Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel

Ferdinande hatte sich längst von jeder Beaufsichtigung ihrer Tante frei gemacht. Sie war gewohnt, zu gehen und zu kommen, wie es ihr beliebte; die einzige Rücksicht, die sie zu nehmen hatte, war, daß sie sich pünktlich zu den Mahlzeiten einfand. Darauf hielt der Vater streng, wie Tante Rikchen meinte, nur, um sie aus allen fünf Sinnen herauszuängstigen, falls sie sich einmal, wie das bei einem so geplagten Wurm doch nicht anders möglich sei, in den Wirtschaftsräumen oder so verspätet habe. Ferdinande wußte freilich, daß der Vater auch der Möglichkeit, mit der Schwester allein zu sein, vorbeugen wollte, und daß ihm aus diesem Grunde ganz besonders unangenehm war, wenn sie selbst aus irgend einer Veranlassung ganz von der Mahlzeit wegblieb. Der Vater speiste dann regelmäßig auf seinem Zimmer allein. Indessen waren solche Fälle auch früher immer nur sehr selten vorgekommen, in den letzten Jahren gar nicht mehr. Ferdinande hatte sich von ihren Freundinnen beinahe gänzlich zurückgezogen; sie sagte oft, daß sie keine Freundinnen, höchstens nur Bekanntinnen habe, und daß ihr auch diese sehr gleichgültig seien.

Heute nun mußte sie doch eine Freundin besuchen und hinterlassen, daß sie wahrscheinlich zum Abendbrot, das regelmäßig auf Schlag neun Uhr angesetzt war, nicht zurück sein würde. Ihr Stolz krümmte sich unter der Notwendigkeit dieser Lüge, die noch dazu so unwahrscheinlich war, aber sie hatte ihr Wort gegeben; – ob Glück oder Unglück das Ende war – für sie war ihr Schicksal entschieden – es mußte eben sein.

So ging sie denn, schon in Hut und Mantel, bereits um ein halb acht zu der Tante hinab, die um diese Zeit regelmäßig in dem Salon hinter dem Speisezimmer zu finden war, wo sie auf ihrem Platz am Fenster bei dem letzten Abendlicht ihre Maschen am besten zählen, die Passanten am bequemsten beobachten und, wie Onkel Ernst sagte, ganz ungestört ihre Grillen fangen konnte. Die Ausbeute dieser Jagd war heute besonders reichlich gewesen: die Maschen zählten sich bei dem trüben Wetter sehr schlecht, der Passanten waren aus demselben Grunde ungebührlich wenige, »als ob sie auch Stricke machten, wie diese schändlichen Arbeiter«; dazu hatte der Fleischer für morgen eine ganz miserable Kalbskeule gebracht, welche die dumme Trine von Köchin gar nicht hätte nehmen sollen und nun, zu ihrer Strafe, selbst zurückbringen mußte, obgleich der Himmel dann wissen mochte, wie sie allein mit dem Abendbrot fertig werden solle, denn daß die Trine vor einer Stunde nicht zurück sein würde – daraufhin kannte sie das freche Ding denn doch hinreichend. Und nun wolle Ferdinande auch noch ausgehen – zum Abend ausbleiben! – Tante Rikchen riß in Verzweiflung die Brille von der Nase und ließ den Strickstrumpf mit der eben ausgehobenen Masche in den Schoß fallen.

Aber, um Gottes willen, ist denn heute alles gegen mich armes Wurm verschworen? rief sie: eben ist Reinhold auch hier gewesen, um zu sagen, daß er nicht kommt!

Wo ist Reinhold?

Ja, hat er dir denn das nicht gesagt? eine große Soiree – so heißt es ja wohl? er meint, er müsse am Ende gar seine Uniform anziehen –

Bei wem?

Bei Werbens! Der junge Herr von Werben ist ja heute morgen selber hier gewesen – du hast ihn ja auch gesprochen in deinem Atelier! – ich weiß von nichts – ich brauche ja auch natürlich nichts zu wissen! – zu acht Uhr – es ist ja wohl schon halb?

Ferdinande ließ den Kopf sinken: bei Werbens! zu acht Uhr! – wie war das möglich?

Und wo willst du denn hin, wenn man fragen darf?

Ferdinande sagte die vorbereitete Lüge. – Sie hatte in der Ausstellung Fräulein Marfolk, die Malerin, gesprochen: Fräulein Marfolk hatte so dringend gebeten, sie doch wieder einmal zu besuchen; sie habe ihr einige eigene Sachen und Photographien zu zeigen, die sie aus Rom mitgebracht – heute abend sei sie gerade frei – Professor Seefeld aus Karlsruhe komme auch, der sie – Ferdinande – dringend kennen zu lernen wünsche – sie habe eben zugesagt und könne nicht mehr absagen.

Und ich armes Wurm werde wieder einmal allein essen! sagte Tante Rikchen; – denn er würde ja wohl mit sieben Hottentotten lieber ein lebendiges Krokodil mit Haut und Knochen verzehren, als ein anständiges Hammelkotelett mit seiner armen alten Schwester! Na, mir soll es recht sein – mir ist alles recht. Wenn die ganze Fabrik still steht, kann ja mein armer Verstand auch still stehen – und mein armes, altes Herz dazu.

Es war zu viel des Jammers; Tante Rikchen brach in Tränen aus.

Wie du dich nun wieder unnötig aufregst! sagte Ferdinande ungeduldig.

Unnötig aufregst! rief Tante Rikchen; – für dich ist natürlich alles unnötig. Ich sehe es aber kommen; ich habe die Menschen beobachtet, als sie heut morgen fortgingen und da auf der Straße standen und zu dem Hause hinaufglotzten und mit den Fäusten drohten und hinter den Polizisten herschimpften, die mit den beiden schlechten Kerlen, dem Schwarz und dem Brandt, und dem dummen Jungen, dem Karl Peters, abschleppten! und auch auf den Vater haben sie geschimpft, es war gräßlich anzuhören! Mir läuft eine Gänsehaut über den ganzen Leib, wenn ich daran denke und was daraus alles noch kommen kann, denn zu Ende ist die Geschichte noch nicht, darauf kannst du dich verlassen – du natürlich, du regst dich nicht auf – du nicht!

Ich habe es nicht verhindern können und kann nichts dabei tun, sagte Ferdinande.

Wohl hättest du's verhindern können, und wohl könntest du noch etwas tun, bevor es zum Ärgsten kommt und sie uns den roten Hahn aufs Dach setzen! rief Tante Rikchen; – aber ich kann ja die Hand vor den Augen nicht sehen, ich kann ja einen Kirchturm von einer Stricknadel nicht unterscheiden!

Das alte Lied! sagte Ferdinande.

Jeder singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, rief Tante Rikchen; – und wenn dir meine Weise nicht gefällt, so liegt's wohl daran, daß heute jedes Ei klüger sein will, als die Henne; denn wenn ich auch nicht deine Mutter bin, so habe ich mich doch wie zwei Mütter für dich gequält und mich hunderttausendmal gefragt, was denn eigentlich daraus werden soll. Aber vielleicht hat's der Himmel so gelenkt; er ist ja, sowieso, immer gnädiger gegen euch, als gegen andre Leute. Und bei deinem Vater bin ich gar nicht sicher, ob er nicht wirklich bloß auf ihn gewartet hat, denn das mit den dicken roten Bleistiften war mir immer schon verdächtig, während kein anderer Mensch nur mit dem Finger an seine dummen Karten rühren darf; und wie große Stücke er auf ihn hält, kann ja eine alte Frau mit dem Krückstock fühlen, und überaus brav und gut ist er ja, und es bliebe doch auch in der Familie, wenn du endlich ein Einsehen hättest und ihn heiratetest, bevor in diesen schlimmen Zeiten alles wieder zum Schornstein hinausfliegt.

Reinhold?

Dachtest du etwa den Kaiser von Fez und Marokko? Aber du tust auch nur so erstaunt und fährst von dem Stuhle auf, um mir altem Wurm einen Schrecken in die Glieder zu jagen, als ob meine Nerven nicht schon so wie so derangiert wären, – so heißt es ja wohl?

Ich bin aufgestanden, weil es die höchste Zeit ist, daß ich gehe, sagte Ferdinande. – Adieu, Tante!

Sie hatte bereits ein paar Schritte nach der Tür gemacht, als die heruntergelassenen Portieren langsam auseinandergezogen wurden.

Perdonatemi, Signora,! – Signora Frederica – meine gehorsamste Reverenz!

Ferdinande blieb erschrocken stehen. – Was wollte Antonio? In diesem Augenblick?

Perdonatemi! wiederholte Antonio. – Ich fürchte, daß die Damen mein Klopfen draußen nicht gehört; so habe ich gewagt, einzutreten.

Und er deutete in seiner leichten italienischen Weise kaum merklich auf ein Paar Bücher, die er in der Hand trug.

Heute ist nicht unsere Stunde, sagte Ferdinande.

Ich bin morgen verhindert, Signora, und da wollte ich mir erlauben –

Ich habe heute keine Zeit. Sie sehen, ich bin im Begriff auszugehen!

Sie hatte es in einem heftigen Tone gesagt, zu dem scheinbar nicht die mindeste Veranlassung war und zu dem das höfliche: Mi ritiro, e vi domando perdono; – buona sera, Signora! des Italieners und die tiefe Verbeugung, mit der er die Portieren wieder über sich fallen ließ, in einem wunderlichen Gegensatze standen.

Was fährst du denn den jungen Menschen so an? sagte Tante Rikchen.

Ferdinande antwortete nicht; sie horchte auf den leisen, sich entfernenden Schritt und auf das Geräusch der Tür. Würde es die Glastür, die nach dem Garten, würde es die andere sein, die nach dem Flur führte? Es war die Glastür; er blieb im Hause! und doch! weshalb hatte sie auch nur gesagt, daß sie ausgehen wolle? Sollte sie es nun aufgeben?

Aber es war keine Zeit mehr, sich zu besinnen. Mit einem halb gemurmelten: Adieu, Tante, ich werde mich beeilen, zurück zu sein – hatte sie das Zimmer verlassen und stand auf der Straße, ohne recht zu wissen, wie sie dahin gekommen.

Sie hatte die Absicht gehabt, an der Ecke eine Droschke zu nehmen; aber der Halteplatz war leer; sie mußte sich entschließen, die Springbrunnenstraße bis zur Parkstraße hinab zu gehen, wo sie sicher eine zu finden hoffte. Vielleicht war das gut; sie konnte sich so besser, als in dem geschlossenen Wagen, versichern, daß sie nicht verfolgt werde. Sie wandte sich im eiligen Dahinschreiten ein paarmal verstohlen um: ein paar Menschen kamen ihr entgegen; keiner hinter ihr her; sie atmete leichter – er war ihr nicht gefolgt. Vor niemand fürchtete sie sich, nur vor ihm.

Aber er, den sie hinter sich fürchtete, war ihr in diesem Augenblicke schon weit voraus.

Für Antonio hatte es seit heute morgen festgestanden, daß das Verhältnis zwischen dem schlanken Offizier und Ferdinanden in ein anderes Stadium getreten und vermutlich etwas im Werke sei, – etwas, das er wissen wollte um jeden Preis, das er wissen würde, sie mochten es noch so schlau anfangen. So hatte er denn die Lektionen, die er ihr wöchentlich einmal in seiner Muttersprache gab, zum Vorwand genommen, sich ihr nähern zu dürfen und seiner eifersüchtigen Gier, die in allen Möglichkeiten wühlte, neue Nahrung zu schaffen. Er hatte sie, die so selten des Abends das Haus verließ, zum Ausgehen bereit gefunden, ohne daß sie, was sie sonst regelmäßig tat, den Wagen befohlen; sie hatte ihn, als ahnte sie, was er beabsichtigte, barsch zurückgewiesen – was ihn sonst empört haben würde, entzückte ihn jetzt: sein Verdacht hatte eine bestimmte Richtung genommen: es handelte sich um ein Rendezvous! Sein Entschluß, ihr auf der Spur zu bleiben, war bereits gefaßt, bevor er noch die Portieren wieder über sich zusammenfallen ließ.

Er hatte die Tür nach dem Garten nicht ohne Absicht so stark zugemacht – Ferdinande sollte glauben, daß er sich nach jener Seite entfernt, daß er nicht das Haus verlassen. Im Garten angelangt, war er aber rechts ab am Hause hin durch ein Gitterpförtchen auf dem Hof und mit ein paar Schritten im Hausflur und auf der Straße gewesen. Der Droschkenstand an der Ecke war auch sein erstes Ziel; er mußte so freilich an dem Fenster vorüber, an dem Tante Rikchen saß; aber wenn er sich bückte, verschwand sein Kopf hinter den Fliederbüschen des Vorgärtchens. Daß er den Droschkenstand leer fand, war eine böse Enttäuschung, aber auch sie würde dieselbe Enttäuschung erfahren und auch nicht früher, als bis sie an die Ecke gelangte. An eben dieser Ecke war ein kleiner Bierkeller, in dem auch die Arbeiter des Ateliers zu verkehren pflegten. Er sprang die Stufen hinab und stellte sich an das Fenster nach dem Droschkenstand. Es war alles nur ein Glücksspiel – sie konnte ja auch die Richtung nach der Stadt nehmen, oder bereits genommen haben; aber – da war sie! zögerte ein paar Momente, genau so, wie er selbst eben getan, und kam dann an dem Fenster, hinter dem er lauerte, vorüber; das Trottoir war in der Höhe seiner Augen; er konnte ihre schmalen Füße sehen, als sie, um eiliger ausschreiten zu können, jetzt das Kleid ein wenig hob. Er ließ ihr einen kleinen Vorsprung; dann tauchte er wieder aus dem Keller auf, überzeugte sich, daß sie die Straße hinabging, war selbst mit ein paar Sprüngen quer über die Straße weg und lief die Kanalstraße hinauf, bis zu einem Privatwege, der zwischen Villen und Gärten parallel mit der Springbrunnenstraße lief und, wie diese, auf die Parkstraße mündete. Der schmale Verbindungsweg war, wie fast immer, gänzlich leer; er konnte ihn, ohne Aufsehen zu erregen – woran ihm überdies nichts gelegen haben würde – im Trabe durcheilen; er mußte Minuten vor ihr auf der Parkstraße sein. Dort angelangt, sprang er quer über die Straße weg und stellte sich zwischen die Büsche des Tiergartens so, daß er die gegenüberliegende Front der Parkstraße mit den Ausgängen der drei Querstraßen übersehen konnte. Der Ausgang des Privatweges gerade vor ihm war ihm nicht weiter wichtig, aber aus dem der Springbrunnenstraße links mußte sie kommen, und an der Ecke der letzten Querstraße rechts hielten Droschken! Sie konnte sich freilich auch links nach der Stadt wenden, aber er hätte ja auch das gesehen, und er war überzeugt, es würde nach rechts sein! – Es war nach rechts! Da kam sie aus der Springbrunnenstraße, ging an der gegenüberliegenden, der Häuserseite, mit schnellen Schritten hin, vorüber an der Verbindungsstraße auf die Droschken zu. Es waren zwei Droschken, sie nahm die erste; der Kutscher der zweiten schloß der schönen Dame mit seltener Höflichkeit die Tür und rückte dann, während die erste sich in Bewegung setzte, seinen Gaul am Zügel fassend, mit seinem Gefährt vor. Im nächsten Augenblick war Antonio bei ihm.

Wohin? fragte der Kutscher.

Wohin die Droschke da fährt.

Also nach dem Großen Stern.

Antonio zog den Fuß, den er bereits auf dem Tritt hatte, zurück. Der Große Stern, an der entgegengesetzten Seite des Tiergartens, wo die Charlottenburger Chaussee von verschiedenen Alleen durchschnitten wird, war kein geeignetes Ziel einer Verfolgung in einem Wagen, der sofort auf dem großen Platze, ja auf dem Wege dahin, heute, wo die Straßen wie ausgestorben waren, bemerkt werden und Verdacht erregen mußte. Da gab es ein sichereres Mittel! Was kümmerte ihn der energische Fluch, den der verblüffte Droschkenkutscher hinter ihm her schleuderte, als er fort über den Fahrdamm in den Tiergarten eilte! Die Große-Stern-Allee – ein breiter, von altehrwürdigen Bäumen überwölbter Reitweg, neben dem sich Promenadenwege hinziehen, – das wußte er – mündete, die ganze Breite des Tiergartens durchschneidend, auf den Großen Stern; Ferdinandes Droschke mußte durch die Korsoallee einen Umweg machen. Der Umweg war nicht sehr bedeutend, und die Droschke fuhr ungewöhnlich schnell; aber er hatte die gerade Linie, und auf seine Muskeln und Sehnen konnte er sich verlassen. So lief er denn den mehrere tausend Schritte langen Weg hinab mit wunderbarer Geschwindigkeit, des Hämmerns seines Herzens so wenig achtend, wie es ein Schweißhund achten mag, der einem Edelhirsch auf den Fersen ist, ja, die ungeheure Anstrengung, weil sie seine Eifersuchtsqualen für den Moment übertäubte, als eine Wollust empfindend. Und da hatte er bereits den Ausgang erreicht; der Platz lag vor ihm, ein Omnibus, von Charlottenburg kommend, klingelte, ohne anzuhalten, darüber hin, von der Stadt her ein paar Arbeitswagen, zwischen und alsbald vor ihm eine Droschke erster Klasse, die sehr schnell herankam. Das war er! – Antonio drückte sich in die Büsche – er durfte hier ganz sicher sein: hinter sich hatte er den ganzen Park, in dessen Dunkel er schlimmsten Falles jeden Augenblick zurücktreten konnte, und die Büsche waren so dicht, daß die Gefahr, vom Platze aus entdeckt zu werden, sehr gering war und er doch alles auf dem Platze zu übersehen vermochte. Die Droschke aus der Stadt hatte angehalten; ein Herr sprang heraus; – die Droschke kehrte sofort um und fuhr nach der Stadt zurück – der Herr kam langsam auf den Platz geschritten, ohne stehen zu bleiben, wiederholt nach allen Seiten ausschauend. Antonio war im ersten Moment erschrocken gewesen – der Herr war in Zivil! dann hatte er sich mit einem höhnischen: bestia! vor die Stirn geschlagen, und jetzt, als der Herr in geringer Entfernung an seinem Versteck vorüberkam, erkannte er auch seinen Todfeind an der schlanken Gestalt und den elastischen Bewegungen – um die Gesichtszüge deutlich zu unterscheiden, war es bereits zu dunkel. Wozu auch? er wußte ja doch, wen er da vor sich hatte, und seine Rechte legte sich fester um den Griff des Stiletts, das er herausgezogen, wie ein Jäger anlegt, auch wenn er weiß, daß er nicht zu Schuß kommen kann; und seine weißen Zähne knirschten aufeinander, als jetzt um die Ecke der Korsoallee die Droschke, die er überholt hatte, herumbog auf den Platz, dort still hielt – aber nur für wenige Momente, nur so lange, daß der Verhaßte ein paar Worte durch die geöffnete Tür hatte hineinsagen können, um dann selbst einzusteigen und die Tür hinter sich zu schließen. Das Fuhrwerk setzte sich wieder in Bewegung quer über den Platz nach dem Wege zu dem Bellevueschloß und verschwand dort hinter den Bäumen.

Antonio murmelte den schwersten Fluch, den er kannte, durch die Zähne: die Jagd war zu Ende! Er konnte jetzt keinen Weg abschneiden, denn er wußte nicht, wohin sie sich wenden würden; er konnte auch nicht folgen – das verbot sich auf der offenen Straße. Es war ja auch einerlei, wo die Jagd ein Ende nahm – für heute!

Dennoch mochte er sich nicht entschließen, heimzukehren, ja auch nur den Platz zu verlassen. – Es war ein prächtiger Platz, um Rache zu brüten, während das Dunkel immer tiefer herabsank und es in den Büschen um ihn her wie mit Schlangenzungen zischelte, und es über ihm in den Kronen der gewaltigen Bäume ächzte und stöhnte wie ein Opfer, das, tödlich getroffen, am Boden liegt.


 << zurück weiter >>