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Als diese nun das schöne Werkzeug bauen, Das bald die hohe Stadt bestürmen soll, Erhebt der Menschen großer Feind, mit Grauen, Auf Christi Volk den Blick, der Tücke voll. Er sieht der Scharen freudiges Vertrauen, Zerbeißt die Lippen beide sich vor Groll Und haucht, wie ein verletzter Stier, die Schmerzen Mit Aechzen und Gebrüll aus seinem Herzen. |
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2. |
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Das größte Weh den Christen zu bereiten, Ist nun sogleich sein ganzer Geist bedacht. Zusammen ruft er schnell von allen Seiten In seine Burg den grausen Rat der Nacht. Als wär' es – Thor! – ein Leichtes nur, zu streiten Den großen Kampf mit Gottes heil'ger Macht; Thor! der den Himmel wagt herauszufodern, Vergessend schon, wie Gottes Blitze lodern. |
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3. |
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Es ruft dem grausen Volk urnächt'ger Klüfte Der höllischen Posaune heisrer Ton. Ihr zittern rings die weiten schwarzen Grüfte, Des Orkus Nacht rückhallt ihr rauhes Drohn. So schmettert nie der Blitzstrahl durch die Lüfte Herab aus höchster Himmelsregion; So bebt die Erde nie mit wildem Stoße, Wann sie die Dünste preßt im schwangern Schoße. |
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4. |
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Rings sammeln sich an hoher Pforte Stufen Des Abgrunds Götter raschen Flugs sofort: Scheusal', aus Nacht und Graun hervorgerufen, Verderben sprühend aus dem Aug', und Mord. Hier stampfen sie den Grund mit Tiereshufen Um Menschenstirn wehn Schlangenhaare dort; Ein ungeheurer Schweif erscheint bei allen, Der, Peitschen gleich, sich dehnen läßt und ballen. |
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5. |
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Centauren, Sphinxe siehst du und Gorgonen Und der Harpyen ekelhafte Brut; Die Hydra heult, es zischen die Pythonen, Die Scylla bellt voll raubbegier'ger Wut. Hier hausen Polypheme, Geryonen; Dort spein Chimären dunkelrote Glut; In neuer Mißform, nirgend sonst gefunden, Scheusal' unzähl'ger Art in eins verbunden. |
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6. |
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Die setzen sich zur Rechten, die zur Linken Um den gewalt'gen Schreckenskönig her. In Plutos Hand sieht man das Zepter blinken, Das ungeheure Zepter, roh und schwer. Nicht Calpes noch des Atlas hohe Zinken, Kein Bergfels ist und keine Klipp' im Meer, Die man vor ihm nicht kleine Hügel glaubte; So ragt er auf mit hornbewehrtem Haupte. |
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7. |
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Den stolzen Geist erhebt dem Schreckenvollen Der Ungestalt furchtbare Majestät. Der roten Augen Paar, von Gift gequollen, Flammt wie ein unheilbringender Komet; Sein Kinn umhüllt ein Bart, der, dick geschwollen, Bis auf die borst'ge Brust hernieder weht. Es öffnen ihm, gleich ungeheuern Tiefen, Die Kiefern sich, die schwarz von Blute triefen. |
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8. |
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Wie aus des Aetna Feuerschlund mit Krachen Glut, Schwefeldampf und Donner steigt empor, So stürzt sich jetzt aus seinem wilden Rachen Der Atem schwarz und glutgemischt hervor. Ihm schweigt der Laut des hundertköpf'gen Drachen, Und Cerberus verstummt am Höllenthor; Es stocket der Cocyt, die Gründ' erzittern, Und seine Stimm' erschallt gleich Ungewittern: |
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9. |
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Des Orkus Mächte, würd'ger dort zu wohnen, Hoch über Sonnen, so eu'r Mutterland, Die einst der große Fall von sel'gern Thronen Mit mir in diese düstre Kluft gebannt: Der alte Zorn des Herrschers jener Zonen Und unser hoher Plan sind längst bekannt. Er aber lenkt die Sterne nun als Meister Und richtet uns als widerspenst'ge Geister. |
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10. |
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Und fern vom heitern Tag, der uns umflossen, Der Sonne Pracht, der Sterne goldnem Kranz, Hält er in diesem Abgrund uns verschlossen, Versagt auf ewig uns den alten Glanz. Und dann – Weh mir! von seines Zorns Geschossen Traf keins mein Innerstes so tief, so ganz! – Ließ er den Menschen Himmelsbürger werden, Aus schlechtem Staub geboren auf der Erden. |
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11. |
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Und nicht genug; zu unserm Sturz verschworen, Gab er dem Tode selbst den ein'gen Sohn. Er kam herab, brach von des Orkus Thoren Das Siegel los, trat kühn vor unsern Thron; So viele Seelen, uns zur Beut' erkoren, Führt' er dem Himmel zu, und, uns zum Hohn, Schwang triumphierend er auf jenen Bahnen Als Sieger der besiegten Hölle Fahnen. |
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12. |
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Doch was erneur' ich meinen Schmerz durch Klagen! Wer wüßte nicht, wie tief er uns gekränkt! Wann hat, und wo, der altgewohnten Plagen Erledigung uns jener dort geschenkt? Nicht laßt uns fortan vom alten Leid uns sagen, Aufs gegenwärt'ge sei der Sinn gelenkt! Ha! und durchschaut ihr noch nicht, wie er strebe, Daß alles Volk sich seinem Dienst ergebe? |
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13. |
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Wir hielten träg' uns länger hier verkrochen Und blieben bei so würd'ger Sorge kalt? Wir litten, daß sein Volk, ununterbrochen, In Asiens Gaun zunehm' an Macht und Halt? Daß es Judäa dürf' jetzt unterjochen, Noch mehren seines Herrschers Ruhmgewalt? Daß man in andrer Sprach' und andrer Weise, Auf neuem Erz und Marmor noch ihn preise? |
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14. |
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Daß unsre Bilder stürzen vom Altare, Der, umgeweiht, ihm künftig Opfer zollt? Daß man nur ihm Gelübde zahl', ihm spare Des Weihrauchs Duft, ihm spende Myrrh' und Gold? Daß man vor uns die Tempel jetzt verwahre, Wo alles sonst uns eigen war und hold? Daß wir den Zoll so vieler Seelen missen, Und Pluto herrsch' in öden Finsternissen? |
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15. |
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Ha, nimmermehr! Noch ist er nicht entschwunden Aus uns, der Geist der alten Tapferkeit, Als wir, mit Stahl und Flammen kühn umwunden, Des Himmels Macht bekriegt in edlem Streit. Und wurden wir im Kampf auch überwunden, War der Gedanke doch voll Göttlichkeit. Zwar kam der Sieg den Glücklichern zu gute; Uns blieb der Ruhm von unbesiegtem Mute. |
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16. |
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Doch warum euch zum Zögern noch verdammen? Eilt, meine Treuen, meine Macht und Kraft! Eilt, und verderbt das schuld'ge Volk zusammen, Eh' es zum Krieg sich neue Stärke schafft; Vertilgt im Reich Judäas diese Flammen, Eh' ihre Glut noch weiter um sich rafft. Stürzt auf sie ein, und zum Verderb der Christen Braucht jetzt Gewalt und jetzt Betrug und Listen. |
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17. |
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Geschick sei, was ich will! Umher zu irren Sei dieses Los; den treffe Todesqual; Der soll versenkt in Lieb' und Wollust girren, Ein süßer Blick sei Gottheit seiner Wahl. Aufruhr und Zwietracht soll das Volk verwirren Und lenken auf den Führer selbst den Stahl. Das ganze Heer verderb', und alle Kunde Und Spur von ihm geh' auf einmal zu Grunde. |
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18. |
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Nicht harrten sie, die von dem wahren Gotte Abfäll'gen Geister, bis das Wort vollbracht, Und schwangen sich empor in dichter Rotte, Zum Wiederschaun der Stern', aus tiefer Nacht: Wie rauhe Stürm' aus heimatlicher Grotte Sich brausend stürzen mit gewalt'ger Macht, Den Himmel zu verdüstern und die Strecken Des Landes und des Meers mit Krieg zu schrecken. |
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19. |
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Schon eilten sie, die Flügel auszubreiten, Nach jeder Richtung, durch die offne Welt, Und fingen an viel Listen zu bereiten, Und jeder suchte seiner Kunst ein Feld. Sag' uns, o Muse! du, von welchen Seiten Sie nun zuerst den Christen nachgestellt. Du weißt es; doch von so entfernten Dingen Mag kaum zu uns ein schwacher Nachhall dringen. |
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20. |
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Fürst von Damaskus und den nahen Gauen War Hydraot, ein mächt'ger Zaubergreis, Der auf die Kunst, die Zukunft zu durchschauen, Von Jugend an verwandte Müh' und Fleiß. Doch wozu half's, wenn ungewisses Grauen Der Krieg ihm droht, des Ausgang er nicht weiß, Da der Planeten und Gestirn' Aspekten, Die Hölle selbst, ihm Wahrheit nicht entdeckten? |
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21. |
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Es wähnte der – wie falsch sind deine Schlüsse, O Menschengeist, in deinem blinden Wahn! – Den Franken sei durch himmlische Beschlüsse Verderb und Tod bestimmt auf ihrer Bahn. Und glaubend nun, das Volk Aegyptens müsse Am Ende doch die Siegespalm' empfahn, Begehrt er bei dem Sieg für seine Leute Auch einen Teil des Ruhmes und der Beute. |
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22. |
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Doch muß er wohl den Mut der Franken ehren, Und weil ein blut'ger Sieg ihm mißlich scheint, Geht er zu Rat, um Künste vorzukehren, Wodurch er ihre Macht zu schwächen meint, Daß leichter dann sie zu besiegen wären, Wenn mit Aegypten sich sein Volk vereint. Ihn trifft der böse Geist bei solchem Sinnen Und reizt ihn noch zu frevelndem Beginnen. |
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23. |
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Er gibt ihm Rat, samt klugem Unterrichte, Wie er am besten seinen Zweck erreicht. – Ein junges Mädchen ist des Königs Nichte, Dem keins im Morgenland an Schönheit gleicht. Was Frauenlist, was Zauberkunst verrichte, Das alles ist ihr gleich bekannt und leicht. Die ruft der Fürst, macht ihr des Plans Entdeckung Und will, daß sie ihm helfe zur Vollstreckung. |
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24. |
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O, spricht er, du, die unter blondem Haare Und der Gestalt, so zart und mädchenhaft, Birgt Mannesmut und Klugheit grauer Jahre, Und mich schon übertrifft an Zauberkraft: Groß ist der Plan, den ich dir offenbare, Und wenn du hilfst, wird bald uns Sieg verschafft. Verwebe du das Garn, das ich gesponnen, Und Kühnheit laß vollziehn, was List ersonnen. |
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25. |
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Geh in des Feindes Lager; dort nun zeige, Was dir von Liebeskünsten nur bewußt. Mit Thränen, Seufzern untermischt entsteige Des Flehens holder Laut der zarten Brust; Als klagende, verfolgte Schönheit neige Den rauhsten Sinn nach deines Herzens Lust. In Scham verbirg des Mutes Ueberfülle Und decke Lügen mit der Wahrheit Hülle. |
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26. |
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Mit holdem Blick und süßem Schmeichelklange Nimm, ist es möglich, selbst den Feldherrn ein, Daß der verliebte Mann vom läst'gen Zwange Der Kriegsbeschwer sich wünsche zu befrein. Doch wenn nicht ihn, die andern Größten fange Und führe sie in ew'ge Haft hinein. Dann schließt er, nach Beratung einzlen Falles: Für Vaterland und Glauben darf man alles. |
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27. |
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Armida, kühn durch nie getäuscht Vertrauen Auf ihre Gaben, Jugend und Gestalt, Gibt ihm ihr Wort, und mit des Abends Grauen Wird ein geheimer Pfad von ihr durchwallt. Besiegen will sie, in der Tracht der Frauen, Siegreicher Scharen Waffen und Gewalt. Indes verbreitet man, geschickterweise, Gerüchte mancher Art von ihrer Reise. |
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28. |
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Nach wenig Tagen naht die junge Schöne Dem Orte, wo der Franken Lager steht. Sowie sie ankommt, flüstern ihr die Töne Des Staunens nach, und jeder schaut und späht: Wie wann bei Tag, in nie gesehner Schöne, Ein Stern erscheint, ein strahlender Komet; Und alle sind zu forschen gleich behende, Wer diese Fremde sei, und wer sie sende. |
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29. |
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Der Schönheit Glanz in einer höhern Feier Sah Delos, Cypern, Argos nie zuvor. Ihr goldnes Haar glänzt durch den weißen Schleier Bald nur hindurch, bald strahlt es frei hervor: So, wann der Himmel heitrer wird und freier, Blinkt bald die Sonne durch den Wolkenflor; Bald, dem Gewölk entwallt, im Strahlenkranze Bricht sie hervor mit doppelt hellem Glanze. |
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30. |
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Mit neuen Locken schmückt der Weste Kosen Ihr Haar, das schon Natur in Locken flicht. In sich gewandt den Blick, den anspruchlosen, Zeigt sie der Lieb' und eigne Schätze nicht. Sanft mischet sich die Farbe zarter Rosen Zum Elfenbein auf ihrem Angesicht, Indes, von süßem Hauch der Lieb' umfächelt, Die Ros' allein auf ihrem Munde lächelt. |
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31. |
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Des schönen Busens reiner Schnee entzündet Und nähret sanft der Liebe stillen Brand. Die unentblühten Knospen, zart geründet, Verhüllt mit Neid zur Hälfte das Gewand. Mit Neid; allein, was nicht das Aug' ergründet, Bleibt sehnender Begier nicht unerkannt, Die, unbefriedigt von dem äußern Reize, Bis ins Verborgne dringt mit stillem Geize. |
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32. |
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Gleichwie der Sonne Strahl, unaufgehalten, Unteilend, durch Kristall, durch Wasser dringt: So schlüpft die Phantasie durch dichte Falten In Sphären ein, die das Gewand umschlingt, Irrt dort umher, durchspäht mit freiem Schalten Das schöne Wunderland, das sie umringt, Und eilt, es dem Verlangen kund zu machen, Um seine Glut noch heller anzufachen. |
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33. |
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Armida geht durch der Begier'gen Mitte, Gelobt, bestaunt, und sie bemerkt es bald; Doch zeigt sie's nicht, obwohl bei jedem Schritte Ihr lächelnd Herz von Siegeshoffnung wallt. Jetzt weilet sie ein wenig, mit der Bitte Um ein Geleit zu Gottfrieds Aufenthalt; Und hastig eilt, eh' sich die andern regen, Eustaz, des Feldherrn Bruder, ihr entgegen. |
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34. |
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Von ihrer Götterschönheit angezogen, So wie das Licht den Schmetterling erregt, Naht er und blickt, durch ihren Reiz betrogen, Ins Auge, das sie sittsam niederschlägt. Doch hat er schon ihm helle Glut entsogen, Dem Zunder gleich, den man ans Feuer legt, Und spricht zu ihr (denn rasch verwegne Triebe Weckt ihm die Glut der Jugend und der Liebe): |
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35. |
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O Jungfrau – darfst den Namen du empfangen, Denn dich gebar die Erde nimmermehr; Nie strahlt' auf einer Adamstochter Wangen Des Himmels heitres Licht so schön und hehr – Von wannen kommst du? Was ist dein Verlangen? Führt dein, führt unser Schicksal dich hierher? Wer bist du? Sprich, daß ich dir nicht entziehe, Was dir gebührt, und, wenn es recht ist, kniee. |
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36. |
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Sie spricht: Dein Lob steigt mit zu hohen Flügen, Und mein Verdienst reicht lange nicht so weit. Nicht sterblich nur, ach! irdischem Vergnügen Längst, Herr, gestorben, leb' ich nur dem Leid. Mich treibt hierher des Unglücks hartes Fügen, Ein Mädchen, fliehend, ohne Sicherheit. Vertrauend flücht' ich zu Bouillon, dem frommen; So laut wird seiner Güte Ruf vernommen. |
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37. |
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Wenn Leid und Unschuld, wie es scheint, dich rühren, So führe du mich bei dem Feldherrn ein. Und er: Es ziemt, zum Bruder dich zu führen, Dem Bruder wohl, und Anwalt dir zu sein. Bald wirst du, Schönste, seinen Beistand spüren, Denn meine Gunst bei ihm ist nicht gemein. Verwende ganz nach eigenem Erwägen, Was nur vermag sein Zepter und mein Degen. |
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38. |
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Er führt sie zu Bouillon, der jetzt im Kreise Der Helden weilt, fern von der Menge Drang. Sie neigt sich ehrfurchtsvoll und schweigt; denn leise Verschämtheit hält zurück der Worte Klang. Allein der Krieger stillt auf milde Weise Der Schönen Furcht und löset jeden Zwang, So daß sie den erdachten Trug beginnet Mit einem Ton, der jedes Herz gewinnet: |
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39. |
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Siegreiche Fürst, des Name sondergleichen Die Welt durchfleucht, von solchem Glanz verklärt, Daß, dir zu fallen, deinem Arm zu weichen, Den Königen und Landen Ruhm gewährt: Kund ist dein hoher Geist in allen Reichen; Und wie der Feind sogar ihn liebt und ehrt, So schafft er auch dem Feinde das Vertrauen, Zu dir zu fliehn, auf deinen Schutz zu bauen. |
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40. |
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Ich, die als Kind den Glauben schon bekannte, Den du verfolgst, dem du so weh gethan, Ich hoffe kühn, durch dich das mir entwandte Ererbte Zepter wieder zu empfahn. Und fleht man sonst Genossen und Verwandte Vor fremder Wut um Schutz und Rettung an: So ruf' ich, bei der Meinen Frevelmute, Des Feindes Stahl um Schutz vor meinem Blute. |
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41. |
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Dich ruf' ich an, dir trau' ich; wieder schaffen Kannst du allein mir den geraubten Stand. Nicht minder willig, als zum Niederraffen, Sei nun auch zum Erheben deine Hand. Nicht minder, als dem Sieg ob Feindeswaffen, Wird Lob und Preis dem Mitleid zuerkannt; Und konntest viele du des Reichs entsetzen, Sei's gleicher Ruhm, in meins mich einzusetzen. |
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Doch kann des Glaubens Unterschied erzeugen Verachtung für mein billiges Begehr: Mein Glaub' an deine Mild' ist nicht zu beugen, Und unrecht wär's, blieb' er getäuscht und leer. Der Gott, der allen Gott ist, mag's bezeugen: Gerechtern Beistand gabst du nimmermehr. Doch daß ich's deutlich dir vor Augen rücke, Vernimm nunmehr mein Leid und andrer Tücke. |
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Die Tochter Arbilans bin ich geboren, Ihn nennt Damask in seiner Fürsten Zahl; Doch nicht Geburt hatt' ihn zum Thron erkoren, Er ward ihm als Charikliens Gemahl. Sie hab' ich, fast vor meinem Sein, verloren; Kaum sah ich noch des Tages ersten Strahl, Da starb die Mutter. Ach! der mir das Leben, Der Schreckenstag hat ihr den Tod gegeben. |
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Kaum floh das fünfte Jahr, seitdem, erblassend, Die Mutter sich der Erdenhüll' entrang, Als schon mein Vater, diese Welt verlassend, Vielleicht zu ihr sich auf gen Himmel schwang, Mich und das Reich zur Aufsicht hinterlassend Dem Bruder, den er so mit Lieb' umschlang, Daß, läßt sich je dem Menschenherzen trauen, Er sicher durft' auf dieses Treue bauen. |
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Als dieser nun die Leitung übernommen, Schien er so eifrig meinem Wohl geweiht, Daß man ihn pries an echter Treu' vollkommen, An Vaterlieb' und reiner Zärtlichkeit. Sei's, daß die Bosheit, schon in ihm entglommen, Noch ward verhüllt durch ein erborgtes Kleid; Sei's, daß die Treu' noch wirklich in ihm wachte, Weil er dem Sohn mich zu vermählen dachte. |
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46. |
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Ich wuchs, mit mir der Sohn; doch lernt' er nimmer Der Ritter Art, noch irgend edle Kunst; Ihn reizte nie der hohen Thaten Schimmer, Nichts Schönes, Großes war in seiner Gunst. Schlimm war sei Aeußres, doch sein Innres schlimmer; Im stolzen Herzen flammt habsücht'ge Brunst. An wüster Roheit nimmer zu erreichen, Schien er an Lastern nur sich selbst zu gleichen. |
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So war der Jüngling, den mein wackrer Hüter Mir auserkor zum würdigen Gemahl, Den er als meines Betts und meiner Güter Genossen mir mit klarem Wort empfahl. Kunst, Ueberredung, Scharfsinn, was Gemüter Zu lenken dient, er braucht' es allzumal; Doch nicht gelang's, mein Wort mir abzujagen, Und was ich that, war Schweigen, war Versagen. |
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48. |
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Er ging zuletzt mit einem Blick voll Drohen, Der seines argen Sinns Verräter war; Und schon zu lesen auf der Stirn des Rohen Glaubt' ich die Kunde nahender Gefahr. Seitdem war nächt'ge Ruhe mir entflohen, Verscheucht von böser Träum' und Larven Schar; Und meiner Brust unüberwindlich Grauen Ließ ahnungsvoll in die Gefahr mich schauen. |
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49. |
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Oft zeigte sich, ein ängstlich Traumgebilde, Der Mutter bleiche, schmerzliche Gestalt; O, wie so ungleich der gewohnten Milde, Dem holden Liebreiz, der ihr Bild umwallt! Flieh vor dem Tode, sprach sie, den der wilde Tyrann dir droht; o Tochter, fliehe bald! Sieh! Gift und Dolch in des Verräters Händen, Bereit, dein Leben meuchlerisch zu enden. |
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Doch, wehe mir! was half's, daß des Tyrannen Verruchten Plan mein ahnend Herz erriet, Wenn, zum Entschluß sich kraftvoll zu ermannen, Der Jugend Zartheit immer noch vermied? Durch Flucht mich selbst freiwillig zu verbannen, Nackt zu verlassen meines Reichs Gebiet – Das war so herb! Eh' wollt' ich alles leiden Und, wo mir Leben ward, vom Leben scheiden. |
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51. |
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Wohl fürchtet' ich den Anschlag des Barbaren, Und hatte doch – wer glaubt's? – nicht Mut zu fliehn. Noch fürchtet' ich, die Furcht zu offenbaren, Und schneller nicht den Tod herbeizuziehn. So führt' ich bang ein Leben voll Gefahren Und stets verfolgt von schwarzen Phantasien: Dem Manne gleich, der bei dem kleinsten Schalle Bebt, daß das Schwert auf seinen Nacken falle. |
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52. |
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In dieser Not – ward mir mein Stern gewogen, War's, daß er mich zu Härterm ausersah? – Genug, ein Mann, am Königshof erzogen Von meinem Vater, der ihn gerne sah, Entdeckte mir, durch alte Treu' bewogen, Die Stunde meines Untergangs sei nah; Versprochen hab' er, auf des Frevlers Dringen, Noch diesen Tag den Giftkelch mir zu bringen. |
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53. |
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Er fügt' hinzu, dem hart bedrohten Leben Gewähre nur die schnellste Flucht Bestand. Und da mir andre Hilfe nicht gegeben, Bot er sogleich zur Rettung mir die Hand Und wußte so den schwachen Mut zu heben, Daß ich, zerreißend meiner Zagheit Band, Mich schnell entschloß, Oheim und Reich zu fliehen Und, wann es nachte, mit ihm fort zu ziehen. |
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54. |
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Die Nacht stieg auf mit ungewohntem Schauer, Die freundlich dunkelnd uns zum Beistand kam. Zwei Mädchen nur, Genossen meiner Trauer, Sie waren alles, was ich mit mir nahm. Ach, thränenvoll zur väterlichen Mauer Wandt' ich zurück das Aug' in stillem Gram, Und ward nicht satt, den trüben Blick im Scheiden An meiner mütterlichen Flur zu weiden. |
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55. |
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Es folgten Aug' und Geist demselben Gange, Und vorwärts schritt der Fuß, unwillig nur: So wie ein Schiff, das mit gewalt'gem Zwange Ein jäher Sturm reißt von geliebter Flur. Wir flohn die Nacht, den nächsten Tag noch lange, Durch Wüstenein ohn' alle Menschenspur; Bis endlich uns, an meines Reiches Grenzen, Die Zinnen einer Burg entgegenglänzen. |
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56. |
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Sie war Aronts – wie man den Edeln nannte, Der rettend, leitend mir zur Seite trat. Kaum aber, daß der Bösewicht erkannte, Ich sei entflohn dem tödlichen Verrat, Als er von Zornglut auf uns beid' entbrannte, Auf uns die Schuld warf seiner eignen That Und so auf unser Haupt den Frevel rollte, Den wider mich er selbst vollführen wollte. |
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57. |
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Ich, sprach er, habe den Aront getrieben, Ihm Gift zu mischen unter seinen Wein, Daß keiner mehr, sobald er tot geblieben, Mich zügeln mög' und mir im Wege sein, Um, angereizt von ungezähmten Trieben, Mit tausend Buhlern mich der Lust zu weihn. O, daß ein Strahl vom Himmel mich verzehre, Eh', heil'ge Zucht, ich dein Gesetz entehre! |
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58. |
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Daß der Barbar, in schändlicher Bethörung, Mein Reich begehrt und mein unschuldig Blut, Wohl schmerzt es mich; doch meines Rufs Zerstörung, So unverdient, die raubt mir ganz den Mut. Der Bösewicht, aus Furcht vor Volksempörung, Verbreitet schlau so arge Lügenbrut, Damit die Stadt in Ungewißheit schwebe Und nicht vielleicht, mich schützend, sich erhebe. |
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59. |
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Und sitzt er gleich auf meiner Väter Throne, Hat auf sein Haupt mein Diadem gerafft, Doch treibt zu neuer Unbill, neuem Hohne Ihn seiner Bosheit fürchterliche Kraft. Der Flammentod wird dem Aront zum Lohne Im eignen Schloß, stellt er sich nicht zur Haft; Und mir und allen, die sich mir verbündet Wird nicht nur Krieg, nein Tod und Qual verkündet. |
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60. |
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Er thue dies – so sucht er vorzuwenden – Um rein zu waschen von der Schmach sein Haupt, Und seinem Blut und Königsstuhl zu spenden Den alten Glanz, den ihm mein Fehl geraubt. Allein er thut's, weil noch in seinen Händen Er sicher nicht mein Erb' und Zepter glaubt; Denn nur die Trümmer meines Sturzes können Haltbare Stützen seinem Reich vergönnen. |
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61. |
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Und wohl erreichen wird sein arges Drohen Das Ziel, das sich der Wüterich gesetzt; Und löschen meine Thränen nicht die Lohen Der Zornesglut, löscht sie mein Blut zuletzt, Wenn du's nicht wehrst. In deinen Schutz geflohen Komm' ich, o Fürst! schuldlos, verwaist, entsetzt; Und diese Thränen netzen deine Füße, Damit ich nicht mit Blutesströmen büße. |
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62. |
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Bei diesen Füßen, die den Stolz zermalmen, Bei dieser Hand, die wohl den Frommen thut; Bei deiner Siege nie befleckten Palmen, Bei diesen Tempeln, die du nahmst in Hut: Hilf auf, du kannst es, meiner Hoffnung Halmen Und wahre mir des Reichs, des Lebens Gut, Aus Mitleid; doch, kein Mitleid soll dich rühren, Wenn nicht auch Recht und Billigkeit dich führen. |
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63. |
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Du, der vom Himmel selbst zum Los empfangen, Daß er Gerechtes will, Gewolltes kann: Mein Leben retten und mein Reiche erlangen, Du kannst es; denn dein ist's, wenn ich's gewann. Von all den Helden, die dich hier umfangen, Vertraue zehn nur meiner Führung an. Der Adel ist mir treu, das Volk ergeben; Drum g'nügen sie, mich auf den Thron zu heben. |
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64. |
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Ja, einer von des Reiches ersten Sassen, Der ein geheimes Thor der Burg bewacht, Will's öffnen, sagt er, um uns einzulassen Bei nächt'ger Zeit. Nur rät er mit Bedacht, Um Beistand dich zu bitten; denn verlassen Will er sich mehr auf deine kleinste Macht Als auf die Heere, die von andern kamen; So schätzt er dein Panier und selbst den Namen. |
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65. |
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Sie schweigt und harrt der Antwort nun entgegen Mit einem Blick, der stumm noch Bitten wagt. Unschlüssig schwankt Bouillon und fühlt, verlegen, Von Zweifeln mancher Art sein Herz zernagt. Er scheut der Feinde Trug, in dem Erwägen, Daß Treue fehlt, wo man sie Gott versagt; Doch regt sich auch der Trieb mitleid'ger Güte, Der nie entschläft in adligem Gemüte. |
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66. |
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Und nicht nur die gewohnte Mild' und Gnade Rät ihm, der Jungfrau Hilfe zu verleihn; Sein Vorteil heischt in nicht geringem Grade, Der mög' im Reich Damaskus Herrscher sein, Der ihm gehorsam öffne Weg' und Pfade Und ihm erleichtre seines Werks Gedeihn, Und Völker, Gold und Waffen ihm gewähre, Wann die Aegypter nahn mit ihrem Heere. |
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67. |
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Indem er so, von Zweifeln umgetrieben, Gedankenvoll den Blick zur Erde schlägt, Ist immer starr ihr Aug' auf ihm geblieben, Um zu erspähn, was sich im Innern regt; Und da die Antwort länger ausgeblieben, Als sie gedacht, seufzt sie, von Furcht bewegt. Auch weigert er zuletzt der Schönen Bitte, Doch mild und sanft, nach edler Herzen Sitte: |
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68. |
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Wenn wir, die Gott in seinen Dienst genommen, Nicht unsre Schwerter hätten ihm geweiht, So wäre dein Vertraun uns hoch willkommen, Und nicht nur Mitleid, Hilfe dir bereit. Doch ehe wir die Herde seiner Frommen Und die bedrängten Mauern dort befreit, Ist's nicht erlaubt, durch unsres Heers Vermindern Den Sieg in seinem raschen Lauf zu mindern. |
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69. |
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Doch nimm mein Wort zum edlen Unterpfande, Und laß von dir des Zweifels Sorge fliehn: Wenn jemals wir der Knechtschaft niedrer Schande Die heil'ge, gottgeliebte Stadt entziehn, Dann sei, zur Lösung der geraubten Lande, Wie Mitleid will, dir Beistand gern verliehn. Jetzt würde Mitleid selbst dem Mitleid wehren, Wollt' ich zuerst nicht Gott sein Recht gewähren. |
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70. |
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Dies hörend blieb die Jungfrau unbeweglich Und stand, gesenkten Blickes, wie erstarrt; Dann schaute sie empor und sagte kläglich, Indem ihr Auge feucht von Thränen ward: Weh mir! Wem gab der Himmel solch unsäglich Grausames Los, so unverändert hart, Daß andrer Sinn und längst gewohntes Handeln Sich eher muß, als mein Verhängnis, wandeln? |
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71. |
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Nicht hoff' ich mehr, umsonst sind meine Klagen; Kein Menschenherz wird noch durch Flehn erweicht. Hoff' ich wohl gar, es fühle meine Plagen, Die dich nicht rührten, der Tyrann vielleicht? Doch wag' ich nicht, als hart dich anzuklagen, Weil du versagst, was sich gewährt so leicht; Den Himmel klag' ich an, Quell meiner Schmerzen, Der Mild' unrührbar macht in deinem Herzen. |
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72. |
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Nicht dich verkenn' ich, Herr, und deine Güte; Mein Schicksal ist's, das grausam mich verstößt. Unsel'ger Stern, der stets mir feindlich glühte, Sei mir durch dich des Lebens Qual gelöst! Der Eltern Tod in ihrer Jugend Blüte Hat noch dir kein Erbarmen eingeflößt; Des Reiches auch muß ich beraubt mich sehen Und als ein Opfer arm zur Schlachtbank gehen! |
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73. |
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Denn gibt des Glaubens Vorschrift und der Sitte, Hier zu verziehn, mir länger keinen Fug: Wo berg' ich mich? Wer hört der Flücht'gen Bitte? Wo bin ich vor dem Wütrich sicher g'nug? Kein Wort, wie fest verwahrt, der seinem Schritte Den Eingang wehrt! Warum denn noch Verzug? Rings seh' ich Tod; und kann mir Fliehn nicht frommen, So will ich selbst frei ihm entgegenkommen. |
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74. |
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Sie schweigt, indem ihr Antlitz übergossen Von Flammen königlichen Zorne erscheint; Und schon sich wendend, wie zum Gehn entschlossen, Zeigt sie den Groll, der sich dem Schmerz vereint. Der Augen Quell, nun länger nicht verschlossen, Strömt Zähren aus, wie Zorn und Gram sie weint; Und sie verklärt, indem sie niederwallen, Der Sonne Strahl zu Perlen und Kristallen. |
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75. |
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Der Wangen Paar, das klare Naß empfangend, Das niederfällt zu des Gewandes Saum, Scheint wir mit weiß und roten Blumen prangend, Wann sie, beperlt vom Morgentau, noch kaum Vom ersten Frührot überglänzt, verlangend Aufthun dem West des Kelches zarten Flaum, Und sie Aurora schauet mit Entzücken Und lüstern wird, ihr Haar damit zu schmücken. |
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76. |
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Die reine Flut, dem holden Aug' entsunken, Durch welche Wang' und Busen schöner blüht, Macht tausend Herzen wie von Feuer trunken, Schleicht heimlich sich hinein, und flammt und sprüht. O Wunderwerk der Liebe, die den Funken Aus Thränen lockt, wodurch ein Herz entglüht! Zwar immer muß ihr die Natur erliegen, Doch diese Kraft hilft ihr sich selbst besiegen. |
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Der falsche Gram entlockt viel wahre Zähren, Und selbst die rauhste Brust fühlt seine Macht; Und jeder seufzt, gequält vom Schmerz der Hehren: Hat Gottfried jetzt nicht ihres Flehens acht, So mußt ihn eine wilde Tigrin nähren, Ein rauher Fels hat ihn hervorgebracht, Wenn nicht die Woge, die sich bricht mit Schäumen. Barbar, der solche Schönheit kann versäumen! |
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Jedoch die andern murmeln nur und schweigen; Allein Eustaz, der Jüngling, mehr entbrannt Von Lieb' und Mitleid, muß sich kühner zeigen, Tritt vor und spricht mit mut'gem Widerstand: O Herr und Bruder, wohl beharrt zu eigen Dein Sinn auf dem, was er zuerst erkannt, Wenn er nicht jetzt, was jeder wünscht und billigt, Nachgiebig, auch in etwas nur, bewilligt. |
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Nicht daß die Fürsten hier, in deren Händen Der untergebnen Scharen Zügel ruht, Sich sollten fern von diesen Mauern wenden Und so versäumen ihrer Völker Hut. Doch aus uns Rittern, die wir Dienste spenden Ohn' eigentliche Pflicht, aus freiem Mut, Und minder unterthan den Kriegsbefehlen, Kannst du gar wohl zehn Rechtsbeschützer wählen. |
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Denn der hat nicht sich Gottes Dienst entzogen, Des Arm unschuld'gen Jungfraun Schutz verleiht; Und stets empfängt der Himmel wohlgewogen Trophäen, die Tyrannenblut geweiht. Drum, würd' ich nicht vom Vorteil angezogen, Der sicher uns aus diesem Werk gedeiht, So treibt mich Pflicht; in unserm hohen Orden Ist Frauenschutz als Pflicht geheiligt worden. |
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81. |
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Ha! Nimmer soll in Frankreich man erfahren, Und wo nur sonst noch Rittertugend gilt, Daß wir geflohn Beschwerden und Gefahren Bei einem Anlaß, so gerecht und mild. Hier leg' ich ab, vor allen diesen Scharen, Helm, Panzer, Schwert; und nie im Kampfgefild Will ich, beschimpft, mit Roß und Waffen rennen, Noch wider Recht mich einen Ritter nennen. |
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So spricht Eustaz. Die Ritter all' empfangen, Was er gesagt, mit lautem Beifallschrein, Und nennen gut und nützlich sein Verlangen Und stürmen bittend auf den Feldherrn ein. Wohl, spricht Bouillon, ich gebe mich gefangen Und will so vielen nicht entgegen sein. Erfüllet werde, wenn's euch dünkt, ihr Trachten, Nach eurem zwar, doch nicht nach meinem Achten. |
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83. |
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Doch, wollt ihr Gottfrieds Rat nicht unnütz wähnen, Sei nicht zu viel der Leidenschaft vertraut! Dies sagt er nur, und schon genügt es jenen, Weil alles nur auf die Gewährung schaut. O Zauberkraft in eines Weibes Thränen, In einer süßen Zunge Schmeichellaut! Anmut'ger Lipp' entsteigen goldne Ketten, Und keiner ist aus ihrer Haft zu retten. |
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84. |
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Schnell eilt Eustaz ihr nach. Nunmehr ersticke, O holde Jungfrau, spricht er, deinen Schmerz; Denn solche Hilf' in deinem Mißgeschicke Erhält, wie es verlangt, dein zagend Herz. Armida heitert die umwölkten Blicke Und wendet sie so lächelnd himmelwärts, Daß selbst der Himmel fühlt ein süß Verlangen, Als sie die Zähren trocknet von den Wangen. |
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85. |
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Drauf für die Gunst, so man ihr zugestanden, Dankt sie in süßen Worten, tief bewegt; Gepriesen werd es sein in allen Landen Und ewig ihrem Herzen eingeprägt. Wofür die Lippen keinen Ausdruck fanden, Wird durch beredte Blicke dargelegt; Und so verbirgt sie sich in Trugeshülle, Daß keiner ahnt, was ihren Geist erfülle. |
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Gewahrend nun, daß den entworfnen Schlingen Schon im Beginn des Glückes Beifall lacht, Schickt sie sich an, den Frevel zu vollbringen, Eh' man vereitle, was sie schlau erdacht. Durch Reiz und Anmut soll ihr mehr gelingen, Als Circen und Medeen durch Zaubermacht; Und bei dem Klange der Sirenenlieder Sink' euch der wachste Geist in Schlummer nieder. |
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Sie lockt, anwendend jede Kunst der Frauen, Stets neue Buhler in ihr Netz herbei, Und läßt Gebärd' und Blick oft wechselnd schauen, Bleibt allen nicht, noch allzeit, einerlei. Bald senkt ihr Blick sich schamhaft zu den Auen, Bald schickt sie lüstern ihn umher und frei. Der wird gezügelt, jener wird getrieben, Nachdem sie schnell sind oder träg im Lieben. |
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Wird sie gewahr, daß Zweifel den und Bangen Mißtrauisch wende von der Liebe Bahn, Dann lächelt sie ihm froh und unbefangen, Und blickt mit heiterm Aug' ihn gütig an. So spornet sie das schüchterne Verlangen, Bestärkt aufs neu' der Hoffnung süßen Wahn; Und so, anfachend die verliebten Flammen, Schmelzt sie das Eis der Furchtsamkeit zusammen. |
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Wer aber kühn die Grenze überschreitet, Gelockt durch einen Führer, blind und arg, Wird schnell zur Furcht und Scheu zurückgeleitet; Ihm ist sie kalt, mit Wort und Blicken karg. Doch hie und da ein Strahl der Liebe gleitet Sanft durch die Wolke, so die Stirne barg; Daß jener fürchte, doch nicht ganz erblöde, Und werd' entflammter nur, je mehr sie spröde. |
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90. |
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Bald einsam wandelnd, wie in tiefem Sinnen, Erheuchelt sie durch Mien' und Gang den Schein Von bitterm Gram, läßt manche Thrän entrinnen Dem schönen Aug', und preßt sie wieder ein; Und zwingt indes durch solch ein Trugbeginnen Arglose Seelen, Thränen ihr zu weihn, Und stählt in Mitleidsglut der Liebe Waffen, Um jedes Herz gewisser hinzuraffen. |
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Doch bald entreißt sie sich der Schwermut Qualen, Gleichwie belebt von neuer Zuversicht, Und läßt die Freud' auf ihrer Stirne malen, Sucht die Verliebten auf und scherzt und spricht. Das süße Lächeln und das heitre Strahlen Des klaren Aug's, ein doppelt Sonnenlicht, Zerstreut des Grames düstre Nebelwogen, Womit sie erst der Freunde Brust umzogen. |
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Ihr holdes Lächeln und ihr holdes Scherzen Erfüllet alle Sinn mit trunkner Lust Und reißet fast aus aller Brust die Herzen, Noch nie so großer Wonne sich bewußt. Grausame Lieb'! Es bringen gleiche Schmerzen Dein Wermut und dein Honig unsrer Brust; Und gleich verderblich sind, zu allen Stunden, Aus deiner Hand uns Arzenei und Wunden. |
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Durch solch Gemisch von Lächeln und von Stöhnen, Von Eis und Glut, von Furcht und Hoffnungsstrahl, Hält das verschlagne Weib mit innerm Höhnen In Ungewißheit stets der Buhler Zahl. Und deutet einer wohl in leisen Tönen, Nur zitternd und von fern, auf seine Qual, So stellt sie sich im Lieben unerfahren Und weiß nicht, was die Wort' ihr offenbaren. |
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Auch läßt sie wohl ihr Antlitz sich umfloren Von edler Scham, und senkt der Augen Licht, Und junge Rosen drängen, zart geboren, Das frische Weiß vom holden Angesicht. So sehen wir im Morgenglanz Auroren, Wann sie die Dämmrung leisen Flugs durchbricht; Und mit der Scham zugleich hervorgegangen, Färbt nun der Zorn mit höherm Rot die Wangen. |
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Doch merkt sie erst, daß einer will entdecken, Welch heiße Sehnsucht seine Brust durchwallt, Den flieht sie jetzt, beut jetzt zu seinen Zwecken Ihm Mittel dar, und nimmt sie alsobald. So weiß sie ihn den ganzen Tag zu necken, Und läßt am End' ihn ohne Hilf' und Halt. Er gleicht dem Jäger, dem in Abendstunden, Nach langem Lauf, des Wildes Spur entschwunden. |
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Dies sind die Künste, die sie ausgesonnen, So viele Herzen trügerisch zu fahn, Vielmehr die Waffen, die den Sieg gewonnen, Der jedes macht zu Amors Unterthan. Ist's Wunder, daß von seinem Netz umsponnen Sich Herkules, Achill und Theseus sahn, Wenn jene selbst, die für den Heiland ringen, Der Frevler oft verstrickt in seine Schlingen? |