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Doch in der Stadt ermannt am andern Teile Der Heide sich durch Hoffnung beßrer Art. Denn frischer Vorrat kam bei nächt'ger Weile Zu dem hinzu, den man noch aufgespart; Auch ward die Mauer gegen Nord in Eile Durch Kriegsgezeug und Waffen so verwahrt, Daß sie, geschützt durch Höhe, Stärk' und Größe, Nicht der Belagrer Würfe scheut noch Stöße. |
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2. |
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Und dennoch wird vom König sie noch immer Bald stärker hier, bald höher dort gemacht, Beim goldnen Sonnenglanz, beim Silberschimmer, Den Mond und Sterne leihn der dunkeln Nacht; Und neue Wehr zu schaffen ruhet nimmer Der Schmiede Volk, schon matt und überwacht. Indem der Fürst so die Verteid'gung rüstet, Erscheint vor ihm Argant und spricht entrüstet: |
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3. |
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Wie lange hältst du noch in diesen Hallen In schimpflicher Belagrung Haft dein Heer? Wohl tönt der Amboß, Waffen hör' ich schallen, Es klirren Helm und Panzer, Schild und Speer: Doch seh' ich nicht wozu; denn nach Gefallen Ziehn diese Räuber keck im Land umher, Und keiner ist, der ihre Kühnheit strafe, Noch stört sie je die Kriegsdrommet' im Schlafe. |
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4. |
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Ihr Mittagsmahl darf niemand unterbrechen, Und nichts vergällt ihr nächtlich Lustgelag; Vielmehr in gleicher Ruh' geht diesen Frechen Die Nacht dahin, sowie der lange Tag. Doch euch wird Elend bald und Hunger schwächen, Wird zwingen euch zu schimpflichem Vertrag; Wo nicht, hier zu empfahn den Tod der Feigen, Wenn sich nicht bald Aegyptens Völker zeigen. |
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5. |
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Doch nicht hinab in des Vergessens Schauer Soll meine Tage ziehn unedler Tod; Und nicht umschlossen mehr von dieser Mauer Gewahre mich das neue Morgenrot. Das Schicksal walt' ob meines Lebens Dauer, Wie es die Macht dort oben ihm gebot; Ich aber will nur mit dem Schwert in Händen, Nicht ohne Ruhm noch ohne Rach' es enden. |
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6. |
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Und fänd' ich nur an euch von jenem echten Gewohnten Mut noch irgend einen Schein: Nicht edlen Tod in rühmlichen Gefechten, Nein, Sieg und Leben würd' ich prophezein. Laßt uns den Feind und des Geschickes Mächten Entgegenziehn in mutigem Verein: Denn oft, je grauser uns Gefahr umpreßte, Ist für den Mann der kühnste Rat der beste. |
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7. |
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Doch scheust du dich, in so bedrängter Lage Mit deiner ganzen Macht hervor zu gehn: Laßt uns den großen Streit mit einem Schlage Durch zweier Krieger Kampf entschieden sehn. Und daß Bouillon um so viel eher wage, Den Vorschlag, den ich thun will, einzugehn: So mag er jeden Vorteil sich erringen, Die Waffen wählen und den Kampf bedingen. |
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8. |
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Hat der, mit dem ich kämpfe, nur zwei Hände Und einen Geist, wie kühn auch und entbrannt, So fürchte nicht, daß deine Herrschaft ende; Das Recht, das ich verteid'ge, hat Bestand. Und ob sich Glück und Schicksal von dir wende, Vollkommnen Sieg verleiht dir diese Hand Und reicht sich selber dir zum sichern Pfande, Daß, traust du ihr, geschützt sind deine Lande. |
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9. |
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Er schweigt, und ihm der Fürst: Obwohl die Schwere Des Alters mich, o rascher Jüngling, drückt; Doch ist mein Arm nicht so entwöhnt vom Speere, Noch mir so ganz des Geistes Kraft entrückt, Daß mir ein Tod voll Schande lieber wäre, Als der mit Ruhm und Preis den Kämpfer schmückt: Müßt' ich nur irgend jener Not und Plagen, Wovon du sprichst, Furcht oder Sorge tragen. |
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10. |
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Gott wende solche Schmach! Jetzt im Vertrauen Entdeck' ich dir, was keiner weiß bisher: Fürst Soliman, der einst Nycäas Gauen Beherrscht, will rächen seine Schmach nunmehr Und sammelt in Arabien jene rauhen Zerstreuten Horden bis von Libyen her, Um nächt'ger Weil' auf unsern Feind zu dringen, Uns aber Hilf' und Mundbedarf zu bringen. |
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11. |
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Bald ist er hier. Der Feind indessen wohne In unsern Schlössern, bis ihn der vertreibt; Nicht kümmern soll uns das, wenn nur die Krone Und dieser edle Königssitz mir bleibt. Du aber mäß'ge diese Kühnheit, schone Der raschen Glut, die ohne Maß dich treibt, Und wart' in Ruh', bis eine Zeit erwache, Gedeihlich deinem Ruhm und meiner Rache. |
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12. |
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Gewalt'ger Zorn erfaßt den Sarazenen, Der Solimans Mitwerber lange war; Denn mit Verdruß erfährt er, daß auf jenen Der Fürst so fest vertrauet in Gefahr. Krieg wähl' und Frieden, Herr, nach eignem Wähnen, Versetzt Argant; ich schweige ganz und gar. So zögre denn, bis Soliman erscheine; Er, der sein Reich verlor, schütz' er das deine. |
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13. |
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Er komme, wie von Himmelshöhn gestiegen, Und mag des Heidenvolks Befreier sein; Ich aber will, mir selbst genug zum Siegen, Die Freiheit danken diesem Arm allein. Nun, da die andern all' in Ruhe liegen, Laß mich hinabziehn in der Feinde Reihn, Daß ich als Ritter, nicht dein Kriegsgeselle, Den Franken dort zum Einzelkampf mich stelle. |
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14. |
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Der König spricht: O, würde Zorn und Degen Von dir bewahrt zu würdigerm Gewinn! Doch bin ich deinem Wunsche nicht entgegen, Beharrt auf einem Kampf dein kühner Sinn. Und jener nun, ohn' andres Ueberlegen, Sagt einem Herold: Geh ins Lager hin Und bringe dort, vor seinem Heeresbunde, Dem Feldherrn diese nicht geringe Kunde: |
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15. |
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Ein Ritter, sprich, unwillig, daß als Feigen Ihn dieser starke Mauerkreis versteckt, Wünscht mit den Waffen in der Hand zu zeigen, Wieviel sein Mut und seine Kraft erzweckt. Zum Zweikampf in das Feld hinabzusteigen, Das von der Stadt zum Lager sich erstreckt, Ist er bereit, und ruft den in die Schranken, Der sich am meisten zutraut von den Franken. |
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16. |
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Nicht einen oder zwei nur aus den Mitten Des Christenheers verlangt er zum Gefecht; Der viert' und fünfte folge gern dem dritten, Die Herkunft sei erhaben oder schlecht. Man leiste Sicherheit; nach Kriegessitten Sei der Besiegte des Besiegers Knecht. – So ordnet et; und mit dem Goldgeschmeide Schmückt jener sich und mit dem Purpurkleide. |
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17. |
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So wie er in Bouillons und der Barone Erhabner Gegenwart alsdann erschien, Fragt er: O Feldherr, wird mit freiem Tone Zu reden, den Gesandten hier verliehn? Es wird verliehn, sagt ihm Bouillon, und ohne Die mind'ste Furcht kannst du dein Amt vollziehn. Jetzt also, spricht der Herold, wird man schauen, Ob meine Botschaft Freud' erregt, ob Grauen. |
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18. |
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Dann eilt' er, sein Begehr zu offenbaren, Und fuhr in aufgeblasnen Reden fort. Laut knirschen hier vor Grimm die tapfern Scharen, So tief verdroß sie das verwegne Wort. Schnell ließ Bouillon ihm Antwort widerfahren: Wohl Schweres unternimmt der Ritter dort; Auch wird er bei so mißlichen Entwürfen, Ich glaub' es fast, des fünften nicht bedürfen. |
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19. |
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Doch komm' es nur; frei allen Fährlichkeiten, Sei ihm der Kampf gewährt auf sichrer Flur, Und einer aus der Schar wird mit ihm streiten Ohn' allen Vorteil; dies verbürgt mein Schwur. So spricht Bouillon; der Herold seinerseiten Kehrt um zur Stadt auf schon betretner Spur Und hemmet eher nicht des Schrittes Eile, Als bis er Antwort dem Argant erteile. |
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20. |
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Herr, spricht er, waffne dich; was säumst du lange? Die Christen sagen zu, was du begehrt. Nicht bloß die größten Helden sind zum Gange Mit dir bereit, auch die von minderm Wert; Und tausend Blicke drohten zum Empfange, Und tausend Hände griffen an das Schwert. Der Feldherr will dir sichern Raum verschaffen. So sagt er ihm, und jener heischt die Waffen. |
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21. |
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Er legt sie an, und schon, zum Kampfesorte Hinab zu eilen, treibt ihn die Begier. Drauf zu Clorinden spricht der Fürst die Worte: Nicht recht ist, wenn er geht, daß du bleibst hier. Drum folg' ihm du, zu seinem Schutz und Horte, Und tausend unsrer Leute nimm mit dir. Doch er nur soll zum rechten Kampf sich stellen; Du bleibt zurück mit deinen Kriegsgesellen. |
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Der König schwieg; nachdem man sich bereitet, Zieht nun die Schar ins freie Feld hinaus, Und im gewohnten Waffenschmucke reitet Der kühne Held den andern stolz voraus. Dicht vor der Stadt, bis an das Lager breitet Weit und geräumig sich ein Blachfeld aus, Wo nichts sich ungleich oder steil erhoben, Als sei's mit Fleiß gemacht zu Kampfesproben. |
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Dorthin nun kam allein, dort hielt der wilde Argant, gesehn von aller Feinde Zahl. Kühn stand er da, ein drohend Schreckgebilde, Stolz auf Gestalt und Mut und Kraft zumal, Wie ehmals im Phlegräischen Gefilde Enceladus, wie Goliath dort im Thal. Doch viele sind, die keine Furcht verwundet, Weil sie nicht völlig seine Kraft erkundet. |
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Noch hatte nicht den Tapfersten von allen Der fromme Gottfried zum Gefecht ernannt; Doch sah man aller Blick' auf einen fallen Und zu Tankred verlangend hingewandt, Der durch der Mienen deutlich Wohlgefallen Ward als der Tapfern Würdigster erkannt. Auch nennt ihn das Gemurmel schon nicht leise, Und nun winkt auch Bouillon ihn aus dem Kreise. |
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Schon wich der andern jeder gern dem Hehren, Auf dem die Wahl des Feldherrn sichtbar ruht: Geh, spricht er nun, dir will ich's nicht verwehren, Geh hin und bänd'ge dieses Frevlers Wut. Der kühne Jüngling, stolz, zu solchen Ehren Ernannt zu sein, im Antlitz Freud' und Mut, Verlangt vom Knappen Helm und Roß und reitet Zum Wall hinaus, von vielem Volk begleitet. |
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Noch war er fern von jenen ebnen Auen, Wo ihn Argant erwartet voll Begier, Doch zeigt sich ihm die tapferste der Frauen In ihrer Schönheit wundervoller Zier. Weiß, wie der Schnee auf Alpenhöhn zu schauen, War ihr Gewand, und von des Helms Visier Ihr Antlitz unverhüllt: so, ganz vollkommen, Ward sie auf einem Hügel wahrgenommen. |
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Nun sieht Tankred nicht mehr, wo jener Wilde Die grausenvolle Stirn gen Himmel kehrt; Er lenkt sein Roß langsam durch die Gefilde Und schaut empor, so sie sich ihm verklärt. Dann hält er still, gleich einem Marmorbilde, Von außen kalt, doch innen kocht's und gärt. Ihr Anblick ist ihm g'nug, und aller Schlachten Scheint er für jetzt nur wenig mehr zu achten. |
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Allein Argant, der keinen wahrgenommen, Von dem sich zeigt, er sei zum Streit bestimmt: Aus Kampfbegier bin ich hierher gekommen, Wer kämpft denn nun mit mir? ruft er ergrimmt. Tankred indessen ganz betäubt, beklommen Zeigt, unbeweglich, daß er nichts vernimmt; Da sprenget Otto, mit entschloßner Schnelle, Zuerst hervor auf die noch leere Stelle. |
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29. |
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Auch ihn ergriff vorhin schon das Verlangen Zum Kampfe mit dem übermüt'gen Feind, Doch wich er dem, der allen vorgegangen, Und ritt hinaus, mit andern mehr vereint. Jetzt, da Tankred von fremdem Wunsch befangen, Zum Kampfe träg' und fast unwillig scheint, Ergreift der Jüngling, kühn und schnell entschlossen, Rasch die Gelegenheit, die ihm entsprossen. |
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Und schneller nun, als Pardel oder Tiger Durchstreifen oft der Wälder düstre Schlucht, Rennt Otto mutig auf den fremden Krieger, Der ihm entgegenstemmt des Speeres Wucht. Nun wird Tankred erst der Betäubung Sieger, Erwachend endlich nach der Träume Flucht. Wohl ruft er nun: Der Kampf ist mein, verweile! Doch schon zu weit führt den des Mutes Eile. |
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Er hält demnach, und Zorn und Unmut brennen Im Bisen ihm, und seine Wang' ist Glut, Weil er als Schimpf und Schande muß erkennen, Daß ihm ein andrer kam zuvor an Mut. Der Jüngling trifft indes im Gegenrennen Den Helm des Sarazenen stark und gut; Doch wird zugleich der Panzer ihm durchstochen Vom spitzen Stahl, nachdem der Schild zerbrochen. |
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Der Franke sinkt vom Roß herab zur Erde, So heftig trifft ihn der gewalt'ge Stoß; Allein Argant, gewohnter der Beschwerde, Von höhrer Kraft, wird nicht im Sattel los. Mit übermütig höhnischer Gebärde Gebeut er dem Gefallnen schonungslos: Gib dich besiegt; g'nug Ehre dem Verwegnen, Daß ihm vergönnt, im Kampf mir zu begegnen. |
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Nein, gibt ihm der zurück, im Christenheere Senkt man so bald den Mut, die Waffen nicht. Es rett' ein andrer unsres Namens Ehre; Rach' oder Tod, das nun ist meine Pflicht. Entsetzlich, wie Alecto und Megäre, Knirscht der Barbar, sprüht Flammen sein Gesicht. So sollst du, spricht er, meine Stärke sehen, Da dir's beliebt, die Milde zu verschmähen. |
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Er spornt sein Roß, als hätt' er keine Kunde Von allem, was ihm Ritterpflicht befahl. Der Frank', ausweichend, schwenkt sich in die Runde, Stößt in die Seite rasch ihm seinen Stahl Und zieht – so arg und bitter ist die Wunde – Das Schwert zurück, gefärbt mit blut'gem Mal. Doch wozu hilft die Wunde, die nicht schwächer Den Sieger macht, und grimmiger den Rächer? |
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Rasch hemmt Argant, aufs höchste nun erbittert, Des Rosses Lauf und wendet es so leicht, Daß, ehe noch sein Feind die Schwenkung wittert, Ihn unversehns der mächt'ge Stoß erreicht. Der Atem geht ihm aus, der Schenkel zittert, Der Geist verwirrt sich, das Gesicht erbleicht; So heftig schüttelt ihm der Stoß die Glieder, Und schwach und matt sinkt er zur Erde nieder. |
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36. |
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Argant voll Wut macht seines Rosses Füßen Des Ueberwundnen Brust zum blut'gen Pfad: So, ruft er aus, soll jeder Stolze büßen, Wie dieser, den mein Roß zum Schemel hat. Da bricht Tankred hervor, ihn zu begrüßen, Von Zorn entflammt ob solcher Frevelthat, Und will, daß seine Kraft durch hohe Werke Den Fehler tilg' und strahl' in vor'ger Stärke. |
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Er sprengt heran und ruft im schnellsten Laufen: Elende Seel', im Siegen noch verrucht! Was hoffest du für Ehre zu erkaufen Durch Thaten, die auch ein Barbar verflucht? In welcher Hord', in welchen Räuberhaufen Hast du an solchen Freveln dich versucht? Ha, fleuch das Licht, mit andern Ungeheuern In Wäldernacht zur Wut dich anzufeuern! |
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Er schweigt; Argant, der nie solch Wort vernommen, Beißt sich vor Grimm und Zorn die Lippen wund; Verworrne Töne statt der Antwort kommen, Wie Tiergebrüll, hervor aus seinem Schlund; Und wie ein Blitz, der in der Luft entglommen, Hervorbricht aus verschloßner Wolken Grund, So scheint das Wort, das er versucht zu sprechen, Laut donnerend aus der Brust hervorzubrechen. |
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39. |
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Als beide nun wetteifernd, wild und heftig Des Stolzes Grimm gespornt durch Drohn und Schrein, Da wenden sie die Rosse, gleich geschäftig, In weitem Ring, um Raum sich zu verleihn. Hier stärk', o Muse, mir die Stimme kräftig, Und hauche Wut, gleich jener Wut, mir ein, Daß nicht der Thaten Ruf mein Lied verhöhne, Und im Gesang der Waffen Hall ertöne! |
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Nun stemmt der Helden jeder, fest im Bügel, Die knot'ge Stang' und richtet sie empor. Nie war des Laufs, des Sprunges, nie der Flügel Geschwindigkeit so ungestüm zuvor, Nie Wut gleich der, womit, verhängt die Zügel, Hier stürmt Tankred und dort Argant hervor. Die Lanzen brechen an dem Helm, und tausend Lichtfunken, Splitter, Spän' entfliegen brausend. |
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Nur von des Stoßes mächt'gem Widerhalle Bebt rings die Erd' und das Gebirg erkracht; Doch widersteht dem ungeheuern Pralle, Nicht winkend nur, der stolzen Häupter Macht. Die Rosse bringt der heft'ge Stoß zum Falle, Und aufzustehn hat keins so schleunig acht. Das große Kämpferpaar, den Bügel lassend, Zieht nun das Schwert, Fuß auf dem Boden fassend. |
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Vorsichtig folgt dem Hieb des andern Rechte, Dem Schritt der Fuß, dem Blick das Auge nach. Man dringt heran, weicht, kreist sich im Gefechte Und wechselt Lag' und Stellung tausendfach; Droht bald, als ob man hier zu treffen dächte, Und wo man nicht gedroht, trifft man hernach; Scheint bald hier oder da sich bloß zu geben, Und sucht die List durch Gegenlist zu heben. |
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Dem Heiden zeigt Tankred im hitz'gen Streite Von Schild und Schwert die Seite frei und bloß; Der eilt zum Hieb, und läßt die ganze Breite Der linken Hüft' indes verteid'gungslos. Nun schlägt Tankred, abwehrend, auf die Seite Des Feindes Stahl und gibt ihm einen Stoß; Schnell weicht er dann und setzt, nach diesem Schlage, Sich wohl gedeckt in die gehör'ge Lage. |
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Als nun Argant sich muß besudelt schauen Vom eignen Blute das der Wund' entquoll, Da brüllt er laut, mit ungewohntem Grauen, Von Grimm und Schmerz ganz übertäubt und toll, Hebt mit der Stimme gleich das Schwert zum Hauen Und stürzt sich, blind vor Ungestüm und Groll, Auf seinen Feind, und muß verletzt sich finden Durch Stich, wo Arm und Schulter sich verbinden. |
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Wie im Gebirg ein Bär, wann er die Spitze Der harten Lanze wühlt, von Wut verzehrt Entgegenstürmt den Waffen, schnell wie Blitze, Und nicht mehr an Gefahr und Tod sich kehrt: So wild entlodert des Cirkassers Hitze, Da Wund' auf Wunde, Schmach auf Schmach sich mehrt; Und voll Begier, zu rächen die Beleid'gung, Höhnt er Gefahr und denkt nicht an Verteid'gung. |
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Tollkühnen Muts, vor Ingrimm fast von Sinnen Und stark und unermüdlich von Natur, Kreist er das Schwert mit solchem Wutbeginnen, Daß rings der Himmel blitzt, erbebt die Flur. Der andre kann nicht Zeit zum Haun gewinnen, Noch sich zu decken, kaum zu atmen nur, Und keine Schutzwehr, die ihn sicher stelle Vor des Cirkassers Riesenkraft und Schnelle. |
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Lang' hat Tankred den großen Sturm gelitten Und hofft umsonst, er werde bald verziehn; Jetzt wehrt er ab, sucht jetzt mit Meisterschritten Und kluger Wendung sich zurückzuziehn; Allein Argant fährt fort, wie er gestritten, Und zwingt zu gleichem Rasen nun auch ihn, So daß Tankred erbost sein mächtig Eisen Mit größtem Ungestüm beginnt zu kreisen. |
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Vorsicht und Kunst läßt sich vom Zorn entraffen, Und beider Kräft' erzeugt und mehrt die Wut. So oft das Eisen niederrasselt, klaffen Ring' oder Blech, und jeder Streich ist gut. Bedeckt mit Waffen ist das Feld, die Waffen Mit Blut bedeckt, mit Schweiß vermischt das Blut. Blitz ist im Flammen, Donnerhall im Schallen, Und Wetterschlag das Schwert im Niederfallen. |
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Die Völker beid', erfaßt von tiefem Schauer, Sehn diesen Kampf, so graunvoll wunderbar, Und schweben bald in Freude, bald in Trauer, Wie Vorteil jetzt sich zeigt, und jetzt Gefahr. Und doch erhebt sich in des Kampfes Dauer Kein Wink, kein Laut bei so unzähl'ger Schar; Vielmehr steht jeder still und ohne Regung, Und nur das Herz bleibt zitternd in Bewegung. |
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Wohl hätten beid', erschöpft vom langen Streite, Sich selbst unzeitig an das Ziel gebracht; Schon aber hüllt das Nahe wie das Weite Sich ringsumher ins dunkle Graun der Nacht. Ein Herold kam heran von jeder Seite, Und diese trennten die gewalt'ge Schlacht: Der Frank' Arid, mit ihm Pindor, der jene Ausfordrung bracht', ein schlauer Sarazene. |
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Kühn streckten diese mitten in das Toben Des wilden Kampfs ihr friedlich Zepter hin, Mit jener Sicherheit, die sie erproben, Allgültig seit des Völkerrechts Beginn. Ihr seid, o Krieger, beide gleich zu loben, Begann Pindor, an Kraft und Heldensinn; Drum laßt den Kampf, daß er nicht Eintrag thue Dem heil'gen Recht der Nacht und ihrer Ruhe. |
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Am Tag ist Zeit zur Arbeit uns gegeben, Doch alles ruht, wenn Nacht herniedersteigt, Und ein erhabnes Herz wird nimmer streben Nach dunkelm Ruhm, der sich verbirgt und schweigt. Argant versetzt: Den Zweikampf aufzugeben, Weil's eben dunkelt, bin ich nicht geneigt. Wohl wünscht' ich Tag zum Zeugen meiner Ehre; Doch schwöre dieser, daß er wiederkehre. |
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Auch du, versetzt Tankred, mußt dies versprechen, Und dein Gefangner werde mitgebracht; Sonst hoffe nicht, den Kampf zu unterbrechen, Und währt' er auch bis in die tiefste Nacht. So schwuren sie. Die Zeit zum zweiten Stechen Ward durch erwählte Herold' ausgemacht; Um für die Wunden nach Gebühr zu sorgen, Bestimmten sie des sechsten Tages Morgen. |
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Den Heiden wie den Gläub'gen läßt das Schauen Des wilden Kampfs so unerhörter Art Ein tiefes Staunen eingeprägt, ein Grauen, Das ihre Brust noch lange Zeit bewahrt. Man rühmt die Kraft, den Mut, das Selbstvertrauen, So jeder Held im Zweikampf offenbart; Doch wem der Kranz gebühre von den beiden, Das hört man oft auf andre Weis' entscheiden. |
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Und jeder thut erwartend sich die Frage, Welch Ende sei bestimmt dem rauhen Streit; Ob Heldenkraft die Wut zu Boden schlage, Ob Kühnheit weiche der Verwegenheit. Doch mehr als alle fühlt in dieser Lage Erminia sich bedrängt von Sorg' und Leid, Die ihres Wesens besten Teil mit Bangen Sieht an dem ungewissen Kriegsglück hangen. |
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Sie war die Tochter Kassans, der vor Jahren Den Thron besaß im Antiochierland. Als dieses ward ersiegt von Christenscharen, Fiel sie mit andrer Beut' in ihre Hand. Allein so menschlich war Tankreds Verfahren, Daß sie bei ihm kein Ungemach empfand; Und sie erhielt bei ihres Reichs Verheerung Vom Sieger stets als Königin Verehrung. |
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Er ehrte sie, bediente sie und setzte, Der edle Held, in Freiheit sie alsbald Und ließ ihr alles, was sie liebt' und schätzte, Geschmeide, Gold, großmütig in Gewalt. Wie sie sich nun an solchem Hochsinn letzte, Vereint mit Jugendblüt' und Wohlgestalt: Da fesselt' Amor sie mit stärkern Banden, Als jemals noch ein liebend Herz umwanden. |
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So blieb, war gleich der Körper frei zu nennen, Der Geist noch immer in Gefangenschaft. Wohl war's ihr großer Kummer, sich zu trennen Vom teuern Herrn und der geliebten Haft; Allein, was nie großherz'ge Frau'n verkennen, Der königlichen Würd' erhabne Kraft Zwang sie, sich in ein Land, wo Freunde leben, Mit der bejahrten Mutter zu begeben. |
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59. |
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So kam sie nun zum Palästinerlande, Wo Aladin ihr eine Freistatt bot; Doch bald, umhüllt von schwarzem Leidgewande, Betrau'rte sie der guten Mutter Tod. Und dennoch riß in so bedrängtem Stande Nicht dieser Gram, nicht der Verbannung Not Aus ihrer Brust den mächt'gen Drang der Liebe, Noch tilgt' ein Fünklein nur so glüh'nder Triebe. |
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Die Arme liebt und glühet unbeachtet, Und so durchaus ist Hoffen ihr verwehrt, Daß sie die stille Glut, in der sie schmachtet, Mehr mit Erinnrung als mit Hoffnung nährt; Und um je mehr sie ihn zu bergen trachtet, Je heft'ger flammt der Brand, der sie verzehrt. Doch neu erwacht die Hoffnung aus dem Trauern, Als nun Tankred erscheint vor Zions Mauern. |
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61. |
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Den andern wird beim Nahn des unzählbaren Siegreichen Volks das Herz von Sorgen schwer; Sie aber läßt nun Angst und Kummer fahren Und schaut mit heiterm Blick das stolze Heer, Und späht begierig in der Krieger Scharen Nach dem ersehnten teuern Freund umher. Oft sucht sie ihn umsonst, und oft, ihn kenntlich Gewahrend, ruft sie aus: Da ist er endlich! |
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Ein alter Turm, hart an der Mauerschwelle, War aus der Königsburg empor gebaut, Von dessen Gipfel man die Lagerstelle Des Christenheers und Berg und Ebne schaut. Hier nun, vom ersten Blick der Morgenhelle Bis dunkle Nacht die Erde rings umgraut, Verweilet sie, schaut nach dem Heer der Franken Und seufzt und spricht mit ihren Gramgedanken. |
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63. |
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Hier schaute sie den Kampf; mit solcher Bängnis Pocht' immerfort das Herz in ihrer Brust, Daß es zu sagen schien: Der in Bedrängnis Des Todes schwebt, ist deine süße Lust! Sie sah des Kampfes zweifelhaft Verhängnis, Vor Furcht und Angst kaum ihrer selbst bewußt; Und immer, wann Argant den Stahl geschwungen, Fühlt sie ihr Herz von Schwert und Hieb durchdrungen. |
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64. |
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Doch als sie nun der Wahrheit Kund' empfangen, Und daß sich soll erneun des Kampfes Wut, Da faßt ihr Herz solch ungeheures Bangen, Daß sie Eis erstarren fühlt ihr Blut. Verborgne Seufzer stößt sie aus, die Wangen Befeuchtet oft geheimer Thränen Flut; Bleich und entstellt, in gänzlicher Bethörung, Ist sie ein Bild des Grams und der Verstörung. |
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65. |
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Ein schreckliches Gesicht wähnt sie zu schauen, Bald hier, bald dort, das alle Sinn' empört; Und bänger ist ihr Schlaf als Todesgrauen, Von schwarzen Träumen fürchterlich gestört. Den teuern Mann, gepackt von Mörderklauen, Blutig, zerfleischt, glaubt sie zu schaun; sie hört Um Hilf' ihn flehn; auf wacht sie mit Entsetzen Und fühlt, daß Thränen Aug' und Brust benetzen. |
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Und doch, die Furcht vor Leide, die erst kommen, Ist's nicht allein, die ihr das Herz zerreißt; Die Wunden auch, die er im Kampf bekommen, Sind ew'ge Marter dem geschreckten Geist. Manch falsch Gerücht hat sie zugleich vernommen, Das größer stets Entferntes, Fremdes weist; Daher sie glaubt, der Ritter, ohne Labe Verschmachtet und erschöpft, sei nah am Grabe. |
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Und da der Mutter sie verdankt die Kunde Von jedes Krauts geheimster Wunderkraft, Und welcher Zauberspruch die schlimmste Wunde Der Glieder heilt und Schmerzen Lindrung schafft, (Wovon nur in der Königstöchter Munde Sich dort zu Land' erhält die Wissenschaft) So möchte sie nunmehr mit eignen Händen Den Wunden ihres Herrn Genesung spenden. |
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68. |
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Gern weihte sie dem Freunde Kunst und Kräfte Und muß, gezwungen, sie dem Feinde weihn. Sie sinnt bisweilen, sich durch gift'ge Säfte Von dem verhaßten Gegner zu befrein; Doch will sie zu so böslichem Geschäfte Die fromme, jungfräuliche Hand nicht leihn. Sie wünscht zum mind'sten, daß bei solchem Brauche Der Sprüch' und Säfte Kraft fruchtlos verrauche. |
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69. |
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Auch würde sie es nicht für schrecklich achten, Zum Feind zu gehn; denn oft und vielerwärts Umhergewandert sah sie Krieg' und Schlachten Und führt' ein Leben voll Gefahr und Schmerz; So daß Gewohnheit längst zu kühnerm Trachten Hob über die Natur ihr weiblich Herz, Das nicht so schnell zu scheuer Angst sich neigte, Wenn irgendwo ein Schreckensbild sich zeigte. |
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70. |
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Und mehr noch treibt der Liebe kühnes Feuer Die Furcht hinweg aus ihrer zarten Brust; Sie wär', umringt von allem Ungeheuer, Das Libyen nährt, sich keiner Angst bewußt. Doch, ist das Leben auch ihr nicht zu teuer, So fürchtet sie des edlen Rufs Verlust; Und feindlich kämpfen nun zwei mächt'ge Triebe In dem zerrißnen Herzen, Ehr' und Liebe. |
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71. |
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Die eine spricht: Du, die mit hohem Ruhme Bis jetzt, o Jungfrau, mein Gesetz bewahrt; Ich schützte dir in Feindes Eigentume Den keuschen Leib, die Seele, rein und zart. Und nun, als Freie, wirfst du weg die Blume, Die du so treu als Sklavin aufgespart? Weh mir! Wie ward dein zarter Busen offen Für solchen Wunsch? Was kannst du denken, hoffen? |
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72. |
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So wenig achtest du den Ruf der Ehre, Gibst nun so leicht den Preis der Keuschheit hin, Daß du, um Schmach zu suchen, willst zum Heere Des Feindes gehn, als nächt'ge Buhlerin? Damit der stolze Sieger dir erkläre: Mit deinem Reich verlorst du Königssinn; Unwürdig bist du mein! und in die Hände Der andern dich als niedre Beut' entsende. |
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73. |
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Dagegen lockt, sanft schmeichelnd ihren Ohren, Der andern Rat mit holden Trügerein: Du bist von keiner Bärin ja geboren, Ich junges Kind, von keinem kalten Stein, Daß Amors Pfeil und Fackel du verschworen, Und müßtest jeder Freude dich verzeihn; Noch ist dein Herz von Demant oder Eisen, Daß Liebe wär' als Schmach dir zu verweisen. |
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74. |
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Auf, gehe nur wohin dich Sehnsucht lenket! Und warum denkst du ihn als rohen Feind? Weißt du nicht mehr, wie ihn dein Leiden kränket, Wie er bei deinem Schmerz und Jammer weint? Feindlich bist du, die träge sich bedenket, Eh' sie dem Treuen dort zur Hilf' erscheint. Tankred, der milde, schmachtet dort vergebens; Und du, Hartherz'ge, wartest fremden Lebens! |
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75. |
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Ja, heil' Argant, damit er den erschlage, Der dich erlöst von niedrer Knechtschaft Hohn; So legst du deine Dankbarkeit zu Tage Und spendest dem Befreier würd'gen Lohn! Ist's möglich nur, daß nicht zur ärgsten Plage So sehr dir werde der verruchte Fron, Daß Abscheu und Verdruß allein genügen, Dich fortzutreiben mit den schnellsten Flügen? |
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76. |
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Welch schöner Dienst der Menschlichkeit hingegen, Und welche Wonne, welche sel'ge Lust, Wenn deine Hand, um heilend sein zu pflegen, Seich dürfte nahn der tapfern Heldenbrust! Wenn Rosen frisch sich auf der Wange regen, Und du wärst seiner Heilung dir bewußt, Und dürftest Reize, die jetzt traurig schmachten, Aufs neu' erblüht, als dein Geschenk betrachten! |
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77. |
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Du würdest teil an seinem Ruhme haben, An jeder hohen, ehrenwerten That. Dann würd' er dich mit keuschen Küssen laben, Als froher Gatte zärtlich dir genaht; Dann, unter Latiums Frauen hoch erhaben, Gingst du einher auf ruhmgeschmücktem Pfad, Dort in Italiens heitern Regionen, Wo wahrer Mut und wahrer Glaube wohnen. |
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78. |
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Geschmeichelt von so süßer Hoffnung dachte Die Thörin sich ein Glück, wie keines mehr. Allein die Sorg' um ihr Entkommen machte Durch tausend Zweifel nun das Herz ihr schwer; Denn am Palast und auf den Mauern wachte Der Hüter Schar und streifte ringsumher; Auch ward in Kriegesnot zu keiner Stunde Ein Thor geöffnet, als aus wicht'gem Grunde. |
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79. |
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Gar oft verweilt Erminia bei Clorinden, Mit der sie längst im Freundschaftsbunde war. Oft muß die Abendsonne dort sie finden, Oft wird das Morgenrot sie dort gewahr; Und oftmals auch, wenn alle Strahlen schwinden, Empfängt ein Bett das schwesterliche Paar; Und kein Gedank' ist, außer dem der Liebe, Der vor der Freundin Brust Geheimnis bliebe. |
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80. |
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Nur dieses hält Erminia ihr verborgen; Und wenn sie manchmal vor Clorinden klagt, So gibt sie andern Grund den herben Sorgen Und scheint vom Schmerz um ihr Geschick zernagt. Nie wird daher am Abend noch am Morgen Der Zutritt zu der Freundin ihr versagt, Und kein Gemach, das sie nicht frei beschreite, Clorinde sei nun dort, im Rat, im Streite. |
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81. |
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So kam sie einst, als ihre Freundin eben Abwesend war. In Sorgen tief versenkt Verweilt sie dort, der Seele ganzes Streben Auf Mittel zur ersehnten Flucht gelenkt. Indem nun wechselnd die Entschlüsse schweben, Und sie noch immer Sichres nicht erdenkt, Sieht sie Clorindens Wehr, dort oben hangend Zusamt dem Waffenrock, und seufzt verlangend. |
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82. |
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Sie seufzt und spricht: O seltnes Glück des hehren, Des tapfern Weibes! Wie beneid' ich's ihr! Und nicht beneid' ich ihr des Ruhmes Ehren, Die Schönheit nicht, der Frauen Preis und Zier. Kein langer Rock darf ihrem Schritte wehren, Kein eng Gemach hemmt ihres Muts Begier. Nicht Furcht noch Scham hält sie daheim; gerüstet Geht sie hinaus, sobald es sie gelüstet. |
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83. |
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O, warum hat so kräftig zu gestalten Natur und Himmel nicht auch mich gewußt? Den Schleier dann und des Gewandes Falten Für Helm und Panzer gäb' ich hin mit Lust; Dann hemmten Glut und Frost und Sturmeswalten Und Regen nicht den Flammentrieb der Brust. Gewaffnet dann, allein und mit Geleite, Bei Tag und Nacht, wär' ich in Feldesweite. |
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84. |
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Dann hätte nicht Argant mir dir Verwegnen, Mein teurer Herr, den ersten Gang gemacht; Voraus wär' ich gerannt, ihm zu begegnen, Und hätt' ihn jetzt vielleicht in meiner Macht. Wohl würd' er dann die süßen Bande segnen, So ihm die milde Feindin zugedacht; Und, o gewiß! durch seine Fesseln würde Erleichtert mir und sanft der meinen Bürde. |
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85. |
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Allein hätt' er in blut'ger Kampfesstunde Geöffnet mir die Brust, durchbohrt das Herz: Zum mind'sten wäre dann der Liebe Wunde Durch seinen Stahl geheilt von allem Schmerz. Der müde Leib ruht' aus im kühlen Grunde, Die Seele wär' entflohen himmelwärts; Auch hätte dann der Sieger Asch' und Beine Mit Thränen wohl geehrt und einem Steine. |
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86. |
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Doch weh! unmöglich ist mein Wunsch; ich jage In thörichten Gedanken mich umher. So bleib' ich hier in eitler Furcht und Klage, Wie eine von der Frau'n gemeinem Heer? Ich bleibe nicht! Mein Herz, vertrau' und wage! Warum nicht nehm' auch ich einmal die Wehr? Warum nicht tragen könnt' ich sie gemächlich Auf kurze Zeit, obwohl nur zart und schwächlich? |
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87. |
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Ich kann es, ja! Mich wird die Liebe rüsten Mit hoher Kraft, die sie auch Schwachen leiht; Der feige Hirsch, gespornt von ihren Lüsten, Bewaffnet ja mit Kühnheit sich zum Streit. Doch nicht im Kampf als Heldin mich zu brüsten, Zu schlauem Trug sei diese Wehr geweiht. Clorinde will ich sein; in ihren Waffen Bin ich gewiß, mir Ausgang zu verschaffen. |
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88. |
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Den kühnen Schritt der Hehren zu beschränken, Hat keine Wach' am Thore wohl den Mut. Kein ander Mittel weiß ich zu erdenken, Nur dieser Weg scheint offen mir und gut. Glück möge Schutz unschuld'gem Truge schenken, Und nehm' ihn Liebe, die ihr lehrt', in Hut! Ich eile fort, eh' diese Stund' entschwinde; Beim König ist zur günst'gen Zeit Clorinde. |
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89. |
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Beschlossen ist's; von Liebeswut entglommen, Von ihr gespornt, hält sie nicht länger ein. Schon hat sie schnell die Rüstung abgenommen Und trägt sie in ihr nah Gemach hinein. Sie konnt' es wohl; denn als sie hergekommen, Macht' alles Platz und ließ sie ganz allein; Auch war indes die dunkle Nacht, verschwiegen, Der Dieb' und Liebe Schutz, herabgestiegen. |
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90. |
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Und da schon hie und dort ein Stern zu schauen, Und tiefres Dunkel deckt des Himmels Bahn, So ruft sie heimlich die von ihren Frauen, Die ihr mit Lieb' am treusten zugethan, Samt einem Knappen, dem sie darf vertrauen, Und sagt zum Teil den beiden ihren Plan. Sie wolle fliehn, entdeckt sie; doch vom Grunde, Der sie bestimmt, erteilt sie falsche Kunde. |
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91. |
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Der treue Knecht besorgt sogleich die Pferde Und alles, was er sonst für nötig hält. Sie legt nun ab die hemmende Beschwerde Des Prachtgewands, das bis zum Fuße fällt. So steht sie da mit reizender Gebärde, Im leichten Rock, die Lieblichste der Welt; Und von den Frau'n bedient sie nur die eine, Die zur Gefährtin sie erwählt, sonst keine. |
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92. |
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Den weichen Hals, vom goldnen Haar umflossen, Drückt und verletzt des Helmes rauhe Wehr; Die zarte Hand ergreifet unverdrossen Den großen Schild, ihr unerträglich schwer. So strahlt sie nun, vom Eisen rings umschlossen, Und geht, sich zwingend, kriegerisch einher. Voll Freude sah ihr Amor zu und lachte, Wie einst, da er Alcid zum Weibe machte. |
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93. |
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O, wie es ihr so schwer wird, auszuhalten Die große Last! Wie schleicht ihr matter Schritt! Sie muß sich an die treue Freundin halten, Die langsam vor ihr her den Weg betritt; Doch stärkt den Geist der Lieb' und Hoffnung Walten Und teilet Kraft den müden Gliedern mit. So kommen sie zum Orte, wo indessen Der Knappe harrt, und schnell wird aufgesessen. |
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94. |
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Verkleidet ziehn sie fort und wählen immer Nur die geheimsten Wege, mit Bedacht; Doch treffen sie auf vieles Volk, und Schimmer Von hellen Waffen leuchtet durch die Nacht. Allein, sie aufzuhalten wagt man nimmer, Man räumt den Weg und läßt sie außer acht; Denn diese weiße Tracht, das droh'nde Funkeln Des Tigerhelms erkennt man auch im Dunkeln. |
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95. |
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Obwohl nun mehr und mehr die Sorgen schwinden, Glaubt noch Erminia nicht gedeckt den Pfad; Noch immer fürchtet sie Verrat zu finden Und zittert selbst vor ihrer kühnen That. Doch sucht sie sich am Thor zu überwinden Und spricht zu dem, der dort die Wache hat: Clorinde bin ich, öffne sonder Weile! Mich schickt der Fürst, und mein Geschäft hat Eile. |
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96. |
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Die Weiberstimme, gleich genug den Tönen Der Kriegerin, erleichtert den Betrug. Wer denkt zu Roß sich eine von den Schönen In voller Wehr, die niemals Waffen trug? Auch eilt der Thorwart, dem Befehl zu frönen; Die andern ziehn hinaus im schnellsten Flug Und wählen dann, zur Sicherheit der Reise, Im tiefen Thal weit umgekrümmte Gleise. |
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97. |
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Erminia nun, da sie sich einsam findet Und fern genug, hemmt ihren Lauf gemach; Denn da die erste Not so leicht verschwindet, Befürchtet sie nicht mehr, man setz' ihr nach. Doch was sie früher nicht bedacht, empfindet Sie jetzt nicht ohne Sorg'; und allgemach Dünkt schwerer ihr, als eiliges Verlangen Vorhin gezeigt, ins Lager zu gelangen. |
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98. |
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Jetzt sieht sie ein, wie sehr es Thorheit wäre, In Kriegestracht dem Feinde sich zu nahn; Auch will sie keinem sich vertraun im Heere, Eh' den Geliebten ihre Blicke sahn. Geheim und unentdeckt, mit sichrer Ehre Als Freundin ihn zu suchen, ist ihr Plan. Sie hält demnach, von besserm Rat geleitet, Und spricht zum Waffenknecht, der sie begleitet: |
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99. |
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Du sollst, mein Treuer, mir als Bote frommen; Doch sei behend und klug, wie sich's versteht. Ins Lager geh, und bist du aufgenommen, Laß alsobald dich führen zu Tankred. Sag', eine Jungfrau wolle zu ihm kommen, Die Heil ihm bringt und ihn um Frieden fleht; Um Frieden fleht, bekriegt vom Liebesdrange, Damit er Heil, Erquickung sie erlange. |
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100. |
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So traue sie auf ihn, daß sie nicht zage In seinem Schutz vor Schmach noch vor Gewalt. Sag' ihm nur dies; auf irgend andre Frage Antworte nicht, und komme zurück alsbald. Ich wähl' indes, denn dieses Ortes Lage Scheint sicher g'nug, hier meinen Aufenthalt. So redet sie; und wie mit Vogelschwingen Eilt jener fort, den Auftrag zu vollbringen. |
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101. |
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Er macht es klug, so daß man bei den Franken Des Lagers Eingang freundlich ihm gewährt; Man führt ihm gleich zur Ruhestatt des Kranken, Der seine Botschaft heitern Blicks erfährt. Und während diesem zweifelnder Gedanken Zahllose Menge durcheinander gärt, Eilt jener, mit der Antwort sie zu laben, Sie solle frei und heimlich Zutritt haben. |
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102. |
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Doch sie, mit Mühe den Verzug ertragend, Harrt ungeduldig seiner Wiederkehr Und zählt des Boten Schritt', im stillen sagend: Nun ist er da, tritt ein, kommt wieder her. Schon deucht es ihr, und sie bemerkt es klagend, Er sei so schnell, wie sonst gewohnt, nicht mehr. Sie wagt zuletzt, den Hügel zu ersteigen, Wo ihrem Blick die Zelte schon sich zeigen. |
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103. |
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Nacht war es, und den hellen Sternenschleier Entfaltet sie, ohn' einer Wolke Spur; Schon steigt der Mond herauf in stiller Feier Und übertaut mit Perlen rings die Flur. Das liebevolle Weib verhaucht nun freier Der Flammen Füll' am Busen der Natur Und wagt, die alte Glut den stummen Auen Und der gewohnten Stille zu vertrauen. |
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104. |
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Sie schaut aufs Lager hin und spricht mit Beben: Wie blickt ihr, Zelte Latiums, hold mich an! Ich fühlte Luft von euch herüber schweben, Die mich erquickt, ermutigt, euch zu nahn. O, möchte doch mein mühsam irres Leben Vom Himmel jetzt so würd'ge Ruh' empfahn, Wie ich nur such' in euch! Denn unter Waffen Hoff' ich allein mir Frieden zu verschaffen. |
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105. |
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Nehmt mich denn auf und laßt mich hier empfangen, Was Liebe mir versprach, des Mitleids Lohn; Ach! wohl erhielt ich, fern von hier, gefangen Von meinem milden Herrn ihn früher schon. Mich treibet nicht ehrsüchtiges Verlangen, Von eurer Gunst erwart' ich keinen Thron; Auch ohne den werd' ich beglückt mich glauben, Will man in euch zu dienen mir erlauben. |
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106. |
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So ruft sie schwärmend aus und ahnet nimmer Des nahenden Geschickes herbe Qual. Sie stand an einem Ort, wo Mondesschimmer Die glatte Rüstung trifft mit hellem Strahl, So daß ihr weiß Gewand, der Waffen Flimmer Im Silberscheine leuchtet weit durchs Thal; Und bei des Tigers Glanz, der wunderbarlich Vom Helme strahlt, ruft jeder: Sie ist's wahrlich! |
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107. |
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Nicht weit davon im Hinterhalte lagen Der Franken viel; so wollt's Erminias Stern. Zwei Brüdern war die Führung übertragen, Alkander ist ihr Nam' und Polyfern. Ihr Auftrag war, die Herden abzujagen, Die man zur Stadt geführt von nah und fern; Und kam der Knappe durch an dieser Stelle, So dankt' er's einem Umweg und der Schnelle. |
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108. |
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Der junge Polyfern, vor dessen Blicken Der Vater stürzte durch Clorindens Hand, Glaubt hier die hohe Heldin zu erblicken, Da er gewahrt ihr schimmernd Kriegsgewand. Er kann des Zorns Aufwallung nicht ersticken, Kommt mit den Seinen auf sie losgerannt Und ruft im Ungestüm rachgier'gen Strebens: Du bist des Tods! und wirft den Speer vergebens. |
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109. |
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Der Hindin gleich, die mit verlechzten Sinnen Nach frischem Wasser rings den Wald durchzieht Und schon vom Felsen sah die Quelle rinnen, Den klaren Fluß, der durch Gebüsche fliegt, Doch plötzlich nun, statt Labung zu gewinnen, Im dichten Busch die Hunde lauern sieht Und schnell sich wendet, und vor Angst und Zagen Vergißt der Hitze, der Ermüdung Plagen: |
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110. |
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So diese, die, von Sehnsucht hingerissen, Der Liebe Durst, der ihre Brust durchdrang, Nun bald auf immer glaubt gestillt zu wissen In des Geliebten fröhlichem Empfang; Aufs neu' umringt von mächt'gen Hindernissen, Geschreckt durch Drohn und wilder Waffen Klang, Gibt sie sich selbst und ihren Wunsch verloren Und treibt voll Angst das Roß mit beiden Sporen. |
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111. |
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Erminia flieht, die Arme; durch die Fluren Jagt flücht'gen Hufs mit ihr das schnelle Roß. Die andre flieht ihr nach, und ihren Spuren Folgt jener Wilde mit dem ganzen Troß. Die Nachricht, die sie leider nicht erfuhren, Bringt jetzt zu spät der gute Kriegsgenoss'; Noch ungewiß, folgt er den flücht'gen Frauen, Und so zerstreut die Furcht sie durch die Augen. |
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112. |
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Der andre Bruder, klüger von Betragen, Der auch die fälschliche Clorinde sah, Bleibt in der Stellung, ohn' ihr nachzujagen, Denn jenem Vorgang war er minder nah. Doch läßt er gleich die Kund' in's Lager sagen: Kein Rinderzug noch Wollenvieh sei da, Noch andre Beute sonst; vielmehr befinde Sich vor dem Bruder auf der Flucht Clorinde. |
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113. |
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Und könn' er die Besorgnis nicht verhehlen, Daß sie, die anführt, nicht bloß kämpft im Streit, Nicht solche Zeit zum Auszug werde wählen Um einen Anlaß sonder Wichtigkeit. Doch Gottfried mög' entscheiden und befehlen, Ihm zu gehorchen sei er stets bereit. Die Nachricht kommt ins Lager, und erfahren Wird sie zuerst von den Lateinerscharen. |
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114. |
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Tankred, vorhin von Zweifeln noch beklommen, Denkt, da die neue Botschaft ihm gebracht: Sie ist zu mir gefällig hergekommen, Für mich in Not; nichts weiter wird bedacht. Nachdem er einen Teil der Wehr genommen, Steigt er zu Roß, eilt fort in stille Nacht Und jagt es, achtsam auf die neuen Spuren, Im allerschnellsten Lauf durch Thal und Fluren. |