich dem Leib entwindet, Schon mehr als einen Weg zum Scheiden findet. |
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121. |
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Nun hemmt Rinald den Zügel, um zu schauen, Wo Angriff oder Hilfe nötig thut; Doch nirgend steht der Heid', und auf den Auen Liegt jedes Feindpanier befleckt mit Blut. Er setzt dem Morden Ziel, und zu erlauen Scheint nun in ihm die kriegerische Glut. Sein Sinn wird sanft, und nun gedenkt er herzlich Der Schönen, die entfloh einsam und schmerzlich. |
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122. |
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Er sah sie fliehn; zu ihrem Schutz verpflichtet Des Mitleids ihn und Edelmuts Gebot. Er denkt des Bunds, den er mit ihr errichtet, Ihr Ritter stets zu sein in Glück und Not. Rasch folgt er ihr, den Lauf dahin gerichtet, Wo ihres Zelters Spur ihm Merkmal bot. Sie kam indes zu einem dunkeln Grunde, Wie ausgesucht zur stillen Todesstunde. |
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123. |
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Dem Zufall sagt sie Dank, der so gewogen Sie in dies öde Schattenthal gebracht, Steigt ab vom Roß, legt nieder Pfeil und Bogen Und spricht, nachdem sie wehrlos sich gemacht: Unsel'ge Waffen, die ihr mich betrogen! Beschämt, unblutig kommt ihr aus der Schlacht. Ich leg' euch endlich ab; hier bleibt begraben, Zu feig, um meiner Rache Durst zu laben. |
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124. |
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Doch soll nicht einem heut ein Sieg gelingen, Nicht einem Pfeil in dieser ganzen Schar? Wohl mögt ihr eines Weibes Brust durchdringen, Wenn jede sonst euch Stahl und Demant war. Hier ist Triumph und Ruhm noch zu erringen, Ich biet' entblößt euch meinen Busen dar. O Amor weiß, wie leicht er zu verwunden, Er, dessen Pfeil ihn nie zu hart gefunden! |
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125. |
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Seid stark und scharf, das Herz mir zu durchbohren, Soll ich die vor'ge Feigheit euch verzeihn. – Armida, weh! Bin ich so ganz verloren? Bleibt mir zur Rettung nichts als ihr allein? Nein! Alles hat sich gegen mich verschworen; Nur Wunden heilen meiner Wunde Pein. Des Pfeiles Schmerz treib' aus der Liebe Schmerzen, Und Tod sei Arzenei dem kranken Herzen! |
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126. |
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Wohl mir, folgt diese Pest mir im Erbleichen, Die Hölle zu vergiften, nicht hinab! Die Liebe soll, doch nie der Haß entweichen; Er folge meinem Schatten bis ins Grab, Steig auf mit ihm aus jenen dunkeln Reichen Zu dem empor, der diese Schmach mir gab, Und quäl' ihn so in Nächten voll Entsetzen, Daß Schlaf und Ruhe nimmermehr ihn letzen! |
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127. |
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Armida schweigt und wählt von den Geschossen Den schärfsten Pfeil nach fest bestimmtem Rat. Da kommt Rinald und sieht, wie kühn entschlossen Sie der Entscheidung ihres Loses naht, Mit Todesbläss' im Antlitz übergossen Und schon bereit zur grausenvollen That. Er stürzt von hinten zu und faßt in Eile Den Arm, schon ausgestreckt mit scharfem Pfeile. |
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128. |
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Sich wendend muß sie plötzlich ihn erblicken, Denn sie vernahm sein Kommen nicht zuvor. Laut schreit sie auf und kehrt den teuren Blicken Sich zürnend ab; die Sinn' umhüllt ein Flor. Der Blume gleich, wann Stürme sie zerknicken, Sinkt sie dahin; doch er hält sie empor, Stützt mit dem einen Arm die schönen Glieder Und löst indes am Busen ihr das Mieder; |
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129. |
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Und netzt mit Thränen, warm hervorgegangen, Die schöne Brust, das reizende Gesicht. So wie beim Silbertau mit neuem Prangen Die bleiche Ros' erblüht im Morgenlicht, Hob sie erwacht die hingesenkten Wangen, Von Zähren feucht, doch von den ihren nicht; Dreimal den Blick erhebend, dreimal neigend, Und dem Geliebten nicht ihr Auge zeigend. |
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130. |
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Den starken Arm, der sich ihr aufgedrungen, Stieß sie verschmähend weg mit schwacher Hand. Mehrmals versucht, blieb's dennoch ungelungen, Weil er nur fest und fester sie umwand. Doch endlich nun, von Fesseln dicht umschlungen, Die sie im Ernst vielleicht nicht grausam fand, Begann Armida unter Thränenbächen Mit abgewandtem Blick zu ihm zu sprechen: |
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131. |
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O du, im Wiederkehren wie im Scheiden Gleich grausam, sprich, was hat dich hergebracht? Wohl unerhört! Du wendest mein Verscheiden? Mein Mörder ist's, der für mein Leben wacht? Du willst mich retten? Ha! welch neues Leiden, Welch neue Schmach hast du mir zugedacht? Wohl kenn' ich sie, die Künste voll Verderben; Doch nichts vermag, wer nicht vermag zu sterben. |
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132. |
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Gewiß, dein Ruhm verliert, kannst du Armiden, Ergriffen jetzt, vorhin getäuscht mit Hohn, Nicht an den Wagen des Triumphes schmieden; Das ist dein schöner Prunk, dein höchster Lohn. Einst fleht' ich dich um Leben und um Frieden; Jetzt wäre mir der Tod erfreulich schon. Doch nicht von deiner Hand; denn jede Labe Wird mir verhaßt, kommt sie als deine Gabe. |
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133. |
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Nein! durch mich selber noch mich zu entraffen Dem Drohen deiner Wut, ist mir nicht bang. Und fehlen der Gefangnen Gift und Waffen, Fehlt ihr ein Seil, ein jäher Felsenhang: Doch weiß ich Mittel, mir den Tod zu schaffen – Dem Himmel Preis! – trotz allem deinen Zwang. Hör auf mit Schmeichelein! Noch will er trügen! Will noch dem Wahn der kranken Hoffnung lügen! |
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134. |
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Sie schweigt; und mit der Quelle, die im Drängen Von Lieb' und Zorn dem schönen Aug' entsprüht, Läßt er den heißen Thränenbach sich mengen, In dessen Flut ein züchtig Mitleid glüht. Armida, hebt er an in sanften Klängen, Besänft'ge nun dein aufgeregt Gemüt. Dein Freund und Ritter bin ich noch wie immer; Dein harrt nicht Schmach, vielmehr des Thrones Schimmer. |
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135. |
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In meinem Blick lies meines Eifers Treue, Willst du auch meinen Worten nicht vertraun. Empfange meinen Schwur! Ich will aufs neue Der Väter alten Thron dir auferbaun. Und, o! ein Strahl aus jenen Höhn zerstreue Vor deinem Blick des Heidentumes Graun: Wie sollte dann in allen Morgenreichen An königlichem Glück dir keine gleichen! |
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136. |
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So redet er und fleht mit mildem Drange, Und Thränen, Seufzer mischen sich zum Flehn. Und wie der Schnee am steilen Bergeshange, Wann Sonne glüht und laue Lüfte wehn, Hält nun der festgeglaubte Zorn nicht lange, Und nur die andern Triebe bleiben stehn. Sieh, spricht sie, deine Magd; mir ihr verfüge, Wie dir's gefällt, dein Wink ist ihr Genüge. |
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137. |
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Indes sieht Emiren nach heißem Tage Sein königlich Panier dahingestreckt, Und Rimedon von einem einz'gen Schlage Hinabgestürzt, den Gottfrieds Arm vollstreckt. Er sieht der Seinen Tod und Niederlage, Und sucht, auch jetzt von Feigheit unbefleckt, Nur von erlauchter Hand – und nicht vergebens – Ein ruhmgekröntes Ziel des großen Lebens. |
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138. |
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Den Renner spornt er nun Bouillon entgegen – Denn würd'gern Feind zeigt nirgend ihm die Schlacht – Und übt, indem er naht, auf allen Wegen Verzweiflungsvollen Mutes letzte Macht. Noch eh' er ihn erreicht, ruft er verwegen: Von deiner Hand sei mir der Tod gebracht! Doch streben will ich, wenn ich fall' und sterbe, Daß dich mein Sturz ergreif' und mit verderbe. |
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139. |
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So spricht der kühne Held und säumt nicht lange, Und beide stürmen aufeinander los. Durchbohrt wird Gottfrieds Schild im Gegendrange, Sein linker Arm verletzt vom heft'gen Stoß; Er aber trifft des Sarazenen Wange, Und dieser Hieb entscheidet gleich sein Los. Der Heide wankt; noch will er sich erheben, Da raubt ihm schnell ein zweiter Hieb das Leben. |
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140. |
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Nach seinem Tod ist von so großer Menge Nur eine kleine Schar noch unversehrt. Sie jagt Bouillon; da sieht er im Gedränge Den Altamor, der blutig, ohne Pferd, Von großer Schar umringt in harter Enge Mit halber Kling' und halbem Helm sich wehrt. Halt, ruft er seinen Leuten, macht ein Ende! Und du, o Fürst! gib dich in Gottfrieds Hände. |
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141. |
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Wie Altamor, des heldenmüt'ge Seele Stets unbefleckt von niedern Thaten war, Den Namen hört, der aus des Rufes Kehle Von Süd gen Nord ertönet hell und klar, Antwortet er: Ich folge dem Befehle, Du bist es wert – und reicht das Schwert ihm dar. Doch deinem Sieg, das kann ich dir versprechen, Soll's nicht an Ruhm und nicht an Gold gebrechen. |
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142. |
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Dir spendet Persien Gold, die Gattin spendet Dir ihren Schmuck als reiches Lösegeld. Doch Gottfried spricht: Unwürd'ge Goldgier schändet Nicht meine Brust; Dank sei dem Herrn der Welt! Behalte nur, was Indiens Meer dir sendet, Was deines Persien reicher Schoß enthält. Nicht will ich fremdes Blut in Gold verwandeln, Will kriegen nur, nicht tauschen oder handeln. |
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143. |
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Nachdem die Wächter ihn in Hut genommen, Verfolgt Bouillon den Feind mit neuer Glut. Der Heide sucht ins Lager zu entkommen, Doch nichts beschützt ihn vor der Christen Wut. Im Sturm wird die Verschanzung eingenommen; Stromweise rinnt von Zelt zu Zelt das Blut, Besudelt und verderbt in großer Menge Der Sarazenen Schmuck und Wehrgepränge. |
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144. |
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So siegt Bouillon nach langem, hartem Streite; Und da der Tag noch völlig nicht entschwand, Führt er die Sieger in die schon befreite Hochheil'ge Stadt, wo Christi Wohnung stand. Er selber geht an seiner Helden Seite Zum Tempel ein mit blut'gem Kriegsgewand, Hängt hier die Waffen auf als fromme Gabe Und löset sein Gelübd' am heil'gen Grabe. |