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Der Diplomat muß Komplikationen aus der Welt zu schaffen wissen.
Einst bekam der türkische Gesandte in Wien Auftrag aus Angora: einen gewissen Georg Bostanoglu verhaften und ausliefern zu lassen – türkischen Untertan, welcher daheim allerhand ausgefressen hatte.
Verhaften – ausliefern – das bringt schauderhafte Schreiberei.
Exzellenz, der Herr Gesandte, schickte seinen Sekretär zu Bostanoglu:
»Freund, Sie werden von der Behörde verfolgt. Hier haben Sie etwas Geld – hier eine Fahrkarte nach Prag – machen Sie sich dünne!«
Bostanoglu ließ sich's nicht zweimal sagen.
Bei seiner Ankunft in Prag wurde er verhaftet; auf telegraphisches Aviso der Wiener türkischen Gesandtschaft.
Und die Auslieferung samt Schreiberei fiel dem Prager türkischen Gesandten zu.
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Einmal war mir ein Stück verboten worden.
Ich ging zum Herrn Oberregierungsrat und sagte:
»Niemals – hören Sie? – nie werde ich mich in das Unrecht schicken, das Sie mir antun. Ich werde mich dagegen wehren bis zum letzten Atemzug.«
»Schön«, sprach der Herr. »Und wie wollen Sie das anfangen?«
»Nun, indem ich die Gründe des Verbots einzeln bekämpfe, widerlege und vernichte.«
»Mensch,« sagte der Rat, »Sie kennen doch die Gründe gar nicht.«
»Haben sie nicht im amtlichen Erlaß gestanden?«
»Keine Spur. Die Gründe behalten wir stets für uns. In den Erlässen stehen immer nur unsre Ausreden.«
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Man mag über die Japaner dieser oder jener Meinung sein – eins wird man ihnen lassen müssen: sie sind ungemein kühl und vorsichtig im Urteil.
Anfang vorigen Jahres ist Hauptmann Osaka mit der kaiserlich japanischen Sondergesandtschaft nach Wien gekommen. Heute habe ich ihn kennengelernt.
»Welchen Eindruck haben Sie von den Wiener Frauen?« fragte ich ihn.
»Kann übel Wienel Flauen noch nifts sagen. Kenne elst im ganzen neunhundeltzwörf.«
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Staatsprüfung in der Wiener Konsularakademie, Diplomatenklasse.
Kandidat: Erlaucht Rainer Maria Graf Putitzki zu Putitz ab Rima.
Erste Frage: »Kaiser Karl der Sechste.«
Zweite Frage: »Schlacht bei Königgrätz.«
Der Kandidat schweigt.
Dritte Frage: »Wo sind Sie geboren?«
»In Ljembärg.«
»Wissen Sie das sicher?«
»Ja, ganz siicherr.«
»Na, dann haben Sie wenigstens eine Frage richtig beantwortet.«
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Manche Leute, selbst in kulturfernen Zonen, sind von erstaunlicher Etikettewut besessen.
In Tetuan, zum Beispiel, lebte ein reicher Kaufmann, ägyptischer Untertan, der war Honorarkonsul von Österreich-Ungarn und Frankreich.
Am 18. August, Geburtstag des Kaisers Franz Josef, legte der Kaufmann die französische Uniform an, fuhr rund um sein Haus, ließ halten und gab auf dem österreichischen Konsulat seine Karte ab.
Fuhr weiter, kleidete sich um und machte in österreichischer Uniform dem französischen Kollegen eine Dankvisite.
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Die griechische Gesandtschaft zu Wien hatte einen Portier mit dem Namen Schleimgruber.
Ein Söhnlein ward ihm geboren. Er bat den Gesandten zu Paten.
Am Abend des Tauftages, noch ehe er ein Geschenk gestiftet hatte, wurde der Gesandte abberufen.
»A so a Pech«, sagte der Portier. »Jetzt haaßt mei Bua fürs ganze Leben Archilochos, un i hab an Dreck davon.«
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Die Frau Legationsrätin erzählte mir:
»Der französische Botschafter hat uns zweimal nacheinander zum Frühstück geladen. Wir müssen uns revanchieren.«
»Sie geben nun auch ein Frühstück, Gräfin?«
»Es macht zu viel Umstände. Wir werden Konzessionen in Persien machen.«
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Herr Hofrat Neuhäusel hat eine Abordnung streikender Eisenbahnarbeiter empfangen.
»Nun,« fragte der Minister, »haben Sie mit den Leuten unterhandelt, Herr Hofrat?«
»Ich habe es wenigstens versucht, Exzellenz. Aber ich kann nur feststellen: die Leute eignen sich gar nicht zum Verkehr mit der Behörde.«
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Die Unionbank in Warschau hat eine eigene Polizei eingerichtet, um sich vor räuberischen Überfällen zu schützen.
In einer schlaflosen Nacht fiel dem Direktor ein: ob denn die Bankpolizei auch etwas tauge?
Und er beschloß, sie auf die Probe zu stellen.
Er verkleidete sich und stürzte, mit einer Pistole in der Hand, in den Hauptkassenraum.
Die Polizei taugte nichts. Sie sah müßig zu, wie der verkleidete Direktor zwei Millionen Zloty davontrug.
Seither fehlt jede Spur von ihm.
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Einst berief Menelik II., Herr von Abessinien, die Vertreter der europäischen Mächte zu sich und eröffnete ihnen: er habe seinen Großneffen zum Nachfolger auf dem Thron bestimmt.
»Warum den Großneffen, Majestät? Warum nicht den Neffen?«
»Weil mein Neffe zu dumm ist.«
– – – Die Gesandten gingen heim. Unterwegs sprach Marquis A zu Baron B:
»Geben wir es auf, Exzellenz! Wir werden dieses sonderbare Volk doch nie verstehen.«