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»Habt Ihr's von Kantors Hansen schon gehört?
Die armen, armen Alten!« klingt's verstört
Und hutsam halbgedämpft in scheuer Runde.
Ein Zucken kämpft auf manchem herben Munde.
Der Hans ein Dieb! Der Hans! Der große Junge!
Im ganzen Städtchen gab es keine Zunge,
Die giftete: So ist es recht geschehn!
Gar mancher blieb beim Nachbar fragend stehn:
»Wird man die armen Alten heute sehn?« –
Das Sehn war so: An jedem Nachmittag,
Die Uhr vom Kirchturm schlug den vierten Schlag,
Da wanderte, ob Wind, ob Sonne war,
Quer übern Markt ein seltsam Menschenpaar,
Ein wenig windschief, wie zwei Mühlen gehn,
Die nicht mehr recht auf sichern Füßen stehn.
Behutsam trippelt 's Mütterchen einher,
Das »Tritt zu halten« geht schon lang nicht mehr.
Mit dem Herrn Kantor geht's auch nicht gar leicht,
Der läuft, als hätte ihn der Sturm gescheucht.
Wo in der Jugend Wirbelstürme sind,
Da bleibt fürs Alter krauser Abendwind. –
Auch Hans war Sturm, der liebe große Junge,
Ewig ein Sturzbach, ewig im Schwung und Sprunge. –
Er kam ganz spät. Die Alternden erschreckten,
Die rot die Köpfe zueinander steckten,
Bis eine große Freudenwelle kam,
Die wie im Strudel alles mit sich nahm. –
»Bei Kantors ist ein Kleines,« ging's im Städtchen,
Erst sollt's ein Junge sein und dann ein Mädchen –
Bis es der Hans war! Jeder war beglückt,
Als wär' der Hans bei jedem eingerückt.
Es ging ein Glanz um diese kleine Wiege,
Als ob ein Prinz von Thule drinnen liege.
Ein jeder wußte, wie der Hans gedieh,
Und daß er lieber lachte, als er schrie.
Einst schluchzte heiß des Bürgermeisters Lenchen:
»Es tut so weh, der Hans kriegt seine Zähnchen!«
Und mit dem Jungen tat ein jeder mit
Das erste Lallen und den ersten Schritt.
Was war's ein Gucken, Raunen, Staunen, Nicken,
Als Hansis Beinchen übern Marktplatz ticken –
Tick – tack – tick – tack, ein wenig quer und schief,
Doch wußt' es jeder: Kantors Hänschen lief!
Vorbei am Rathaus und an allen Häusern,
Das lieblich junge zwischen alten Reisern. –
So band sich Tag an Tag und Jahr an Jahr:
Der Junge ward, wie je ein Junge war,
Lustig und laut, in Hof und Haus verwogen
Und, grad' heraus, ein wenig arg verzogen.
Nur darin kannt' der Kantor keinen Spaß:
Es gab Tumult, wenn Hans nicht »Erster« saß. –
Nach Jahren und nach Wandel mancherlei
Hat unser Hans die städtische Kämmerei.
Die Steuern und was sonst an Geldern geht,
Dem Hans, dem großen Jungen, untersteht. –
»Der Hans tut's fein! Der Hans geht wie auf Draht!
Der Hans macht einen Aufwand, einen Staat!
Der Hans reist viel zu viel! Ist nie zu Haus!
Der Hans schaut blaß und übernächtig aus!« –
So oft solch Wort zum Vater hingekommen,
Hat er den Jungen ernstlich vorgenommen.
Der lacht' ihn aus. – Die nächste Revision:
Die Kasse stimmt nicht, stimmt nicht, wißt Ihr's schon?
Der Hans! Der Hans! Es ist zu offenbar!
Er wird verhört, gesteht, daß er es war. –
Und darum blieb beim Nachbar mancher stehn:
»Wird man die armen Alten heute sehn?« –
Ein wundersam erfüllter Frühlingstag
Auf Steinen, Zäunen, Häusern, Gärten lag.
Die Vögel wußten das mit Hans noch nicht,
Die alten Linden redeten ins Licht.
Die Uhr schlug vier. Der letzte Schlag schrak schwer.
Die Alten kamen übern Markt daher!
Wie immer sonst. Nur – täuschte man sich nicht! –
Sie gingen nie so angeschmiegt und dicht.
Das eine sich am andern stützt und hält,
Wie morsches Holz, das ohne Stütze fällt.
Der Kantor grüßt wie sonst, wen er mag schaun,
Die Leute wollen ihrem Blick nicht traun.
Und das von Hans? – Frau Kantor lächelt gar.
»Sag, Nachbar Kunz, ist das von Hans nicht wahr?« –
So gehn sie durch das Tor zum Wall hinan,
Wo sonst ihr Gehen endet' und begann,
Den Wall am Wasser hin. Aus Ried und Rohr
Quirlt launisch laut Rohrsperlings Lied hervor.
Hier hat der Hans gespielt, der Hans, der Hans!
Den Alten tanzt's im Blick wie Mückentanz.
Hier hat der Hans die Frösche aufgeschreckt,
Von Schilf zu Schilf Libellen hingeneckt.
Hier hat der Hans getollt, der Hans, der Hans!
Die Mücken tanzen immer dichtern Tanz!
Verscheucht, verscheucht sie doch! Es geht nicht an,
Der Gang am Wall ist noch nicht halb getan!
Er muß zu Ende! Rüstig auf den Füßen!
Dort kommt der Heinz, den müßt Ihr freundlich grüßen! –
Doch endlich ist der schwere Weg vollbracht,
Das liebe Pärchen hat sich heimgemacht.
Ganz enggefaßt, das Pflaster ist so schlecht,
Man ist ja alt, man sieht schon nicht mehr recht.
Ein eifrig »Guten Abend« hin und her:
»Ei, Meister Klaus, sieht man Sie gar nicht mehr?«
So leicht es klingt, die Lippe zuckt dem Frager
Und minder nicht dem armen Antwortsager. –
Sie sind daheim. Die Alten sind zu Haus!
Nun haltet euch und weint euch, weint euch aus!