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Einführung zu Ernst Droems »Gesängen«

(1920)

Aus dem Vorfrühling der Karolingerzeit regt sich die junge Seele des Abendlandes der vollen Blüte gotischen Lebensgefühls entgegen. Überall in dieser Landschaft sucht es, tönt und fügt zusammen, um zuletzt in einer gewaltigen Dichtung auszubrechen. Eine neue Welt hat sich aufgetan. Das ist nicht mehr jenes leibhafte All schöner und naher Dinge, das den antiken Menschen ruhevoll umgab. Hier dehnt sich die Natur zu ungeheuren Fernen und maßlosen Wirkungen durch Raum und Zeit, die sich an weiten Meeren und Gebirgen, ziehenden Wolken, schwindenden Horizonten, der tiefen Nacht, dem hohen Äther offenbaren und darüber in dem einen alles umfassenden Namen: Gott. Das neue Leben erzwingt sich neuen Sprachgeist, nachdem schon längst im lateinischen Vers Länge und Kürze der Silben, ihr Maß, der Betonung gewichen war.

Der Reim wird herrschend, ein Zeichen, daß diese aufsteigende Welt in Musik und nicht in Plastik den letzten Sinn ihres Daseins ausdrücken will und muß. Selbst das Latein wird im neuen Geiste beseelt, von innen heraus unbewußt umgefühlt. Erst die Renaissance hat dies lebendige gotische Latein wieder getötet.

Die Sprache ist das eigentliche Wunder des Menschentums. In diesen wenigen Lauten verbirgt sich ein unermeßliches Reich von erschütternden Tiefen, unergründlichen Geheimnissen, jähen Einsichten, ein Schatz von Jahrtausenden, in dem die Erlebnisse zahlloser Geschlechter aufgespeichert liegen. Aber man »weiß« es nicht. Im Alltagsgespräch sind es Alltagsworte, für den gewöhnlichen Dichter »poetische Wendungen« und nichts weiter.

Nur für wenige Menschen und in ganz seltenen Stunden schließt sich die Sprache auf: was da geschieht, ist unbeschreiblich. Die Sprache wird zum Dämon: sie packt den Menschen, sie überwältigt ihn. Sie bietet ihm Rhythmus und Klang, ihre verkörpernden, lösenden, drängenden, zielenden, fliehenden Vokale und Silben und den ganzen Urschatz verschollener Bedeutungen, um daraus ein Etwas zu formen, das als Zeuge solcher Stunde von höchster Fülle allein übrig bleibt.

In innerlichen Momenten dieser Art dehnt sich das Zeitgefühl zum Raumbewußtsein: dort, in Hellas, wo der Mensch selbst die eigentliche Natur ist, als erfüllte Leiblichkeit, als Überschwang rein körperlichen Glücksgefühls, hier als die Schauder des Raumes, in den die Seele ausströmend, vergehend, überfliegend, zurückweichend versinkt.

Der Geist faustischer Lyrik ist demnach dem apollinischen, an dem er sich erzog, streng entgegengesetzt. Dort nahe greifbare Bilder, ruhend aneinandergereiht, ein sinnlich naher Rhythmus, nichts Unbestimmtes in Linie, Farbe und Ton, nichts Jenseitiges und Beziehungsvolles, bis endlich die marmorne Sprache von Horaz das äußerste zeigt, was hier möglich war.

In den Sprachen Westeuropas aber blüht aus einer anderen Vitalität die Kunst des Reimes auf, dessen Zauber über viele Zeilen hin ein unsichtbares feines Netz spinnt; es beginnt eine Kontrapunktik des Klanges und Taktes, der Schatten und Lichter, Wortsinne, Bilder, die von fern kommen, sich verschlingen, fluten, fließen, sich suchen und in ungreifbaren und doch streng geregelten Spannungen ein Etwas schaffen, das nicht für das leibliche Auge bestimmt ist, das nicht nachgezeichnet, nicht einmal nachgedacht werden kann, eine wundervolle Transzendenz, ganz Raum, ganz Unendlichkeit. Es ist, wie noch ganz spät in der Prosa Jean Pauls, Hoffmanns und Raabes, als ob nur eine dünne Schicht bildhafter Wortinhalte die Seele von den Abgründen der Welttiefe trennte. Von hier hat man auszugehen, wenn man die Dynamik des Taktes, der Bildersprache, der Wortkunst abendländischer Lyrik begreifen will. Jedes antike Gedicht ist sprachlich eine Statue, jedes abendländische eine Sonate.

So webt es durch das Volk und verdichtet sich in einzelnen Menschen. Es ist die Sehnsucht des strömenden Lebens nach Fülle und Erfüllung, nach einem Umfassen der Welt, und im Gegensatz dazu die tiefe Angst vor dem Gewordenen, dem Tode, um den alles menschliche Denken, alle Wissenschaft, alle Religion kreist: das panische, körperliche Grausen inmitten der antiken Natur und die Schauder im Raume, die sich für uns zu den Fabelwesen alter Sagen und zu jenen grausigen Gestalten verdichteten, die steinern in den Winkeln alter Kathedralen nisten.

Aus dem »Leben des Pfluges« aber erheben sich, wie es im »Freidank« heißt, das Leben des Schwertes und das der Stola: die symbolischen Stände des Lebens und des Todes, Adel und Geistlichkeit, jeder in seiner Art singend, eine hohe Dichtung der Sehnsucht und der Angst, die beide aus dem Volkslied des weiten Landes hervorwachsen: Heldensang und Hymnus.

Der Heldensang, beschwingt, anfeuernd, schreitend, stürmend, ist der Ausdruck eines jauchzenden Vollgefühls junger Kraft. Er stellt im Epos und Minnelied all die großen Bilder des Lebens vor sich hin: Schlacht und Liebe, die beiden Zeugen unbändiger Manneskraft, Treue, Rache, Abenteuer, Gelächter beim Mahle und strömendes Blut aus offenen Wunden. Und als frühestes Zeichen geistiger Gestaltungskraft entsteht die selbstbewußte Kunst des Troubadours im tiefen Süden, eine berauschende Freude an künstlichen Bildungen und formaler Zucht, eine echte Kunst für Kenner und Liebhaber, ganz persönlich, vornehm, die hohe Schule der Reimkunst, Wortmusik und Bilderwahl, die fast den ganzen Formenschatz der abendländischen Lyrik bis in ihre spätesten Ausläufer in einem Jahrhundert erfand.

Aber fernab davon entstand, ebenfalls vom Ebro bis zur Elbe, in Klosterzellen und unter den Wölbungen hoher Dome der geistliche Hymnus, der Gesang der Weltangst einer Seele, die nicht im Strome des Werdens trieb, sondern die vor dem Gewordenen und Unwiderruflichen, dem Tode erbebte, die einsam, klein vor der Majestät des Raumes, den sie Gott nannte, niederkniete, flehend, beschwörend, oft in bitterem Trotz und innerster Härte. Diese Angst verdichtete sich zu mächtigen Bildern, die das Gewordene bezwingen, bannen, abwehren sollten, zu eisernen Wortfolgen, zum leisen Donner beherrschter Klänge; sie preßte dichterische Worte als magisches Siegel auf das Geheimnis des Seins. Sie hielt ihren Gesang den Schrecken des Alls entgegen wie einen Schild, den sie aus dem Metall einer heiligen toten Sprache geformt hatte.

Die Dichtung des Lebens bildete sich aus den Volkssprachen, die Dichtung des Todes aus dem Latein, das wie das Gestein jener Dome bis zum Unwirklichen durchgeistigt und in Schwingung verwandelt wurde. Von hier aus griff der Geist dieses neuen Latein in die Volkssprachen über. In Luthers großem Choral ist die gothische Angst zum letzten Male Gestalt geworden, um im protestantischen Kirchenlied langsam zu verhallen; seine Bibelübersetzung ist die letzte Tat gotischen Deutschtums, seine Sprache das Testament dieser Frühzeit, das erst das Geschlecht Goethes eröffnet hat.

Denn nun gewinnt die Stadt Macht über das Land. Sie umpanzert die bürgerliche Seele, sie schließt mit ihren Gassen, Berufen, Sitten den inneren Horizont ab, sie engt mit ihren spitzen Giebeln und Begriffen den Himmel ein. Die Seele ist vom Raum geschieden. Eine harte Bewußtseinsschicht deckt die frühen Fernen zu. Das Barock ist die Zeit der seltenen Urlaute, der geschwätzigen und unechten Lyrik, der Allegorie, des Marinismus, aller Reize einer bewußten und klugen Wortspielerei. Je reifer der Stadtmensch, je überlegener er auf den Bauern, den Landadel und das Kloster herabsieht, desto notwendiger werden seine Worte bloße Begriffe. Der aufgeklärte Verstand ist von junger Herrschaft, so jung in seinem Triumph, daß er gar nicht fähig ist, von sich selbst abzusehen. Die Schöpfung des kopernikanischen Systems, des newtonischen Weltbildes dünken ihm so groß, daß er die lebendige Welt als dürftige Sage tief unter sich fühlt.

So nähert man sich – im Jahrhundert der Empfindsamkeit, Ossians, der englischen Parks, der »Rückkehr zur Natur«, nach welcher die verarmte Seele sich endlich sehnt – jenem leuchtenden Gipfel vollendeter Kultur, hinter welchem der Abgrund sich auftut. Es naht die Zeit, in welcher die Riesenstädte der Zivilisation immer wachsend das Mark des Landes aufzehren, während vor den Toren entseeltes Bauernvolk, das längst jede Kraft zu ursprünglicher Dichtung verloren hat, hilflos auf jene Art von Dasein starrt, das sich immer künstlicher in jener steinernen, versteinernden Welt entfaltet.

Aber gerade hier, wo der Geist endlich seiner selbst müde wird und an seinem Sinn und Werte zu verzweifeln beginnt, ist noch einmal die Möglichkeit einer echten Dichtung gegeben, die nicht nur aus dem Ekel an diesem allem geboren wird, aus dem Zweifel, aus der hoffnungslosen Sehnsucht nach dem tiefen Dasein früherer Zeiten, sondern die aus diesem Ekel und Zweifel auch die Kraft empfängt, beide durch eine bis zum äußersten entwickelte künstlerische Gestaltungskraft zu überwinden.

Es gibt demnach eine große Lyrik am Anfang und am Ende einer Kultur, einen Gesang des menschlichen Frühlings und Herbstes, einen Aufschwung aus dunkler Vorzeit und ein Absinken in leere Zivilisation, einen Blick in verheißungsvolle Zukunft und einen anderen zurück auf unwiederbringlich Verlorenes.

Noch einmal taucht diese späte, gequälte, zerfahrene, künstliche Seele in die Magie des unendlichen Raumes, aber die Unschuld jener frühen Tage ist dahin. Es gibt nichts Ungewolltes und Selbstverständliches mehr, kein Mitschwingen des ganzen Volkes; es gibt mitten in einer form- und seelenlosen Masse nur noch Einzeldichter und Einzelkenner, und das Maß der Überwindung des ewig wachen Geistes, sei es im eigenen Innern, sei es in der von ihm beherrschten Umwelt, ist so groß, daß diese letzten dichterischen Zustände hart an jene gefährliche Grenze streifen, von wo der Verstand – wie bei Hölderlin – sich nicht zurückfindet.

Diese »zweite Lyrik« heißt Romantik, und schon der Name sagt, in welche Zeit man sich am liebsten zurückversetzt, weil man ihre unerschöpfliche Zeugungskraft fühlt und ahnt, ohne sie selbst zu besitzen. Schwermut, nicht nur ob des verlornen Glückes, viel mehr noch ob dieser verlornen Schöpferkraft, liegt über allem Echten, was hier singt und bildet – und träumt, sei es im England der Gesänge Ossians, eines Burns, Shelley und Keats, sei es in Deutschland, wo einige Dichter noch soviel von echtem Landleben in sich trugen, daß sie in den Städten wie verschlagen lebten, liebenswürdige Provinzler, die von der Fortdauer des echten Volksliedes träumten.

Es war nicht das Volk, das unbewußt und in nie versiegender Fülle diese immer neuen Lieder hervorbrachte. Es waren, trotz allem, Dichter der Stadt, die für sich allein oder im kleinen Kreise dergleichen nachbildeten, in ehrlicher Einfalt oder öfter in künstlicher Nachahmung; und damit weist die westeuropäische Romantik auf jene Dichtung der antiken »Zeitgenossen«, der Alexandriner, die von der koischen Schule Theokrits bis zu den Dichtern der römischen Kaiserzeit dasselbe wollten und dasselbe erreichten. Romantik ist der Alexandrinismus unserer Kultur.

Nirgends erscheint die Romantik mächtiger und tiefer als in Deutschland, dessen gesamte neuere Literatur von Klopstock bis Hebbel und Nietzsche sich in Vor-, Hoch- und Nachromantik scheiden läßt, so daß Goethe mit seinem Urfaust fast am Anfang, mit einzelnen Stücken des zweiten Faust schon nahe am Ende steht, während die ganze Reihe eigentlicher Lyriker, beinahe alle großen Namen, der Mitte angehören.

Hier allein hatte das Barock, im Unterschied von den westlichen Literaturen, dichterische Kräfte aufgespart und nun wird in jäher und unvollkommener Nachblüte und in einer seltsamen Mischung primitiver und höchst moderner Züge während eines Jahrhunderts die ganze Folge von Stufen durcheilt, die sich in Frankreich von Villon bis Verlaine langsam auseinander entwickelt hatten.

Noch heute ist die deutsche Sprache, so wenig wie in der Prosa des Romans, so wenig in der Lyrik an die Grenze ihrer Ausdrucksmittel gelangt. Goethe und Hölderlin fanden sie noch dort, wo Luther sie gelassen hatte. Die Jahrhunderte des Barock hindurch schlief sie; keine gesellschaftliche Kultur, keine große Gesellschaftsdichtung hat sie gesiebt, geordnet, gefestigt und damit ihre eigentlichen Tiefen verschüttet. Das Deutsche allein hat einen Zug von heute noch unerschöpfter Gotik bewahrt, ein grenzenloses Reich seelenhafter Möglichkeiten, in dem selbst der Sprachbegabte sich verirrt, eine unübersehbare Masse von Worten und Beziehungen, die jeden Dichter zwingt, das Problem der Beherrschung für sich allein zu stellen und zu lösen. Und während ein später Franzose wie Baudelaire an seiner Sprache ein Hindernis fand, das seine Kraft reizte und beflügelte, ist die Sprache hier erfinderisch mehr oft als der Dichter selbst, eben durch ihren gotischen Charakter, ihn von einer Möglichkeit zur anderen lockend und ihm Überraschungen bietend, an die er selbst nicht gedacht hat.

Aber jenseits dieser heute längst abgeschlossenen Romantik wird der echte Dichter immer unwahrscheinlicher. Einerseits sinkt die Kraft, die städtische Gespanntheit des Geistes in dichterischen Augenblicken völlig zu lösen, andererseits ist auch das Deutsche eine harte Sprache des Tages geworden, und die ständige Bewegung in dieser alltäglichen Ordnung macht es selbst in solchen Augenblicken fast unmöglich, sie ganz in jene andere Ordnung umzufühlen, die nur Bilder und Wortsinne und diese wieder in einer starken Einheit von Rhythmen, Farben und Klängen kennt.

Die meisten, kluge Alexandriner, bringen es nur dahin zu fühlen, wie es sein müßte, wenn man ein Dichter wäre, und sie zwingen sich in einer bis zur vollsten Selbsttäuschung reifenden Gewöhnung, Dichtungen entstehen zu lassen von stärkster geistiger Beherrschtheit, in der die Worte gestellt, nicht gefunden sind, voll richtig gewählter Farben, richtig ersonnener Bilder, alles bis zur vollkommensten Einbildung der Echtheit verteilt, aufgebaut und ausgeglichen. So erobern sie sich und anderen den Glauben an eine neue Blüte, an junge Schulen, Epochen und Ansätze. Aber die Geschichte der Lyrik ist für uns zu Ende. Es gibt keine Lyrik mehr. Es gibt nur noch ganz wenige immer seltener werdende Nachzügler einer vollendeten Lyrik, die gefährlichen Zuständen, gefährlichsten Entladungen, Verirrungen und Wagnissen ausgesetzt sind, um sich zur Gestaltung durchzuringen. Es entsteht eine Spannung im Innern der Persönlichkeit und damit eine Eindringlichkeit der Bilder, eine Transzendenz der Worte, eine Logik der Farben und Töne, die ungeheuer ist und schließlich dem Wahnsinn zutreibt. Man erinnert sich zweier voraufgehender Beispiele, wenn man Nietzsches Dithyrambus liest »Die Sonne sank«, und noch vor ihm manche Zeilen Hölderlins aus der Zeit seiner Umnachtung wie diese:

– aber furchtbar ungastlich windet
Sich durch den Garten die Irre,
Die augenlose, da den Ausgang mit reinen Händen kaum
Erfindet ein Mensch – –

Oder:

– der Urahn aber
Ist geflogen über der See
Scharfsinnend, und es wunderte sich
Des Königes goldenes Haupt
Ob dem Geheimnis der Wasser,
Als rot die Wolken dampften
Über dem Schiff und die Tiere stumm
Einander schauend
Der Speise gedachten – –

Ähnliches erreichte Wagner in manchen Momenten seiner Musik, und eben dies ist auch bei Baudelaire, Verlaine, bei Stefan George und Droem erreicht.

Hier finden sich keine greifbaren Landschaften mehr. Hier wird überhaupt nicht mehr im romantischen Sinne gemalt. Horizonte, Himmel, Säulen, Straßen, Gestalten sind Beschwörungen prägnantester innerster Erlebnisse durch sinnliche Merkmale. Sie sind nur gleichsam da. Bilder werden gebraucht, wie man Klänge gebraucht; vor keiner Gewaltsamkeit wird zurückgeschreckt; oft entstehen fragwürdige, oft gewollte und in ihrer Absicht unerreichbare oder unerreichte Einzelheiten, oft aber auch das Vollkommene, das den wenigen, welche in diese Kunst einzudringen vermögen, Einblicke gibt, wie sie der zurückliegenden Romantik verschlossen geblieben sind. Ich verweise auf Gesänge wie »Seele am Firmament« oder jenen Flamingozug im »Afrikanischen Horizont«, wo die Zeit zum Raume wird, oder einzelne Zeilen wie diese:

Unsres Schlafgemachs Tapete
Flecken irre Ornamente
Babyloniens Blumenbeete
Wenn man sie beseelen könnte.

Wenige werden diese Gesänge mit ihrer bis zum Schlusse sich immer steigernden Transzendenz verstehen. Sie erfordern ein zweites Auge, vor dem die greifbarsten Dinge nur scheinbar sind. Hinter dieser Natur wie hinter einer Maske liegt eine zweite, in welcher diese verirrte und verschlagene Seele über die Welt dieser Tage siegt. Jene immer wieder erreichte, oft in ein Bild von wenigen Worten, oft in eine kurze und leicht zu übersehende Wendung gefaßte Höhe der Entrücktheit ist es, in der zuletzt alles Eigene sich löst (»nur deine kleine Feuerzunge furche« – ein Moment, der ganz nahe dem Verlöschen und Versinken für immer ist) und in der Unbewußtes sich mit Außerbewußtem völlig vereint wie im Symbol des Guten Mondes, das den letzten Zyklus begleitet, eine innere Freiheit im Raume, welche wohl die Grenze des lyrisch Möglichen bezeichnet, eine Kunst, die vielleicht in diesem Jahrhundert noch einen oder einige Nachfolger zeitigen wird, obwohl vielleicht die Nachfolgerschaft derer ausbleibt, für welche Dichtungen dieser Art vorhanden sind.


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