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Siebentes Kapitel

Der Graf hatte die Anordnungen auf das beste getroffen. Ein Reitknecht mit einer Laterne ritt voraus; ihm folgte der geschlossene Landauer, in dem der General, Else und der Präsident Platz genommen; dann ein offener Jagdwagen mit ihm selbst und Reinhold; endlich ein kleiner Gepäckwagen für die beiden Diener, zu denen sich auch sein Jäger gesellt hatte.

Im Gepäckwagen ging es munter zu.

Habt ihr immer so viel Bagage bei euch? fragte der Jäger, den Reisetaschen einen verächtlichen Fußstoß gebend.

Das andere ist ja noch auf dem Schiff, erwiderte Johann; – aber viel hat mein Präsident nie bei sich; wenig und ordentlich, sagt er.

Ganz wie mein General, sagte August; – na, das wird nun bei uns Militärs nicht anders sein. In Frankreich haben wir auch nur einen Koffer gehabt von Anfang bis zu Ende.

Wir hatten sechs, sagte der Jäger.

Seid Ihr denn auch mit gewesen?

Versteht sich, als Johanniter!

Das ist was Rechtes!

Mir war es schon recht! rief der Jäger; ich ginge gleich wieder mit! Wein und Mädels die schwere Not! Mein Graf versteht's, das kann ich dir sagen. Bei einem, wie dein General, hielt' ich es nicht sechs Wochen aus.

Na, so schlimm ist es nun auch nicht, meinte August; – wenn man nur seine verdammte Schuldigkeit tun wird, läßt sich schon mit ihm auskommen; das gnädige Fräulein ist freilich schlimmer –

I, die sah doch ganz fidel aus!

Ja, die! aber das alte Fräulein, die Schwester vom General; wir haben nämlich keine Frau nicht.

Ich diene nie in einem Hause, wo eine Frau ist, sagte der Jäger, – und nun gar Kinder.

Dann dürftest du bei uns nicht dienen, sagte Johann, – wir haben eine gnädige Frau und Junkers und gnädige Fräuleins das ganze Haus voll; eine ist auch schon verheiratet. Wie ist denn das eigentlich bei Euch?

Na, wir sind Witwer, sagte August, nicht lange, nachdem ich bei ihm in Dienst kam; das wird nun wohl so seine fünf Jahre her sein. Seitdem wird Fräulein Sidonie die Wirtschaft führen, – hast du nicht gesehen! Das heißt: sie möchte sie wohl führen; aber, was unser junges Fräulein ist, die wird sich das ja nicht nehmen lassen. – Gott sei Dank! die Alte ist Hoffräulein gewesen, an einem Hofe, wo die Mäuse nichts nicht zu knabbern haben. Das sind hernach die schlimmsten. Wir haben auch noch einen jungen Herrn, den Leutnant – das ist ein Leichtfuß, Herr meines Lebens! was der unter den Händen hat – weg ist es! Aber ich lasse doch nichts auf ihn kommen: leben und leben lassen! Er wirft dir einen Esel an den Kopf und einen Taler hinterher. Wenn er nur mehr hätte!

Bei meinem Alten gibt's keine Esel, aber Taler auch nicht, meinte Johann.

Und bei meinem Grafen gibt's Esel, aber keine Taler, brummte der Jäger.

Na, aber du sagtest doch –

I, man muß es nur verstehen, wißt ihr! Beim Auskehren, da findet es sich.

Ja so! sagte Johann.

Das wird was anderes sein, sagte August.

Zum Exempel die Buttel Kognak hier, rief der Jäger, eine Flasche hervorziehend; wie gefällt euch das?

Vertragen wird man's schon, sagte August.

Bei der Kälte! sagte Johann; wie im Dezember!

Während die Burschen die Flasche lustig kreisen ließen und des Lachens und Schwatzens kein Ende fanden, hatte in dem vorauffahrenden Wagen der Präsident, der jetzt, da ein behagliches Ende des unbehaglichen Abenteuers abzusehen war, seinen Humor vollständig wiedergefunden, die Kosten der Konversation fast allein getragen. Er gab, als passende Einleitung des Besuches auf dem Schlosse, eine gedrängte Übersicht der Genealogie des gräflichen Hauses. Die Familie sei eine der ältesten der Insel, wahrscheinlich sogar älter als die Fürsten von Prora, mit denen sie in früheren Zeiten an Macht, Einfluß und Reichtum rivalisiert habe. Während der letzten Generationen sei es freilich mit ihr bergab gegangen, besonders durch die Verschwendung des Urgroßvaters, des Erbauers der Schlösser von Golm und Golmberg, der auch die berühmte Bildergallerie auf Golm und die Waffensammlung auf dem Jagdschloß mit fabelhaften Summen zusammenkaufte. Der Großvater, ein sparsamer Mann, habe die Trümmer des Vermögens zu einem Majorat vereinigt – glücklicherweise! – denn der Vater des jetzigen Grafen, sein lieber alter verstorbener Freund, sei wieder nach dem Großvater geschlagen. In dem Charakter des Grafen selbst fänden sich, wie man das ja so häufig in alten Familien beobachten könne, die Züge der Vorgänger – der verschwenderischen und der sparsamen – auf die wunderlichste Weise vereinigt. Man müsse ihn in diesem Augenblicke für einen Kavalier in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes halten, und im nächsten überrasche er durch die Entfaltung von Eigenschaften, die man nur bei einem spekulativen Geschäftsmanne suchen zu dürfen glaube.

Dergleichen Talente machen den Abkömmling eines alten Geschlechtes in meinen Augen nicht ehrwürdiger, Herr von Sanden, sagte der General.

Der Präsident durfte sich in der Dunkelheit des Wagens ein ironisches Lächeln verstatten; der General hatte ihn zum ersten Male im Laufe des Tages bei seinem Namen genannt, offenbar, um ihn daran zu erinnern, daß auch er aus einem alten Geschlecht sei.

In den meinen auch nicht, erwiderte er; aber ich kritisiere hier nicht; ich charakterisiere nur.

Es gibt charakteristische Züge, die sich selber kritisieren und – richten.

Sie sind scharf, Herr General; scharf und streng, wie das einem Soldaten zukommt; ich, als Verwaltungsbeamter, mit den Händeln der Welt mehr, als mir oft selber lieb ist, vertraut, halte mich gern an den alten frommen Spruch: richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!

Und ich gern an einen anderen, der, wenn nicht ganz so fromm, mindestens eben so alt und vielleicht älter, d. h. so alt, wie der Adel ist: noblesse obliege!

Der Präsident lächelte wieder in die Dunkelheit hinein.

Ein zweischneidiges Wort, sagte er, – von Alters her; aber heute zweischneidiger, als je.

Weshalb das?

Weil unsere Lage noch nie so prekär war, wie heute. Wir stehen mit den Klassen, die hinter uns her, oder vielmehr schon uns entgegen drängen, in diesem unserem nivellierenden Jahrhundert längst auf demselben Niveau derselben staubigen Arena, in der der Kampf ums Dasein gekämpft wird; aber Sonne und Wind sind ungleich verteilt. Eine Menge Mittel, deren sich der Bürgerstand mit den ungeheuersten Erfolgen bedient, sind uns versagt, denn: noblesse obliege! Sehr schön! Vorrechte haben wir nicht mehr! Gott bewahre! aber Vorpflichten! Wir sollen unsere Stellung im Staate, in der Gesellschaft behaupten und dabei immer noch unsere moralischen Qualitäten bewahren! Das ist denn gar oft ein schwierig Ding, und manchmal ein unmögliches: die reine Quadratur des Zirkels! Nehmen Sie eine Lage, wie die unseres Grafen! Er hat sie sich nicht ausgesucht; er ist in sie hinein geboren. Er hat eine Schuldenlast vorgefunden, die er durch einfach-bürgerliche Sparsamkeit verringern könnte – gewiß! aber das ist ein langer Prozeß – für einen jungen heißblütigen Mann unbequem lang! Nun glaubt er, einen Weg entdeckt zu haben, auf dem er in kürzester Zeit das heiß erwünschte Ziel erreichen, alle Sünden seiner Vorfahren mit einem Schlage wieder gut machen kann. – Und sind es nicht, wie in diesem Falle, die Vorfahren, die uns das Leben sauer machen, so sind es die Nachkommen. Neun Zehntel unseres Adels weiß ein Lied davon zu singen; ich unter anderen auch! das Geheimratsproletariat ist keine Chimäre, sondern eine sehr reelle Wirklichkeit, und ich will Gott danken, wenn es mir gelingt, mein Sechsgespann auf einem glatteren Wege durchs Leben zu kutschieren, als wir eben hier zu fahren verurteilt sind – ich weiß nicht zur Strafe welcher Sünden unserer Ahnen oder Nachkommen. Mon dieu! ich glaube, der Graf will uns die Dringlichkeit einer Eisenbahn, die ihm a priori klar ist – ehem! wirklich abominabel! Es ist unmöglich, behaglich zu plaudern, wenn einem die Worte im Munde gerädert und zerbrochen werden.

Dem Präsidenten war es lieb, eine Unterhaltung aufgeben zu können, die von der anderen Seite in so wenig freundlichem Tone geführt wurde. Er wußte nicht, wie unangenehm die Wendung, die sie zuletzt genommen, für den General sein mußte, auf dessen Verhältnisse jedes Wort so grausam paßte, der an diese Verhältnisse durch die Situation, in der sie sich befanden, so peinlich erinnert wurde! War ihm doch dieses Stück Erde verhaßt seit langen Jahren! Er hatte, wo und wie er konnte, vermieden, es zu betreten, trotz der zwingendsten Veranlassungen, die ihm aus seiner Kuratel über das Vermögen seines verstorbenen Schwagers erwuchsen. – Ja, er hatte – zum ersten und letzten Male in seinem Leben – sich fast eine Vernachlässigung seiner dienstlichen Pflichten zu Schulden kommen lassen, als damals das Projekt des Kriegshafens zuerst auftauchte und er, anstatt sich an Ort und Stelle über die Lage der Dinge zu unterrichten, den Hauptmann von Schönau hierher schickte und sogar das Dezernat über die Angelegenheit, das ihm ganz eigentlich zukam, auf den Oberst Sattelstädt abwälzte. Und nun mußte er sich doch hierher locken, auf dem abscheulichen Waldboden durchrütteln und durchschütteln und alle trübsten Gedanken seiner Seele in sich wachrufen lassen! Es war eine abscheuliche Ironie des Zufalls, dem er doch wieder durch seine törichte Nachgiebigkeit in die Hände gearbeitet. Man hätte so gut auf dem Schiffe bleiben können und wäre aller dieser Verzögerungen, Unbequemlichkeiten, all dieser Rücksichten, die man nehmen, all dieser Verpflichtungen, die man eingehen mußte, überhoben gewesen!

Und nun Elses wunderliches Benehmen dem Grafen gegenüber! Ihm, dem er so gern ausgewichen wäre, dessen Höflichkeiten ihn so schon drückten, bei der ersten Begegnung noch mit einer Bitte entgegenzutreten! Als ob man nicht schon an sich selbst genug hätte! Was in aller Welt ging es sie an, ob und wie die Pächtersleute zu dem Arzte kamen? Nein – das nicht: es lag in Elses Charakter, Hilfe zu leisten, wo sie konnte; und sie war auch hier wieder sein braves, edles Mädchen gewesen; aber fatal blieb es immer, sehr fatal!

Während sich der Vater so immer tiefer in seine Mißstimmung hineinarbeitete, hatte es sich auch auf Elses heiteres Gemüt wie ein trüber Schleier gesenkt. Von der Konversation der Herren hatte sie so gut wie nichts gehört. Sie grübelte fortwährend über das Verfängliche der Bitte, die sie an den Grafen, wenigstens indirekt, gerichtet; aber das blasse Gesicht der armen Pächtersfrau hatte in dem letzten Moment, als sie aus dem Zimmer der kranken Kinder trat, sich von den Gästen zu verabschieden, einen so verzweifelten Ausdruck gehabt, und sie war dem Gedanken, der ihr durch den Kopf geschossen, gefolgt, ohne zu fragen, ob sie sich damit etwas vergebe, oder nicht. Mochte er es nehmen, wie er wollte! um so schlimmer für ihn, wenn er es nicht nahm, wie er sollte!

Konnte sie mit gutem Gewissen dasselbe in Beziehung auf den Kapitän sagen? – Es war ihr jetzt so gut wie gewiß, daß er nur deshalb so lange draußen geblieben, um die Gesellschaft wegfahren zu lassen, um – wohl oder übel – von ihnen sich zu trennen. Weshalb sich zu trennen? Vielleicht behagte ihm die Gesellschaft nicht; vielleicht war es ihm drückend und peinlich, nun in wirkliche Gesellschaft zu kommen, wie sie auf dem Schlosse des Grafen in Aussicht stand? in die Unterhaltung gezogen zu werden, die sich an dem Teetisch und sonst entwickeln mußte und zu der er nichts beitragen konnte? für die ihm sehr wahrscheinlich sogar das Verständnis fehlte! Und ihn dann so dasitzen zu sehen: verlegen, unbehilflich! verstummt der Mund, der durch das Sausen des Windes und das Donnern der Wellen die kurzen Kommandoworte mit so fester heller Stimme erschallen ließ! unsicher und vertrübt die blauen Augen, die in der Stunde der Gefahr so hell leuchteten und glänzten – schade, schade! um die schöne, freundliche, prächtige Erinnerung! schade, wie um eine wohlgelungene Skizze, die man nachträglich durch willkürlich-unbedacht hineingezeichnete Linien verdirbt!

Und was mochte er von ihrem Befehl, sich der Gesellschaft nun weiter anzuschließen, denken? denn sie hatte es ihm doch geradezu befohlen! Was um alles in der Welt war ihr in den Sinn gefahren? hatte sie wirklich nur ein paar Stunden länger in das braune schöne Gesicht, in die blauen Augen schauen wollen? aus reinem Trotz gegen den Grafen, auf dessen Gesicht die Frage: bin ich nicht ein schöner Mann – so deutlich geschrieben stand? Wovon mochten die beiden sich unterhalten? oder saßen sie eben so stumm nebeneinander, wie sie hier in dem engen Gefängnis, dessen beklommene Luft jedenfalls Schuld war, daß ihr Herz so ängstlich schlug! – O mein Gott!

Die Vorderräder waren in eines der tiefen Löcher versunken, die die schweren Lastwagen in den weichen Waldboden gedrückt hatten, die feurigen Pferde zogen mit einem Ruck an; Else flog dem Präsidenten, der ihr gegenüber saß, in die Arme.

Entschuldigen Sie einem alten Beamten die Länge seiner Nase, sagte der Präsident kläglich, sich die Tränen abwischend, die ihm an den mageren Wangen herunterliefen.

Else lachte, lachte um so herzlicher, in je tollerem Widerspruch die komische Szene zu den trüben und sentimentalen Gedanken stand, aus denen sie so plötzlich aufgeschreckt war.

Die beiden Herren in dem ersten Wagen hatten sich über Mangel an frischer Luft nicht zu beklagen gehabt. Nach dem heftigen Regen war es empfindlich kühl geworden; und wenn sich auch der allmählich aufsteigende Weg meistens durch dichten Forst zog, wo die mächtigen Buchen einigen Schutz gewährten, so faßte der Ostwind auf den freieren Stellen, die man zu passieren hatte, um so schärfer zu. Den Grafen fror trotz seines Mantels, und er hielt die Versicherung Reinholds, daß er an Wind und Wetter zu sehr gewöhnt sei, um es jetzt kalt zu haben, und der Decke, die er ihm angeboten, durchaus nicht bedürfe, für Eigensinn oder Prahlerei. Der Mensch war eine recht überflüssige, lästige Zugabe. Seinetwegen hatte er auf den vierten Platz im Landauer verzichtet, und mit dem Platz auf die Nähe des reizenden Mädchens – vielleicht ganz unnötigerweise. Bei der Flüchtigkeit, mit der er, eben von der Jagd nach Hause gekommen, den Zettel des Präsidenten gelesen, hatte er in dem »Kapitän« die unmilitärische Bezeichnung eines »Hauptmanns« gesehen –, eines Adjutanten oder sonstigen Begleiters des Generals, auf den natürlich die schuldige Rücksicht genommen werden mußte. Nun hatte er zu seinem Erstaunen erfahren, daß es sich nur um einen »Schiffskapitän« handle, den die Herrschaften erst seit ein paar Stunden kannten; der, wie es schien, bei der Überfahrt von dem Dampfer nach dem Lande einige unwesentliche Dienste geleistet und der, wenn man ihn überhaupt mitnahm, auf dem Gepäckwagen zur Not auch einen Platz gefunden hätte. Was sollte man mit dem Menschen sprechen? brauchte man überhaupt mit ihm zu sprechen? Der Graf hielt dafür, daß man es nicht brauche und er ein übriges tue, wenn er von Zeit zu Zeit ein Wort über den Weg, das Wetter oder dergleichen fallen ließ.

Reinhold, der nicht recht wußte, ob diese kurzen Äußerungen abgerissene Stücke eines Selbstgesprächs waren oder der ungeschickte Versuch, eine Unterhaltung anzuknüpfen, antwortete, wo es nötig schien, und hing im übrigen seinen Gedanken nach.

Und da – auf dem nächtig-dunklen Hintergrunde der im Winde sausenden Bäume – sah er sie wieder, wie er sie heute auf dem leuchtenden Hintergrund des blauen Morgenhimmels zum erstenmal gesehen: die schlanke elastische Gestalt – sah er es wieder, das holde Gesicht mit den feinen und doch so ausdrucksvollen Zügen, – strahlten sie ihm wieder, die braunen Augen, die so schalkhaft und so keck und ein andermal so ernst und streng zu blicken wußten! War es ein Zauber? Er hatte schönere Frauen gesehen, ohne von ihrem Anblick so getroffen zu werden; er hatte zu lieben geglaubt, vielleicht geliebt, aber es hatte doch immer einer gewissen Zeit bedurft, um sein Herz zu erfüllen; Tropfen für Tropfen hatte sich die Empfindung angesammelt – hier war es über ihn wie ein Sturm gekommen, wie ein Wirbelwind, der die kluge Segelstellung verwirrte, zerstörte, gar keine Zeit ließ, einzureffen, beizulegen; Takelage und Masten herunterriß und umbrach, die Steuerung des Schiffes unmöglich machte, das hilflose Wrack aus einer Welle in die andere warf!

Was sollte das alles ihm, dem Fremdling in der Sphäre, in der sie sich bewegte? War sie nicht in seinen eigenen Augen kindisch, diese törichte, ziellose Schwärmerei? sollte er sich nun noch vor andern, vor ihr selbst lächerlich machen? hatte er es nicht bereits getan, als er ihrem Befehl widerspruchslos folgte? Würde sie ihn nicht auslachen: ich wollte nur sehen, ob du wirklich ein so haltloser, armseliger Narr bist?

Sonderbar! daß ihm jetzt, gerade jetzt der schrecklichste Augenblick seines Lebens in die Erinnerung kommen mußte: als er, auf dem einsamen Ritt durch die Kordilleren von St. Jago nach Mexiko, zwischen Mazatlan und Inpic von indianischen Räubern gefangen, im Galopp durch wilde Bergschluchten von der Straße abseits weiter in die Öde getrieben wurde und fürchten mußte, daß das Ende des Rittes ein paar Schüsse sein würden und ein blutiger, aus dem Sattel gleitender Körper, der im letzten Todeskampfe auf dem harten Grase verzuckt. Die Möglichkeit, mit dem Leben davonzukommen, hatte nur in dem absoluten Gehorsam bestanden, mit dem er sich jedem Befehle der Räuber fügte; dennoch war es ihm kein allzuschwerer Entschluß gewesen, lieber diesen letzten Hoffnungsstrahl auszulöschen und den unsinnigen Kampf aufzunehmen, als die Schmach, in der Gewalt dieser Elenden zu sein, länger zu dulden. Aber man kann wohl eine Pistole, welche die Räuber übersehen haben, aus dem Halfter reißen und, seinem Gaul die Sporen gebend, sich von der steilen Straße in die Bergschlucht werfen, um so wenigstens nach seiner eigenen Fasson zu sterben; aber man kann nicht von dem Sitze aus einem eleganten Jagdwagen springen, in den man auf Befehl eines schönen Mädchens gestiegen, und in den Wald laufen, selbst wenn der vornehme Herr, der neben einem sitzt, gar nichts gegen diese Flucht einwenden, sie höchstens mit einem schallenden Gelächter begleiten würde.

Da sind wir! sagte der Graf.

Der Wald hatte sich aufgetan; in der Mitte des freien Platzes vor ihnen lag ein stattliches, mit Türmen, wie es schien, flankiertes Gebäude, dessen Fenster vielfach erleuchtet waren. Rasch rollten die Wagen auf wohlgeebnetem Wege und hielten vor dem Portal, aus dem jetzt mehrere Diener hervorkamen, den Herrschaften beim Aussteigen behilflich zu sein.


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