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Die Unterredung begab sich in einem mitteleuropäischen Staat, dessen Gerichtswesen nichts taugt. Im Ausland also.
Exzellenz, der Justizminister, setzte sich, bot auch dem Amerikaner einen Stuhl an, und der Amerikaner begann:
»Ich weiß nicht, wie weit Sie unterrichtet sind von Zweck und Wesen meiner Erfindung. Bei alle Mittel will ich Ihnen genau angeben die Grunde, wegen die ich habe herangegangen an meine Konstrukschen. – Exzellenz, die Justiz von diese Landschaft steht bei uns in Amerika in keine gute Geruche. Hiesige – und noch mehr die amerikanische Blätter lassen vorüberziehen abfällige Bemerkungen, daß es soll sein ungleiches Recht für Arm und Reich, für Adlige und Arbeiter ...«
»D ...«
»Ich bitte Euer Pardon, Exzellenz, ich bin nicht Parter. Ich will nicht ein Zustand verbessern, der mir völlig gleichgültig ist – ich will machen Geld mit meine Erfindung. Ich rechne nur mit dem Fakt, daß die offentlich Meinung hat die Überzeugung: die Justiz ist wert gar nichts. Diese offentlich Meinung ist für Ihre Regierung sicherlich nicht angenehm. Hier ich bin mit meine Apparatus und möchte die Regierung frei machen von diese unangenehme öffentlich Meinung. Kein Körper soll können sagen: da ist Kastenjustiz. Denn mit mein Apparatus ist absolut Gerechtigkeit – jeder kluge Mann muß das einsehen. Vergüten Sie mir, Exzellenz, zu vorstellen für Ihnen: das Justizklavier.
Es ist – Sie sehen – von seine Außenseite genau wie jedes andre Klavier; in sein Innere aber es ist nichts als eine Maschine zu Rechnen. Hier an die Front Sie haben schwarze Tasten und weiße Tasten – wie jede gewöhnliche Klavier. Auf die schwarze Tasten stehen geschrieben, gut gefixt nach Begriffe, die Namen von sämtliche Verbrechen:
Brudermord,
Elternmord,
Gattenmord,
Kindesmord,
Lustmord,
Meuchelmord,
Muttermord,
Raubmord,
... usw.
oder:
Beinbruch,
Ehebruch,
Einbruch,
Friedensbruch,
Leistenbruch,
Schädelbruch,
Schiffbruch,
Treubruch,
... usw.
Auf die weiße Tasten hingegen steht geschrieben alles, was ist in Gefallen des Angeklagten:
Alibi,
Betrunken,
Minderjährig,
Schwerbetrunken,
Sinnesverwirrt,
Unbescholten,
Wahnsinnig,
... usw.
Sie wollen wissen, wie man anwendet das Justizklavier? Sicher mehr wie simpel. Der Vorsitzende von Gericht prüft den Bestand von Taten sorgenvoll, und wenn die Beweisaufnahme ist fertig, geht er einfach zus Justizklavier und preßt herunter alle Tasten, was auf den heute verhandelten Fall zutreffen. Zum Beispiel:
Diebstahl,
Minderjährig,
Unbescholten,
Wahnsinnig.
Oder:
Raubmord – zweimal,
Vorbestraft – sechsmal,
Alibi.
(Wenn aber mehr als dreimal vorbestraft, wird Alibitaste nicht funktionieren.)
Bei alle Fälle berechnet das Klavier automatisch – genau nach die bestehende Gesetze dieses Landes – die zugehörige Strafe und gibt das fertige Urteil, niedergelegt auf ein vorgedrucktes Formular, sofort heraus.
– – Und wie gleichen Sie, Exzellenz, mein Apparatus?«
Zwei Monate nach dieser Unterredung ließ Seine Exzellenz, der Minister, den amerikanischen Ingenieur zu sich bitten und sagte zu ihm:
»Wir haben Ihr Justizklavier vor einer eigens gebildeten Kommission von technischen und richterlichen Beamten prüfen lassen, und – ich kann Ihnen nur gratulieren – die Kommission hat einmütig anerkannt, daß das Klavier wirklich geeignet ist, das Volk von der Unabhängigkeit und Heiligkeit unsrer Rechtspflege zu überzeugen. Die Regierung hat also beschlossen, zunächst zwanzig Ihrer Justizklaviere probeweis bei unsern Landgerichten einzustellen. Aber eine kleine Bedingung, deren Erfüllung Ihrem Genie gewiß nicht schwer fallen wird: Jedes gewöhnliche Spielklavier hat – nicht wahr, Herr Ingenieur? – zwei Pedale: ein Piano- und ein Fortepedal. – – Nun, solche Pedale muß auch das Justizklavier erhalten. Lassen Sie auf das Pianopedal etwa gravieren: ›Regierungspartei‹ – und auf das Fortepedal: ›Opposition.‹ Dann wird das Klavier für uns geeignet sein.«