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Längst war es Nacht; doch immer noch genossen Die müden Völker weder Schlaf noch Rast; Denn draußen baun die Franken unverdrossen Am Turme fort, auf Angriff stets gefaßt; Und drinnen, wo das Bollwerk von Geschossen Beschädigt ward, da stellt der Heiden Hast Die Mauern her, die fielen oder wanken; Und jeder Teil besorgt und pflegt die Kranken. |
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2. |
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Der Wunden Pfleg' ist endlich nun vollendet, Der größre Teil der Arbeit schon vollbracht; Der Fleiß erschlafft, und dichtre Schatten sendet Zum Schlummer lockend jetzt die stillre Nacht. Die Heldin nur, vom Glanz des Ruhms geblendet, Ruht nicht und lenkt, da jeder Stillstand macht, Auf neue That den ehrbegier'gen Willen. Argant ist bei ihr, und sie spricht im stillen: |
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3. |
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Wohl haben heut mit neuen Ruhmes Prangen Argant und Soliman ihr Haupt geschmückt, Da sie allein ins Feindesheer gegangen Und dort ihm all sein Kriegsgerät zerstückt. Und keinen andern Ruhm konnt' ich erlangen, Als nur von fern, wenn auch nicht unbeglückt, Vom sichern Turm die Pfeile zu versenden; Nur dies, nicht mehr, vergönnt man Weiberhänden? |
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4. |
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Wie besser wär's, im Wald, auf Bergesheiden Mit Pfeil und Spieß dem Wilde nachzugehn, Als, wo der Männer Mut und Arm entscheiden, Hier unter Rittern nur ein Weib zu stehn! Warum nicht auch in Frauentracht mich kleiden? Warum, verdien' ich's, das Gemach verschmähn? Sie spricht's und sinnet nach; und nun entschlossen Zu großem Werk enthüllt sie's dem Genossen: |
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5. |
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Schon lange, Herr, fühl' ich von kühnem Streben Voll fremder, ungewohnter Glut durchfacht Mein ruhlos Herz. Gott hat es eingegeben, Wenn nicht zum Gott der Mensch sein Wollen macht. Sieh dort am Feindeswall die Lichter schweben! Da will ich hin mit Schwert und Feuersmacht Und tilgen jenen Turm. Mir vorbehalten Sei diese That; dann mag der Himmel walten. |
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6. |
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Doch wehrt vielleicht mir meines Schicksals Grauen Die Wiederkehr vom Felde der Gefahr, Dann will ich meine Mädchen dir vertrauen Und einen Mann, der mir ein Vater war. Du sende heim sie nach Aegyptens Auen, Den schwachen Greis, der Weiber bange Schar. O, thu es, Herr, um Gott! Dein ganz Erbarmen Verdient das Alter, das Geschlecht der Armen. |
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7. |
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Argant erstaunt, ihm fährt das Herz zusammen, Von Ehrbegier gestachelt bis zum Krampf: Du, spricht er, wolltest gehn und mich verdammen, Beim Pöbel hier zu weilen ohne Kampf? Ich sollt' in Sicherheit mich an den Flammen Des Turms ergötzen und am fernen Dampf? Nein, nein! War ich im Feld dein Nebenstreiter, Sei auch in Ruhm und Tod ich dein Begleiter. |
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8. |
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Auch mein Herz, glaub', erbanget nicht zu sterben Und hat für Ruhm des Lebens wenig acht. – Des wird ein ew'ges Zeugnis dir erwerben, Erwidert sie, dein Ausfall in der Schlacht. Ich aber bin ein Weib, und mein Verderben Kommt der bedrängten Stadt nicht in Betracht. Doch fielest du – Gott wende solchen Schauer! – Wer bliebe dann zurück zum Schutz der Mauer? |
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9. |
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Der Ritter spricht: Du weigerst meine Bitte, Doch schmeichelst du vergeblich meinem Ohr. Führst du mich an, so folg' ich deinem Schritte; Verschmähst du mich, so eil' ich ihm zuvor. Sie gehn zum Fürsten; in der Weisen Mitte Empfängt er sie, in seiner Helden Chor: Merk' auf, o König, so beginnt Clorinde, Daß unser Wort bei dir Genehmung finde! |
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10. |
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Argant verspricht – und hält es, sei nicht bange! – Des Turms Vernichtung durch der Flammen Glut. Ich gehe mit; wir warten nur so lange, Bis dort die Schar in festerm Schlummer ruht. Der Fürst erhebt die Händ', und von der Wange Rinnt ihm hinab der Freudenthränen Flut: Preis dir, so spricht er, der die Augen wendet Auf seinen Knecht und Schutz dem Reiche sendet! |
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11. |
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Auch fällt es nicht, solange solcher Seelen Starkmüt'ger Beistand nicht vom Throne weicht. Doch welch Geschenk, welch Lob soll ich erwählen, Erhabnes Paar, das deinem Werte gleicht? Des Rufes Mund soll euer Lob erzählen Mit ew'gem Schall, so weit die Erde reicht. Die That ist euer Lohn; zu anderm Lohne Bestimm' ich euch die Hälfte meiner Krone. |
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12. |
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So spricht der greise Fürst und drücket beide Abwechselnd an sein Herz, gerührt und mild. Doch Soliman, entflammt von edlem Neide, Verhehlet nicht, wovon sein Busen schwillt: Auch dieses Schwert dient nicht zum Prunkgeschmeide; Mit geh' ich oder folg' euch in's Gefild. Ha! ruft Clorinde nun, so ziehn wir alle Ins Feld hinaus? Und wer bleibt auf dem Walle? |
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13. |
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So spricht sie; und Argant, von Zorn entglommen, Ist schon zu stolzem Widerspruch geneigt; Doch eilt der König, ihm zuvor zu kommen, Indem er sanft zum Soliman sich neigt: Wohl hast du, edler Held, zu unserm Frommen Dich allemal dir selber gleich gezeigt, Als der, wie düster ihn Gefahr umschattet, Noch nie gebebt und nie im Kampf ermattet. |
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14. |
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Gingst du hinaus, du thätest, darf ich glauben, Kriegsthaten, deiner wert; allein nicht gut Bedünkt es mich, mir alle die zu rauben, Die am berühmtsten sind durch Stärk' und Mut. Auch würd' ich diesen nicht zu gehn erlauben – Denn wert der Schonung ist ihr edles Blut – Wenn minder nützlich sich die That erwiese, Und sie ein andrer könnte thun als diese. |
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15. |
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Denn da der große Turm rings von so dichten Heerscharen wird bewacht, so zeigt sich klar: Mit wenig Volk ist dort nichts auszurichten, Und schädlich ist's, versend' ich große Schar. Drum mögen sie, die sich zur That verpflichten Und oft sich sahn in ähnlicher Gefahr, Nun glücklich ziehn; denn sie allein vermögen Mehr, als wenn tausend in Gemeinschaft zögen. |
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16. |
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Du wart' am Thor – gewähre mir die Bitte – Wie sich's geziemt dem königlichen Rang. Und kehren jene, hoff' ich, aus der Mitte Des Feinds zurück, nachdem die That gelang, Verfolgt vielleicht ein Haufen ihre Schritte, Dann treib ihn ab und nimm sie in Empfang. Als so der eine Fürst den Streit entschieden, Verstummt der andre zwar, doch unzufrieden. |
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Nun spricht Ismen: Soll euer Werk gelingen, So sei's auf spätre Zeit der Nacht verlegt; Ich will von Brennstoff ein Gemisch euch bringen, Das schnell entflammt den Turm in Asche legt. Vielleicht läßt dann vom Schlummer sich bezwingen Ein Teil der Schar, die schützend ihn umhegt. So wird bestimmt, und jeder kehrt in seine Behausung heim, bis daß die Stund' erscheine. |
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Clorinde nimmt nunmehr von Brust und Rücken Die prächt'gen Waffen ab, die sie umfahn, Und schwarze, die nicht Gold noch Federn schmücken – Unsel'ge Vorbedeutung! – legt sie an, Und leichter so die Feinde zu berücken Und unerkannt dem Turme sich zu nahn. Nur der Eunuch Arset ist ihr zur Seite, Der von der Wieg' an ihrem Dienst sich weihte. |
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Und auch als Greis in seinen spätern Jahren Folgt' er mit schwachen Füßen ihrem Schritt. Er merkt am Waffentausche die Gefahren Der ungewissen Bahn, die sie betritt; Und bei in ihrem Dienst ergrauten Haaren, Bei allem, was er für sie that und litt, Beschwört er sie, mit Flehn, durch Angst gesteigert, Dem Vorsatz zu entsagen; doch sie weigert. |
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Ach! spricht er endlich, seh' ich denn mit Zagen, Daß du hartnäckig in dein Unglück rennst Und ohne Rücksicht auf mein Flehn und Klagen, Mein Alter und Verdienst, dich von mir trennst: Wohlan, so will ich jetzt dir Dinge sagen Von deiner Herkunft, die du noch nicht kennst; Dann sei dein Wille, sei mein Rat dir Leiter. Sie hört aufmerksam zu, er redet weiter: |
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Vor Zeiten herrscht' in Aethiopiens Gauen, Vielleicht noch jetzt, glückselig Fürst Senap, Der, wie sein schwarzes Volk, sich mit Vertrauen Dem Glauben an Mariens Sohn ergab. Dort lebt' ich, Heid' und Sklave, bei den Frauen Und gab mich nur mit Weiberarbeit ab, Als Diener bei der Fürstin angenommen, Die schwarz von Farb' ist, doch an Reiz vollkommen. |
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22. |
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Der Gatte glüht für sie, doch unterm Eise Der Eifersucht birgt sich der Liebe Glut. Und solche Macht erringet leis' und leise In der gequälten Brust die tolle Wut, Daß er sie ganz verhehlt dem Männerkreise, Ja, vor dem Himmel möcht' er sie in Hut. Sie, klug und demutsvoll, sucht im Verfügen Des strengen Herrn ihr Heil und ihr Vergnügen. |
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Das Abbild einer heiligen Geschichte Dient' ihrem Wohngemach zur frommen Zier: Ein Mädchen, weiß und rot von Angesichte, Gefesselt bei dem Drachen, sieht man hier, Indes ein Ritter mit des Speers Gewichte Bekämpft und tötet das gewalt'ge Tier. Hier warf sie oft sich nieder im Gebete, Bekannte stillen Fehl und weint' und flehte. |
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Sie kam indes in Schwangerschaft und brachte Ein weißes Kind zur Welt; dies warest du. Die fremde Farbe, dir ihr Grauen machte – Ein seltsam Wunder – raubt' ihr alle Ruh'. Des Gatten Wut, die sie voll Angst bedachte, Wies die Verhehlung der Geburt ihr zu; Denn aus dem reinen Weiß an deinem Leibe Schlöss' er befleckte Treu' bei seinem Weibe. |
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Vorzeigen will sie ihrem Ehgenossen Ein schwarzes Kind, das jetzt geboren war. Und da den Turm, in den sie eingeschlossen, Nur ich bewohnt' und ihrer Frauen Schar, Da sie mich kannt' als treu und unverdrossen, So reichte sie dich ungetauft mir dar. Dich gleich zu taufen war sie nicht imstande; Denn dies verbeut die Sitte dort im Lande. |
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26. |
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Sie gab dich weinend mir, dich zu ernähren Und aufzuziehn, entfernt von jenem Ort. Wer könnt' ein Bild von ihrem Gram gewähren? Wie oft umarmend nahm sie dich mir fort! In ihre Küsse floß ein Strom von Zähren, Und Schluchzen unterbrach ein jedes Wort. Gott, rief sie endlich aus, der du erspähest Verborgne Thaten und mein Herz verstehest: |
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Ist unbefleckt mein Leib und meine Seele, War stets die Pflicht der Treue meine Lust, So fleh' ich – nicht für mich, dann ach! ich zähle Der andern Schulden viel, wie dir bewußt – Errette dieses Kind, noch ohne Fehle; Ach, es entbehrt der treuen Mutterbrust! Es leb' und mag an Sittsamkeit mir gleichen, Und andre mag's an Erdenglück erreichen. |
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Du Himmelskrieger, der aus wilden Klauen Des Ungeheurs die Jungfrau dort befreit; Ach! solltest du die Opfer gnädig schauen, Gold, Weihrauch, Kerzen, die ich dir geweiht: So bitte für mein Kind, daß mit Vertrauen Es flüchten mag zu dir in jeder Zeit. Sie schwieg, ihr Herz erlag des Leids Gewichte, Und blasser Tod erschien im Angesichte. |
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In einem Korb, den Laub und Blumen leise Bedeckten, trug ich weinend dich hinaus. Ich barg dich jedem, und auf keine Weise Spürt' irgend ein Verdacht den Vorfall aus. So zog ich heimlich fort, und meine Reise Ging bald durch einen Forst voll Nacht und Graus, Wo eine Tigrin, deren Aug' entbrannte Von Zorn und Wut, mir wild entgegenrannte. |
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Indem ich mich auf einem Baum versteckte, Ließ ich verwirrt den Korb im Grase stehn. Die Tigrin kam, und als sie dich entdeckte, Bog sie das stolze Haupt, dich anzusehn, Und ließ die Wildheit, die so furchtbar schreckte, In Freundlichkeit und Sanftmut übergehn. Sie naht sich leis' und streckt, um dich zu streicheln, Die Zung' hervor; du lachst mit holdem Schmeicheln. |
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Und mit ihr spielend streckest du verwegen Die kleine Hand zum wilden Mund hinan. Sie schickt sich zu und reicht, wie Ammen pflegen, Die Brüste dir; du nimmst sie willig an. Ich sah indes erschrocken und verlegen Den Wunderdingen zu, die hier geschahn. Das Tier darauf, als du dich satt gesogen, Ging ins Gebüsch und war dem Blick entzogen. |
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Ich stieg vom Baum herab und nahm dich wieder Und setzte nun die vor'ge Reise fort. In einem Dorf ließ ich zuletzt mich nieder Und zog dich auf an diesem stillen Ort; Und bis die Sonn' in ihrem Lauf hernieder Uns sechzehn Monden brachte, weilt' ich dort. Du lalltest noch in unverstandnen Tönen Und konntest kaum den Fuß zum Gehn gewöhnen. |
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Schon sah ich mich auf jener Stufe schweben, Wo sich das Alter naht, gebückt und kalt; Und da, was mir die Fürstin mitgegeben, Hinreichend war zum sichern Unterhalt, Zog Sehnsucht mich vom irren Fremdlingsleben Ins Vaterland mit mächtiger Gewalt. Dort wünscht' ich in der Freunde treuen Armen Am eignen Herd im Alter zu erwarmen. |
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Ich ging und zog mit dir nach meinem Lande – Du weißt, Aegypten ist's, das mich gebar – Und kam an einen Fluß, von dessen Rande Ich hier, von Räubern dort umschlossen war. Was sollt' ich thun? Von dir, dem teuern Pfande, Mich trennen? Nein; doch drängte die Gefahr. Ich spring' hinab, mit einer Hand dich haltend Und mit dem andern Arm die Fluten spaltend. |
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Wild ist der Strom, und mitten in den Wogen Dreht er sich um sich selbst furchtbar geschwind. An diesem Ort, vom Strudel fortgezogen, Hinabgerissen, schon betäubt und blind, Verlier' ich dich; allein dich hebt gewogen Die Flut empor, und günstig haucht der Wind Und führt dich sicher an des Ufers Schwellen; Ermattet, keuchend komm' ich aus den Wellen. |
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Froh nehm' ich dich, und als die Nacht in dichte Umschattung hüllt ringsum Gebirg und Thal, Erscheint ein Krieger mir im Traumgesichte Und setzt mir auf die Brust den blanken Stahl Und spricht mit Zorn: Ich sage dir, verrichte, Was früher schon die Mutter dir befahl, Und taufe dieses Kind; der Himmel schauet Es liebend an und hat es mir vertrauet. |
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Es steht in meiner Hut; ich gab dem Wilde Der Sanftmut Geist, ich gab der Flut Verstand. Weh dir, wenn du nicht glaubst dem Traumgebilde, Das dir der Himmel schickt! Und er verschwand. Ich, kaum erwacht, enteilte dem Gefilde, Sobald die frühe Sonn' am Himmel stand. Mein Glaube schien mir wahr, der Traum nur Lügen, Drum wollt' ich nicht mich dem Gebote fügen, |
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Noch deiner Mutter Flehn. Ich zog dich eben Als Heidin auf und barg der Wahrheit Spur. Du wuchsest kräftig, kühn, dem Krieg ergeben, Besiegtest dein Geschlecht und die Natur, Erkämpftest Ruhm und Land. Doch wie dein Leben Beschaffen war, weißt du am besten nur; Weißt, daß ich stets, wo man am kühnsten streitet, Als Diener und als Vater dich begleitet. |
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Nun lag ich gestern um die Morgenstunde Betäubt, gleich Toten, in des Schlafs Gewalt; Da sprach zu mir mit drohungsvollerm Munde, Mit wilderm Blick dieselbe Traumgestalt: Sieh, Bösewicht, schon naht Clorindens Stunde; Sie wechselt nun Geschick und Leben bald, Wird mein trotz dir; den Schmerz wirst du empfinden! So sprach das Bild und schien in Luft zu schwinden. |
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Du hörest nun: seltsame Fährlichkeiten Droht, teures Kind, der Himmel deinem Mut. Den Glauben seiner Väter zu bestreiten, Vielleicht, ich weiß nicht, heißt er das nicht gut; Vielleicht auch ist er wahr. Leg' ab beizeiten Die Kriegestracht und diese wilde Glut! Er schweigt und weint. Sie sinnt, nicht ohn' Erbangen; Ein gleicher Traum hat ihr Gemüt befangen. |
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Doch bald ist ihrer Stirn die Wolk' entflogen: Dem Glauben, spricht sie, halt' ich meine Pflicht, Den mit der Ammenmilch ich eingesogen, Der wahr mir scheint, was auch dein Zweifel spricht. Ein edles Herz wird nicht von Furcht bewogen; Die kühne That, die Waffen lass' ich nicht, Und sollt' ich gleich den Tod mit allem Grauen, Das Erdensöhne schreckt, vor Augen schauen. |
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Sie tröstet ihn; und da die Zeit jetzt eben Gekommen war, die man zum Werk bestimmt, So eilt sie, zum Argant sich zu begeben, Der nun mit ihr das Wagstück unternimmt. Auch kommt Ismen und facht ihr feurig Streben Noch heller an, das schon von selber glimmt. Zwei Kugeln auch, aus Pech und Harz gegossen, Gibt er dem Paar, und Lunten wohl verschlossen. |
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Sie gehn im stillen fort; am Hügel windet Sich nun ihr Schritt hinab, leis' und geschwind, Bis sie dem Ort, wo sich der Turm befindet, Im Schutz der dunkeln Nacht genähert sind. Nun wächst die Glut, die ihre Brust empfindet, Zum Feuer an, das strömend überrinnt; Zu Brand und Blut drängt sie der Geist der Rache. Indem verlangt das Feldgeschrei die Wache. |
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Stumm geht sie weiter; doch mit lautem Tone Ruft jetzt der Frank': Der Feind ist da, erwacht! Das edle Paar, der Todsgefahr zum Hohne, Hat nun nicht länger der Verhehlung acht. So, wie der Wetterstrahl, wie die Kanone In einem Wink zugleich erblitzt und kracht, War losgehn, nahn, die Schar angreifen, trennen, Durchbrechen und zerstreun, ein Wink zu nennen. |
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Und trotz der Waffen, die sie rings umstarren, Erreichen sie den Endzweck mit Gewalt. Sie öffnen jetzt die Lunten ohne Harren; Das zähe Harz entzündet sich alsbald Und setzt in Brand die Bohlen und die Sparren. Wer sagt, wie schon das Feuer wächst und wallt Und jetzt auf allen Seiten flammt und funkelt? Und wie der Dampf der Sterne Licht verdunkelt? |
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Sieh! dunkelrote Feuerballen sausen, Mit Wirbeln Rauchs vermengt, zum Himmelsrand, Zerstreute Flammen mehrt des Windes Brausen Und sammelt sie in einen großen Brand. Die Franken sehn die wilde Glut mit Grausen, Und schnell nimmt jeder seine Wehr zur Hand; Doch geht der ungeheure Bau zu Grunde, So langer Arbeit Frucht in kurzer Stunde. |
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Zwei Christenhaufen eilen nach der Gegend, Wo sich die Flamm' erhebt, in voller Wut. Doch der Cirkasser droht, den Weg verlegend: Ich lösche diesen Brand mit euerm Blut! Dann mit Clorinden sich zurückbewegend, Zieht er den Höhen zu mit kaltem Mut. Die Schar, anwachsend wie nach Regengüssen Ein Bergstrom, folgt, wie jene weichen müssen. |
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Das goldne Thor ist offen; an der Schwelle Harrt schon der Fürst mit seinem ganzen Heer, Daß er in Sicherheit die Krieger stelle, Beglückt das Schicksal ihre Wiederkehr. Sie springen in das Thor mit kühner Schnelle; Der Franken Schar wogt hinter ihnen her. Doch Soliman treibt sie zurück; geschwinde Schließt sich das Thor, und draußen bleibt Clorinde. |
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Sie blieb allein zurück; denn als man eben Die Pforte schloß, enteilte sie im Flug Und stürmt' hinaus mit rachbegier'gem Streben, Um Arimon zu zücht'gen, der sie schlug. Sie züchtigt' ihn; und was sich dort begeben Gewahrt' Argant damals nicht schnell genug; Wohl raubten Kampf, Gedräng' und Dunkelsdichte Vorsicht dem Geist und Sehkraft dem Gesichte. |
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Doch als des Feindes Blut im Rächerwerke Den Zorn gekühlt, beruhigt ihren Sinn, Sieht sie das Thor gesperrt, von Feindesstärke Sich selbst umringt und glaubt ihr Leben hin. Allein sie schaut, daß niemand sie bemerke, Und neue List ersinnt die Kriegerin: Sie mischt sich schweigend als der Christen einer Ins Volksgedräng', und es gewahrt sie keiner. |
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Und wie ein Wolf ganz heimlich und beklommen, Nach stiller Unthat, in den Wald sich macht, So sucht sie jetzt den Feinden zu entkommen, Begünstigt vom Gewirr und von der Nacht. Allein Tankred, der kaum hierher gekommen, Hat sie bemerkt und nimmt sie wohl in acht; Er sah, wie Arimon von ihrem Schwerte Den Tod erhielt, und blieb auf ihrer Fährte. |
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Er will mit ihr zum Waffengange schreiten Und glaubt, sie sei ein Mann, der Probe wert. Sie schleicht indes rings um der Mauer Seiten, Ob Eingang ihr ein andres Thor gewährt. Er folgt so ungestüm, daß schon vom weiten Der Waffen Klang vom Kommen sie belehrt. Sie hält und ruft: Was hoffst du zu erwerben? Was bringst du mir? Krieg, spricht er, und Verderben. |
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Krieg und Verderben sollst du bald erringen, Wenn du es suchst; sie spricht's und hält ihm stand. Der Ritter eilt, vom Roß herab zu springen, Sobald er seinen Feind zu Fuß erkannt. Schon greifen beide zu den scharfen Klingen, Vom Stolz gespornt, vom wilden Zorn durchmannt; Und wie zwei Stiere rennen sie zusammen, Wann sie von Eifersucht und Zorn entflammen. |
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Der hellsten Sonne wert im Angesichte Des vollsten Schaugerüstes war ihr Streit. O Nacht, die ihn, von ihres Schleiers Dichte Umwoben, hingab der Vergessenheit: Vergönne mir, daß ich in schönem Lichte Ihn zeigen mag der fernsten Folgezeit! Es leb' ihr Ruhm, ein glänzendes Vermächtnis, Und mit ihm strahle deines Grauns Gedächtnis! |
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Man weicht nicht, meidet nicht, deckt nicht die Blöße; Geschicklichkeit kommt keinem hier zu gut. Man täuscht nicht, mehrt und mindert nicht die Stöße, Und alle Kunst vereiteln Nacht und Wut. Die Klinge fällt mit ganzer Schwer' und Größe Hellklirrend auf den Stahl; die Sohle ruht. Fest bleibt der Fuß, die Hand in steter Schwingung, Und jedem Hieb und Stoße folgt Gelingung. |
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Zur Rache wird der Zorn durch Schmach getrieben, Worauf die Rache neue Schmach gebärt, So daß zu neuer Eil' und neuen Hieben Der Sporn und Anlaß immer wiederkehrt. Geschloßner wird der Kampf; sie drängen, schieben Mit Leibeskraft, und unnütz ist das Schwert. Schon brauchen sie in grimmigem Erboßen Den Degenknopf, den Helm und Schild zum Stoßen. |
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Dreimal umfaßt mit seines Armes Ringen Der Held die Jungfrau; und mit gleicher Kraft Reißt sie sich dreimal los aus diesen Schlingen, Die Feindeshaß, nicht Liebessehnen, schafft. Nun wieder tobt das Schwert, und beide Klingen Färbt neues Blut; doch endlich matt, erschlafft Zieht jeder sich zurück auf seine Seite Und schöpfet Atem nach so langem Streite. |
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58. |
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Sie schaun sich an, und jeder stützt den lassen Blutleeren Leib auf seines Schwertes Knauf. Und da nunmehr die letzten Stern' erblassen, Der erste Strahl im Osten flammt herauf, Gewahrt Tankred, wie seinem Feind in Massen Das Blut entströmt, ihm selbst in schwächerm Lauf. Er freut sich und wird stolz. O wie geschwinde Bläht sich das Herz von jedem günst'gen Winde! |
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59. |
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Du freust dich, Thor? Wie bald wird dies Flohlocken Zur Trauer dir, zum Leid der Siegeswahn! Ein jeder Tropfen dieses Bluts, entlocken Wird er dem Aug' ein Thränenmeer fortan. – So schaun die blut'gen Krieger unerschrocken Bei kurzer Rast einander schweigend an. Am Ende doch beginnt Tankred die Rede, Um zu erfahren, wen er hier befehde: |
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60. |
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Wohl ist es hart, so tapfer sich zu schlagen, Wenn ew'ges Schweigen uns des Lohns beraubt. Doch da die Stern' uns Ruhm und Preis versagen, Kein würd'ges Zeugnis unsern Kampf beglaubt: So wollst du, bitt' dich, Stand und Namen sagen, Sind Bitten im Gefecht nicht unerlaubt; Damit ich wiss' im Fallen oder Siegen, Wer meinen Sieg ehrt oder mein Erliegen. |
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61. |
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Die Stolze spricht: Du bist umsonst beflissen, Nach dem zu forschen, was ich nie genannt; Doch, wer ich sei: du siehest – sollst du wissen – Der beiden einen, die den Turm verbrannt. Vom Zorne fühlt Tankred sich fortgerissen: Unzeitig, spricht er, hast du dies bekannt. Für beides nun, dein Schweigen und dein Sprechen, Unhöflicher Barbar, muß ich mich rächen. |
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62. |
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Rasch kehrt der Grimm zurück und reißt sie wieder, Wie matt sie sind, zum Kampf. O grause Schlacht, Wo Kunst verbannt ist, tot die Kraft der Glieder, Und Wut allein an beider Stelle wacht! Nie sinkt das Schwert der wilden Kämpfer nieder, Daß es nicht weite, blut'ge Pforten macht In Stahl und Fleisch; und flieht durch solche Spalten Das Leben nicht, kann nur der Grimm es halten. |
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63. |
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Wie das Aegäer-Meer, schweigt auch das Toben Des Süd- und Nordwinds, die es aufgeregt, Noch immerfort, aus seinem Grund gehoben, Im Aufruhr bleibt und brüllt und Wellen schlägt, So, fehlt dem Arm zu neuen Kampfesproben Auch Blut und Kraft, die ihn zuvor bewegt, Scheint noch der alte Grimm ihn zu befeuern Und reizt ihn stets, die Wunden zu erneuern. |
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64. |
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Doch sieh, es naht die dunkelste der Stunden, Da nun ihr Ziel Clorind' erreichen soll. Schon hat sein Schwert die schöne Brust gefunden Und trinkt das Blut, das ihm entgegen schwoll, Und feuchtet ihr Gewand, mit Gold durchwunden, Das leicht und zart um ihren Busen quoll, Mit warmer Flut. Sie fühlt die kalten Schatten Des Todes nahn, und die Gebein' ermatten. |
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Tankred verfolgt den Sieg; mit wildem Streben Bedrängt er die Durchbohrte rasch und dreist. Die Jungfrau sinkt dahin, indem mit Beben Das letzte Wort den Lippen sich entreißt; Ein Wort, von neuem Geist ihr eingegeben, Der Liebe, Hoffnung und des Glaubens Geist. Gott schenkt ihn; er, den lebend sie verschworen, Hat sie zur Magd im Tode jetzt erkoren. |
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66. |
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Du siegst, Freund, ich verzeih's; auch du verzeihe – Dem Leibe nicht, der keiner Furcht mehr frönt – Der Seele nur; für diese bet', und weihe Mit Taufe mich, die meine Schuld versöhnt. Der matten Laut' oft unterbrochne Reihe, Die ihm so süß, so schmerzlich ihm ertönt, Beschleicht sein Herz, vertilgt des Hasses Wähnen Und lockt und drängt ins Auge milde Thränen. |
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Nicht weit davon rinnt eine kleine Quelle, Die murmelnd aus dem Schoß des Felsens bricht. Er füllt den Helm mit ihrer klaren Welle Und kehrt betrübt zurück zur heil'gen Pflicht. Die bange Hand enthüllt mit frommer Schnelle Des unbekannten Kriegers Angesicht; Er sieht's, erkennt's – ist auch der Schmerz zu nennen, Der ihn ergreift? O Anschaun! O Erkennen! |
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68. |
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Doch stirbt er nicht; er stellt mit mut'gem Streben All' seine Kräft' als Wächter um sein Herz Und hemmt, um sie durch Wasser zu beleben, Die er durch Stahl getötet, seinen Schmerz. Wie seinem Mund die heil'gen Wort' entbeben, Blickt sie mit frohem Lächeln himmelwärts, Als spräche sie, schon von der Welt geschieden: Der Himmel thut sich auf, ich geh' in Frieden. |
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69. |
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Das holde Blaß, das ihre Wangen zeigen, Scheint Lilien gleich, die man zu Veilchen legt. Sie blickt empor, und Sonn' und Himmel neigen Sich zu ihr hin, von Mitgefühl bewegt. Sie hebt die nackte, kalte Hand mit Schweigen Und reicht sie freundlich dem, der sie erlegt, Als Friedenspfand. So scheidet ohne Kummer Die schöne Jungfrau hin; ihr Tod ist Schlummer. |
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70. |
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Kaum aber ist die edle Seel' entschwunden, Als auch die Kraft, die er gesammelt, bricht, Vom Ungestüm des Grames überwunden, Der mit des Wahnsinns Wut sein Herz umflicht, Im engsten Sitz das Leben hält gebunden, Mit Tod umhüllend Sinn' und Angesicht. Schon gleicht der Lebende beinah der Leiche An Schweigen, Ansehn, Blutverlust und Bleiche. |
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71. |
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Wohl riss' auch er des Lebens morsche Zügel Gewaltsam durch mit Zorns und Hasses Kraft Und folgte rasch mit ausgedehntem Flügel Der schönen Seele, kaum entflohn durch Haft, Hätt' eine Frankenschar, die dort am Hügel Nach Wasser ging, nicht beide fortgeschafft: Sie schon entseelt, ihn kaum in sich am Leben Und tot in ihr, der er den Tod gegeben. |
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72. |
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Der Führer sah noch fern hier auf den Auen Den, der den Waffen nach Tankred ihm scheint; Er naht sich und erkennt nicht ohne Grauen Die schöne Tote neben ihrem Feind. Nicht lassen will er für der Wölfe Klauen Den holden Leib, den er noch heidnisch meint; Er läßt vielmehr, so wie sie beid' hier lagen, Sie ins Gezelt des Frankenritters tragen. |
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73. |
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Auch durch das sanfte Schütteln auf dem Wege Wird des Verletzten Ohnmacht nicht gebannt; Doch stöhnt er leis', und schwache Herzensschläge Verkünden, daß nicht ganz sein Leben schwand. Allein der andre Körper, stumm und träge, Zeigt deutlich an, ihm sie der Geist entwandt. So trägt man beide mit der größten Schonung Ins Zelt Tankreds, doch in getrennte Wohnung. |
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74. |
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Mit mancher Art Hilfsleistung für den Kranken Sind die getreuen Knappen um ihn her. Der Tag durchbricht des matten Auges Schranken, Er fühlt die Helferhand, er horcht umher; Allein der Geist, in ungewissem Schwanken, Ist noch nicht sicher seiner Wiederkehr. Zuletzt da er die Diener samt dem Orte Deutlich erkennt, verleiht der Schmerz ihm Worte: |
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75. |
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Ich leb', ich atme noch? Noch muß ich schauen Den Unglückstrahl, der in mein Auge brennt, Den stummen Zeugen meiner That voll Grauen, Der mir die Schuld mit ew'gem Vorwurf nennt? Ha! feige Hand, willst du dir nicht getrauen, Du, die sonst aller Wunden Wege kennt, Du Dienerin des Tods und alles Bösen, Von diesem schuld'gen Dasein mich zu lösen? |
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76. |
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Durchbohre diese Brust! Tauch' ein den frechen Mordgier'gen Stahl in meines Herzens Blut! Allein, gewöhnt zu scheußlichern Verbrechen Hältst du, mich töten, wohl für Edelmut. So leb' ich denn, um meine Schuld zu rächen, Ein elend Scheusal unglücksel'ger Glut! Ein elend Scheusal, des verruchtem Streben Nichts würdig lohnt, als dies unwürd'ge Leben. |
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77. |
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So leb' ich denn in Marter und in Qualen, Die als gerechte Furien mich bedräun. Die Nacht, wann sie herabsteigt zu den Thalen, Wird ewig mir den ersten Wahn erneun; Der Sonne Licht, das mit verhaßten Strahlen Die That enthüllte, werd' ich bebend scheun. Mir selbst ein ew'ger Schrecken, werd' ich immer Mich selber fliehn, doch mir entfliehen nimmer. |
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78. |
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Wo ruhen sie, die heiligen Gebeine Des schönen Leibes? O zu herbe Qual! Vielleicht zerstört des Wildes Zahn im Haine, Was noch verschont blieb von des Mörders Stahl. O viel zu edle Beute, viel zu reine, Zu süße Speise, viel zu teures Mahl, Zu dem die Nacht im dunkeln Waldreviere Erst mich gelockt und dann die wilden Tiere! |
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79. |
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Geliebter Leichnam, ja, dich seh' ich wieder, Wenn du noch bist; ich eile hin zu dir! Doch ach! verschlang die anmutsvollen Glieder Vielleicht schon irgend ein gefräßig Tier: Dann schling auch mich derselbe Rachen nieder, Derselbe Leib gewähr' ein Grab auch mir. Wo es auch sei, ich ruh' in jedem Grabe Beglückt genug, wo ich sie bei mir habe. |
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80. |
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So spricht Tankred; und nun wird ihm berichtet, Daß sein Gezelt die teure Leich' umfaßt. Gleich Wolken, die ein Blitz im Fluge lichtet, Errötet schnell sein Antlitz und erblaßt; Und er verläßt das Ruhebett und richtet Mühsam empor der Glieder träge Last, Und schleppt den Leib, der schon so viel gelitten, Nach jenem Ort mit matten, schweren Schritten. |
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81. |
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Doch als er naht und nimmt die Todeswunde, Werk seiner Hand, im schönen Busen wahr; Ihr bleiches Antlitz, wie in nächt'ger Stunde Der Himmel, ohne Glanz noch heiter, klar, Da bricht der Schmerz hervor aus tiefstem Grunde; Er fiel, wenn minder nah die Hilfe war. Dann ruft er aus: O holdes Antlitz, mindernd Des Todes Graun, doch mein Geschick nicht lindernd! |
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82. |
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O schöne Rechte, du, die mit Vertrauen Mir gab des Friedens und der Freundschaft Pfand! Weh mir! wie muß ich jetzt euch wiederschauen? Ihr Glieder, deren Reiz noch nicht entschwand, Erblick' ich nicht mit namenlosem Grauen An euch die Spuren meiner wilden Hand? O Augen, grausam gleich der Hand zu achten! Sie schlug die Wunden, ihr könnt sie betrachten! |
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83. |
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Betrachten, unbenetzt? So möge rinnen, Wenn's nicht die Thräne will, mein schuldig Blut! Hier stockt das Wort, und plötzlich, wie von Sinnen, Entflammt von wilder todbegier'ger Wut, Reißt er die Binden auf, und schnell von hinnen Strömt aus den Wunden die verhaltne Flut. Er wär' erblaßt; doch die Verzweiflung eben, Die ihn sich selbst entreißt, erhält sein Leben. |
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84. |
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Man bracht' ihn fort und rief die flücht'ge Seele Zur Pflicht zurück, die ihr so lästig war. Schon aber macht des Rufs geschwätz'ge Kehle Des Helden Schmerz und Unglück offenbar. Bouillon erscheint; die Treuen sonder Fehle Versammeln sich um ihn in dichter Schar; Doch weder ernstes Wort noch sanfte Bitte Vertreibt den Gram aus seines Herzens Mitte. |
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85. |
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Wie eine Wund' empfindlich zarter Glieder Nur schlimmer stets durch die Berührung wird, So ward sein Schmerz durch jeden Trost nur wieder Aufs neu' erregt, sein Sinn nur mehr verwirrt. Doch Peter, der sein wartet treu und bieder, Wie seines kranken Lamms ein guter Hirt, Straft schonungslos des langen Wahns Bethörung Und mahnt ihn auf mit dringender Beschwörung: |
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86. |
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Tankred, Tankred, o du, so ganz entwendet Dem eignen Selbst, dem wir so fest vertraut! Ha! welch ein Wahn hat dich betäubt, verblendet? Welch eine Wolk' hat deinen Blick umgraut? Ein Himmelsbot', ist dir dies Leid gesendet; Siehst du ihn nicht, vernimmst nicht seinen Laut, Wie er dich schilt? zum Pfade, dem verlornen, Zurück dich ruft, dem einst von dir erkornen? |
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87. |
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Er mahnt dich auf, der würd'gen Pflicht zu denken, Wozu der Ritter Christi sich verband, Die du verrietst, dich einem Weib zu schenken – Unwürd'ger Tausch! – das sich von Gott gewandt. Ein günstig Leid, ein mitleidsvolles Kränken Wird über dich als leichte Straf' erkannt Für große Schuld. Dir selbst wird übertragen Dein eignes Heil; und du willst ihm entsagen? |
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88. |
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Entsagen – blinder Thor! – dem teuern Pfande, Das dir des Himmels ew'ge Huld verspricht? Unglücklicher! In deines Wahnsinns Brande, Wo rennst du hin mit schnöder Zuversicht? Schon bist du da, schon hängst du an dem Rande Des ew'gen Abgrunds; und du siehst ihn nicht? O sieh ihn, fleh' ich; fasse Mut in Nöten Und zügle Schmerzen, die dich zwiefach töten! |
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89. |
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Er schweigt; und um den einen Tod zu meiden, Vertilgt Tankred des andern Todes Lust. Er gibt der Tröstung Raum und schwächt der Leiden Unmäßige Gewalt in seiner Brust; Doch, ohne ganz vom Grame sich zu scheiden, Beseufzt er oft den schmerzlichen Verlust Und spricht bald mit sich selbst, bald mit der Fernen, Die ihn vielleicht vernimmt, von goldnen Sternen. |
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90. |
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Sanft klagend ruft er sie beim Niedergange, Sie ruft er, da das Morgenrot entglimmt: So wie die Nachtigall, einsam und bange, Wann ihr die Brut der harte Landmann nimmt, Die Nächte füllt mit traurigem Gesange, Der leise durch Gebüsch' und Lüfte schwimmt. Der Schlummer kann erst mit der Stern' Erbleichen Sich zwischen Thränen ihm ins Auge schleichen. |
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91. |
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Und sieh! im Traum erscheint ihm die Verklärte, Von einem hellen Sternenkleid umwallt; Der Himmelsglanz, der ihre Schönheit mehrte, Benahm ihr nicht die kenntliche Gestalt. Sie trocknet freundlich ihm die abgezehrte Gramvolle Wang', und ihre Stimm' erschallt: Sieh mich von Schönheit und von Wonne strahlen, Und still' in mir, du Treuer, deine Qualen! |
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92. |
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Dir dank' ich dies; du hast aus jener armen Freudlosen Welt im Irrtum mich befreit Und würdig mich gemacht durch dein Erbarmen In Gottes Schoß der ew'gen Seligkeit. Dort leb' ich froh in liebendem Erwarmen Und hoff' auch dir dort einen Platz bereit, Wo bei der ew'gen Sonn' urkräft'gem Scheine Du schaun wirst ihre Schönheit und die meine. |
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93. |
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Willst du nicht selbst des Himmels Glück verschmähen, Beherrscht dich nicht der Sinne Wahn zu scharf, So leb' und wisse noch – ich darf's gestehen – Ich liebe dich, so sehr ich lieben darf. So redet sie; aus ihren Augen wehen Lichtflammen, wie kein sterblich Auge warf; Dann schließt sie sich in ihre Strahlenhülle Und läßt verschwindend ihm der Stärkung Fülle. |
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94. |
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Getröstet wacht er auf und gibt sich wieder Den Aerzten hin und duldet den Verband. Begraben läßt er nun die teuern Glieder, Des edeln Geistes irdisches Gewand. Und senkt' auf sie kein Marmor sich hernieder, Kunstvoll behaun von eines Dädal Hand, War Stein und Bildner doch so auserlesen, Wie durch die Zeit es dort erlaubt gewesen. |
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95. |
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Ein langer Zug bringt sie bei Fackelscheine Mit edler Trauerpracht zum Grabe fort; Und ihre Waffen hängt man ob dem Steine, Trophäen gleich, an eine Fichte dort. Am andern Tag, sobald er die Gebeine Erheben kann von seinem Lagerort, Eilt schon der Ritter mit noch matten Füßen, Das teure Grab ehrfürchtig zu begrüßen. |
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96. |
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Als er die Gruft erreicht, so das Verhängnis Zum ew'gen Kerker seinem Geiste gab, Da heftet er in schmerzlicher Bedrängnis Stumm, bleich und starr die Augen auf das Grab. Nun bricht ein Ach! aus seiner Brust Gefängnis, Ein Thränenstrom fließt seine Wang' hinab: O Grab, so ruft er, das mein glühend Sehnen Im Innern hat, und außen meine Thränen! |
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97. |
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Des Todes nicht, lebend'gen Staubes müsse Behausung sein der Ort, wo Liebe ruht. Auch fühl' ich wohl die feurigen Ergüsse, Gleich süßer nicht, doch gleich gewalt'ger Glut. O nimm die Seufzer auf, nimm diese Küsse, Die ich getränkt mit herber Thränenflut, Und gib sie du – mir wehrt's des Himmels Wille – Dem teuern Staub in deines Schoßes Stille! |
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98. |
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Gib sie ihm du; und blickt die schöne Seele Noch auf die schöne Hülle niederwärts, Doch zürnt sie nicht, daß ich dir dies befehle; Denn droben gibt es weder Zorn noch Schmerz. Ja, sie vergibt mir huldreich meine Fehle; Die Hoffnung hält in solchem Gram mein Herz. Die Hand nur fehlte, weiß sie, und sie leidet, Daß, der sie liebend lebt', auch liebend scheidet. |
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99. |
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Und liebend werd' ich scheiden – sel'ge Stunde, Wann sie auch kommt! Doch größre Seligkeit, Nimmst du mich auf in deinem stillen Grunde, Wie ich dich jetzt umwank' in meinem Leid. Dann freun die Geister sich in schönem Bunde, Ein Grab umschließt den Rest der Sterblichkeit; Was nicht das Leben, wird den Tod beglücken – O, darf ich's hoffen, seliges Entzücken! |
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100. |
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Indes erhebt sich innerhalb der Mauer Ein leises Flüstern von dem harten Fall; Und bald erfährt man's sichrer und genauer, Und in der bangen Stadt tönt überall Das Wehgeheul der wilden Klag' und Trauer, Als wäre schon erstürmt der hohe Wall, Als stürzten durch die Wut der Feind' und Flammen Die Häuser und die Tempel schon zusammen. |
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101. |
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Doch aller Augen zieht durch Klag' und Stöhnen Arset auf sich, kaum seiner mehr bewußt. Durch Thränen läßt sein Gram sich nicht versöhnen, Zu tief, zu innig fühlt er den Verlust; Doch wirft er eklen Staub mit wildem Höhnen Aufs Silberhaar und schlägt Gesicht und Brust. Um ihn versammelt sich des Volks Gedränge, Da tritt Argant hinzu und spricht zur Menge: |
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102. |
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Sobald ich mit dem ersten Blick erkannte, Daß sich das Heldenweib von mir verlor, Folgt' ohne Säumen ich ihr nach und rannte, Um ihr Geschick zu teilen, wie ich schwor. Was that und sagt' ich nicht? Welch Flehen wandte Ich an den König: Oeffnen laß ein Thor! Umsonst! ich konnt' es nicht von ihm erreichen, Und seiner Oberherrschaft mußt' ich weichen. |
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103. |
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O hätte man das Thor mir aufgeschlossen! Gesichert wäre jetzt ihr Siegerpfad; Sonst hätt' auch ich, wo sie das Blut vergossen, Des Lebens Lauf vollbracht mit würd'ger That. Was konnt' ich mehr? Ein andres war beschlossen Im Rat der Götter und der Menschen Rat. Entschieden war ihr Tod; allein mitnichten Vergess' ich nun der teuern, heil'gen Pflichten. |
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104. |
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Jerusalem, vernimm Argants Versprechen! Vernimm's, o Himmel! Deines Zorns Gericht Sei meines Meineids Lohn: ich will sie rächen – Ich schwör's– an jenem fränk'schen Bösewicht. Mir kommt die Rache zu für dies Verbrechen; Und dieses Schwert, ich lass' es eher nicht, Bis es Tankred durchbohrt mit heißem Stahle Und seinen Leib den Raben gibt zum Mahle! |
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105. |
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So spricht Argant, und laute Beifallszeichen Des Volks umher sind seiner Rede Lohn; Und dem Gedanken künft'ger Rache weichen Der Gegenwart gewisse Schmerzen schon. O thöricht eitler Schwur! Wie schlecht erreichen Wird die Erfüllung dieses stolze Drohn! Wie bald auch er in gleichem Kampf erliegen Dem, den er glaubt zu fahn und zu besiegen! |