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XV

An dem gleichen Tage noch rückte Herr Wolodyjowski mit etlichen Schwadronen aus, um zu dem Herrn Wasilkowski zu stoßen, der nach Hrynczuk gegen die Tataren gezogen war, welche, so lautete die Meldung, den Ort überfallen, die Bewohner gefesselt, das Vieh geraubt, das Dorf aber wohl deshalb nicht niedergebrannt hatten, damit keine Spur von ihnen zurückbleibe. Herr Wasilkowski war indessen sofort siegreich in seinem Unternehmen gewesen. Er hatte den Tataren nicht nur ihre Beute wieder abgenommen, sondern auch Gefangene gemacht, die nun von Herrn Wolodyjowski nach Zwaniec abgeführt wurden, wo er sie dem Herrn Makowiecki mit dem Auftrage übergab, jeden einzelnen zu foltern und die ihnen abgerungenen Geständnisse genau niederzuschreiben, um jedes ihrer Worte auf solche Weise dem Hetman und dem König übermitteln zu können. Die Tataren legten auch das Geständnis ab, sie hätten auf Befehl der Perkulaber und unterstützt von den, dem Rittmeister Styngau unterstehenden Wallachen die Grenze überschritten, allein trotzdem sie durch Feuer gefoltert wurden, konnte man von ihnen nicht erfahren, wie weit entfernt noch der türkische Kaiser mit der Hauptmacht stehe, da sie, in ungeordneten Haufen vorauseilend, keinerlei Verbindung mit dem Hauptheere unterhielten.

Die Aussagen aller stimmten aber darin überein, der türkische Kaiser habe sein Heer in Bewegung gesetzt, ziehe gegen die Republik und werde voraussichtlich binnen ganz kurzem vor Chocim eintreffen. Wohl waren diese Nachrichten nichts Neues für den künftigen Verteidiger von Kamieniec, da man aber an dem königlichen Hofe in Warschau noch immer nicht an den Krieg glauben wollte, beschloß der Herr Unterkämmerer von Podolien die Gefangenen nach Warschau zu senden, damit sie dort ihre Aussagen wiederholen konnten.

Zufriedengestellt kehrte der Streifzug von seiner ersten Expedition zurück. Gegen Abend meldete sich bei Wolodyjowski der Schreiber des Harbareskuls, des ältesten Perkulabers von Chocim, mit dem der kleine Ritter Brüderschaft geschlossen hatte. Harbareskul hatte seinem Schreiber keinen Brief mitgegeben, dazu war er zu ängstlich, nein, nein, er ließ seinem Freund und Bruder, den er »seinen Augapfel« und »den Teuersten seines Herzens« nannte, nur die Warnung zugehen, er möge sich gut vorsehen, und so Kamieniec nicht hinreichende Streitkräfte habe, die Feste unter irgend welchem Vorwand verlassen, da der Kaiser in höchstens drei Tagen mit seiner ganzen Heeresmacht in Chocim erwartet werde.

Wolodyjowski beauftragte den Schreiber, dem Harbareskul seinen Dank zu übermitteln und schickte jenen, reich beschenkt, wieder zurück, versäumte aber nicht, die verschiedenen Befehlshaber in Kamieniec von der drohenden Gefahr zu unterrichten.

Die Kunde hiervon, obschon stündlich erwartet, brachte dennoch einen bedeutenden Eindruck hervor. Die Befestigungsarbeiten wurden mit verdoppeltem Eifer betrieben, und Herr Hieronim Lanckoronski begab sich unverweilt an seinen Bestimmungsort, nach Zwaniec, um von dort aus ein wachsames Auge auf Chocim zu haben.

Eine geraume Zeit der Erwartung verstrich, bis endlich am dritten August, am Feste zu Ehren des heiligen Franziskus von Assisi der Sultan vor Chocim stand. Gleich den Wogen eines uneingedämmten Meeres überfluteten seine Kriegsscharen das Land, und als sie die letzte, innerhalb des Machtgebietes des Padischahs liegende Feste erblickten, da entrang sich den Kehlen von Hunderttausenden der Ruf: »Allah! Allah!« Auf dem andern Ufer des Dniestrs aber lag die wehrlose Republik, welche die unermeßlichen Heeresmassen wie eine ungeheure Wasserflut überschwemmen, oder wie lodernde Flammen verzehren sollten. Die Scharen der Krieger, welche die Festung nicht zu fassen vermochte, lagerten ringsum auf den Feldern, auf den gleichen Feldern, wo vor nicht zu langen Jahren ein gleich großes Kriegsheer des Propheten durch das polnische Schwert vernichtet worden war. Jetzt schien für die Türken der Tag der Rache gekommen zu sein, und nicht einer unter diesen wilden Scharen, vom Sultan herab bis zu dem armen Troßknechte, hatte auch nur eine Ahnung davon, daß dieses Blachfeld zum zweitenmale Verderben bringend für den Halbmond sein könne. Hoffnungsfreudigkeit, ja, Siegeszuversicht erfüllte aller Herzen. Janitscharen und Spahis, die zahllosen Scharen des Heerbannes vom Balkan, von dem Rhodope-Gebirge, aus Rumelien, vom Pelion und Ossa, vom Karmel und Libanon, aus den Steppen Arabiens, von den Ufern des Tigris, aus den Niederungen des Nils und aus Afrikas brennenden Sandwüsten forderten in wildem Drängen, daß man sie sofort auf das »Ufer der Ungläubigen« hinüber führe. Als aber der Ruf der Muezzins zum Gebet von den Minarets ertönte, da trat plötzlich Stille ein. Ein Meer von Köpfen, bedeckt mit dem Turban, der Kapuze, dem Fez, dem Burnus und dem Stahlhelme neigte sich zur Erde, und über das Gefilde ging, dem Gesumm eines gewaltigen Bienenschwarmes vergleichbar, das dumpfe Gemurmel des Gebetes, das von jedem Windhauche über den Dniestr der Republik zugeführt ward.

Bald darauf erschollen die Trommeln und Trompeten und die Pfeifen zum Zeichen der Rast. Obwohl das Kriegsheer stets langsam und bequem dahin gezogen war, wollte ihm doch der Padischah nach dem langen Marsche von Adrianopel her ausgiebige Ruhe gönnen. Er selbst verrichtete an einer klaren, in der Nähe der Stadt entspringenden Quelle die Abwaschung und begab sich dann in den Konak von Chocim, während für seine Krieger auf dem Gefilde Zelte aufgeschlagen wurden, wodurch bald darauf der unabsehbare Raum den Eindruck machte, als ob er mit frisch gefallenem Schnee bedeckt sei.

Der schöne Tag schloß mit einem klaren Abend. Nach den letzten Abendgebeten versank das ganze Lager allmählich in tiefe Stille. Es erglänzten zwar noch tausende, ja, hunderttausende von Lagerfeuern, deren Schein man mit Bangen von dem gegenüberliegenden Schlosse von Zwaniec beobachtete, denn so zahlreich waren diese Lagerfeuer, daß die auf Kundschaft ausgesandten Streifwachen nach ihrer Rückkehr berichteten, man könne meinen, die ganze Moldau wäre ein Feuermeer. Je höher indessen der Mond an dem sternenhellen Firmamente emporstieg, desto mehr verglimmten die Feuerstätten, bis schließlich alle, mit Ausnahme der Wachfeuer, erloschen waren. Nur noch das Wiehern der Pferde und das Gebrüll der auf dem weiten Tarabaner Gefilde weidenden Büffel unterbrach die nächtliche Stille.

Schon am nächsten Morgen, mit Tagesanbruch, erließ der Sultan den Befehl, daß die Janitscharen, die Tataren und die Lipker den Dniestr überschreiten sollten, um Zwaniec, sowohl das Städtchen wie das Schloß, einzunehmen. Doch nicht hinter den Festungsmauern erwartete der tapfere Herr Hieronim Lanckoronski den Feind, nein, er griff mit vierzig Tataren, achtzig Kijanen und einem Reiterfähnlein die Janitscharen bei der Furt an und brachte dies vorzügliche Fußvolk, trotz dessen starken Schießens in derartige Verwirrung, daß es in zersprengten Haufen gegen den Fluß zurückzuweichen begann. Doch war mittlerweile eine durch die Lipker unterstützte Horde, die auf einer abseits gelegenen Furt den Fluß überschritten hatte, in das Städtchen eingebrochen. Aufsteigender Rauch und wüster Lärm bezeugten dem mutigen Herrn Unterkämmerer, daß sich das Städtchen bereits in Feindeshand befinde, weshalb er denn auch sofort den Rückzug von der Furt befahl, um den beklagenswerten Einwohnern beizustehen. Die Janitscharen konnten ihn, als Fußvolk, nicht verfolgen, während er in gestrecktem Galoppe den Bedrängten zu Hilfe eilte. Fast hatte er schon den Ort erreicht, als plötzlich seine Tataren, die Fahne fortwerfend, zum Feinde übergingen. Ein gefahrdrohender Augenblick trat ein. In der Annahme, der Verrat habe in den Reihen des Feindes große Verwirrung hervorgerufen, griff die durch die Lipker verstärkte Horde den Herrn Unterkämmerer mit wilder Heftigkeit an.

Zum Glücke leisteten die Kijanen, angefeuert durch das Beispiel ihres Führers, tapferen Widerstand, während es dem Reiterfähnlein schließlich gelang, den Feind zurückzutreiben, der ja nicht fähig war, der regulären polnischen Reiterei zu widerstehen. Bald war der Platz vor der Brücke mit Toten, insbesondere aber mit den Leichnamen der Lipker bedeckt, welche, mutiger als die anderen Krieger der Horde, das Feld zu behaupten suchten. Nicht wenige von ihnen wurden auch in den Straßen des Städtchens niedergemacht, als aber Herr Lanckoronski wahrnahm, daß von dem Fluße her jetzt auch noch die Janitscharen anrückten, da zog er sich, nachdem er noch zuvor in Kamieniec um Verstärkung hatte ansuchen lassen, in das Schloß zurück.

Es lag durchaus nicht in der Absicht des Padischahs, gleich am ersten Tage das Schloß in Zwaniec zu stürmen, durfte er doch fast mit Sicherheit darauf rechnen, die Eroberung desselben könne nach dem Uebergange des ganzen Kriegsheeres über den Fluß rasch bewerkstelligt werden. Ihm war es vor allem darum zu thun, die Stadt zu besetzen, und die feste Ueberzeugung hegend, die von ihm abgesandte Schar genüge vollständig dafür, schickte er weder Janitscharen noch Krieger der Horden nach. Dadurch, daß sich der Herr Unterkämmerer in das Schloß zurückzog, konnten die Feinde, welche den Fluß schon überschritten hatten, das Städtchen besetzen. Ohne es in Brand zu stecken – sollte es doch sowohl ihnen wie auch anderen Abteilungen zum Obdach dienen – wüteten nun die Janitscharen und die Tataren ohne Erbarmen darin, indem die ersteren die jungen Frauenspersonen aufs zügelloseste mißhandelten, die Männer und Kinder aber durch Axthiebe töteten, während die Tataren raubten und plünderten.

Inzwischen aber bemerkte man von der Bastei des Schlosses aus, daß sich von Kamieniec her Reiterei nähere. Als dies Herr Lanckoronski gemeldet bekam, eilte er sofort in Begleitung anderer Kriegsgefährten auf die Bastei, legte sein Fernrohr in eine Schießscharte, beobachtete lange und aufmerksam das sich vor ihm ausbreitende Gefilde und sagte endlich:

»Das ist die leichte Reiterei, die früher in Chreptiow gelegen ist, dieselbe Reiterei, mit der Wasilkowski nach Hrynczuk zog. Sicherlich ist er jetzt auch uns zu Hilfe gesandt worden. Ich sehe auch die Abteilung von Wojciech Humiecki!« fügte er gleich darauf hinzu, als er abermals durch das Fernrohr blickte, »und gelobt sei Gott, Wolodyjowski zieht selbst heran, denn jetzt sehe ich ganz deutlich Dragoner. Wohledle Herren, auch wir bleiben nicht länger hinter unsern Mauern, wir machen einen Ausfall, und mit Gottes Hilfe wollen wir den Feind nicht nur aus der Stadt hinaus, sondern auch über das Wasser hinübertreiben.«

Nach diesen Worten verließ er eilends die Bastei, um seinen Kianen und seinem Reiterfähnlein den Befehl zum Ausfall zu erteilen. Inzwischen waren aber auch die Tataren in der Stadt aufmerksam auf die anrückenden Reiterabteilungen geworden und sammelten sich unter durchdringenden Allahrufen. Trommelwirbel und Trompetenschall ertönten in allen Gassen. Auch die Janitscharen traten so rasch in Reih und Glied, wie dies wohl in der ganzen Welt kein zweites Fußvolk im stande gewesen wäre.

Dem Sturmwinde gleich raste dann die Horde aus der Stadt, der leichten polnischen Reiterei entgegen. Ohne die Lipker, von denen ja Herr Lanckoronski so viele vernichtet hatte, war die Horde noch um das dreifache stärker als die Besatzung von Zwaniec, mit samt den zum Entsatze herbeieilenden Reiterschwadronen, was Wunder also, daß sie sich ohne Zögern dem Herrn Wasilkowski entgegenwarf. Doch Herr Wasilkowski, ein waghalsiger junger Krieger, der sich tollkühn in die größten Gefahren stürzte, stürmte mit seinen Reitern, ohne die Stärke des Gegners zu beachten, wie ein Orkan vor. Dieser unglaublich mutige Angriff brachte die Tataren, welche einen Zusammenstoß stets gern vermieden, in Verwirrung, so daß sie ungeachtet der Zurufe der hinter ihnen reitenden Mursen, trotz des gellenden Pfeifenklanges, trotz des dröhnenden Trommelwirbels, der zum »Kesim« – das heißt zum Abschlagen der Köpfe aller Ungläubigen – aufforderte, die Zügel anzogen und den Lauf ihrer Pferde hemmten. Angst und Schrecken erfaßten sie immer mehr, und als sie endlich nur noch etwa die Schußweite eines Pfeiles von der anstürmenden Reiterei entfernt waren, da stoben sie auseinander, ihre Verfolger mit einem Hagel von Pfeilen bedeckend.

Herr Wasilkowski, der keine Ahnung davon hatte, daß sich noch Janitscharen in der Stadt befanden, verfolgte mit seinen Leuten die zum Teil fliehenden Tataren, verjagte sie bald und hieb alle, die ihrer schwächeren Pferde halber nicht zu entkommen vermochten, unbarmherzig nieder. Mittlerweile hatten jedoch die Tataren, die nicht geflohen waren, eine Schwenkung in der Absicht gemacht, den kühnen Feind einzuschließen, da sprengte die unter Humiecki stehende Schwadron heran, und gleichzeitig vollführte der Herr Unterkämmerer den geplanten Ausfall. In solcher Weise von allen Seiten hart bedrängt, zerstreuten sich die Tataren wie Spreu vor dem Winde, und nun begann eine wilde Jagd, in der ein Haufe den andern, in der ein Mann den andern verfolgte. Dabei fielen Unzählige der Horde, und sie fielen hauptsächlich von der Hand des Herrn Wasilkowski, der in seiner blinden Wut auf ganze Scharen losstürzte, gleich einem Falken, der auf einen Schwarm von Sperlingen oder Goldammern losstürzt.

Doch Herr Wolodyjowski, als erfahrener, kaltblütiger Krieger, hielt mit eiserner Hand seine Dragoner zurück. Gleich einem Jäger, der, eine Meute widerspenstiger Hunde an starker Leine festhaltend, diese nicht auf das erste beste Wild losläßt, sondern damit wartet, bis er die funkelnden Augen und die weißen Hauer eines grimmen Ebers erschaut, so spähte auch der kleine Ritter, die Verfolgung der Horde verachtend, darnach aus, ob nicht etwa Spahis, Janitscharen oder andere, ebenso treffliche Heeresabteilungen der Türken sichtbar wurden.

Schon nach wenigen Augenblicken sprengte auch Herr Hieronim Lanckoronski mit seinen Kijianen zu ihm heran.

»Euer Liebden!« rief Lanckoronski dem Wolodyjowski zu, »ganz nahe am Fluß stehen Janitscharen, gegen die wollen wir uns wenden.«

Sofort zog Wolodyjowski den Säbel aus der Scheide und kommandierte:

»Vorwärts!«

Ein jeder der Dragoner faßte die Zügel fester, um sein Pferd sicher in der Hand zu haben, dann neigten sich alle ein wenig vor und trieben ihre Tiere so gleichmäßig an, als gälte es einer Waffenübung. Anfangs ging's im Trabe, dann im Galoppe, immer aber behielten die Reiter volle Gewalt über ihre Rosse. Erst als sie sich den westlich vom Schlosse am Flusse gelegenen Häusern näherten, als sie der weißen Filzmützen der Janitscharen ansichtig wurden und es somit feststand, daß sie es nicht mit Jamals, sondern mit einer regulären Abteilung von Janitscharen zu thun hatten, da rief Wolodyjowski:

»Auf sie los!«

Und nun rasten die Rosse in gestrecktem Laufe derart dahin, daß ihre Bäuche fast den Boden streiften, daß unter ihren Hufen Klumpen harter Erde emporflogen.

Die Janitscharen, die ja nicht wußten, welche feindlichen Abteilungen zum Entsatze von Zwaniec anrückten, waren thatsächlich dem Flusse zu gezogen. Ein Teil von ihnen hatte bereits das Ufer erreicht, ja, die ersten Reihen von ihnen standen just im Begriffe, die Fähren zu betreten, während der andere Teil sich im Eilmarsche näherte, als die heransprengende Reiterei sichtbar wurde. Auf einen Schlag wandten sich nun alle gegen den Feind, legten die Büchse an, und gleich darauf krachte eine Salve wie bei einer Waffenübung. Doch was noch mehr – die noch auf dem Wege befindlichen Janitscharen zogen sich nach dem Abfeuern ihrer Waffen nicht zurück, nein, sie gingen, auf die weiteren Schüsse ihrer Kameraden vertrauend, die bereits das Ufer erreicht hatten, mit blankem Säbel wutentbrannt auf die feindliche Reiterei los. Einer solchen Verwegenheit waren aber nur die Janitscharen fähig und wahrlich, schwer genug mußten sie dafür büßen, denn die Reiter, die, selbst wenn sie auch gewollt hätten, nicht mehr im stande gewesen wären, ihre Pferde zurückzuhalten, fielen gleich wuchtigen, schweren Hämmern über sie her und verbreiteten, die ersten Reihen in einem Nu zersprengend, Tod und Verderben unter ihnen. Durch die Wucht des Anpralles wurde sofort das erste Glied darniedergemäht wie ein Aehrenfeld durch Sturmesgewalt. Freilich erhoben sich wieder viele von denen, die niedergestürzt waren und eilten dem Flußufer zu, von wo aus die dort stehenden Janitscharen in der That über die Köpfe ihrer kämpfenden Kameraden hinweg Schuß auf Schuß auf die Dragoner feuerten. Während einiger Minuten schienen die an der Fähre stehenden Janitscharen unschlüssig darüber zu sein, ob sie die Fähre besteigen, oder, dem Beispiele ihrer Kriegsgefährten folgend, sich gegen die Reiterei wenden sollten. Doch von dem Ansturme auf den Feind hielt sie der Anblick der Flüchtlinge zurück, welche die Dragoner mittelst ihrer Pferde zusammenzudrängen suchten, um sie dann dermaßen niederzusäbeln, daß ihre sinnlose Wut, ihre Geschicklichkeit in Führung der Waffe mit nichts zu vergleichen war. In der Verzweiflung, in der Bedrängnis bissen schließlich die Unterliegenden auf ihre Sieger ein, wie dies ein hart bedrängtes Wild thut, dem jeder Ausweg verschlossen ist. Die am Ufer stehenden Janitscharen erkannten es auch bald genug nur zu deutlich, daß diesen Reitern, die mit solcher Gewandtheit die blanke Waffe zu führen wußten, nicht Stand gehalten werden konnte, sausten doch die Hiebe mit solcher Geübtheit und Schnelle darnieder, daß das Auge kaum den Streichen der Säbel zu folgen vermochte. Gleich wie das Gesinde einer reichen Gutsherrschaft beim Dreschen gut getrockneter Erbsen so rasch und emsig auf die Tenne losschlägt, daß die Scheune von den Schlägen widerhallt und die leicht auszuhülsenden Körner nach allen Seiten umherstieben – so ertönte auch bis an das Flußufer der Widerhall der Säbelhiebe, und die erbarmungslos niedergemetzelten Janitscharen stoben nach allen Richtungen auseinander.

Herr Wasilkowski stürmte an der Spitze seiner leichten Reiterei tollkühn dahin, des eigenen Lebens nicht achtend. Doch ebenso wie ein geübter Mäher einen ihn an Kraft überragenden, doch ans Mähen weniger gewohnten Knecht an Leistungsfähigkeit übertrifft, weil er, während jener, in Schweiß gebadet, seine Kräfte bereits erschöpft hat, noch immer stetig weiterschreitend, die Schwaden regelmäßig vor sich reiht, ebenso übertraf auch Herr Wolodyjowski den tollkühnen jungen Krieger an Leistungsfähigkeit. Unmittelbar vor dem Zusammenstoße mit den Janitscharen blieb er hinter seinen Dragonern zurück, um einen besseren Ueberblick über den Kampf zu bekommen. Alles beobachtend, nichts übersehend, stürzte er sich jeden Augenblick in das Handgemenge, griff hier thätig ein, leistete dort dem und jenem Hilfe, zog sich dann abermals ein wenig aus dem Getümmel des Kampfes zurück, spähte aufs Neue umher und begann hierauf wiederum darein zu schlagen. Wie dies gewöhnlich in einem Gefechte mit dem Fußvolk der Fall ist, so war es auch jetzt gekommen. In tollem Lauf hatte die Reiterei die Fliehenden überholt. Eine ganze Anzahl von ihnen, denen der Weg nach dem Flusse verlegt war, wandten sich zurück in die Stadt, um sich in den vor den Häusern wachsenden Sonnenblumen zu verbergen. Herr Wolodyjowski ward sie aber sofort gewahr, holte die nächsten zwei ein, teilte nach rechts und nach links einen leichten Hieb aus, worauf beide blutüberströmt zu Boden stürzend und mit den Füßen konvulsivisch zuckend, ihren Geist aufgaben. Kaum bemerkte dies ein Dritter, so feuerte er aus seiner Janitscharenflinte einen Schuß auf den kleinen Ritter ab, doch er verfehlte sein Ziel, und nun tötete ihn Wolodyjowski durch einen gewaltigen Hieb zwischen Mund und Nase, um dann den anderen Flüchtlingen nachzusetzen. Und wahrlich, nicht ein einziger Bursche aus dem Dorfe hätte rascher Pilze nacheinander zusammenlesen können, als Wolodyjowski die Fliehenden zusammengehauen hatte, bevor sie noch die schützenden Sonnenblumen zu erreichen vermochten. Nur die zwei letzten wurden von Einwohnern von Zwaniec aufgegriffen, auf Befehl des kleinen Ritters aber am Leben gelassen.

Dieser selbst jedoch sprengte nun, nachdem er sich überzeugt hatte, daß die Janitscharen unfehlbar nach dem Flusse gedrängt werden konnten, mitten unter die Kämpfenden und feuerte mit seinem Beispiele die Dragoner aufs Neue an. Nach links und nach rechts teilte er Hiebe aus, oftmals ließ er seinen Säbel niedersausen, ohne scheinbar darauf zu achten, wohin er treffe, aber jedesmal glitt eine weiße Mütze zur Erde. Von Schrecken und Verzweiflung erfaßt, begannen sich die Janitscharen mit wilden Schreien vor ihm zusammen zu scharen, er aber verdoppelte die Zahl seiner Hiebe, und obwohl er selbst seine volle Kaltblütigkeit bewahrte, war doch kein Auge mehr im stande, die von ihm geführten Streiche zu verfolgen oder genau zu beurteilen, ob er haue oder steche, da er mit der Klinge einen förmlichen Luftkreis beschrieb.

Herr Lanckoronski, der ihn schon lange als den Meister aller Meister hatte rühmen hören, jedoch noch nie Zeuge seiner Kampfesweise gewesen war, gab vor Staunen die Verfolgung des Feindes auf und fragte sich immer wieder, ob es denn möglich sei, daß ein einzelner Mensch, sei es nun ein Meister in der Säbelführung, sei es der berühmteste Kavalier, eine solche Verheerung anzurichten vermöge. Mit beiden Händen faßte er sich an den Kopf, und die ihm zunächst Reitenden hörten, wie er stets die Worte wiederholte: »Mein Gott, man hat mir zu wenig über ihn gesagt!« Aber auch die andern Krieger machten sich gegenseitig auf ihn aufmerksam, indem sie sich zuriefen: »Schaut doch auf, denn etwas Derartiges seht Ihr im Leben nicht mehr!« Wolodyjowski aber kämpfte unentwegt weiter.

Die Janitscharen waren allgemach dem Fluße zugedrängt worden. In völliger Auflösung suchten sie nun die Fähren zu erreichen, um sich auf diesen zu retten. Da aber weit weniger Leute zurückkehrten als gekommen waren, fanden alle leicht Platz. Bald griffen die schweren Ruder ins Wasser – weiter und weiter entfernten sich die Fähren von dem Ufer. Da mit einemmale knatterten die Janitscharenflinten, die Dragoner schossen als Antwort ihre Mousquetons ab und dichte Rauchwolken sammelten sich über dem Wasser, die, sich allmählich in lange Streifen auflösend, nach und nach wieder entschwanden. Der Zwischenraum zwischen den Fähren und dem Ufer wurde breiter und breiter. Die das Feld behauptenden Dragoner erhoben nun ein lautes Geschrei und riefen den Abfahrenden, mit den Fäusten drohend, zu:

»Zum Teufel mit Euch, Ihr Hundeseelen, zum Teufel mit Euch!«

Ohne die noch immer das Ufer bestreichenden Flintenkugeln zu beachten, umschlang Herr Lanckoronski den kleinen Ritter mit seinen Armen und sagte:

»Ich traute kaum meinen eigenen Augen! Euer Liebden haben ja mirabilia verrichtet, mirabilia, würdig, mit einer goldenen Feder aufgeschrieben zu werden.«

»Angeborene Geschicklichkeit und Uebung, nichts weiter!« versetzte Wolodyjowski. »Wie viele Kämpfe habe ich schon mitgemacht!«

Kaum hatte er sich aber aus der Umarmung des Herrn Lanckoronski befreit und wieder einen prüfenden Blick umhergeworfen, als er plötzlich ausrief:

»Schauen Euer Liebden dorthin, dann werden Euer Liebden eine Merkwürdigkeit sehen!«

Sich nach der angedeuteten Richtung wendend, bemerkte der Herr Unterkämmerer einen Offizier, der am Ufer stand und soeben seinen Bogen spannte.

Es war dies Herr Muszalski.

Der unvergleichliche Bogenschütze, der bisher in Gemeinschaft mit den andern gegen den Feind gekämpft hatte, zog nun, nachdem die Janitscharen so weit entfernt waren, daß weder Flinten- noch Pistolenkugeln ihr Ziel erreichen konnten, einen Bogen unter seinen Schenkeln hervor, wählte sich einen etwas höheren Standpunkt am Ufer aus, prüfte mit dem Finger die Bogensehne, legte, als diese einen guten Klang gab, einen gefiederten Pfeil darauf – und zielte.

In diesem Augenblicke lenkte Wolodyjowski die Aufmerksamkeit des Unterkämmerers auf den unvergleichlichen Bogenschützen. Ein schönes Bild bot sich den Augen. Hoch zu Pferde sitzend, hielt Herr Muszalski mit der Linken den Bogen so fest wie eine Zange, mit der Rechten aber zog er die Sehne so stark gegen seine Brust, daß die Stirnadern anschwollen – und dann zielte er ruhig. Ganz in der Ferne aber sah man noch einige Fähren auf dem infolge der raschen Schneeschmelze stark angestiegenen Flusse dahingleiten. Allein von solch durchsichtiger Klarheit war das Wasser an diesem Tage, daß sich die Fähren und deren Insassen darin spiegelten. Das Feuer der Monsquetons war verstummt. Aller Augen richteten sich auf Herrn Muszalski oder nach jener Seite, wohin der mörderische Pfeil fliegen sollte.

Plötzlich erklang die Sehne vernehmlich, und der gefiederte Todesbote ward vom Bogen abgeschnellt. Obschon kein Auge dessen Flug zu verfolgen vermochte, sahen alle doch ganz deutlich, wie der das Ruder führende, kräftig gewachsene Janitschar mit einemmal die Arme ausbreitete und, sich um sich selbst drehend, in den Fluß stürzte. Hochauf spritzte das klare Wasser, Herr Muszalski aber sprach:

»Für Dich, Dydink!« ...

Hierauf holte er einen zweiten Pfeil hervor.

»Zu Ehren des Herrn Hetmans!« erklärte er hierauf, zu den Gefährten gewendet.

Alle hielten den Atem an. Und wieder sauste es nach einer kleinen Weile durch die Luft, und ein zweiter Janitschar fiel auf den Boden der Fähre nieder.

Auf allen Fähren setzten sich nun die Ruder in raschere Bewegung, leichte Wellen bildeten sich auf dem Wasser. Nun wandte sich der unvergleichliche Bogenschütze zu dem kleinen Ritter und sagte:

»Zu Ehren der wohledlen Gemahlin Euer Liebden!«

Und zum drittenmal spannte er den Bogen, zum drittenmal schoß er den verderbenbringenden Pfeil ab, und zum drittenmal traf er sein Ziel. Lautes Triumphgeschrei ertönte an dem Ufer, wildes Wutgeschrei ertönte von den Fähren her. Nun erst entfernte sich Herr Muszalski und ihm folgten die andern Helden des Tages – sie alle lenkten ihre Pferde nach der Stadt. Voll Befriedigung konnten sie auf ihre Ernte blicken. Von den Tataren waren zwar wenige gefallen, da sie jeden Zusammenstoß durch die Flucht vereitelt und in panischem Schrecken an das jenseitige Ufer zu entkommen versucht hatten. Dagegen war eine ziemliche Anzahl von Janitscharen gefallen, deren Leichname nun wie sauber gebundene Garben umherlagen. Von etlichen zuckten die Glieder noch krampfhaft, alle waren schon durch die Bediensteten des Herrn Unterkämmerers beraubt und entkleidet worden.

Immer von neuem auf sie blickend, hub Herr Wolodyjowski endlich an:

»Das ist ein tapferes Fußvolk, das gleich einem wilden Eber auf den Feind losstürmt, doch steht es an Geschicklichkeit hinter dem schwedischen Fußvolk zurück.«

»Gleichwohl klang aber ihre Salve, als ob ein einziger Mann eine Nuß aufknackte,« warf der Herr Unterkämmerer ein.

»Das war Zufall und nicht Folge von Geschicklichkeit, nehmen sie doch kaum Waffenübungen vor. Wir hatten es mit der Leibwache des Sultans zu thun, die einigermaßen das Kriegshandwerk versteht. Außer dieser giebt es aber noch irreguläre Janitscharen – Abteilungen, welche ganz ungeübt sind.«

»Wir haben ihnen jedenfalls ein pro memoria gegeben! Gottes Gnade zeigt sich deutlich darin, daß wir diesen Krieg mit einem solch bedeutenden Siege beginnen konnten.«

Der erfahrene Herr Wolodyjowski war aber darüber ganz anderer Meinung.

»Das ist nur ein kleiner, ein unbedeutender Sieg,« erklärte er. »Freilich wird er zur Hebung des Mutes bei den unerfahreneren Kriegern und bei den Stadtbewohnern dienen, andere Folgen wird er aber nicht für uns haben.«

»Demnach glauben Euer Liebden nicht, daß dieser Sieg die Heiden entmutigen wird?«

»Dieser Sieg wird den Mut der Heiden nicht brechen!« entgegnete Wolodyjowski.

Unter solchen Gesprächen erreichten sie die Stadt, wo ihnen die Bürger jene zwei Janitscharen auslieferten, die vor Herrn Wolodyjowski geflohen, aber trotzdem gefangen genommen worden waren.

Einer derselben war leicht verwundet, der andere jedoch unversehrt und ungebeugten Mutes. Im Schlosse angelangt, erteilte der kleine Ritter dem Herrn Makowiecki den Auftrag, den unversehrten Gefangenen zu vernehmen, da er selbst wohl das Türkische verstand, es aber nicht geläufig sprechen könnte. Herr Makowiecki beschied diesen auch sofort vor sich und befragte ihn darüber, ob der Sultan schon in Chocim eingetroffen sei, und wann er wohl gegen Kamieniec vorzurücken gedenke.

Der Türke gab zwar sogleich die gewünschte Antwort, allein er that dies auf die frechste Weise.

»Der Padischah steht in höchsteigener Person schon ganz in der Nähe,« erklärte er, »und wie man im Lager erzählte, sollen morgen Halil Pascha und Murad Pascha über den Fluß setzen und Mehentyse mit sich nehmen, die unverweilt mit der Errichtung von Laufgräben beginnen werden. Morgen oder übermorgen kommt das Verderben über Euch.«

Dann stemmte er die Hände in die Seiten und fuhr im Vertrauen auf den gefürchteten Namen des Sultans also fort:

»Wahnwitzige Polen, wie konntet Ihr Euch nur erdreisten, vor den Augen des Padischahs dessen Leute zu überfallen und zu töten? Glaubt Ihr etwa, straflos davonzukommen? Soll Euch vielleicht jenes Schlößlein Schutz gewähren? Noch einige Tage, und Ihr seid alle samt und sonders Sklaven, nichts wie Sklaven! Und was seid Ihr denn heute? Hunde seid Ihr, die sich vor den Augen ihres Gebieters ungeberdig aufführen.«

Herr Makowiecki schrieb jedes dieser Worte sorgsam auf, der kleine Ritter aber versetzte dem Türken, um ihn für seine Dreistigkeit zu strafen, eine kräftige Maulschelle. Aufs höchste bestürzt darüber und sofort von Achtung für den kleinen Ritter erfüllt, bediente sich der Gefangene nunmehr einer schicklicheren Ausdrucksweise. Nach Beendigung des Verhörs und nachdem der Gefangene fortgeführt worden war, ließ sich Herr Wolodyjowski also vernehmen:

»Man muß die Aussagen des Gefangenen, ja, die beiden Gefangenen selbst schleunigst nach Warschau senden, denn immer noch glaubt man am Hofe des Königs, es werde zu keinem Kriege kommen.«

»Was versteht man denn unter Mehentyse, die mit Halil Pascha und Murad Pascha den Fluß überschreiten sollen?« fragte Herr Lanckoronski.

»Mehentyse, das sind Ingenieure, welche die Laufgräben und die Bettungen für die Belagerungsgeschütze zu errichten haben,« erwiderte Makowiecki.

»Und denken die wohledlen Herren, daß der Gefangene die Wahrheit gesprochen, oder daß er gelogen hat?«

»So es Euer Gnaden beliebt,« antwortete Wolodyjowski, »kann man ihm ja die Fersen in das Feuer halten. Ich habe den Wachtmeister bei mir, welcher die Strafe für Azya, den Sohn von Tuchay-Bey, ausgesonnen hat und in solchen Dingen exquisitissimus ist. Meiner Ansicht nach spricht jener jedoch die Wahrheit. Der Flußübergang wird bewerkstelligt werden, und selbst wenn wir um das Hundertfache stärker wären, würden wir dies nicht verhindern können. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns so rasch wie möglich nach Kamiemec aufzumachen und uns mit dem zu begnügen, was wir in Erfahrung gebracht haben.«

»Mich hat das Glück bei diesem Unternehmen so begünstigt, daß ich mich ganz gerne in das Schlößlein hier bei Zwaniec einschließen ließe,« bemerkte der Herr Unterkämmerer, »nur müßte ich die Gewißheit haben, daß mir Euer Liebden zeitweise von Kamieniec aus zu Hilfe kommen werden. Möge es dann kommen, wie es wolle!«

»Sie führen zweihundert Kanonen mit sich,« warf Wolodyjowski ein, »und selbst, wenn es ihnen nur gelingen sollte, zwei schwere Belagerungsgeschütze über den Fluß zu schaffen, könnte das Schloß auch nicht einen Tag widerstehen. Ich selbst hatte ja die Absicht, es zu verteidigen, allein seit ich es genau besichtigt habe, bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß es zu nichts dienen würde.«

Alle andern Offiziere, mit Ausnahme des Herrn Lanckoronski, stimmten dem kleinen Ritter bei, allein auch Herr Lanckoronski war ein viel zu tüchtiger Soldat, um nicht schließlich einzusehen, daß er seine Lieblingsidee aufgeben müsse, daß er Zwaniec nicht verteidigen könne. Seinen etwaigen weiteren Einwendungen wurde aber auch durch Herrn Wasilkowski ein Ziel gesetzt, welcher, von der Verfolgung der Feinde zurückkehrend, eilig ins Schloß gestürzt kam.

»Wohledle Herren!« rief er, »der Dniestr ist derart mit Fähren bedeckt, daß kaum mehr das Wasser zu sehen ist.«

»Wollen sie über den Fluß setzen?« wurde von allen Seiten gefragt.

»So wahr ich lebe, ja! Die Türken befinden sich auf den Fähren, die Krieger der Horden schwimmen über den Fluß, indem sie sich an den Schwänzen ihrer Rosse halten.«

Ohne Zögern gab nun auch Herr Lanckoronski den Befehl, die alten Haubitzen des Schlosses in das Wasser zu werfen, und von dem Hab und Gut entweder so viel wie möglich nach Kamieniec zu schaffen, oder es in dem Schlosse selbst zu verbergen. Herr Wolodyjowski aber schwang sich unverweilt aufs Pferd, um an der Spitze seiner Mannschaft von einer etwas entfernten Anhöhe aus den Uebergang zu beobachten.

Halil Pascha und Murad Pascha bereiteten thatsächlich den Uebergang der ganzen türkischen Heeresmacht vor. So weit nur das Auge reichte, sah man Fähren und Flöße, deren Ruder in gleichmäßigem Takte in den hellen Wasserspiegel tauchten. Janitscharen und Spahis wurden in großer Zahl übergesetzt, da seit geraumer Zeit schon die Fahrzeuge in Bereitschaft gestellt worden waren. Außerdem standen auch schon große Kriegsscharen am Ufer, so daß Wolodyjowski zu der Ansicht gelangte, es werde ein Brückenbau geplant. Die Hauptmacht des Sultans schien sich indessen immer noch nicht in Bewegung gesetzt zu haben. Mittlerweile vereinigte sich Herr Lanckoronski mit dem kleinen Ritter, und beide machten sich nun gemeinsam mit ihren Abteilungen auf den Weg nach Kamieniec, woselbst sie von Herrn Potocki erwartet wurden. In dem Quartiere des letzteren hatte sich eine beträchtliche Anzahl höherer Offiziere versammelt, und vor dem Quartiere stand eine große Menschenmenge – Frauen und Männer – die alle voll Unruhe, Kummer und Neugierde auf neue Kunde harrten.

»Der Feind setzt über den Fluß, und Zwaniec ist wohl schon genommen,« berichtete der kleine Ritter.

»Die Befestigungsarbeiten sind beendet,« entgegnete Herr Potocki, »wir sind auf die Belagerung vorbereitet.«

Bald genug drang das Gerücht von dem Nahen des Feindes in die Volksmasse, und nun erbrausten die Rufe wie Meeresfluten. »An die Thore, an die Thore!« ertönte es allenthalten, »der Feind hat Zwaniec erobert!« Frauen und Männer liefen auf die Bastionen, glaubten sie doch von dort jetzt schon den anrückenden Feind sehen zu können, allein sie wurden von den daselbst dienstthuenden Soldaten zurückgewiesen.

»Begebt Euch nach Hause,« riefen diese den Männern zu, »denn wenn Ihr uns auch noch in der Verteidigung hindert, werden Eure Weiber bald die Türken in nächster Nähe zu sehen bekommen.«

Im großen und ganzen war man aber in der Feste recht unbesorgt, denn schon hatte auch die Nachricht von dem errungenen Siege die Runde gemacht. Natürlich fehlte es dabei nicht an Uebertreibungen, und besonders die Soldaten überboten sich in dem Erzählen der größten Wunderdinge.

»Herr Wolodyjowski hat eine Abteilung der Janitscharen vernichtet, und zwar die Leibwache des Sultans,« verkündete ein Bürger dem andern. »Wie können sich jene Heiden mit Herrn Wolodyjowski messen!« ertönte es aus aller Munde. »Der Padischah selbst würde ihm unterliegen. Nein, man soll den Teufel nicht an die Wand malen! Unsere Soldaten werden es ihnen schon zeigen. Geschieht ihnen recht, diesen Hundeseelen! Das Verderben über Euch und über Euern Sultan!«

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Aufs neue erschienen indessen die Frauen auf den Schanzen und auf den Bastionen, doch sie kamen diesmal beladen mit Flaschen voll Branntwein, voll Met und Wein.

Aufs neue erschienen indessen die Frauen auf den Schanzen und auf den Bastionen, doch sie kamen dieses Mal beladen mit Flaschen voll Branntwein, voll Met und Wein. Demzufolge fanden sie aber auch jetzt die freundlichste Aufnahme, und Lust und Frohsinn verbreiteten sich unter den Kriegern. Herrn Potocki, dem es sehr darum zu thun war, unter seiner Mannschaft den guten Geist und den Frohsinn zu erhalten, war dies ganz willkommen, ja, er gab sogar, da sowohl in den Schlössern wie in der Stadt ein Ueberfluß von Munition vorhanden war, seine Einwilligung zu dem Abfeuern von Freudensalven, hoffte er doch, es werde dieser Ausdruck der Freude nicht wenig Verwirrung in den Reihen der Feinde verursachen.

Inzwischen hatte Herr Wolodyjowski sein Pferd wieder bestiegen und machte den Versuch, von dem Quartiere des Generals von Podolien aus in Begleitung eines Dieners unbemerkt nach dem Kloster zu gelangen, um Basia wiederzusehen. Allein er erreichte seine Absicht nicht. Trotzdem es schon dunkelte, wurde er erkannt, und bald umringte eine ganze Schar von Menschen sein Pferd. Freuden- und Vivatrufe tönten ihm entgegen, Mütter hoben ihre Kinder zu ihm empor. »Der ist es!« riefen sie, »seht ihn an und vergeßt seiner nie!« Großes Staunen erregte aber seine unansehnliche Gestalt bei diesen kriegsunkundigen Leuten. Die meisten wollten es kaum glauben, daß dieser kleine Mann, der so fröhlich in die Welt blickte, der gefürchtetste Krieger der Republik sei, ein Krieger, mit dem es niemand aufnehmen wollte. Wolodyjowski aber, dessen blondes Schnurrbärtchen von Zeit zu Zeit verräterisch zuckte, ein Beweis seiner innersten Befriedigung, ritt lächelnd zwischen der Menge hindurch, um schließlich, das Kloster erreichend, in Basias offene Arme zu stürzen.

Sie wußte schon von all den Heldenthaten, von all den meisterhaften Streichen, die er vollführt hatte, da der Herr Unterkämmerer von Podolien noch vor wenigen Minuten bei ihr gewesen und nicht müde geworden war, ihren Gatten zu rühmen. Aber auch die Frau Aebtissin Potocki, sowie die in dem Kloster anwesenden Frauen, wie Frau Makowiecki, Frau Humiecki, Frau Ketling, Frau Chocimirski und Frau Bogusz hatten, von Basia herbeigerufen, den rühmlichen Bericht mit angehört, und je mehr der Herr Unterkämmerer den kleinen Ritter lobte, desto stolzer blickte dessen junges Weib in dem sie umgebenden Kreise umher. Gerade unmittelbar nachdem der Herr Unterkämmerer und die Frauen sich verabschiedet hatten, trat Wolodyjowski ein.

Nach der herzlichsten gegenseitigen Begrüßung setzte sich der kleine Ritter zum Abendessen nieder. Basia nahm neben ihm Platz und legte ihm selbst die Speisen vor, füllte ihm selbst den Becher mit Met. Da er den ganzen Tag über nichts zu sich genommen hatte, aß und trank er mit großer Lust, erzählte aber dazwischen immer wieder von dem errungenen Siege, wobei ihm Basia mit funkelnden Augen zuhörte und ihrer Gewohnheit gemäß das Köpfchen schüttelnd, stets wieder sagte:

»Aha! Nun, und dann? Weiter, weiter!«

»Es giebt unter ihnen sehr starke, verwegene Krieger,« bemerkte der kleine Ritter unter anderem, »vergeblich würde man aber einen Fechtmeister unter den Türken suchen.«

»Da könnte sogar ich es schließlich mit einem jeden von ihnen aufnehmen?«

»So wahr ich lebe, das könntest Du! Doch wirst Du niemals Gelegenheit dazu finden, da ich Dich nie mit mir nehmen werde.«

»Ach, wenn ich nur einen einzigen in meinem Leben niederhauen könnte! Denke Dir, Michalek, ich bin nicht im geringsten beunruhigt, wenn Du einen Ausfall aus der Festung machst, denn ich weiß es ganz gewiß, daß Dir keiner gleichkommt.«

»Könnte mich denn aber nicht auch eine Kugel treffen?«

»Sprich nicht so! Als ob es nicht eine göttliche Vorsehung gebe. Niedersäbeln läßt Du Dich nicht, und das ist die Hauptsache.«

»Mit einem, oder auch mit zwei nehme ich es immer noch auf!«

»Mit drei, Michal, und auch mit vier!«

»Oder gar mit viertausend!« warf hier Zagloba in spöttischem Tone ein. »Hättest Du nur gesehen, Michal, wie sie sich während der Erzählung des Herrn Unterkämmerers geberdet hat! Ich meinte vor Lachen platzen zu müssen. Sie schnaubte förmlich vor Freude und schaute dabei unablässig eine der Frauen nach der andern an, um ja zu sehen, ob sie auch recht aufmerksam auf jedes Wort lauschten. Ich bekam wahrlich Angst, sie könnte am Ende noch Purzelbäume schlagen, was doch nicht allzu fein gewesen wäre.«

Der kleine Ritter, der sehr ermüdet war, dehnte und streckte sich ein wenig nach der Mahlzeit, endlich aber zog er sein junges Weib zu sich heran und sagte:

»Mein Quartier im Schlosse ist wohl schon in Bereitschaft gesetzt, allein ich habe gar keine Lust, dahin zurückzukehren! Basia, wie wäre es, wenn ich hier bliebe?«

»Ganz wie Du willst, Michal!« entgegnete Basia, die Augen niederschlagend.

»Bei meiner Treu!« rief nun plötzlich Zagloba, »mich betrachtet man hier als einen Pilz, nicht als einen Mann, hat mir doch sogar die Oberin gestattet, im Kloster zu wohnen. Traun, das soll sie aber bitter bereuen, dafür stehe ich ... Habt Ihr bemerkt, was für Augen mir Frau Chocimirski macht ... wohlan denn! ... mehr sage ich nicht.«

»Bei Gott, ich bleibe hier!« sagte der kleine Ritter.

»Wenn Du aber nur dann auch gut schläfst!« meinte Basia.

»Weshalb sollte er denn nicht gut schlafen?« fragte Zagloba.

»Weil wir schwatzen und schwatzen und schwatzen werden.«

Zagloba, der sich auf eine Stube begeben wollte, sah sich nach seiner Mütze um, stülpte sie, nachdem er sie gefunden hatte, auf das Haupt und sagte, indem er das Zimmer verließ:

»Nun, Ihr werdet nicht immer nur schwatzen und schwatzen und schwatzen.«


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