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XIV

Am andern Tage schliefen die meisten bis in den Mittag hinein, mit Ausnahme der wachehabenden Soldaten und des kleinen Ritters, welcher den Dienst nie dem Vergnügen hintansetzte. Aber auch der junge Herr Nowowiejski sprang früher von seinem Lager auf als die andern, da er sich darnach sehnte, Zosia Boski wiederzusehen. Nachdem er sich fein säuberlich angekleidet hatte, eilte er in das geräumige Zimmer, in dem am vorhergehenden Abend getanzt worden war, um sich zu vergewissern, ob nicht etwa in den anstoßenden Gemächern der Frauen auch schon Bewegung und Geschäftigkeit herrsche.

In der von Frau und Fräulein Boski bewohnten Stube war dies auch thatsächlich schon der Fall. Sofort ergriff daher der ungeduldige junge Krieger seinen Dolch und versuchte damit, das Moos und den Lehm zwischen zwei Balken zu entfernen, um wenigstens durch die Ritze einen Blick auf Zosia werfen zu können.

Bei diesem Unternehmen ward er jedoch von Herrn Zagloba überrascht, welcher, seinen Rosenkranz in der Hand, zufällig in die Stube trat, und sofort erratend, was hier vorging, den Rücken des jungen Kriegers ganz tüchtig mit dem Rosenkranze aus Sandelholz zu bearbeiten begann.

Jener suchte zu entkommen, drehte und wendete sich, gezwungen lachend, befand sich aber doch sichtlich in großer Verlegenheit. Herr Zagloba aber lief beständig hinter ihm her, indem er, wacker dreinschlagend, rief:

»O Tu Türke, Du Tatar, hier hast Du eins, hier hast Du eins! exorciso te! Dich wird man mores lehren! Frauen willst Du heimlich belauschen? Hier hast Du eins! Hier hast Du eins!«

»Euer Liebden,« ließ sich endlich Adam Nowowiejski vernehmen, »mögen doch nicht die geweihten Perlen als Kantschu benützen. Hört doch auf, denn, wahrlich, jede schlimme Absicht liegt mir fern.«

»Es zieme sich nicht, meinst Du, mit dem geweihten Rosenkranze jemand zu prügeln. Nicht wahr? Nun, die Palme wird ja am Palmsonntag auch geweiht, und trotzdem prügeln sich die Leute damit. Bei meiner Treu, dieser Rosenkranz war früher heidnisch. Dem Supankazi hat er gehört, dem ich ihn bei Zbaraz entrissen habe, und später ist er von dem apostolischen Nuntius geweiht worden. Sieh nur her, echtes Sandelholz.«

»Ist er aus echtem Sandelholz, so verbreitet er einen Wohlgeruch.«

»Für mich hat dieser Rosenkranz den gleichen Wohlgeruch, wie das junge Fräulein für Dich. Den Rücken muß ich Dir aber noch gehörig damit bearbeiten, denn um den Teufel aus dem Leibe zu treiben, giebt es kein besseres Mittel, als einen geweihten Rosenkranz.«

»Jede sündhafte Absicht war mir fern, so wahr ich lebe!«

»Demgemäß versuchtest Du daher aus reiner Frömmigkeit, Löcher in die Wand zu bohren?«

»Nicht aus Frömmigkeit, sondern aus einer so außergewöhnlichen Liebe, daß ich weiß Gott noch zerplatze wie eine Granate. Was soll ich noch lange ein Geheimnis daraus machen, wenn dem nun einmal so ist? Fürwahr, kein Pferd wird zur Sommerszeit derart von Bremsen gepeinigt, wie mich die Liebe peinigt.«

»Schau zu, daß Dich keine sündhafte Anwandlung überkommt. Als ich in die Stube trat, da konntest Du ja keinen Augenblick ruhig auf dem Flecke stehen und schlugst die Hacken aneinander, als ob Du auf glühenden Kohlen stündest!«

»So wahr ich Gott von Herzen liebe, ich habe nichts gesehen. Eben erst fing ich ja an, das Loch zu bohren.«

»Ach, ach, die Jugend! ... Blut ist eben kein Wasser! ... Auch ich muß mich sehr oft zu bezwingen suchen, denn noch lebt der Leu in mir, quaerens quem devoret! So Du reine Absichten hast, denkst Du auch ans Heiraten.«

»Ob ich ans Heiraten denke! Euer Liebden scheinen nicht zu wissen, daß ich mich schon gestern der Frau Boski klar und deutlich erklärt habe und auch der Zustimmung meines Vaters im voraus ganz sicher bin.«

»Ein Kerl aus Schwefel und Pulver! Da seh mir nur einer! Wenn's so steht, ist's freilich etwas anderes! Erzähl' mir einmal, wie sich alles zugetragen hat.«

»Frau Boski ging gestern in ihr Zimmer, um ein Umhängetuch für Zosia zu holen, ich ihr nach! Sich umkehrend, fragt sie: ›Wer ist hier?‹ Und ich, pautz, lieg' ihr zu Füßen. ›Schlagt mich, Frau Mutter, nur gebt mir Zosia, mein Glück, meine Seligkeit!‹ Frau Boski hingegen, sich fassend, sprach also: ›Alle Welt lobt Euer Liebden und erachtet Euch für einen ehrenwerten Kavalier. Mein Gatte schmachtet in Gefangenschaft, Zosia steht ohne Schutz in der Welt, gleichwohl kann ich weder heute noch morgen eine Antwort geben, sondern erst später, nach reiflicher Ueberlegung, und auch Euer Liebden bedürfen der väterlichen Einwilligung.‹ Nach diesen Worten entfernte sie sich schleunigst, wohl in der Meinung, ich befände mich in angetrunkenem Zustande. Freilich hatte ich auch thatsächlich etwas zuviel getrunken.«

»Thut gar nichts! Alle waren ja etwas angetrunken. Hast Du nicht bemerkt, wie sogar jenem Nowiragh und den beiden Anardraten zuletzt die spitzigen Mützen schief auf dem Ohr saßen?«

»Nein, ich sah es nicht, denn ich überlegte sofort bei mir, wie ich am leichtesten vom Vater die Einwilligung zur Heirat erhalten könne.«

»Nun, und wie ging es?«

»Als wir uns gegen Morgen gemeinsam in unser Quartier verfügten, da dachte ich bei mir: das Eisen muß man schmieden, so lange es heiß ist. Also beschließe ich, den Vater sofort auszuholen und sage zu ihm: ›Hört, Vater, ich muß Zosia mein nennen und bedarf dazu Eurer Einwilligung, verweigert Ihr sie mir aber, dann trete ich, bei Gott, in venetianische Dienste, und Ihr habt mich die längste Zeit gesehen.‹ Darauf fällt er wutentbrannt über mich her: ›O welch' ein Sohn!‹ schreit er, ›Du glaubst, die väterliche Einwilligung entbehren zu können! Geh meinethalben zu den Venetianern, heirate meinetwegen das Mädchen, glaube aber nur nicht, daß ich Dir einen Heller gebe! Nichts erhältst Du, denn auch Dein mütterliches Erbe habe ich in Besitz, alles, alles ist mein.‹«

»Schlimm, schlimm!« meinte Herr Zagloba, nachdenklich die Unterlippe vorschiebend.

»Nur zuwarten, Euer Gnaden! Wie ich dies höre, sage ich: Bitte ich vielleicht darum, habe ich irgend etwas notwendig? Den väterlichen Segen will ich haben, weiter nichts. Das, was ich mir mit meinem Säbel bei den Heiden erbeutet habe, genügt zur Pachtung eines größeren Gutes, ja, vielleicht sogar zum Ankauf eines Gütchens. Was mir noch von dem mütterlichen Erbe zukommen sollte, das mag Ewa zur Morgengabe dienen, und ich bin gern bereit, noch einige Handvoll Türkisen und verschiedene Atlas- und Silberstoffe dazu zu legen. Selbst wenn einmal ein schlechtes Jahr eintreten würde, wäre ich sogar immer noch im stande, Euch beizustehen, Vater.«

Daraufhin erfaßt den Vater eine gewaltige Neugierde.

»Solche Reichtümer hast Du Dir also erworben?« fragt er. »Bei Gott, wo denn? Eine solche Beute hast Du gemacht? Denn so arm wie ein türkischer Heiliger bist Du ja von zu Hause weggelaufen.«

»Bei Gott, Vater,« antwortete ich, »überlegt es doch einmal. Seit elf Jahren schlage ich mit dieser Faust darein, und wie alle sagen, gar nicht schlecht. Ist's denn da nicht selbstverständlich, daß ich etwas Erkleckliches zusammengebracht habe? Ich habe den Sturm auf die aufrührerischen Städte mitgemacht, in denen das Raubgesindel und die Tataren die wertvollste Beute aufgespeichert hatten, ich kämpfte gegen Mursen und Freibeuter, was Wunder also, daß meine Beute stetig wuchs? Wahrlich, nur das habe ich mir angeeignet, was mir zukam, ohne irgend einen Menschen dabei zu verkürzen – trotzdem aber vermehrte sich mein Hab und Gut, ja, hätte ich nicht gar so lustig gelebt, könnte ich mir jetzt zwei solcher Besitztümer ankaufen, wie das Eure ist.«

»Nun, und was meinte der Alte darauf?« fragte Herr Zagloba in der heitersten Laune.

»Der Vater war erstaunt über die unerwartete Mitteilung, begann jedoch gleich darauf mit Vorwürfen über meine Verschwendungssucht. Da wäre freilich ein schönes Landgut da, meinte er, allein so ein Windbeutel, so ein Großmaul, der voll Aufgeblasenheit ist, der den Magnaten spielen will, kann freilich nichts zusammenhalten. Schließlich überwog aber doch die Neugierde wieder bei ihm, und er begann mich über jede Kleinigkeit auszufragen. Ich aber begriff sofort, auf welche Weise ich am raschesten zum Ziele kommen würde, und so verheimlichte ich nicht nur nichts, sondern ich habe auch noch allerlei dazugelogen, wennschon ich für gewöhnlich dies nicht gern thue, eingedenk der Worte, daß Wahrheit Weizen, Lüge aber Spreu sei. Sich am Kopfe fassend, legte nun der Vater seine Pläne dar: dies und das könnte dazu gekauft werden, meinte er, der und jener Plan könnte sich verwirklichen; unser Gelände würde aneinander grenzen, und ich wäre im stande, während Deiner Abwesenheit alles zu beaufsichtigen. Mit einemmale brach das gute Väterchen in Weinen aus. ›Adam‹, hebt der Vater an, ›Adam, das junge Frauenzimmer gefällt mir über die Maßen! Sie steht zudem unter dem Schutze des Herrn Hetman, was Dir auch von Nutzen sein kann. Adam, sagt er, wenn Du meine zweite Tochter nicht gehörig schonst, wenn Du das verschwendest, was ihr zugehört, Adam, dann werde ich Dir selbst in meiner Todesstunde nicht vergeben.‹ Ich aber, Euer Liebden, ich breche in ein wahres Geheul aus ob der Voraussetzung, ich vermöge der Zosia ein Unrecht zuzufügen; schließlich jedoch fielen wir uns, der Vater und ich, in die Arme, und unsere Thränen vermischten sich akkurat bis zum ersten Hahnenschrei.«

»Der alte Spitzbube!« murmelte Zagloba, worauf er aber laut hinzufügte:

»Traun, da kann's ja bald Hochzeit geben und neue Festlichkeiten in Chreptiow. Ganz erwünscht, ganz erwünscht, da nun doch einmal Karneval ist.«

»Morgen machte ich Hochzeit, wenn es von mir abhinge!« rief Adam voll Eifer. »Aber so ist es nun wieder, Euer Liebden – binnen kurzem geht mein Urlaub zu Ende, und Dienst ist Dienst, und ich muß nach Naszkow zurück. Herr Ruszczyc würde mir freilich neuen Urlaub erteilen, dessen bin ich gewiß, ob aber nicht dann wieder von seiten der Frauen ein Hindernis in den Weg gelegt werden wird, das ist noch die Frage. Denn was nützt es, wenn ich mich an die Mutter wende? Sie antwortet: ›Mein Gatte ist in der Gefangenschaft!‹ und wende ich mich an die Tochter, so sagt diese: ›Der Vater ist in der Gefangenschaft!‹ Da soll nun einer klug daraus werden! Habe ich vielleicht diesen Vater in Fesseln geschlagen? Vor solchen impedimenti habe ich eine heillose Angst, denn wären diese nicht, würde ich den Geistlichen Kaminski an der Sutane packen und ihn so lange festhalten, bis er mich mit Zosia vereinigt hätte. Setzen sich jedoch die Weiber einmal etwas in den Kopf, so zieht man stets den Kürzeren. Gern gäbe ich den letzten Groschen dahin, gern machte ich mich selbst auf den Weg, um den Vater aufzusuchen! Doch dies nützt alles nichts! Kein Mensch weiß, wo er steckt, ob er nicht schon tot ist! Das ist eben die Geschichte! Handelt es sich aber nur darum, auf ihn zu warten, so warte ich selbst bis an den jüngsten Tag.«

»Piotrowicz macht sich ja schon morgen mit Nowiragh und den beiden Anardraten auf den Weg. Da wird ja bald Nachricht eintreffen.«

»O Jesu, hilf! Jetzt soll ich auch erst noch die Nachricht abwarten? Das hieße ja, vor dem Frühjahr an nichts denken, und bis dahin bin ich vor Sehnsucht verschmachtet, so wahr mir Gott lieb ist! Ach, Euer Liebden, jedermann preist Eure Klugheit, Eure Erfahrung, bringt doch die Weiber davon ab, daß sie auf dem Warten bestehen. Euer Liebden, gegen den Frühling zu kommt es zum Kriege! Gott weiß, was dann geschieht. Die Zosia will ich doch heiraten, und nicht deren Vater, weshalb soll ich daher nach ihm seufzen?«

»Versuch die Frauen dazu zu bereden, daß sie sich nach Raszkow begeben und dort bleiben. In Raszkow wird man viel leichter etwas in Erfahrung bringen, als hier, und so Piotrowicz den Boski auffindet, ist dieser rascher bei Euch. Ich will außerdem für Dich thun, was in meiner Macht steht, Du aber mußt Dich auch an Frau Basia wenden, damit sie Fürsprache für Dich einlegt.«

»Werde das nicht unterlassen, werde das nicht unterlassen, denn hol' mich der Teufel, wenn ...«

In diesem Augenblick knarrte die Thüre – Frau Boski trat ein. Bevor indessen Herr Zagloba auch nur ein Wort an sie zu richten vermochte, entstand ein gewaltiges Gepolter. Adam hatte sich der Eintretenden seiner ganzen Länge nach zu Füßen geworfen, und mit seiner riesenhaften Gestalt fast die ganze ungeheure Fläche des Fußbodens bedeckend, rief er:

»Die väterliche Einwilligung ist mir zu teil geworden. Gebt mir die Zosia, Mutter, gebt mir die Zosia, Mutter!«

»Gebt ihm die Zosia, Mutter!« sekundierte Zagloba im tiefsten Baß.

Der Lärm wurde schließlich überall gehört. Basia eilte aus der anstoßenden Stube herbei, Herr Michal kam aus seiner Kanzlei angestürzt, und schließlich zeigte sich auch Zosia. Es wäre vielleicht geziemender gewesen, das junge Fräulein hätte nicht sofort erraten, um was es sich handle, nichtsdestoweniger aber überzog eine Purpurröte Zosias Antlitz, und die Hände flach übereinanderlegend, die Lippen fest zusammenpressend, stellte sie sich, gesenkten Blickes, dicht an die Wand.

Herr Wolodyjowski entfernte sich nun rasch, um gleich darauf mit dem alten Herrn Nowowiejski wieder zu erscheinen. Dieser zeigte sich zwar anfänglich sehr ungehalten über den Sohn, hatte er doch geglaubt, Adam werde es ihm, werde es seiner Beredtsamkeit überlassen, die Angelegenheit ins Reine zu bringen, gleichwohl aber schloß er sich dessen Bitten an.

Frau Boski, welche ja tatsächlich jedes näheren Schutzes auf dieser Welt entbehrte, brach in Thränen aus und gab nicht nur der Bewerbung Adams ihre Zustimmung, sondern erklärte sich auch bereit, gemeinsam mit Piotrowicz die Reise nach Raszkow zu unternehmen, um dort die Rückkehr des Gatten zu erwarten. Schließlich wandte sie sich an ihre Tochter und fragte schluchzend:

»Zosia, spricht Dein Herz für Herrn Nowowiejski, stimmst Du mit dessen Absichten überein?«

Aller Augen richteten sich nun auf die Gefragte, die, an der Wand stehend, ihrer Gewohnheit gemäß auf den Boden starrte und erst nach einer Weile, während eine Purpurglut ihre Wangen überzog, mit kaum vernehmbarer Stimme antwortete:

»Ich will nach Raszkow! ...«

»Mein holdes Lieb!« schrie Herr Adam mit Donnerstimme und schlang, auf Zosia zueilend, seine Arme um sie, worauf er nochmals so laut rief, daß die Wände bebten:

»Zosia ist mein, mein, mein!«


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