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So rüstet der Tyrann zum Kriegsgedränge, Als einst Ismen sich seinem Blick entdeckt; Ismen, der aus des Grabes dumpfer Enge Den toten Leib zu neuem Leben weckt. Ismen, der durch geheimnisvolle Sänge In seiner Burg den Höllenkönig schreckt Und Diener stets in seinen Geistern findet Zum Werk der Bosheit, und sie löst und bindet. |
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2. |
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Einst war er Christ; zu Mahom abgefallen, Hat er den frühern Dienst nicht ganz verbannt; Vielmehr vermengt er beide, nach Gefallen, Zu bösem Zweck, mit jedem schlecht bekannt. Jetzt, aus der Nacht einsamer Felsenhallen, Wo er der dunkeln Kunst sich zugewandt, Treibt ihn zum Fürsten die Gefahr des Staates, Zum schlimmen Herrn den Bringer schlimmern Rates. |
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3. |
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Herr, spricht Ismen, die mächt'gen Feinde richten Den ungehemmten Siegerzug hierher; Doch laß nur uns, was uns gebührt, verrichten, Denn Erd' und Himmel sind des Tapfern Wehr. Des Königs und des Feldherrn hohe Pflichten Erfülltest du, sahst alles längst vorher. Wenn alle so die Pflicht vor Augen haben, Soll dieses Land bald deinen Feind begrabgen. |
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4. |
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Was mich betrifft, ich will bei den Gefahren, Will bei der Arbeit dein Gehilfe sein. Was kluger Rat, die Frucht von langen Jahren, Was meine Zauberkunst vermag, ist dein; Es sollen selbst der Engel mächt'ge Scharen, Die Gott verstieß, uns ihren Beistand leihn. Doch höre nun, eh' ich mein Werk beginne, Wie und womit ich dir zu helfen sinne. |
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5. |
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In ihrem Tempel hegt der Christen Rotte Auf unterirdischem Altar ein Bild Der Göttin, die von dem gebornen Gotte, Dem hier begrabnen, für die Mutter gilt. Ein nie verlöschend Licht erhellt die Grotte, Ein dichter Schleier deckt das Wunderbild; Und ringsumher sieht man Gelübde prangen, So ihm geweiht leichtgläubiges Verlangen. |
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6. |
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Dies Bild nun mußt du rauben den Rebellen Und, wenn du selbst es dort hinweg gebracht, Mit eigner Hand in deinen Tempel stellen. Dann will ich ihm verleihn so starke Macht, Daß es zur Wacht soll dienen deinen Wällen, Solange man es selber hier bewacht. Unüberwindlich werde Zions Mauer Durch dieses Bilds geheimnisvollen Schauer! |
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7. |
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Er spricht's; der König, der ihm Glauben spendet, Eilt in das Gotteshaus mit wilder Hast, Zwingt ohne Scheu die Priester und entwendet Das keusche Bild, und trägt die hehre Last Zum Tempel, wo man oft, ruchlos, verblendet, Gebräuche feiert, die der Himmel haßt. Aufs heil'ge Bild, am ungeweihten Orte, Summt dann der Zaubrer seine Lästerworte. |
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8. |
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Doch kaum erscheint die erste Morgenstunde, Als der, indessen Hut der Tempel steht, Das Bild vermißt und überall im Runde Des weiten Baus vergeblich nach im späht. Er sagt's dem König an, der bei der Kunde Gleich wider ihn in heft'gen Zorn gerät Und wohl sich denkt, daß eine Christenseele Das Bild geraubt und nun es ihm verhehle. |
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9. |
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Sei nun der Raub von gläub'ger Hand begangen, Sei hier die Macht des Himmels zu erspähn, Der seiner Herrin Bildnis nicht umfangen Von ungeweihten Mauern wollte sehn: Noch zweifelt man, ob, was hier vorgegangen, Durch Menschenkunst, durch Wunderkraft geschehn. Der Fromme glaubt, daß nicht der ird'sche Fromme Die That vollbracht, daß sie vom Himmel komme. |
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10. |
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Nachforschung läßt der Fürst sogleich vollstrecken, Gewaltsam durchgestört wird Kirch' und Haus. Dem Hehler droht er einen Tod voll Schrecken, Belohnung setzt er dem Bekenner aus. Durch Zauber will Ismen den Raub entdecken, Doch alle seine Kunst bringt nichts heraus. Sei's, oder nicht, des Himmels Wunderstärke: Er birgt es ihm, zur Schmach der Zauberwerke. |
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11. |
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Doch als der König sieht, was er Verbrechen Der Gläub'gen wähnt, bleib' in des Schweigens Hut: Da will sein Haß durch alle Schranken brechen, Zorn flammt empor und ungeheure Wut. Nichts achtet er nun mehr; er will sich rächen, Was auch erfolg', und kühlen seine Glut. So sterbe, ruft er aus, mit der Verräter Gesamter Schar auch der verborgne Thäter! |
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Lebt nur der Schuld'ge nicht, mag der Gerechte, Der Reine sterben! Doch wen nenn' ich rein? Strafbar ist jeder hier; in dem Geschlechte Wird keiner je ein Freund der Unsern sein. Wer auch der neuen That sich nicht erfrechte, Gnüg' ihm die alte Schuld zu neuer Pein. Ihr Treuen, auf! Tilgt die verruchte Horde Mit Feu'r und Schwert! Auf, auf zu Brand und Morde! |
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13. |
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So spricht der Fürst, und das Gerücht verbreitet Sogleich das Unheil, das den Gläub'gen droht. Sie bleiben wie erstarrt; so furchtbar schreitet, So rasch herbei der gegenwärt'ge Tod. Nicht Gegenwehr, nicht Flucht wird noch bereitet; Kein Flehn erhebt sich wider das Gebot. Doch das verzagte Volk, von Furcht gekettet, Ward, wie's am mindesten erhofft, gerettet. |
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Ein Mädchen lebt dort in der Christenmenge Von reifer Blüt' und königlichem Geist, Von hohem Reiz; doch achtet sein die Strenge Nur insofern er Schmuck der Tugend heißt. Ihr größter Wert ist, daß, in stiller Enge, Sie solchen Wert dem Blick der Welt entreißt Und sich verbirgt dem eiteln Lob und Spähen Der Buhlerschar, einsam und ungesehen. |
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15. |
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Doch keine Hut, die ganz den Reiz verhülle, Der würdig ist des Schauens und der Acht. Das, Amor, hinderst du; der Schönheit Fülle Zeigst du dem Jüngling, den die Glut durchfacht. Jetzt blind, jetzt Argus, legst du bald die Hülle Um unser Aug' und hellest bald die Nacht. Durch tausend Hüter lenkst du, sonder Schonung, Den fremden Blick zur keuschen Mädchenwohnung. |
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Sophronia und Olind nennt man die beiden, Derselben Stadt, desselben Glaubens Zier. So reizend sie, so sehr ist er bescheiden, Voll Wunsch, an Hoffnung arm, fern von Begier. Zu reden bang, erträgt er still sein Leiden, Wenn nicht verschmäht, doch unbemerkt von ihr. So hat der Arme längst für sie geschmachtet, Die ihn nicht sieht, nicht kennt – vielleicht verachtet. |
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Indes verbreitete das Gerücht des frommen Unschuld'gen Volks entsetzliche Gefahr. Der Jungfrau, sittsam, doch von Mut durchglommen, Stellt sich sogleich ein Rettungsmittel dar. Ihr Heldenmut heißt den Entschluß willkommen; Die jungfräuliche Scham bekämpft ihn zwar, Doch siegt der Mut; vielmehr, sich ihr bequemend, Macht er sich selbst verschämt, sie unternehmend. |
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So tritt die Jungfrau in des Volkes Mitte, Verhehlt nicht ihren Reiz und zeigt ihn nicht; Sie geht allein, mit sittsam edlem Schritte, Verhüllt, gesenkt der Augen holdes Licht. Schmückt Fleiß und Kunst, bei dieser reinen Sitte, Schmückt Zufall nur ihr schönes Angesicht? Natur und Lieb' und selbst der Himmel machten Zum Meisterstück dies reizende Nichtachten. |
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19. |
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Von jedem angeschaut, nicht schauend, gehet Die holde Jungfrau in des Königs Haus; Nicht weichend, weil er zornig vor ihr stehet, Hält sie beherzt den furchtbarn Anblick aus. Ich bringe, spricht sie, Herr – und sei erflehet, So lange nur zu hemmen Zorn und Graus – Gefangen bring' ich dir und unverteidigt Den Schuld'gen, den du suchst, der dich beleidigt. |
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Von ihrem Blick, der königlich und offen Umherstrahlt wie mit einer heil'gen Macht, Fühlt überrascht der König sich getroffen; Er zähmt den Grimm und hellt des Auges Nacht. Ließ' sein Gemüt, ihr Blick nur Mildrung hoffen, Wohl wäre Lieb' in seiner Brust erwacht; Doch nie entflammt des spröden Herzens Triebe Ein spröder Reiz; nur Huld erzeuget Liebe. |
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Er fühlt Erstaunen, Lust, Begier entstehen, Wenn es nicht Liebe war, was er empfand. Erzähle; nichts soll deinem Volk geschehen; Ich gebe, spricht er, dir mein Wort zu Pfand. Und sie: Den Schuld'gen siehst du vor dir stehen, Den Raub, o Herr, verübte diese Hand. Ich nahm das Bild; ich bin's, die deine Sklaven Gesucht auf dein Gebot; mich mußt du strafen. |
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So, um allein dem Schicksal zu genügen, Beut sie ihr Haupt für aller Rettung an. Großmüt'ger Trug! Wer sagt, ob solchen Lügen Die Wahrheit je den Vorzug abgewann? Der König schwankt; zu milderem Verfügen, Als er gewohnt, neigt sich der harte Mann. Dann fordert er: So eile zu entdecken, Wer gab dir Rat? Wer half die That vollstrecken? |
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Auch keinen Teil des Ruhmes wollt' ich missen – Sophronia spricht's – ich gönnt ihn mir allein; Ich wollt' allein um diese Handlung wissen, Ratgeber selbst und selbst Vollstrecker sein. So falle, ruft, von Staunen hingerissen, Der König aus, auch nur auf dich die Pein! Mit Recht, versetzt sie; mir geziemt, ich trage, So wie allein den Ruhm, allein die Plage. |
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Von neuem nun ergrimmt das Ungeheuer: Wo, fragt er sie, hast du das Bild versteckt? Und sie: Ich barg es nicht, ich gab's dem Feuer Und glaube, daß ich Löbliches vollstreckt. So wird es mindstens nimmermehr von neuer Berührung einer Frevelhand befleckt. Willst du den Raub, den Räuber dir gewiesen: Den siehst du ewig nicht, hier siehst du diesen. |
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Doch bin ich Räuber? Hab' ich Raub begangen? Recht ist, zu nehmen, was uns nahm Gewalt. Dies hörend, knirscht der Wütrich; seine Wangen Erglühn von Zorn, der losbricht ohne Halt. O hoffe nicht Verzeihn, Herz ohne Bangen, Schamhafte Seele, herrliche Gestalt! Vergebens macht die Liebe selbst, wo wilde Zornglut entbrennt, die Schönheit dir zum Schilde. |
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Man greift das schöne Weib; aufs neu' entglommen, Verdammt der König sie zum Todesbrand. Schon sind ihr Schleier und Gewand genommen, Die weichen Arme drückt ein rauhes Band. Sie aber schweigt, von keiner Furcht beklommen; Ein wenig nur fühlt sie die Brust gespannt, Und es entsteht im holden Angesichte Nicht fahles Bleich, ein Weiß vom reinsten Lichte. |
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Kund ward der große Fall; neugierig machte Das Volk sich auf; Olind kam mit der Schar. Die That war sicher, nicht, wer sie vollbrachte; Gleich ahnet ihm, daß die Geliebt' es war. Doch als er die Gefangne, scharf Bewachte Nicht bloß beschuldigt sieht, verdammt sogar, Und sieht die Henker schon mit roher Strenge Ihr Amt vollziehn: da stürzt er durchs Gedränge. |
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Nicht sie, nicht sie hat jenen Raub begangen – So ruft er laut – nur Wahnsinn reißt sie fort! Nicht denkt, nicht wagt, nicht übt solch Unterfangen Ein unerfahrnes Weib ohn' Hilf' und Hort. Wie hat sie nur die Wächter hintergangen? Wie jenes heil'ge Bild entführt von dort? That sie's, sie sag's! Ich, Herr, ich ward zum Diebe! – So liebt' er die Geliebte sonder Liebe. |
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Dann fuhr er fort: Ich stieg bei nächt'ger Weile Dahin, wo euer Tempel Einlaß hat Für Licht und Luft, und drang von jener Steile Durch einen Spalt auf ungangbarem Pfad. Mir werde Ruhm, mir werde Tod zu teile! Nicht raube sie die Strafe meiner That! Mein sind die Ketten hier; für mich entlodern Muß diese Glut, mich dieser Holzstoß fodern! |
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Sophronia hebt das Aug' und sieht mit frommen Mitleid'gen Blicken sanft den Jüngling an: Warum, unschuld'ger Armer, bist du kommen? Treibt Absicht oder Wahnsinn dich heran? Wär' ohne dich mir wohl die Kraft benommen, Kühn zu besten, was Menschenzorn ersann? Wohl hab' auch ich ein Herz, nicht feig erbangend Einsamem Tod, und kein Geleit verlangend. |
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So sagt sie ihm, doch ohne daß er wanke; Fest bleibt er stehn auf seiner edeln List. O großes Schauspiel, wo in offner Schranke Sich treue Lieb' und hohe Tugend mißt; Wo Tod dem Sieger wird zum Siegesdanke, Und Rettung des Besiegten Elend ist! Doch mehr ergrimmt der Fürst, je mehr sie wagen, Standhaften Sinns sich selber anzuklagen. |
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So arg verspottet wähnt er sich zu finden, Daß sie die Marter höhnen, ihm zum Hohn. Man glaube beiden, spricht er; überwinden Soll er und sie, und würdig sei der Lohn. Er winkt der Dienerschaft, sie greift Olinden; Man fesselt ihn, und gleich stehn beide schon An einen Pfahl geschnürt, den Rücken kehrend Dem Rücken zu, der Blick des Blicks entbehrend. |
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Schon sieht man rings den Holzstoß sich erheben, Schon wird die Glut des Todes angefacht; Da bricht der Jüngling aus mit leisem Beben Und spricht zu ihr, ihm nun so nah gebracht: Sind dies die Bande denn, die ich, im Leben Mir dir mich zu vereinen, mir gedacht? Ist dieses denn die Glut, die uns zusammen Das Herz entzünden sollt' in gleichen Flammen? |
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Ach! andre Band' und Glut bot Lieb' hienieden, Und andre will das Schicksal uns verleihn. Zu seh, zu sehr hat es uns einst geschieden; Zu hart, im Tode, gönnt es uns Verein. Doch wohl mir, war dir solcher Tod beschieden, Des Scheiterhaufens Mitgenoß zu sein, Wenn nicht des Betts. Dein Schicksal dünkt mich herbe, Das meine nicht, weil ich ja mit dir sterbe. |
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Und o mein Tod, du einziges Verlangen! O süße Marter! Qual, beglückt genug! Darf nun mein Mund an deinem Munde hangen, Verhauchen nur den letzten Atemzug In deine Brust, den deinigen empfangen, Und so vereinen unsrer Geister Flug! Er sprichts's und weint; mit freundlichem Verweise Ermahnet sie den Jüngling solcherweise: |
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Andre Gedanken, Freund, und andre Klagen, Aus höherm Grund, erheischet jetzt die Zeit. Willst du der Schuld nicht denken, nicht dir sagen, Wie reichen Lohn dem Frommen Gott verleiht? Ihm dulde du, und lieblich sei'n die Plagen, Und trachte froh nach seiner Herrlichkeit. O sieh den schönen Himmel, sieh die Sonne! Sie tröstet uns, sie winkt zu höhrer Wonne. |
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Hier muß sich laut der Heiden Klag' erheben; Es klagt der Christ mit leiserm Schmerzenswort. Beinahe reißt ein ungewohntes Streben Zum Mitgefühl den harten König fort. Er merkt es, zürnt, und um nicht nachzugeben, Kehrt er die Augen und verläßt den Ort. Nur du, Sophronia, fremd der allgemeinen Bekümmernis, willst, allbeweint, nicht weinen. |
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So dräut die Not; da, sieh! sprengt durchs Gedränge Ein Krieger, scheint's, von würdiger Gestalt. Es zeigt die Tracht, der Waffen fremd Gepränge, Daß er aus fernen Landen hergewallt. Des Helmes Tiger zieht den Blick der Menge – Berühmtes Zeichen! – auf sich alsobald, Ein Zeichen, das Clorind' im Krieg erwählet; Man glaubt, sie sei's, und hatte nicht gefehlet. |
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Seit ihrer frühsten Jugendzeit verschmähte Sie schon der Weiber Sitt' und Lebensart. Arachnens Arbeit, Nadel, Spinngeräte Ward nimmer mit der stolzen Hand gepaart. Sie floh die Tracht und Weichlichkeit der Städte, Denn Ehr' und Zucht wird auch im Feld bewahrt. Stolz waffnet' ihr Gesicht, ihr Wohlgefallen War strenger Ernst; doch, ernst, gefiel sie allen. |
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Als Kind schon lenkte sie mit kleiner Rechten Das mut'ge Roß, hielt's auf und trieb es an. Bald lernte sie mit Schwert und Lanze fechten, Und übt' und stärkte sich auf freiem Plan. Dann folgte sie, auf Höh'n, in Waldesnächten, Den Leun und Bären nach auf rauher Bahn. Sie schien, im Forst und auf dem Schlachtgefilde, Ein reißend Tier dem Mann, ein Mann dem Wilde. |
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Jetzt kehrte sie zurück von Persiens Strande, Denn stets verfolgt die Christen ihre Wut; Mit ihren Gliedern deckte sie die Lande, Die Wogen färbte sie mit ihrem Blut. Hier bietet nun zum ersten Gegenstande Beim Kommen sich des Scheiterhaufens Glut. Um das Vergehen der Schuld'gen zu erfahren, Treibt sie das Roß neugierig durch die Scharen. |
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Es weicht das Volk; und sie, um nach Verlangen Die beiden nah zu schauen, hemmt das Pferd. Sie sieht der einen Ruh', des andern Bangen, Die Schwäche hier mit stärkerm Mut bewehrt. Doch scheint auch er von Mitleid nur befangen, Und nicht von Schmerz, von Schmerz um sich, verzehrt; Sie aber, schweigend, fest den Blick gen Himmel, Scheint, vor dem Tod, entflohn dem Erdgewimmel. |
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Clorinde fühlt der beiden bittre Plagen So tief, daß ihr die Thrän' ins Auge steigt; Doch scheint ihr mehr, die nicht klagt, zu beklagen, Und minder er, der seufzt, als sie, die schweigt. Nicht länger säumend, richtet sie ihr Fragen An einen Greis, der neben ihr sich zeigt: Wer sind die Armen? Sprich! Führt ein Verhängnis, Führt eine Schuld dies Paar in solch Bedrängnis? |
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So fragt sie ihn; der Greis, auf ihr Begehren, Erzählt den Fall, kurz, doch genau und gut. Sie hört's erstaunt und kann sich leicht erklären, Daß man den beiden gleiches Unrecht thut. Und schon beschließt sie, ihren Tod zu wehren, So viel vermag ihr Flehn, ihr Heldenmut. Sie läßt sogleich die Brände, die schon flammten, Herunterziehn, und spricht zu den Beamten: |
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Daß keiner sich erkühne, fortzufahren In dieser harten Pflicht der Grausamkeit, Bis ich den König sprach. Was für Gefahren Der Aufschub droht, ich geb' euch Sicherheit. Und es gehorchen gleich der Diener Scharen, Bewegt durch ihres Ansehns Herrlichkeit. Zum König eilt sie nun, der in der Mitte Des Weges schon begegnet ihrem Schritte |
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Ich bin Clorinde, spricht sie, die bisweilen Vielleicht dir ward genannt. Bald wirst du sehn, Herr, daß ich kam, mit dir den Kampf zu teilen Für unsres Glaubens, deines Reichs Bestehn. Zu jedem Werk, gebeut nur, werd' ich eilen, Nicht Hohes fürchten, Niedres nicht verschmähn. Willst du der Mauern Schutz mir übertragen? Das offne Feld? Ich werde nichts versagen. |
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Der König spricht: Wo wird ein Land gefunden, So fern von Asien und der Sonnenbahn, Glorreiche Jungfrau, da zu allen Stunden Sich nicht dein Ruhm erhebe himmelan? Nun, da dein mächtig Schwert mit mir verbunden, Vermag nicht Furcht noch Sorge mir zu nahn. Und wär' ein Heer jetzt bei mir eingetroffen Zu meinem Schutz, nicht fester würd' ich hoffen. |
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Fast, fast schon deucht mir, über sein Gebühren Bleibt Gottfried aus. Doch deine Huld erbot Zum Beistand sich; dir kann nur das gebühren, Was wichtig ist und mit Gefahren droht. Den Feldherrnstab des ganzen Heers zu führen, Verstatt' ich dir; Gesetz sei dein Gebot. So spricht der Fürst; sie gibt ihm, freundlich heiter, Dank für sein Lob und führt die Rede weiter: |
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Zwar scheint es wohl ein unerhört Erfrechen, Begehrt man, vor dem Dienst, Vergeltung schon; Doch deine Güte macht mich kühn zu sprechen: Gieb mir die zwei, als künft'ger Dienste Lohn. Mir schenke sie; obwohl, ist ihr Verbrechen Noch ungewiß, sprach man dem Rechte Hohn: Doch davon schweig' ich, schweige von den Zeichen, Die beider Unschuld zum Beweis gereichen; |
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Und dieses sag' ich nur: Von Christenhänden, Wähnt alles hier, sei jenes Bild geraubt; Doch solcher Wahn kann nicht mein Auge blenden, Aus wicht'gem Grund ist andres mir beglaubt. Des Höchsten heiliges Gesetz zu schänden, Hat auf des Zaubrers Wort man sich erlaubt; Denn nimmer darf in unsern Tempelmauern Ein Götterbild, geschweig' ein fremdes, dauern. |
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Drum glaub' ich gern, von Mahom selber rühre Dies Wunder her; und dieser hab's gethan, Um anzudeuten, daß uns nicht gebühre, Den Tempel zu entweihn durch fremden Wahn. Wend' immer nur Ismen die Zauberschwüre, Die seine Waffen sind, nach Willkür an: Uns Rittern ziemt, mit Schwertern drein zu hauen; Nur dies ist unsre Kunst, ihr laß uns trauen. |
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Sie schweigt; und er, obwohl der Huldverleihung Sein zornig Herz im Innern widerspricht, Will ihr gefällig sein, und zur Verzeihung Bewegt ihn Recht und ihres Worts Gewicht. Werd' ihnen Leben, spricht er, und Befreiung! Was auch vermöcht' ein solches Fürwort nicht? Gnad' oder Recht will ich als Richter sprechen, Geb' Unschuld frei und schenke das Verbrechen. |
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So wurden sie befreit. Welch Glück entstammte Olinden jetzt aus wundervollem Los, Das ihn zu einer Heldenthat entflammte, Die Lieb' erzeuget aus der Liebe Schoß! Vom Pfahl zur Hochzeit geht der schon Verdammte, Wird Gatte jetzt, und nicht Geliebter bloß, Er wollte Tod mit ihr; jetzt ist ihr Streben, Daß, der mit ihr nicht stirbt, mit ihr soll leben. |
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Allein des Königs Argwohn sieht mit Grauen Ihm nah, vereint, so große Heldenkraft; Drum wurden beid' aus Palästinas Gauen, Durch sein Gebot, verbannt und fortgeschafft. Auch andre Christen treibt er aus, der rauhen Staatsklugheit folgend, andern gibt er Haft. Wie traurig scheiden sie von zarten Sprossen, Von grauen Vätern, liebenden Genossen! |
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Grausame Trennung! Der nur muß von hinnen, Der stark von Kräften ist und kühn von Mut; Die Frau'n, die Greis' und Kinder hält er drinnen Als Geiseln fest, in sichrer Mauern Hut. Viel' irren nun umher, und viele sinnen Empörung aus; und mehr, als Furcht, kann Wut. Sie eilen, sich den Franken zu vereinen, Die an dem Tag vor Emaus erscheinen. |
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Der Flecken Emaus liegt wenig Stunden Vom fürstlichen Jerusalem getrennt. Wer zeitig geht, hat dort sich eingefunden, Gemächlich wandelnd, eh' der Mittag brennt. O, wie's die Scharen freut, dies zu erkunden! O, wie die Sehnsucht heft'ger nun entbrennt! Doch weil die Mittagsstunden schon verrannen, Befiehlt Bouillon, die Zelt' hier aufzuspannen. |
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Schon waren sie errichtet, und schon wandte Zum Meere sich die Sonn' in hehrer Pracht, Als man gewahrt, daß sich zwei unbekannte Vornehme nahn, in fremder Landestracht, An deren Thun und Wesen man erkannte, Daß Freundsabsicht sie hierher gebracht. Botschafter von Aegypten sind's, und haben Der Knappen viel um sich, und Edelknaben. |
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Alet ist einer, namenlos entsprungen Aus schlechten Pöbels Schmutz und Niedrigkeit; Doch hat er sich zum ersten Rang geschwungen Durch schlaue, schmeichelnde Beredsamkeit, Gewandte Sitten, feine Huldigungen Und einen Geist, zum Truge stets bereit; Stark in der Kunst, Verleumdung vorzubringen, Die Schmähung ist und scheint wie Lob zu klingen. |
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Argant, der andre, vom Cirkasserlande, Der an Aegyptens Hof als Fremdling trat, Schwang sich empor zum Reichssatrapenstande Und stieg im Kriegsheer bis zum höchsten Grad. Rauh, ungeduldig, wild im Zornesbrande, In Waffen unbezwungen, rasch zur That, Verhöhnt' er jede Gottheit, und begehrte Sein Recht und sein Gesetz allein vom Schwerte. |
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Gehör beim Oberfeldherrn suchten beide, Und er gewährt' es, ohne zu verziehn. Auf niederm Sessel und in schlichtem Kleide, Umringt von seinen Fürsten, sahn sie ihn; Doch echtem Wert, auch fern vom Prunkgeschmeide, Ist durch sich selbst der höchste Schmuck verliehn. Kaum, daß Argant ihn zu begrüßen dachte, So wie ein großer Mann, der keinen achte. |
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61. |
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Alet indes, an seine Brust geschlossen Die Rechte, beugt, gesenkten Blicks, das Haupt, Und ehrt ihn ganz nach Sitte der Genossen, Wie man in seinem Land es schicklich glaubt. Es schien, als Worte seinem Mund entflossen, Dem Honig selbst die Süße fast geraubt; Und da die Franken Syriens Sprache kannten, Verstand man leicht die Rede des Gesandten: |
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62. |
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O, würdig du allein, daß edler Franken Berühmte Helden dich zum Haupt ernannt, Die, was sie dir und deinem Rat verdanken An Palmen und an Reichen, längst erkannt! Dein hoher Ruhm, den Herkuls Felsenschranken Nicht mehr begrenzen, füllt auch unser Land; So weit der Nil durch unsre Gaun daherrollt, War das Gerücht längst deiner Thaten Herold. |
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63. |
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Und jeder hört mit Staunen sie erschallen, Wie man nur Wunder zu vernehmen pflegt. Doch nicht von Staunen nur, von Wohlgefallen Fühlt sich durch sie des Königs Brust bewegt. Ihn freut's, sie zu erzählen, weil, was allen Nur Neid und Furcht, ihm wahre Lieb' erregt. Er liebt den Mut, und wünscht mit dir Vereinung Durch Freundschaftsbund, wenn nicht durch Glaubensmeinung. |
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64. |
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Deshalb, bewogen von so schönem Grunde, Beut er nun Frieden dir und Freundschaft an. Sei Biedersinnn das Band in eurem Bunde, Wenn gleicher Glaub' euch nicht vereinen kann. Doch weil zu ihm gelangt des Krieges Kunde, Den gegen seinen Freund dein Schwert begann, So wollt' er, um dem Schlimmern vorzubeugen, Durch unsern Mund dir seinen Sinn bezeugen. |
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Und dieser ist's: Willst du dich jetzt begnügen Mit dem, was du im Kriege dein gemacht, Judäa nicht bedrohn mit Heereszügen, Noch andres Land, das seine Huld bewacht, So will er alles gern zum Schutz verfügen Des noch nicht sichern Reichs. Wenn eure Macht Sich so vereint, wie könnten Perser, Türken Von ihrem Fall Herstellung dann bewirken? |
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Herr, Großes hast in kurzem du verrichtet, Was lange Zeit nicht mit Vergessen deckt, Kriegsheer' und Städte rasch besiegt, vernichtet, Not überwunden, neue Weg' entdeckt; So daß der Ruf, der's nah und fern berichtet, Die Lande weit umher betäubt und schreckt. Und kannst du wohl manch neues Reich erlangen, Doch wirst du nimmer neuen Ruhm empfangen. |
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Zum Gipfel stieg dein Ruhm; deshalb, besonnen, Meid jetzt des Krieges zweifelhafte Bahn. Denn siegest du, so wird nur Land gewonnen, Doch größern Ruhm kannst du nicht mehr empfahn. Schnell aber ist, was du erwarbst, zerronnen, Die Ehre selbst, mißlingt dein kühner Plan, Und nur ein thöricht Glücksspiel setzt verwegen Unsicherm Wenig sichres Viel entgegen. |
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Doch dessen Rat, der deine Heldenthaten Vielleicht im stillen tadelt und verdammt; Dann, daß dir alles Thun so wohl geraten, Und jener Trieb, der der Natur entstammt, Besiegt zu sehn die Völker und die Staaten, Der höher stets in großen Herzen flammt: Dies alles macht vielleicht von dir den Frieden Mehr, als von andern Krieg und Schlacht, vermieden. |
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69. |
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Dies reizet dich, die Straße fortzuwallen, Die das Geschick weit offen dir gewährt; Nicht eh'r dies Schwert zu senken, das in allen Kriegsthaten nie gewissen Siegs entbehrt, Bis Mahoms göttliches Gesetz gefallen, Bis Asien gänzlich sei durch dich verheert. O süßer Trug, so schmeichlerisch den Ohren, Wie oft ging alles schon durch dich verloren! |
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70. |
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Doch wenn Erbittrung nicht dein Auge blendet Und dunkelnd dir des Geistes Umsicht raubt, So wirst du sehn: wohin dein Schwert sich wendet, Ist dir nur Furcht, ist Hoffnung nicht erlaubt; Denn stets ist wandelbar das Glück und spendet Bald Gutes und bald Schlimmes, eh' man's glaubt; Und zu den allzu raschen, hohen Flügen Pflegt oftmals sich ein schneller Sturz zu fügen. |
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71. |
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Sprich, wenn Aegypten, reich an Gold und Waffen, Sich wider dich erhebt, ein mächt'ger Feind; Wenn Türk' und Perser wieder auf sich raffen Zu neuem Kampf, mit Kassans Sohn vereint: Wer wird dir Schutz vor solchem Angriff schaffen? Wer rettet dich, wann die Gefahr erscheint? Ist wohl auf Griechenland, das dir verpflichtet Durch heiligen Vertrag, dein Blick gerichtet? |
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72. |
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Wer könnte nicht von Griechentreue sagen? Aus einem Trug sieh jeden andern ein, Vielmehr aus tausend; denn wohl tausend Plagen Bracht' über euch dies falsche Volk allein. Und die euch erst den Durchzug abgeschlagen, Die sollten jetzt euch Gut und Leben weihn? Die euch den Weg, den alle frei genießen, Verweigert, jetzt für euch ihr Blut vergießen? |
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73. |
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Doch kann es sein, daß nur auf diesen Scharen, Die um dich sind, dein ganz Vertrauen liegt. Die einzeln, denkst du, zu besiegen waren, Die werden auch vereint so leicht besiegt; Obwohl, geschwächt durch Mangel und Gefahren, Dein Volk nur noch in kleiner Anzahl kriegt; Obwohl, als neue Feinde dich zu drängen, Mit Persern, Türken sich Aegypter mengen. |
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74. |
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Und wähnst du doch, den Sieg dir zu entraffen Verwehre das Verhängnis jedem Stahl: Wohlan, es sei? und selber dir erschaffen Magst du des Himmels Spruch, nach eigner Wahl. Der Hunger siegt dir ob! Mit welchen Waffen, Mit welcher Wehr bekämpfst du seine Qual? Auf! schwinge gegen ihn den Speer, und zücke Das mächt'ge Schwert, und träume noch vom Glücke! |
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Das reiche Feld, vom Abend bis zum Morgen, Liegt öde durch des Landmanns kluge Hand; In sichre Mauern ward die Frucht geborgen, Lang eh' du deinen Zug hierher gewandt. Wie hoffst du Roß und Fußvolk zu versorgen, Du, der so mutig eindrang in das Land? Die Flotte, sprichst du, wird mir Vorrat geben. So hängt denn an der Winde Gunst dein Leben? |
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76. |
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Gebeut auch dein allmächtig Glück den Winden, Kann sie nach Willkür fesseln und befrein? Das Meer, vor dem sonst Klag' und Bitte schwinden, Beugt es, sobald du sprichst, dich dir allein? Wenn Türk' und Perser sich mit uns verbinden, Könnt' unsrer Völker mächtiger Verein Nicht eine Flotte sammeln auf den Wellen, Die deiner Macht sich dürft' entgegenstellen? |
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77. |
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Willst du dir Ruhm bei deinem Plan erwerben, So ist ein Sieg, o Herr! dir nicht genug; Nur ein Verlust führt schon dich ins Verderben, Stürzt deinen Ruhm, vereitelt deinen Zug. Im Lager muß dein Heer vor Hunger sterben, Sobald die Bundesflotte deine schlug; Und mußt du hier dem nahen Feind erliegen, So wird umsonst dann deine Flotte siegen. |
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78. |
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Verweigerst du, in einer solchen Lage, Aegyptens Herrn sein friedliches Begehr, So stimmet dies – vergib, daß ich es sage – Zu deinen andern Tugenden nicht sehr. Doch lenke Gott, neigt sich zum Krieg die Wage, Dein großes Herz aufs Gegenteil vielmehr; Daß endlich nun sich Asiens Wunden schließen, Und deiner Siege Frucht du mögst genießen! |
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79. |
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Und ihr, die ihm gefolgt in Not und Glücke, Gefährten seines Ruhms und seiner Macht, O, daß euch nicht des Glückes Gunst berücke, Von neuem aufzurufen Krieg und Schlacht! Dem Schiffer gleich, der aus der Wogen Tücke Sein Schiff in den ersehnten Port gebracht, Zieht jetzt die Segel ein, wie stolz sie schwellen, Und trauet nicht aufs neu' den falschen Wellen. |
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80. |
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Hier schweigt Alet, und es erhebt sich leise Gemurmel in der Helden tapfrer Schar; Und wie ihr Stolz den Antrag von sich weise, Macht jedes zürnende Gebärde klar. Der Feldherr schaut dreimal umher im Kreise Und nimmt sogleich der Fürsten Meinung wahr; Dann läßt er seinen Blick den Redner fassen, Der seiner Antwort harrt, und spricht gelassen: |
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81. |
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Du zeigst, Gesandter, uns in schöner Rede, Bald sanft, bald drohend, eures Herrschers Plan. Belobt dein König unsrer Thaten jede, So will ich gern mich seiner Freundschaft nahn; Doch kündigst du hernach die nahe Fehde Mit dem gesamten Heidentum uns an, So geb' ich dir, wie jedem allerorten, Freimüt'gen Sinn in ungeschmückten Worten. |
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82. |
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Drum wisse nun: Zu Land und auf dem Meere, Bei Tag und Nacht, ertrugen wir so viel Nur darum, daß der Weg uns offen wäre Zu jenen Mauern, unserm heil'gen Ziel; Bei Gott uns zu erringen Gnad' und Ehre, Indem wir sie befrein, wenn's ihm gefiel; Und jeder wagt an ein so würdig Streben, Mit Freude, Ruhm der Welt und Reich und Leben. |
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83. |
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Denn nicht die Macht ehrsüchtig geiz'ger Triebe Hat unser Thun gespornet, noch gelenkt. So schnöde Pest vertilge Gottes Liebe, Wenn sie sich je in unser Herz gesenkt, Und dulden, daß eins beflecket bliebe Vom süßen Gift, das schmeichelnd Tod verschenkt. Nein! Seine Hand, die jedes Herz, verwildert Wie es auch sei, durchdringt, erweicht und mildert: |
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84. |
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Sie hat uns aufgeregt und hergezogen; Sie gibt in jeder Fahr uns sichre Hut, Macht Berge gleich, schlägt über Ströme Bogen, Bezähmt des Winters Eis, des Sommers Glut; Sie stillt des Meeres ungestüme Wogen, Und fesselt und befreit der Stürme Wut; Sie öffnet und zerstört die festen Werke, Sie tilget und zerstreut der Feinde Stärke. |
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85. |
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Sie hebt den Mut, sie kräftigt die Gedanken, Nicht unser schwacher Arm und müdes Schwert; Die Flotte nicht, und nicht die Macht der Franken, Noch so viel Völker Griechenland ernährt. Läßt diese Hand uns fallen nicht, noch wanken, So ist das andre keiner Sorge wert. Wer weiß, wie sie verteid'gen kann und töten, Begehrt nicht andern Schutz in seinen Nöten. |
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86. |
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Will aber sie den Beistand von uns scheiden, Sei's unsre Schuld, sei's ein verborgner Rat: Wer würde dort nicht gern den Tod erleiden, Wo Gottes Leib sein hehres Grabmal hat? Wir sterben, ohn' ein Leben zu beneiden; Wir sterben, doch der Rache Stunde naht. Nicht lachen wird der Feind, wenn wir verderben, Nicht weinen werden wir um unser Sterben. |
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87. |
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Doch glaube nicht, daß wir den Frieden scheuen, Wie man des Kriegs Verheerung scheut und haßt; Denn deines Herrn Zuneigung soll uns freuen, Auch ist der Bund mit ihm uns keine Last. Doch ist Judäa sein? Warum mit neuen Vorsorgen, sprich, hält er dies Land umfaßt? Er wehr' uns nicht Erwerbung fremder Staaten, Und mag in Ruh' sein eignes Land beraten. |
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88. |
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So sprach Bouillon, und seine Worte drangen Gleich Dolchen in Argants empörte Brust. Er hehlt es nicht; mit zornentflammten Wangen Tritt er hervor und spricht voll arger Lust: Wer Frieden nicht will, der soll Krieg empfangen, Denn fehlen hat's an Streite nie gemußt; Und wohl bezeigst du unfriedsamen Willen, Wenn nicht sogleich dich unsre Worte stillen. |
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89. |
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Rasch greift er nun nach seines Mantels Saume, Macht einen Schoß und hebt den Schoß empor; Und aus des Busens grimmerfülltem Raume Bricht frecher, trotziger dies Wort hervor: Du, der Gefahren achtet gleich dem Schaume, Hier leg' ich Frieden sowie Krieg dir vor. Dein sei die Wahl, doch zaudre nur nicht lange; Entschließe dich, und, was du willst, empfange! |
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90. |
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Die rohe That und Rede ward von allen Gesehen und gehört mit innrer Wut. Krieg! ließen all' einmütig laut erschallen, Eh' Gottfried Antwort zu verleihn geruht. Den Mantel schüttelnd, läßt Argant ihn fallen: So fordr' ich, spricht er, Krieg aufs letzte Blut. Es schien, als öffne mit dem rauhen Worte Dem Janustempel die verschloßne Pforte. |
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91. |
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Und aus des Mantels Schoß, so schien es, sprangen Die Zwietracht und die tolle Wut heraus; Und aus den fürchterlichen Augen schwangen Die Eumeniden ihrer Fackeln Graus. So war vielleicht, der einst, mit stolzem Prangen, Türmt' himmelan des Irrsals großes Haus; So sah ihn Babylon, den schrecklich Hohen, Die Stirn erheben und den Sternen drohen. |
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92. |
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Nun sprach Bouillon: Sagt nur, er solle kommen, Eu'r mächt'ger Fürst, und zaudre nicht zuviel. Der Krieg, den ihr uns droht, wird angenommen; Und kommt er nicht, erwart' er uns am Nil. Nachdem die beiden Abschied nun genommen, Beschenkt' er sie, wie's seiner Huld gefiel. Aleten ward ein Helm von hohem Werte, Der einst die Beute zu Nicäa mehrte. |
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Argant bekam ein Schwert, mit Gold und Steinen An Griff und Knopf von edler Künstlerhand So schön verziert, daß selbst den ungemeinen Reichtum des Stoffs die Arbeit überwand. Er prüft die Härte, Pracht und Kunst mit feinen Sorgfält'gen Blicken, lang' und unverwandt; Dann spricht er zu Bouillon: Dank dem Geschenke! Bald sollst du sehn, wie ich's zu brauchen denke. |
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Sie gehn; und er, stets eingedenk des Zieles, Spricht zu Alet: Nun schnell uns aufgemacht! Gen Zion ich, du nach dem Strand des Niles; Beim Morgenlichte du, und ich bei Nacht. Denn meiner Gegenwart und meines Kieles Wird, wo du hingest, kein Gebrauch gemacht. Die Antwort bringe du; für mich zu schaffen Gibt's nöt'ger hier, wo man verkehrt mit Waffen. |
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So ward zum Feinde nun der Abgesandte. Ob seine Hast unzeitig oder nicht, Ob er der Völker Recht, die anerkannte Kriegssitte brach, das hätt' ihm kein Gewicht. Auch harrt' er nicht auf Antwort, sondern wandte Sich zu der hohen Stadt beim Sternenlicht, Unduldsam des Verzugs; und der geblieben, Fühlt sich von gleicher Ungeduld getrieben. |
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96. |
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Jetzt war es Nacht; es schweigt der Winde Sausen, Die Wogen ruhn, und es verstummt die Welt. Die müden Tiere, die im Meere hausen, Und die der Seeen klarer Schoß enthält, Und die in Hürden ruhn, in Waldesklausen, Die bunten Vögel unterm Laubgezelt, Sie alle jetzt vergessen Sorg' und Kummer, Beim stillen Graun der Nacht, in süßem Schlummer. |
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97. |
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Doch nicht der Feldherr, noch das Heer der Franken, Läßt Schlummer oder Ruhe jetzt sich nahn; So eifrig sind bei allen die Gedanken, Den ersten Strahl des Morgens zu empfahn, Der, ihren Weg erhellend, zu den Schranken Der Stadt sie führ', ans Ziel der hohen Bahn. Sie schaun und schaun, ob noch kein Lichtgefunkel Hervorbricht und erhellt das nächt'ge Dunkel. |