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Nur recht langsam ging Mellechowicz seiner Genesung entgegen, weil er indessen keinen Anteil an den Streifzügen nahm, weil er stets, völlig abgesondert, in seiner Stube saß, beschäftigte man sich nicht mit seiner Person. Da plötzlich ereignete sich ein Vorfall, der die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte.
Die Kosaken des Herrn Motowidlo griffen nämlich einen Tataren auf, der sich durch sein beständiges Umherschleichen um das Standquartier verdächtig gemacht hatte, und brachten ihn nach Chreptiow. Durch ein eingehendes Verhör des Gefangenen erwies es sich, daß dieser ein Lipker war und zwar einer von jenen, die erst vor kurzem ihren Wohnsitz in der Republik aufgegeben, dieser den Dienst aufgesagt und sich unter die Herrschaft des Sultans gestellt hatten. Der Aufgegriffene kam von dem jenseitigen Ufer des Dniesters und führte Briefe von Kryczynski an Mellechowicz bei sich.
Sehr beunruhigt darüber, berief Herr Wolodyjowski sofort die älteren Offiziere zu einer Beratung zusammen.
»Euch, wohledle Herren,« sagte er, »Euch ist es genugsam bekannt, welch eine große Anzahl von Lipkern, ja, sogar auch von denen, die seit undenklichen Zeiten sowohl in Litauen, wie auch hier in Rus ansässig waren, neuerdings zu der Horde übergegangen sind. Die Wohlthaten der Republik haben sie also mit Verrat gelohnt. Demnach ist es nur recht und billig, ihnen zu mißtrauen, ihr Thun und Lassen mit wachsamem Auge zu verfolgen. Wir selbst haben hier eine Schwadron Lipker, die, aus hundertundfünfzig guten Pferden bestehend, von Mellechowicz befehligt wird. Diesen Mellechowicz kenne ich nun noch nicht sehr lange; ich weiß nur, daß ihn der Hetman besonderer Verdienste halber zum Hauptmann befördert und ihn mit seiner Mannschaft hierher zu mir geschickt hat. Es war mir auch erstaunlich, daß keiner von Euch, Ihr Herren, ihn vor seinem Eintritt in den Kriegsdienst gekannt oder jemals von ihm gehört haben will. Die Thatsache dagegen, daß unsere Lipker mit großer Liebe an ihm hängen und ihm unbedingten Gehorsam leisten, läßt sich leicht auf die Tapferkeit Mellechowiczs, auf dessen ruhmvolle Kriegsthaten zurückführen, doch sind auch sie vermutlich im Unklaren darüber, woher er stammt, wer er ist. Bisher hatte ich keinerlei Verdacht gegen ihn. Der Hetman hatte ihn empfohlen, und ich suchte ihn nicht auszuforschen, obschon ein Geheimnis ihn umgiebt. Die Menschen haben verschiedenartige Launen, und ich kehre mich nicht daran, so lange jeder seine Schuldigkeit thut. – Nun aber wurde durch Motowidlos Soldaten ein Tatar aufgegriffen, der einen Brief Kryczynskis an Mellechowicz bei sich hatte. – Doch ich weiß nicht, ob es den Herren bekannt ist, wer Kryczynski ist?«
»Gewiß!« sagte Herr Nienaszyniec. »Ich kenne ja Herrn Kryczynski persönlich und alle kennen ihn jetzt infolge seiner unrühmlichen Handlungsweise.«
»Waren wir denn nicht zusammen in der Schul...« sagte Herr Zagloba, unterbrach sich aber plötzlich bei dem Gedanken, daß dann Herr Kryczynski ein Neunziger sein müsse, und daß man in diesem Alter nicht mehr Kriegsdienste zu leisten pflege.
»Kurz gesagt,« fuhr der kleine Ritter fort, »Kryczynski ist ein polnischer Tatar. Früher diente er als Obrist in einem unserer Lipker-Reiterregimenter; dann verriet er sein Vaterland und ging zur Dobrutschaer Horde über, woselbst man ihn mit großen Ehren und Auszeichnungen behandelt, denn man hofft dort augenscheinlich, er werde auch die übrigen Lipker auf die heidnische Seite hinüberlocken. Mit solch einem Menschen steht Mellechowicz in Verbindung, wofür dieser Brief der beste Beweis, dessen tenor also lautet:«
Hierbei entfaltete der kleine Ritter den Brief, klopfte ihn mit dem Handrücken ab und begann zu lesen:
»Geliebter Bruder meiner Seele! Dein Bote hat uns erreicht und das Schreiben richtig übergeben! ...«
»Schreibt er polnisch?« warf Herr Zagloba ein.
»Kryczynski versteht, wie alle unsere Tataren, nur ruthenisch und polnisch,« erwiderte der kleine Ritter, »und auch Mellechowicz wird schwerlich jemanden in tatarischer Sprache necken können. So hört denn weiter, Ihr Herren, und ohne Unterbrechung zu.«
... »Das Schreiben richtig übergeben. Möge Gott alles zum Besten wenden und mögest Du vollführen, was Du zu vollführen gedenkst. Wir halten hier öfters Rat mit Morawski, Aleksandrowicz, Tarsowski und Grocholski und schreiben auch an andere unserer Brüder, um deren Rat darüber einzuholen, in welcher Weise das, was Du, mein Teuerster, vorhast, am raschesten auszuführen wäre. Die Nachricht kam uns zu, daß Deine Gesundheit Schaden gelitten, darum sende ich einen Mann, damit er Dich, Teurer, mit eigenen Augen sehe und uns tröstliche Botschaft bringe. Wahre streng das Geheimnis, denn bewahre uns Gott davor, daß solches vor der Zeit bekannt werde. Möge der Allmächtige Dein Geschlecht so zahlreich machen, wie die Sterne am Himmel!
Kryczynski.«
Als Wolodyjowski zu Ende gelesen, schaute er einen der Anwesenden nach dem andern an, da jedoch alle stillschwiegen, indem sie offenbar den Inhalt des Schreibens in reifliche Erwägung zogen, sagte er:
»Tarasowski, Morawski, Grocholski und Aleksandrowicz, sie alle sind ehemalige Befehlshaber und sie sind Verräter.«
»Desgleichen auch Poturzynski, Tworowski und Adurowicz,« fügte Herr Snitko hinzu.
»Was sagen die Herren zu diesem Brief?«
»Offenbarer Verrat! Darüber ist weiter kein Wort zu verlieren,« sagte Herr Muszalski.
»Er verständigt sich einfach mit Mellechowicz darüber, wie unsere Lipker gewonnen werden können.«
»Beim Himmel! welch ein periculum für unser Kommando!« rief eine Anzahl von Stimmen.
»Geben doch die Lipker die Seele hin für ihren Mellechowicz, und wenn er es befiehlt, fallen sie in der Nacht über uns her!«
»Der schwärzeste Verrat unter der Sonne!« rief Herr Deyma.
»Und der Hetman selbst machte diesen Mellechowicz zum Hauptmann!« sagte Herr Muszalski.
»Herr Snitko,« begann nun Herr Zagloba, »was sagte ich, als ich den Mellechowicz erblickte? Sagte ich Euch nicht, daß ihm der Renegat und der Verräter aus den Augen sieht? Ha! ein Blick auf ihn war mir schon genug. Er mochte alle täuschen, mich aber nicht! Wiederholt doch meine Worte, Herr Snitko, aber ändert nichts daran. Sagte ich nicht, er sei ein Verräter?«
Herr Snitko schob die Füße unter die Bank und neigte das Haupt. »In Wahrheit, der durchdringende Blick Eurer Liebden ist bewunderungswert, wenngleich ich mich wahrhaftig nicht entsinnen kann, daß ihn Euer Liebden einen Verräter genannt hätten. Ich hörte Euch nur sagen, er schaue wie ein Wolf aus seinen Augen.«
»Ha! Ihr behauptet also, ein Hund sei ein Verräter, ein Wolf aber sei kein Verräter, und ein Wolf beiße die Hand nicht, die ihn streichelt und füttert? Also ein Hund ist ein Verräter? Vielleicht werdet Ihr noch den Mellechowicz verteidigen und uns alle zu Verrätern stempeln?« –
Herr Snitko, ganz verblüfft, riß Mund und Augen auf und war so erstaunt, daß ihm eine Zeit lang das Wort versagte.
Herr Muszalski aber, der rasch in seinem Urteil war, sagte sofort: »Vor allem wollen wir den Allmächtigen danken, daß solche schändliche Praktiken an den Tag gekommen sind; dann aber Mellechowicz durch sechs Dragoner hinausführen und ihm eine Kugel durch den Kopf jagen lassen.«
»Wonach dann ein anderer Hauptmann zu ernennen wäre,« fügte Herr Kienaszyniec hinzu. »Die Sache ist so offenkundig, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist.«
Herr Wolodyjowski aber sagte: »Vor allem ist es notwendig, den Mellechowicz zu verhören und sodann dem Hetman über diese Umtriebe Bericht zu erstatten. Denn wie Herr Boguscz aus Ziebice erzählte, liegen dem Herrn Kronmarschall die Lipker gar sehr am Herzen.«
»Aber Euer Liebden steht ja gegen Mellechowicz das Recht der selbständigen Untersuchung zu, da er niemals unser Kamerad war!« sagte Herr Motowidlo, dem kleinen Ritter zugewandt.
»Ich kenne meine Rechte,« erwiderte Wolodyjowski, »und es ist nicht nötig, mich daran zu erinnern.«
Nun riefen viele: »So möge uns denn jene Kreatur vor Augen treten, jener Judas und Verräter!«
Der laute Schall der Stimmen erweckte Herrn Zagloba aus dem sanften Schlummer, in welchen er jetzt sehr oft verfiel. Er erinnerte sich rasch dessen, wovon die Rede gewesen war und sagte: »Nein, Herr Snitko, wenn der Mond auf Euerm Wappenschild verschleiert ist, so ist Euer Witz noch viel mehr versteckt, und man kann ihn nicht finden, auch wenn man eine Kerze ansteckt. Zu behaupten, daß der Hund, canis fidelis, ein Verräter sei, und der Wolf ein treues Tier! Erlaubt mir, liebwerter Herr, Euch zu sagen, daß Ihr da vollständig auf dem Holzwege seid!«
Herr Snitko hob die Augen zum Himmel, um zu zeigen, daß er unschuldig leide, vermied aber, durch einen Widerspruch den alten Mann zu reizen, und da ihn jetzt Wolodyjowski beauftragte, Mellechowicz zu holen, so entfernte er sich rasch, froh, auf diese Weise dem Gespräch zu entkommen.
Er kehrte bald mit dem jungen Tataren zurück, der offenbar von der Aufgreifung des Lipkers nichts wußte, da er mutig eintrat. Sein dunkles, schönes Antlitz bedeckte noch tiefe Blässe, doch war er bereits genesen und hatte den Kopf nicht mehr mit einem Tuch verbunden, sondern mit einem kleinen roten Sammtkäppchen bedeckt.
Aller Augen versenkten sich in seinen Anblick, wie man sich in den eines Regenbogens versenkt. Er machte dem kleinen Ritter eine ziemlich tiefe Verbeugung, während er die übrigen in einer stolzen Weise begrüßte.
»Mellechowicz,« begann Wolodyjowski, indem er den scharfen Blick fest auf den Tataren richtete, »kennst Du den Obristen Kryczynski?«
Ein plötzlicher, drohender Schatten flog über das Antlitz Mellechowiczs.
»Ich kenne ihn!« sprach er.
»Lies!« sagte der kleine Ritter, ihm das bei dem Lipker vorgefundene Schreiben übergebend.
Mellechowicz begann zu lesen, und bevor er noch zu Ende war, kehrte schon Ruhe auf sein Antlitz zurück.
»Ich erwarte Eure Befehle,« sagte er, den Brief zurückstellend.
»Seit wann spinnst Du Verrat, und wer sind Deine Mitverschworenen hier in Chreptiow?«
»Also ich bin des Verrates angeklagt?«
»Du hast zu antworten, nicht zu fragen,« sagte drohend der kleine Ritter.
»Dann will ich folgende Antwort geben: Ich beabsichtige keinen Verrat, habe auch keine Mitverschworenen, und habe ich auch welche gehabt, dann waren es solche, über welche Ihr Herren nicht richten werdet.«
Als die Offiziere diese Worte vernahmen, knirschten sie mit den Zähnen und einige drohende Stimmen riefen: »Bescheidener! Du Hundesohn, bescheidener! Du stehst vor solchen, die würdiger sind als Du!«
Mellechowicz musterte sie mit einem Blick, aus welchem kalter Haß glänzte. »Ich weiß, was ich dem Herrn Kommandanten als meinem Vorgesetzten schulde,« sagte er, sich ein zweites Mal vor Wolodyjowski verneigend; »auch weiß ich, daß Ihr Herrn mich nicht für vollwertig haltet, und ich suche keineswegs Eure Gesellschaft! Euer Liebden (hier wandte er sich abermals an Wolodyjowski) frugen mich nach meinen Mitverschworenen; ich habe deren zwei bei meinem Werk: der eine ist Herr Bogusz, Untertruchseß von Nowogrod, der andere aber ist der Großhetman des Reiches.«
Diese Worte überraschten alle aufs höchste, und während einiger Zeit herrschte lautlose Stille. Dann frug Wolodyjowski, dessen Schnurrbärtchen sich bewegte:
»Wie verhält sich das?«
»Es verhält sich so,« erwiderte Mellechowicz, »daß Kryczynski, Morawski, Tworowski, Melsandrowicz und andere zur Horde übergingen und dem Vaterland viel Uebles zufügten, in ihrem neuen Dienste aber kein Glück gefunden haben. Möglich, daß auch ihr Gewissen sich regte; gewiß ist, daß der Name Verräter bitter für sie ist. Der Hetman weiß dies sehr wohl, weshalb er auch dem Herrn Bogusz sowie dem Herrn Mysliszewski anempfahl, sie wieder der Fahne der Republik zuzuführen. Herr Bogusz hat mich beauftragt, in dieser Angelegenheit eine Uebereinkunft mit Kryczynski zu treffen. In meinem Quartier befinden sich Briefe des Herrn Bogusz, welche Euer Liebden die Sache noch besser beglaubigen werden, als dies meine Worte zu thun vermögen.«
»Gehe mit Herrn Snitko, um diese Briefe zu holen und bringe sie sofort hierher.«
»Wohledle Herren,« sagte schnell der kleine Ritter, »wir thaten allem Anschein nach durch unser voreiliges Urteil diesem Soldaten unrecht; denn wenn er wirklich jene Briefe besitzt und die Wahrheit spricht – und ich bin sehr geneigt, dies zu glauben – dann ist er nicht nur ein durch seine kriegerischen Thaten berühmter Kavalier, sondern auch ein Mann, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liegt, und dafür müßte ihm Lohn zuteil werden und nicht eine falsche Beurteilung. Bei Gott, dies muß so rasch als möglich gut gemacht werden!«
Die Herren schwiegen, verlegen darüber, was sie sagen könnten; Herr Zagloba schloß die Augen und stellte sich diesmal, als ob er schlummere.
Mittlerweile war Mellechowicz zurückgekehrt und gab dem kleinen Ritter einen Brief des Herrn Bogusz. Wolodyjowski las wie folgt:
»Ich höre von allen Seiten, daß es keinen gebe, der geeigneter sei als Ihr für dergleichen Dienste, und zwar wegen der wundersamen Liebe, mit welcher diese Leute an Euch hängen. Der Hetman ist bereit, den Schuldigen zu vergeben und verbürgt sich dafür, daß die Republik sie begnadigen wird. Unterhandelt durch zuverlässige Leute fleißig mit Kryczynski und stellt ihm eine Belohnung in Aussicht. Hütet sorgfältig das Geheimnis, denn bei Gott, Ihr könntet sonst alle ins Verderben stürzen. Ihr mögt Herrn Wolodyjowski ins Vertrauen ziehen, denn er ist Euer Vorgesetzter, der der Sache großen Vorschub leisten kann. Spart weder Sorge noch Mühe, und denkt daran, daß finis coronat opus. Seid versichert, daß unser Mutterland Euren guten Willen mit Liebe lohnen wird.«
»Das ist der Lohn!« murmelte düster der junge Tatar.
»Aber ums Himmelswillen! warum ließest Du denn gegen Niemand auch nur ein Wort verlauten?« rief Wolodyjowski.
»Ich wollte Euer Liebden alles mitteilen, aber es fand sich keine Gelegenheit, da ich nach jenem Unfall krank darnieder lag. Den gnädigen Herren gegenüber (hier wandte sich Mellechowicz gegen die Offiziere) ward mir Stillschweigen auferlegt; dies Gebot wollen Euer Liebden nun den wohledlen Herren selbst auferlegen, um jene anderen nicht zu verderben.«
»Die Beweise Deiner Unschuld sind so unzweifelhaft, daß selbst ein Blinder sie nicht leugnen konnte,« sagte der kleine Ritter. »Führe also die Sache mit Kryczynski weiter. Du sollst dabei keine Hindernisse, sondern Hilfe finden; ich gebe Dir, als einem ehrenhaften Kavalier, meine Hand darauf. Komme heute zum Abendessen zu mir.«
Mellechowicz drückte die ihm dargereichte Hand und verneigte sich zum drittenmal.
Von allen Seiten traten nun Offiziere mit den Worten auf ihn zu: »Wir haben Dich leider verkannt, aber wer immer die Tugend liebt, wird die Hand heute nicht vor Dir zurückziehen.«
Der junge Lipker richtete sich plötzlich hoch auf, warf den Kopf zurück wie ein kampfbereiter Raubvogel und sprach: »Ich stehe vor solchen, die würdiger sind, als ich!« Dann verließ er das Zimmer. –
Nach seinem Weggang ging es hier lärmend zu. »Es ist das kein Wunder,« sagten die Offiziere untereinander; »die falsche Verdächtigung hat ihn empört; aber das wird vorübergehen. Wir müssen ihn künftig anders behandeln. Er hat die Art eines echten Kavaliers. Der Hetman wußte, was er that. Es geschehen wahrlich Wunderdinge! – wahrlich!«
Herr Snitko, im Stillen triumphierend, konnte sich nicht länger zurückhalten, schritt auf Herrn Zagloba zu, verneigte sich und sprach: »Erlaubt, Euer Liebden, der Wolf ist also doch kein Verräter!«
»Kein Verräter?« entgegnete Zagloba. »Er ist freilich ein Verräter, aber ein tugendhafter, weil er nicht uns, sondern die Horde verrät ... Gebt die Hoffnung nicht auf, Herr Snitko, ich will täglich für Euern abhanden gekommenen Verstand beten, vielleicht erbarmt sich Eurer der heilige Geist.«
Basia war sehr froh, als ihr Zagloba den Sachverhalt mitteilte, denn sie hegte Wohlwollen und Mitgefühl für Herrn Mellechowicz.
»Michal und ich,« sagte sie, »wir müssen ihn auf unsern ersten gefährlichen Streifzug mitnehmen, denn auf diese Weise können wir ihm am besten unser Vertrauen beweisen.«
Aber der kleine Ritter streichelte Basias rosiges Gesichtchen und sagte: »O Du ertappte kleine Fliege, ich kenne Dich. Nicht um den Mellechowicz ist Dir's, sondern Du möchtest selbst gerne in die Steppe hinausfliegen und ein Gefecht mitmachen! Aber daraus wird nichts!«
Nach diesen Worten küßte er sie wieder und wieder auf den Mund.
» Mulier insidiosa est,« sprach Herr Zagloba mit Würde.
Mittlerweile saß Mellechowicz in seiner Stube mit jenem Sendboten, dem Lipker, zusammen, und beide sprachen ganz leise miteinander. Sie waren sich so nahe, daß fast ihre Stirnen sich berührten. – Eine Leuchte von Talg flackerte auf dem Tisch und warf einen gelben Schein auf Mellechowiczs Antlitz, welches trotz seiner Schönheit schrecklich anzuschauen war, denn Rachgier, Grausamkeit und wilde Freude malten sich darauf.
»Halim, höre!« lispelte Mellechowicz.
»Effendi!« antwortete der Bote.
»Sage Kryczynski, er sei weise, denn sein Schreiben enthielt nichts, was mir verderblich werden konnte; sage ihm, er sei weise! Und möge er niemals deutlicher schreiben. Sie werden mir jetzt noch größeres Vertrauen schenken, alle, ja selbst der Hetman, Bogusz, Mysliszewski, das Kommando hier – alle! Hörst Du? Möge die Pest sie holen!«
»Ich höre, Effendi!«
»Ich muß nun zuerst nach Raszkow und will dann hierher zurückkehren.«
»Effendi, der junge Nowowiejski wird Dich erkennen.«
»Nein! Er sah mich schon bei Kalnik, dann bei Braclaw und erkannte mich nicht. Er wird mich anschauen, die Brauen runzeln, mich aber nicht erkennen. Er war fünfzehn Jahre alt, als er von Hause entfloh. Achtmal hat seit jener Zeit der Schnee die Steppe bedeckt. Ich habe mich sehr verändert. Der Alte würde mich erkennen, der Junge erkennt mich nicht ... Von Raszkow aus gebe ich Dir Nachricht. Kryczynski soll sich bereit halten, soll in der Nähe sein. Mit den Leuten in Perkulaby müßt Ihr Euch verständigen. Auch in Jampol haben wir Truppen. – Den Bogusz will ich überreden, einen Befehl des Hetmans für mich zu erlangen, des Inhaltes, daß ich von dort aus leichter auf Kryczynski einwirken könne. Aber hierher zurückkehren muß ich ... ich muß! ... Ich weiß nicht, was sich ereignen, wie sich alles noch wenden wird ... Ein inneres Feuer verzehrt mich ... der Schlaf flieht mich ... Wäre sie nicht, ich wäre gestorben ...«
»Gesegnet seien ihre Hände!«
Mellechowiczs Lippen begannen zu zittern und indem er sich noch mehr gegen den Lipker neigte, begann er wie in Fieberhitze zu flüstern: »Halim, gesegnet seien ihre Hände, gesegnet sei die Erde, auf der sie wandelt! Hörst Du, Halim? Sage es ihnen dort, daß ich genesen bin ... durch sie ...«