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Nach dem Tedeum wurde der Junker durch den jungen Ritter von Falkenburg und den Chevalier de Montpelier, die ihm als »Geleiter« bestimmt waren, nach der Kirche der Templer geführt, während die beiden alten Gefährten seines Vaters, der Schenk von Rofen und der Ritter von Tenneberg, bei der Schwertleite selbst als Zeugen zu dienen hatten. In dieser Kirche sollte der Junker, nachdem er sich der Sitte gemäß schon durch Fasten auf die bedeutungsvolle Handlung vorbereitet hatte, beichten, das heilige Abendmahl empfangen und bis zum Beginn der eigentlichen Feier im Gebet verharren.
Endlich verkündeten die Fanfaren der Herolde, daß der König Hof zu halten gedenke, und nun wurde der Junker, während die Ritter von allen Seiten herbeiströmten, um sich in dem großen Prunksaale des Schlosses zu versammeln, in das Bad geleitet.
Hier sollte er untertauchen in Ehrbarkeit und Rittersitte und daraus hervorgehen rein von Sünden und ohne Fehl.
Nachdem er hierauf einige Zeit auf einem schönen Bette geruht hatte, zum Zeichen, daß er bestrebt sein wolle, durch ritterliches Kämpfen und Leben sich eine Stätte im Paradiese zu gewinnen, bekleideten ihn die Geleiter mit weißen und roten Gewändern und dunklen Schuhen.
Die weißen und roten Gewänder sollten ihn zur Reinheit des Wandels und zur Vergießung seines Blutes für Gott und die heilige Kirche ermahnen, die dunklen Schuhe ihn aber daran erinnern, daß er als streitbarer wackerer Ritter stets auf den Tod vorbereitet sein müsse.
Mittlerweile hatten sich Hof und Ritterschaft versammelt, und nun wurde der Junker unter dem Geschmetter der Fanfaren in den Prunksaal geführt.
Vor dem Throne des Königs kniete er zwischen seinen beiden Zeugen nieder, die nun bekunden mußten, daß er rittermäßiger Geburt, christlichen Glaubens und unbescholtenen Wandels sei und die Pflichten des Rittertums zu erfüllen vermöge.
Dann wurden dem Junker selbst die Rittergelübde abgenommen, die ihn zum Schutz der Kirche, der Geistlichen, der Frauen und der Schwachen, sowie zu treuem und gerechtem Lebenswandel verpflichteten, und endlich erhob sich der König, ließ sich vom Wappenmeister das Schwert reichen, hielt es unter stillem Gebete eine Weile in die Höhe, berührte damit den Junker dreimal, einmal an jeder Schulter und das dritte Mal am Halse und sagte:
»Zu Gottes und Marien Ehr',
Diesen Schlag und keinen mehr!
Sei kühn und bieder und gerecht;
Besser Ritter sein, als Knecht.
Im Namen Gottes, des heiligen Michael und des heiligen Georg machen Wir dich zum Ritter!«
Wieder schmetterten die Fanfaren, und während die Versammelten unter begeisterten Zurufen die Schwerter an die Schilde schlugen, erhob sich der junge Ritter, um von seinen Geleitern mit den Zeichen seiner neuen Würde geschmückt zu werden. Der Chevalier setzte ihm den Helm auf, umgürtete ihn, von Hen unterstützt, dem dabei die hellen Tränen über die Backen liefen, mit dem Schwert und reichte ihm den Schild, während ihm der Falkenburger die goldenen Sporen mit einem Spruche anschnallte, in dem es hieß: Wenn er durch die Sporen sein Pferd antreibe, so solle ihr Anblick auch ihn selbst anfeuern, Gott sein Leben lang treu zu dienen.
Damit war die Zeremonie beendet.
Aus dem Junker Dietrich war ein edler Rittersmann geworden.
Das lang ersehnte Ziel, das ein widriges Schicksal ihm so lange vorenthalten hatte, war endlich erreicht, und von allen Seiten drängte man sich zu ihm, um ihm Glück zu wünschen.
Der König selbst stieg vom Throne, umarmte und küßte ihn und sagte, wie große Freude es ihm bereitet habe, daß er einen so tüchtigen jungen Mann habe zum Ritter schlagen können, und daß er von ihm erhoffe, er werde der Christenheit auch fürderhin noch ebenso große Dienste leisten wie sein edler Vater.
Nach diesem schaute nun der König aus, winkte ihn und den Grafen heran, legte beider Hände ineinander und sagte: »Nun, Ritter, wollt Ihr diese Stunde vorübergehen lassen, ohne Eures Sohnes und unser aller Glück vollkommen zu machen?«
»Herr!« antwortete der Ritter. »Ich danke Euch für die Gnade, die Ihr meinem Sohne habt angedeihen lassen, und ich hoffe, er wird sich ihrer würdig erzeigen. Mich aber lasset ziehen und daheim nach seinem Erbe schauen.«
»Hermann!« rief jetzt der Graf, von seinen Gefühlen übermannt. »Ich kann dich so nicht von mir gehen lassen! – Willst du, daß ich den Rest meiner Tage in Gram verbringen soll, in Reue über eine Schuld, die ich schon so schwer habe büßen müssen? – O! Wenn du wüßtest, wie ich unter dem furchtbaren Wahn gelitten habe, mit dem ein böser Dämon mich umstrickte! – Wie ich mit ihm gerungen habe, wie mein Herz unter ihm blutete! – Stoße mich nicht von dir, weil ich schwach gewesen bin. – Ich ward es ja nur, weil ich dich nicht bei mir hatte! – Jetzt erst habe ich recht einsehen gelernt, was du mir gewesen bist: Der Leitstern meines Lebens, der feste Stab, an dem mein weicher Sinn sich stützte, der starke Halt für mein so schwaches Herz! – Und nun auch das Alter noch meine Seele beugt, nun deine Freundeshand mir am nötigsten wäre, nun willst du mich verlassen? – Gehe nicht, Hermann! – Oder wenn es denn sein muß, laß mich mit dir ziehen! – Wo wir Brust an Brust zum Leben erwachten, dort wollen wir uns auch Seite an Seite zur Ruhe legen!«
»Und Petra?« fiel ihm der Ritter ins Wort.
»Petra? – Hast du vergessen, was wir einst in glücklichen Stunden von der Zukunft erhofften? Was wir für unsere Kinder erträumten? – Ich glaube, unsere Träume werden jetzt in Erfüllung gehen. Die Stämme Camp und Rheinberg werden ineinander wachsen, und unter ihrem Schutze wird Petra wohl geborgen sein.«
»Vater!« rief Dietrich jetzt, sich dem Ritter zu Füßen werfend. »In schwerer Stunde habe ich dir mein Herz offenbart. Aber die Antwort, die du mir gabst, fiel wie mörderischer Reif auf die junge Saat meines Glückes. Willst du sie ganz darunter zu Grunde gehen lassen?«
»Nein, mein Sohn!« rief der Ritter, ihn an sich ziehend. »Nein, da sei Gott vor! Folge deinem Herzen, wie ich dem meinen folgen muß, und Gott gebe euch seinen Segen!«
»Amen!« sagte der König, die Hände über den jungen Ritter und Mechthildis breitend, die jetzt auch von ihrem Vater herbeigeführt und vor dem Throne niedergekniet war. »Von Camp und Rheinberg heiße von nun an das gräfliche Geschlecht, dem Wir im Namen Gottes, als dessen Stellvertreter Wir die Krone dieses heiligen Königreiches tragen, das Land Petra zu Lehen geben für jetzt und immerdar! – – Stehet auf, erster Graf von Camp und Rheinberg, und reichet Uns die Hand als ein treuer Vasall Unserer heiligen Krone. Noch heute sollt Ihr Uns am Tische des Herrn den Lehnseid schwören, damit Ihr für Euer hohes Amt gerüstet seid, wenn Gott Euch dereinst zum Nachfolger dieses edlen Grafen berufen sollte.– Und nun tretet ab; denn noch gilt es, eine traurige Pflicht zu erfüllen.«
»Was gebühret dem Ritter, ihr Herren, der schmählich sein Gelübde brach und durch Trug und Heuchelei eines untadeligen Mannes Ehre zu schänden suchte?« fuhr er, zum Throne zurückkehrend, an die Versammlung gewendet, mit feierlicher Stimme fort.
»Schmach und Tod!« hallte es ebenso feierlich zurück.
»Wohlan denn; so tretet vor, Guiscard von Rouen!«
Dumpfe Stille folgte diesem Ruf.
Schweigend traten die Ritter zurück, um eine Gasse zu schaffen für den Normannen, der nun, noch in vollem Ritterschmuck, den Helm auf dem Haupte, das Schwert an der Seite, den Schild am Arm und die Sporen an den Füßen, mit bleichem Gesicht aus einer Seitenpforte von zwei schwarz vermummten Henkern in den Saal geführt wurde.
»Bekennet Ihr Euch nunmehr schuldig, Ritter Guiscard von Rouen, der schmählichen Verleumdung des edlen Ritters Hermann von Camp?«
Der Normanne schwieg.
»Ihr antwortet nicht? – Aber Euer Schweigen ist Euer Richter, und somit erklären Wir Euch als König und Ritter Eurer Ritterschaft für verlustig, deren Gelübde Ihr gebrochen, deren heilige Pflicht Ihr schnöde verletzt habt. – – Ein Ritter waret Ihr bis heut – jetzt bist du ein Knecht, und als eines ungetreuen Knechtes falle dein Haupt unter dem Beile des Henkers!«
Schon während dieser Worte des Königs hatten sich die beiden Henker an ihn gemacht, ihm den Helm vom Kopfe, das Schwert von der Seite, den Schild vom Arm und die Sporen von den Füßen gerissen. Helm, Schild und Sporen zertraten sie am Boden, das Schwert bohrten sie zwischen zwei Fliesen und zerbrachen es.
Dann banden sie dem Verurteilten die Hände auf den Rücken und führten ihn unter schmähenden Rufen der Ritter aus dem Saale in den Turm, vor dessen Tor er am nächsten Morgen gerichtet werden sollte.
Aber die allgemeine Fröhlichkeit des großen Gastmahles, das am Nachmittage zu Ehren der heimkehrenden Gesandtschaft und des neugeschlagenen Ritters auf dem Schlosse veranstaltet wurde, wußte auch er zu seinen Gunsten auszunützen.
Unter dem Vorwande, er habe dem Könige eine wichtige Mitteilung zu machen, lockte er, sobald es dunkel geworden war, den Wärter zu sich in seine Zelle, und da der gute Mann nicht versäumt hatte, wacker mitzuhalten und sich zur Feier des Tages einen gehörigen Rausch anzuzechen, so wurde es dem schlauen Normannen leicht, ihn zu überlisten und den Weg in die Freiheit zu finden.
Aber seinem Schicksal entging er nicht.
Am nächsten Morgen fanden ihn die Aussätzigen, die in den Höhlen des Tales Hinnom hausten, mit zerschmettertem Schädel zwischen den Steinen liegend.
Ob er bei der Flucht an den steilen Abhängen des Berges des bösen Rates zu Fall gekommen und in der Finsternis abgestürzt war, oder ob ihn doch noch die Reue gepackt und in den Tod getrieben hatte, – nie ist es kund geworden.