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»Im Tiefen Keller«
Trick würde vor vierzehn Tagen selbst nicht gedacht haben, daß er noch den Frühling im Freien genießen könne. Er zermarterte sich bis dahin das Gehirn, um einen Weg zu entdecken, der ihn aus der Wechselhaft befreie. Daß Stubborn in jener Nacht seine Einsperrung herbeigeführt und in der Zeit sich selbst und ihn um die Wechsel bestohlen, sah er jetzt so klar, wie das Fazit von zweimal zwei. Er würde diesem Streich seine höchste Bewunderung nicht versagt haben, wenn er ihn nicht selbst so empfindlich getroffen hätte. Da ihn Stubborn, an den Wolf den Wechsel gegeben, im Gefängnis festhielt, wurde ihm ferner klar, daß noch etwas im Werke sei, und er rannte mit dem Kopf vor Verzweiflung an die Wand, wenn er bedachte, wie er die Sache hier mit gebundenen Händen abwarten mußte. Er ärgerte sich beinahe ein Gallenfieber an den Hals, weil er sich hatte so überlisten lassen, und schwor, es Stubborn doppelt und dreifach einzutränken, wenn er nur erst wieder Raum dazu habe.
Der Schließer trat eines Tages bei ihm ein und teilte ihm mit, daß er einen Stubengenossen erhalten würde. »Einen Steuermann, zwar ein Seehund, aber fidel«, bemerkte er dabei.
Seehund, fidel! – Ein Blitz durchfuhr Tricks Gehirn.
Er schrieb sofort etwa zwanzig Briefe an die fidelen Seehunde, die den Klub zu einer wichtigen Besprechung bei Trick versammelten. Er stellte den Seehunden, die höchst neugierig erschienen, die lakonische Forderung, seinen Wechsel zu bezahlen und ihm so die Freiheit zu verschaffen.
Die Seehunde brachen in ein Gelächter aus.
Trick strich seine Haare etwas und klopfte an die Nase. Dann machte er den Vorschlag, wenn der Klub en bloc die zweitausend Mark nicht zahlen wolle, so werde er eine Subskription bei den einzelnen Mitgliedern eröffnen.
»Sehr guter Gedanke. Ich gebe für meinen Teil vier Schillinge dazu«, rief ein besonders fideler Seehund aus einem Geldgeschäft.
»Gut, mein Junge! Komm her, setz' dich neben mich und unterzeichne deine Summe auf diesem Bogen, wobei ich im allgemeinen bemerken will, daß jeder seinen Beitrag bis spätestens Sonnabend schafft«, sprach Trick mit höhnischem Grinsen.
Der Seehund setzte sich lachend und wollte eben schreiben, als ihm Trick einige Worte ins Ohr flüsterte, wonach ihn der junge Mann erschrocken und leichenblaß anstarrte. Dann schrieb er statt vier Schillinge vierhundert Mark und lehnte sich still an das Fenster. Der zweite Seehund sah erstaunt auf die Summe seines Vormannes, ward dann bei einigen leisen Worten Tricks feuerrot und zeichnete zweihundert Mark und so ging es fort, bis gegen viertausend Mark beisammen waren und der Klub der fidelen Seehunde lautlos davonschlich. Die einzelnen Mitglieder tauschten auch das Geheimnis nicht untereinander aus, was Trick jedem mitgeteilt. Sie kannten es nur zu gut und waren durch den Umstand niedergeschmettert, daß es Trick kannte. Sie setzten ihn aber dadurch in den Besitz der Summe und damit in Freiheit.
Herr Trick ging sofort nach dem Kontor und malte sich mit wahrem Entzücken das Wiedersehen mit Stubborn aus. Er wird sich ungemein freuen«, murmelte er. »Ha, ha, alter Junge, warte nur, jetzt will ich dich in die Kniep nehmen! Oh, jetzt sollst du in eine Schere kommen, wie du noch nie drin warst!«
Er ging direkt nach Stubborns Kabinet zu, blieb aber plötzlich stehen und sah das Personal verwundert an, das ihn gleichfalls betrachtete. Was war das? Das waren ja lauter wildfremde Gesichter! Kein einziger der früheren Leute!
»Was wünschen Sie?« fragte ihn ein dicker, behäbiger Buchhalter, der an seinem eigenen Pult saß.
»Herr Stubborn zugegen?« sagte Trick verblüfft, auf die Tür des Kabinetts deutend.
»Seit zwei Monaten hier nicht mehr gegenwärtig. Das Lokal augenblicklich als Kommandite im Besitz von Köstern in Bremen. Herr Stubborn hat sich vor zwei Monaten nach großen Verlusten gänzlich vom Geschäft zurückgezogen«, erklärte der Buchhalter mit einer Verbeugung.
»Unmöglich!« preßte Trick heraus, indem er sich wie im Traum umsah.
»Bitte, doch!« bestätigte der dicke Herr.
»Das Haus vorn? Wer hat das jetzt?« fragte Trick heiser.
»Hat der Besitzer selbst übernommen, soviel ich weiß«, berichtete der Buchhalter.
»So? – Ah! Dann entschuldigen Sie«, sprach Trick, sich nochmals mißtrauisch umblickend, indem er, ohne weiter ein Wort zu verlieren, zur Tür hinausging.
»Sieh mal an, verteufelt pfiffig, mein Junge! Du hast bei Gott Talent, – hätte dir das nimmermehr zugetraut«, murrte Trick, die Treppe hinaufsteigend. Dann blieb er auf einem Absatz sinnend stehen und zählte an den Fingern, wozu er leise sprach: »Erstens die Bleigewichte – sehr gut, – zweitens der Wechsel, – drittens der Diebstahl – ausgezeichnet, – viertens Geschäftsaufgabe – ganz vorzüglich, würde sich manch anderer damit anführen lassen, aber Trick nicht, mein Junge! Nein, nein! Ist noch immer genug da, um mit halb und halb ein gutes Geschäftchen zu machen. Oh, du sollst in die Schere kommen.«
Damit öffnete er die Tür des Wohnzimmers und trat ein, ohne den Hut abzunehmen.
Ein ihm unbekannter alter Herr saß am Tisch und blickte ihn überrascht an. Herr Trick zog den Hut verblüfft vom Kopf und sah sich im Zimmer um. »Entschuldigen Sie,« begann er, »ich suche Herrn Stubborn!«
»Herr Stubborn wohnt gegenwärtig in der Grütztwiete Grütztwiete oder Görttwiete, von den Grützmachern so benannt, war vor 1842 eine sehr enge Gasse., rechts an der Brücke, wenn in der Stadt, oder sonst in Neumühlen zu finden«, sprach der Herr.
»In der Grütz–twie–te?« fragte Trick, jede Silbe betonend. »Man sagte mir doch, der Besitzer des Hauses sei hier zu finden?«
»Habe die Ehre«, entgegnete der Herr, sich verbeugend. »Doch, wenn ich nicht irre, sind Sie der Buchhalter von Herrn Stubborn? Habe Sie früher einigemal gesehen, wenn ich hereinkam, um mit Ihrem Prinzipal einen Kontrakt abzuschließen. Wohnte bisher in Horn Horn, jetzt Stadtteil, früher Dorf, in dem viele Hamburger – ebenso wie in Hamm – Landhäuser hatten. draußen.«
Herr Trick betrachtete das Gesicht genauer und besann sich, es gesehen zu haben. Dann sprach er verwundert: »Ah, ah! Stubborn hat also auch in Horn eine Besitzung? Sieh mal an! Und Sie haben ihm nun das Haus hier auch abgemietet? Hilft euch alles nichts, ihr Herren!« Hierbei sah er sehr pfiffig lächelnd im Zimmer umher und klopfte wie ein Baumspecht an seine Nase, während ihn der Herr sprachlos vor Verwunderung anblickte.
»Ich das Haus abgemietet?« rief er dann. »Ja, Verehrtester! Kennen Sie denn die Verhältnisse Ihres Prinzipals so wenig, daß Sie nicht wissen, daß ich dies Haus hier schon vor bald zwanzig Jahren von Herrn Stubborn gekauft habe und daß er seit der Zeit bei mir zur Miete wohnte? Er bat mich, gegen niemand davon zu sprechen und machte jedesmal auf fünf Jahre Kontrakt, wobei er mir die Miete jährlich pränumerando zahlte und stets selbst nach Horn brachte, wo meine Besitzung ist. Herr Stubborn übergab mir vor zwei Monaten das Haus wieder und hat einige Effekten für Sie zurückgelassen, weil Sie damals abwesend waren, wie er mir sagte. Ich bin erstaunt, Sie darüber in Unkenntnis zu finden.«
Tricks Haare standen bei dieser Mitteilung vollkommen gegen den Strich und sein Gesicht war das Bild eines entsetzten Erstaunens, mit dem er, auf den Boden zeigend, ausrief: »Das hier ist also schon lange nicht mehr Stubborns Erbe?«
»Gehen Sie nach dem Stadtbuch Stadtbuch = Stadterbebuch, jetzt Grundbuchamt., wo Sie es seit Jahren als mein Erbe finden werden«, sprach der Herr kopfschüttelnd.
Herr Trick ließ seinen Hut fallen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, wobei er schrie: »Fünftens, alles in Sicherheit gebracht, – ausgezeich– – nein, verfluch – doch ausgezei– verdammt gemacht!« – Hiermit ergriff er seinen Hut und rannte davon, bald ›ausgezeichnet‹, bald ›verflucht‹ murmelnd, denn er bewunderte seinen Prinzipal im höchsten Grade und war dabei doch wütend, sich so von ihm hinters Licht geführt zu sehen. Er war von diesem neuen Streich vollkommen überwältigt und mußte seine Gedanken sammeln, um einen Plan gegen Stubborn zu fassen. Da er sich schwach auf den Beinen fühlte, so trat er am Steinweg in eine Weinhandlung und trank einige Gläser Madeira, worauf er weiterging und beim Millerntor den Weg nach dem Stintfang einschlug, wo die Promenaden um diese Zeit einsam waren. Er stand eine lange Weile am Geländer, wo man auf die Elbe hinuntersieht, und blickte gedankenlos auf die Schiffsreihen im Hafen und die segelnden Schiffe im freien Wasser.
Herr Trick, der, auf einer Bank sitzend, nach den Schiffen blickte, sah die Schönheiten der Gegend nicht. Er entwarf einen Plan gegen Stubborn und überlegte, ob er offen auftreten und sich wieder an seine Fersen heften oder im geheimen gegen ihn operieren sollte.
Es ging ihm wie allen Bösewichtern, die, wenn ihr Plan mißlungen, tiefe Reue darüber fühlen, daß sie nicht vorsichtiger zu Werke gingen. Er sah sich durch den Kompagnon, den er in den Händen zu haben glaubte, um die Früchte zwanzigjähriger Bemühungen gebracht und mußte eigentlich wieder von vorn anfangen. Er konnte Drohungen anwenden, aber nicht ausführen, ohne die Folgen selbst mitzutragen. Stubborn hatte sich durch die scheinbare Mittellosigkeit, in die er sich gebracht, gegen ihn gedeckt, und der Buchhalter beschloß, alles dies erwägend, ihn im geheimen anzugreifen.
Sobald dieser Entschluß gefaßt war, sprang Trick auf, um ihn zur Ausführung zu bringen. Es waren ihm von der Subskription der Seehunde noch weit über tausend Mark geblieben, eine Summe, die in seinen Händen gefährlich genug werden konnte. Er dachte zwar einen Augenblick daran, eine Spielgesellschaft aufzusuchen und sein Glück damit zu probieren, verwarf diese Idee jedoch sofort, als ihm seine Verluste einfielen.
Da es noch zeitig am Tage war, so lief er vor allen Dingen nach der Grütztwiete und spionierte Stubborns Wohnung aus. Dann nahm er ein Boot und fuhr auf der Hinterseite durch das Flet, wobei er die gegenüberliegenden Häuser ins Auge faßte, da Stubborns Zimmer nach dem Wasser zu lagen. Hierauf gelang es ihm, in einem Hause des Rödingsmarktes einige Hinterzimmer im dritten Stock gerade gegenüber Stubborn zu mieten, von denen aus er dessen Quartier beobachten konnte. Dies führte er mit unendlicher Geduld und mit Hilfe einer Anzahl Portweinflaschen aus und erfuhr bald, was er zu wissen brauchte.
Am zweiten Tage seiner angestrengten Beobachtungen verließ er sein Zimmer und ging, als die Dämmerung anbrach, in die Nikolaistraße, wo er nach dem Tiefen Keller Tiefer Keller. An der Nikolaistraße war eine Bettlerherberge, wo Vagabunden, Bettler usw. für ein billiges Entgelt – ½ ? bis 1 ? die Nacht – ein Unterkommen finden konnten. 1831 brach dort die Cholera aus. fragte. Man zeigte ihm eine Kelleröffnung, die er eine Zeitlang im Auge behielt und dabei bemerkte, wie verschiedene Gestalten hineinhuschten.
Diese Gestalten, die von allen Seiten daherschlichen, um hier in der Erde zu verschwinden, waren meist Krüppel von elendem Aussehen, mit verbundenen Armen und Köpfen, auf einer oder zwei Krücken daherhinkend. Es kamen aber auch Gesunde, junge Männer und Frauenzimmer, die das edle Geschäft des Bummelns und Bettelns jedem andern vorzogen und hier für gewöhnlich ihr Nachtquartier aufschlugen, wenn sie nicht gerade auf der Polizei wohnten. Dann erschienen einige Arbeiter mit Handwerkszeug, aus Sägen, Äxten u. dgl. bestehend. Die hohen Hüte mit schmalen Krempen und die eigentümlichen Backenbärte, die die Gesichter umrahmten, ließen in den Männern Zimmerleute erkennen, die ihr Geschäft nur zum Schein trieben und das Betteln oder noch schlimmere Unternehmungen einträglicher fanden. Mancher ging an einem Stock und trug Arm oder Kopf verbunden. Diese Art war permanent vom Gerüst gestürzt und schleppte sich nach Hause, natürlich jeden Tag in einem andern Teil der Stadt und Umgegend, während die Gesunden es vorzogen, in die Häuser hinaufzusteigen und Ausbesserungen zu beginnen, die stets mit Ausräumungen der Bodenkammern endigten. Störte man sie durch Fragen in ihrem Geschäft, so zeigte sich in der Regel, daß sie falsch bestellt waren. Jedenfalls war die Maske als Zimmermann immer ein guter Deckmantel für das Umherkriechen in den Häusern.
Trick stieg mit einer solchen Gruppe die Treppe hinab, die etwa fünfzig Stufen zählte. Hinter ihm kam ein Mann mit zwei Krücken, den er kannte, denn er saß für gewöhnlich vor dem Millerntor und hielt den Vorübergehenden eine kleine Schachtel mit wertlosen Muscheln hin, während in seiner Nähe ein junges, blindes Frauenzimmer auf einer Ziehharmonika spielte und dadurch das Mitleid der Spaziergänger in Anspruch nahm. Diese Dame hielt sich am Rock des Lahmen fest und folgte ihm gleichfalls.
Als man etwa die Hälfte der dunklen Treppe zurückgelegt hatte, stieß der Muschelhändler Herrn Trick etwas unsanft mit einer Krücke in den Rücken und brummte: »So mach doch, zum Teufel, du da vorn, daß du weiter kommst!« und seine Begleiterin setzte hinzu: »Hier brauchst du den Blinden nicht mehr zu spielen«, worauf die ganze Gesellschaft in ein Gelächter ausbrach.
Trick stolperte vollends die Treppe hinunter und trat mit den anderen in den Keller.
Auf einigen rohen Bänken saß bereits eine gemischte Gesellschaft, die sich halb in einem dicken Tabaksqualm verlor, durch den ein erbärmliches Talglicht schimmerte. Hinter einer Art Büfett, durch einen Kasten und einen alten zerrissenen Bettschirm gebildet, neben dem die Wand mit schlechten Bilderbogen und obszönen Bildern tapeziert war, stand der Wirt, eine von der Kellerluft aufgedunsene Figur, der jeden Ankommenden nach seinem Aussehen taxierte und stets bereit war, Branntwein aus einer Flasche einzuschenken, die er in der Hand hielt. Er faßte die Gesellschaft ins Auge und richtete seine Blicke mit besonderer Spannung auf Trick, was dessen Begleiter bewog, ihn gleichfalls genau anzusehen. Die Zimmerleute machten ihm hierauf Platz und nötigten ihn, den Winkel hinter einem Tisch einzunehmen, dann setzten sie sich neben ihn auf die Bank und schnitten so den Weg zur Tür ab. Die Blinde stellte sich auf die andere Seite, zog ihr Tuch vom Kopf und eine alte zerfetzte Jacke von den Schultern und sah Trick dann durchdringend mit einem Paar kohlschwarzer Augen an. Der Muschelhändler stand auf seine Krücken gelehnt und tat desgleichen. Dann blinzelten die Gäste einander zu und sahen Trick wieder an.
Herr Trick war nie ein Modenarr gewesen und hatte sich in seinen besten Tagen keiner besonderen Eleganz befleißigt, heute aber war er ganz überaus schäbig und schundig anzusehen und konnte wohl ein mitleidiges Herz verleiten, ihm einen Sechsling zu schenken.
Das Hemd guckte ihm aus dem Ellbogen. Die Weste besaß keine Knöpfe, und sein Bart stand seit vier Tagen stachlig und borstig im Gesicht. Und doch erschien er den Gästen des Tiefen Kellers zu nobel für das Lokal. Die Blinde gab diesem Gedanken zuerst Worte, indem sie fragte: »Was willst du hier, mein Junge? Du bist kein Bettler! Was suchst du?«
»Kathrine hat recht!« rief hier der Muschelhändler, indem er einen Fuß größer wurde. Er faßte eine Krücke und klopfte Trick damit auf den Hut, daß ihm dieser zur Belustigung der Gesellschaft bis an die Nase herabfuhr. »Was suchst du hier?«
Trick zog den Hut in die Höhe und knurrte: »Das verbitte ich mir – ich bin ein armer Teufel, wie ihr welche seid, und will hier meine paar Schillinge verzehren, die ich mir zusammengelesen habe – wo und wie, geht euch nichts an!«
»Du willst damit doch nicht etwa sagen, daß du ein Bettler bist?« rief die Blinde.
»Wie ihr's nennt, ist mir gleichgültig«, erwiderte Trick.
»Nun, ein Bettler bist du nicht, Freundchen«, lachte der Lahme, indem er seine Krücken in die Ecke warf und straff nach dem Licht ging, an dem er sich seine Tonpfeife anzündete. »Ich will dir was sagen. Wenn ein Polizeibeamter ein solches weißes Hemd von solch feiner holländischer Leinwand aus deinen Ellbogen gucken sieht, wie das da, dann arretiert er dich auf der Stelle. Aber nicht als Bettler!«
Die ganze Gesellschaft brach über Tricks verblüfftes Gesicht in ein Hohngelächter aus. Daran hatte er nicht gedacht. Er trug stets feine Leinenhemden und vergaß diesen Punkt ganz und gar, als er sich nach dem Tiefen Keller begab. Er knurrte jedoch: »Ich habe das Hemd gestern erst geschenkt bekommen.«
»Faule Fische!« schrie die Blinde. »Ein Bettler, der sein Geschäft versteht und hier –«
»Was machst du?« wandte sie sich, auf Trick deutend, an den Lahmen, der jetzt ein Pflaster, das mit dem Hut verbunden war, vom Auge entfernte und lockige, schwarze Haare unter einer alten Zipfelmütze hervorzog.
»Ich mache mir's bequem«, sprach er lachend, indem er eine Stahlbrille aufsetzte, sich niederließ und Trick gemächlich besah.
»Wenn er aber nun von der Polizei ist?«
Ein Hohngelächter antwortete der Blinden.
Ein alter Bettler sagte: »Er ist nicht von der Polizei. Die kennen wir alle.«
»Nun gut! Ein Bettler, der hier zu Hause ist, verkauft ein solches Hemd in der andern Stunde«, entgegnete das Mädchen ärgerlich. »Ich glaube deshalb, du bist ein lustiger Bruder, der sich den Spaß machen will, uns zu traktieren!«
»Warraftig! datt will hee«, schrie ein riesenmäßiger Zimmermann, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug, daß dieser krachte, worauf der Wirt schmunzelnd herbeikam.
Herr Trick sah den Zimmermann an, nahm seine Faust, betrachtete sie und klopfte dann mehrmals an seine Nase. Hierauf überzählte er die Gesellschaft und fragte: »Wollt ihr Punsch trinken?«
Sie wollten alle, ohne Ausnahme.
» Jedem ein Glas?« fragte der Wirt, die Mütze abnehmend.
»Ihr seid wohl pütschrig?« schrie Trick. »Damit fangen wir gar nicht an. Nicht wahr, meine Herren? Habt Ihr einen Kessel? Gut, zeigt ihn her!«
Der Wirt lief und holte einen Kessel aus der Küche, die sich irgendwo in einem verborgenen Raum befand und woraus jetzt ein Bratengeruch drang.
»Zu klein! Viel zu klein!« schrie Trick. »Einen größeren!«
Der Wirt erschien mit einer dicken Frau. Beide schleppten einen Kessel herbei, in den wenigstens ein Anker Anker. Älteres Flüssigkeitsmaß = ¼ Ohm = ? Oxhoft = 36,327 Liter. ging. Die Frau schob ihre schmutzige Mütze auf den Hinterkopf und trat hart an den Tisch. »Habt ihr auch Geld genug, um so viel Punsch zu bezahlen?« fragte sie, rundum blickend.
Der Zimmermann zeigte auf Trick. Dieser zog zehn preußische Taler aus der Tasche und warf sie verächtlich vor die Frau hin. »Ist euch der Kessel nicht zu groß?« fragte er hierauf die Gäste.
Welche Frage! Er würde dieser Gesellschaft nicht zu groß gewesen sein, wenn ein Dreimaster hätte darin schwimmen können.
Der Wirt steckte das Geld ein und wollte mit dem Kessel fort. »Halt!« rief der Lahme. »Wir wollen dem Herrn zeigen, daß er unter noblen Kerlen ist. Du hast einen Braten in der Küche, ich rieche es – den geben wir. Er ist mit den zehn Talern vollkommen bezahlt. Hier ist mein heutiges Bankkonto, im Falle wir noch mehr Punsch brauchen.« Damit räumte er eine Tasche voll Schillinge, Sechslinge und Dreilinge aus, die zusammen gegen vier Taler betragen mochten. »Gib dein Konzertgeld her, Kathrine«, sprach er zur Nachbarin.
»Fällt mir gar nicht ein. Ihr habt da genug zum Vertun«, entgegnete diese.
»Was? Du willst dich gegen meine Befehle setzen? Gib dein Geld raus!« schrie der Lahme zornig.
»Nein, ich gebe es nicht.«
Eine ungeheure Ohrfeige schnitt der Blinden jedes weitere Wort ab und warf sie besinnungslos in die Ecke, worauf ihr der Lahme in größter Seelenruhe die Taschen umwandte und das Geld auf den Tisch warf. Die übrigen betrachteten ihn dabei mit wahrer Hochachtung und meinten, er wäre ein Kerl, der sich nicht pantoffeln ließe, worauf jeder das erbettelte Geld auf den Tisch legte und zu zählen begann.
Der Wirt, der die Schillinghaufen mit den Augen verschlang, brachte zu gleicher Zeit ein halbes Dutzend Flaschen Rotwein, damit die Herren doch was Nasses hätten, bis der Punsch fertig sei. Die Gäste machten sich sofort darüber her und vergaßen die bewußtlose Kathrine vollständig, bis diese endlich zur Besinnung kam und sich mit einem Tigersprung auf den Lahmen warf, ihm in die Haare griff, durch den plötzlichen Überfall die Bank umstürzte und mit ihm unter den Tisch rollte, wo sich ein wütender Kampf entspann, bei dem der Tisch in die Höhe gehoben und die Flaschen und Schillinge herabgeworfen wurden.
Die Bettler stürzten ihren Schillingen sofort nach und griffen davon auf, was sie erlangen konnten. Da sich hierbei ein jeder beeinträchtigt glaubte, so entstand ein schrecklicher Tumult, ein Balgen und Greifen, wobei sich das liebende Paar abwalkte, bei welcher Beschäftigung endlich die Blinde die Oberhand erhielt, den Lahmen unter sich bekam und ihm seine Ohrfeige mit Wucherzinsen zurückzahlte.
Der Wirt war auf sein Büfett gestiegen und hielt das Licht hoch in die Höhe, damit seine lieben Gäste auch sehen konnten. Herr Trick klemmte sich in seine Ecke und sah der Sache mit unendlichem Vergnügen zu, das die Zimmerleute in dem Maße teilten, daß sie sich bei den Händen faßten und einen Rundtanz um die Bettlergruppe am Boden aufführten, zu dem plötzlich eine Geige erklang.
Die Gemüter beruhigten sich bei diesen Tönen sofort; alles stand von der Erde auf und blickte nach dem Geigenspieler, der auf einer leiterartigen Treppe saß, die in die Schlafräume führte.
»Krummer Hans! Hast du ausgeschlafen und was von Punsch gehört?« sprach der riesige Zimmermann lachend, indem er nach der Leiter ging, den Geigenspieler wie ein Kind auf den Arm nahm und ihn in den Winkel trug, wo Trick stand. Dort setzte er ihn auf ein großes Faß, das hier das Orchester vorstellte. »Na, wollt ihr euch nicht noch 'n bißchen nach Musik abwalken?« fragte er die übrigen.
»Verflucht!« brummte der Lahme, am Boden umherkriechend. »Mein holdes Lieb führt 'n guten Hieb und hat mir die Brille von der Nase gehauen.«
»Zu was brauchst du denn hier unten eine Brille?« fragte ein Bettler.
»Die trage ich stets außer dem Geschäft, sonst kann ich eure Spitzbubengesichter nicht genau sehen«, antwortete der Lahme.
Die Gesellschaft wurde durch diese Schmeichelei bewogen, mit zu suchen, so daß man endlich die Brille zwar unzerbrochen aber ohne Gläser fand. Diese wurden auch entdeckt, als der Wirt die herabgefallenen Schillinge zusammenkehrte, worauf er den Vorschlag machte, die ganze Summe gemeinschaftlich zu einer Festlichkeit zu verwenden, was sofort akzeptiert wurde.
Man setzte den Tisch wieder an seinen Platz. Einige neue Gäste leerten ihre Taschen darauf aus und stellten die Tageseinnahme dem Wirt zu, der sie, vergnügt schmunzelnd, einsteckte. Da die Stammgäste so ziemlich beisammen waren, begann der Herbergsvater die Tafel herzurichten, was er einfach dadurch bewerkstelligte, daß er mit dem Ärmel darüberstrich, dann brachte er für jeden Gast einen Holzteller und verteilte die Bestecke, eine Sammlung so ungleicher und defekter alter Messer und Gabeln, wie sie kaum in einem Trödlerladen aufzutreiben waren.
Der krumme Hans wurde vom Fasse herabgeholt und auf einen Stuhl gesetzt. Er bildete das ständige Orchester der Bettlerherberge und wurde Herrn Trick von dem Lahmen als Künstler vorgestellt, worauf Hans seinerseits den Lahmen als Herrn Emil, früheren Schauspieler, und die Blinde als Demoiselle Kathrine, verunglückte Kunstreiterin, vorstellte. Da man aber in nobler Gesellschaft gern weiß, mit wem man spricht, so bat er ihn hierbei, der Gesellschaft seinen Namen und Stand mitzuteilen.
Herr Trick war dazu bereit, weil ihn die Zimmerleute auf eine Art betrachteten, die die Neigung erkennen ließ, ihn bei etwaiger Weigerung niederzuschlagen. Er klopfte sich einige Male pfiffig an die Nase und sprach: »Ich heiße Wolf und führe einen Lumpenkeller an den Kajen.«
Der riesige Zimmermann starrte ihn mit weit geöffneten Augen an und sperrte den Mund auf, um etwas zu sagen. Trick machte ein Auge zu und blinkte ihn an.
»Der Herr hier kennt mich«, fuhr er fort. »Er macht oft mit mir Geschäfte.«
Herr Trick hatte den Zimmermann in seinem Leben niemals gesehen. Sobald er jedoch den Namen Wolfs nannte, erkannte er an seinem Gesichtsausdruck, daß er es mit dem alten Fuchs zu tun habe.
»Du kennst ja Wolf von den Kajen! Ist er's?« riefen die anderen Zimmerleute.
»Gottv– Ja, gewiß is hee dat«, murmelte der Gefragte verblüfft, denn er vermutete ganz richtig, daß es hier etwas für ihn gäbe. Entweder für oder gegen den alten Wolf, das war ihm gleich.
In diesem Augenblicke steckte die ganze Gesellschaft, zu der noch einige Damen gekommen waren, die, als sie Toilette gemacht und ihr Handwerkskostüm abgelegt, sich als Schmetterlinge aus häßlichen Raupen entpuppten, die Nasen in die Luft und schnupperte, denn ein delikater Bratengeruch durchzog den Keller. Wirt und Wirtin erschienen aus der geheimnisvollen Küche und trugen einen Rinderbraten von einigen zwanzig Pfund herbei, der, mit Speck und Sardellen belegt, den Appetit aufs höchste reizte.
Die dicke Herbergsmutter streifte ihre Ärmel auf und begann den Braten mit einem riesigen Messer zu zerlegen. Sobald ein Stück abgeschnitten war, balancierte sie es einen Augenblick auf der Messerspitze und warf es dann mit großer Sicherheit über den Tisch hinweg auf den Holzteller eines Gastes, ohne jemals zu fehlen. Als jeder mit Fleisch versorgt war, erschien ein Schornsteinfegerjunge mit einem Korb voller Rundstücke, die er über den Tisch kollerte, um die Gäste mit Brot zu versorgen. Einige buntbemalte holländische Blumentöpfe, die irgend jemand irgendwo von einem Fenster mitgenommen, um das Service des Tiefen Kellers zu vervollständigen, enthielten Pickles, von denen jeder nach Belieben herausnahm.
Da man nie wissen konnte, ob und wann bei einem freundschaftlichen Souper eine Prügelei ausbräche, so hielt der Wirt seine Porzellanschätze sorgfältig verborgen und war sehr für Holzgeschirr eingenommen. Deshalb erschien auch der zweite Gang, sechs gebratene Schollen, auf großen Kuchenbrettern, die gleich als Tranchierteller benutzt wurden, von denen sich jeder nach Belieben versorgte. Der Fisch will aber schwimmen, das ist ein Umstand, der dem Bettler wie dem Millionär bekannt ist. Deshalb, und weil die Schillingernte heute besonders reichlich ausgefallen war, brachte der Herbergsvater noch eine Ladung Rotwein und Genever auf den Tisch, da der Punsch sich zum Essen nicht eignete, wie mehrere Bettler erklärten, die das aus der Zeit wußten, wo sie selbst noch Soupers gaben.
Der Keller des Wirtes war ein ebenso geheimnisvolles Lokal wie die Küche, und merkwürdigerweise stets genau nach den Taschen der Bettler ausgestattet. Fehlten in diesen die Schillinge, so gab es im Keller keine Flaschen mehr, während im Gegenteil der Vorrat unerschöpflich war.
Sobald man beim Dessert ankam, erschien der dampfende Punschkessel, den man in ein leeres Faß stellte, um dann die Gläser daraus zu füllen. Diese gingen rundum und wurden schweigend geprüft. Da der krumme Hans das Getränk gehaltvoll genug fand, was als erste Zensur galt, so hob man ihn wieder auf sein Orchester, worauf er die Geige ergriff und der Gesellschaft ein Konzert gab, während der Tisch beiseite geräumt wurde.
Der Lahme bemerkte kaum, daß Trick sich über das Spiel wunderte, als er den krummen Hans anstieß und ihm zurief: »Spiele die ›Tiefe-Keller-Sonate‹.«
Der Geiger sog ein Glas Punsch aus und sann eine Weile.
»Nun hören Sie«, sprach der Lahme leise. »Ich will Ihnen erklären, wie man Beethovens Symphonien erklärt hat. Kennen Sie Beethovens Symphonien?«
Herr Trick sah ihn groß an – er wußte nicht, was dies für ein Artikel war und sagte, daß er nie davon gehört.
»Ah, prächtig! Dann sind Sie ja wie für den Tiefen Keller geboren«, bemerkte Emil, ihn mit höhnischer Verachtung anblickend. »Nun passen Sie auf.«
Der Geiger begann ein Adagio.
»Das spielt draußen an der Alster,« flüsterte der Erklärer, »diese sechs Achtel stellen die plätschernden Wellen vor, über die ein leichter Wind streicht – jetzt faßt er den Wind in gebundene drei Achtel zusammen und läßt ihn aufsteigen und in den Bäumen und Büschen rauschen. Nun kommen Schwäne gezogen. Sie stutzen, halten an – die lustige Melodie jetzt sind Bettler, die in der Sonne liegen und frühstücken. Die Arbeitszeit für sie ist noch nicht da, weil die andern Leute noch arbeiten. Sie bleiben liegen – die Wellen plätschern weiter, die Bäume rauschen, die Schwäne ziehen große Kreise um die Bettler, die ihnen Brocken in das Wasser werfen und endlich in sanften Schlaf sinken.«
Das Adagio schloß hier. Trick sah bald den Spieler, bald den Erklärer in komischer Verwunderung an – dann betrachtete er die Bilderbogen an der Wand, weil er der Meinung war, der Lahme erkläre ihm diese, da er dorthin sah. Als er aber darauf weder Bäume noch Schwäne erblickte, kam er zu der Überzeugung, daß der Schauspieler seinen Verstand vollständig versoffen habe und in einem gelinden Stadium des Delirium tremens sei.
Der Geiger begann ein Andante zu spielen.
»Jetzt geht das Geschäft los,« flüsterte Emil, »sie erheben sich und wandern schnell nach ihren Plätzen, denn das Geschäft in der Stadt ist zu Ende und die Leute gehen spazieren – da hören Sie das heitere Dahinschreiten – jetzt die Synkopen, das sind die Bettler, die dazwischen hinken – nun die Klage – Moderato – das Bettlerlied. Kennen Sie das Bettlerlied aus dem Verschwender? Nicht? Das Ergreifendste was es gibt? Erbärmlicher Kerl!« murmelte er bei Tricks Kopfschütteln und fiel dann singend in die Endstrophen des Liedes ein, das der Geiger in voller Harmonie vortrug. Die Gesellschaft war mäuschenstill, und viele davon, denen das Lied bekannt war, sangen mit. Ein besserer Geist hatte sich für einige Augenblicke in diesen tiefen Abgrund der Menschheit gesenkt. Die wunderbare Macht der Musik, ein schöner Gedanke des Komponisten, zähmte wildgewordene Tiere. Er trug Klänge aus einem verlorenen Paradiese an Seelen, die früher an die Grenzen dieses Paradieses streiften und dort eine Heimat finden konnten, wenn sie nicht der Dämon der Leidenschaft fortgetrieben.
Herr Trick empfand nichts dergleichen. Er schüttelte mit dem Kopfe und kam zur festen Überzeugung, daß die sämtliche Gesellschaft ihren Verstand total vertrunken habe, worin er noch mehr bestärkt wurde, als ihm der Lahme das nun folgende Allegro erklärte: Wie der Bettler nach dem Keller gehe und hinuntersteige – Trinklied, Bettlertanz, endlich vollständiger Hexensabbat folge und zuletzt das Tagesgrauen durch die Kellerfenster hereinbreche und den Schlaf über die Bettler bringe.
Der Geiger ruhte und trank eine Weile, dann begann er einen Tanz zu spielen. Die Damen der Gesellschaft machten sich indes für den Ball in der Art fertig, daß sie Tanzschuhe anzogen und die Geschäftslumpen beiseite legten. Einige neue Gäste waren auch noch dazu gekommen. Ein paar vollständige Handwerksburschen, die jeden Morgen mit gepacktem Ränzel, Stock und Wachsleinwandhut vom Tiefen Keller aus in die Fremde zogen, um am Abend mit einer Schillingernte wiederzukehren. Einige Schornsteinfeger, die ihr Geschäft auf dieselbe Art trieben wie die Zimmerleute, und ein paar Savoyarden mit ihren eintönigen Leiern oder einem Affen vervollständigten die Stammgäste, so daß dem Beginn des Balles nichts weiter im Wege stand. Der Lahme eröffnete ihn mit der Blinden. Das Paar dachte gar nicht mehr an den Faustkampf unter dem Tisch, die Sache war zu alltäglich.
Der flotteste Tänzer war der Lahme und seine schönste Leistung an diesem Abend der Kosakentanz, den er vortrug, um sich die Beine einmal etwas auszustrecken. So ward fortgetanzt, getrunken, gebalgt, geraucht und gesungen, bis der Punschkessel endlich gegen Morgen seinen Boden sehen ließ und der Wirt zum Schlafengehen riet. Das Schlafengehen war indes leichter anzuraten als auszuführen, denn wenn auch noch einige Gäste imstande waren, unter verschiedenen Rückfällen die Leiter zu den Schlafgemächern zu erklimmen, so lag doch der größte Teil bereits tief schnarchend am Boden oder war seiner Beine nicht mehr mächtig. Herr Trick war unter den letzteren, aber seine »Freunde«, wie er die Zimmerleute nannte, mit denen er eifrig unterhandelt und getrunken hatte, ließen ihn nicht im Stich. Sie hißten ihn glücklich die Leiter hinauf und zogen ihn nach einer Schlafstelle, die sich im hintersten Raum, in einer unterirdischen Kegelbahn befand. Herr Trick wurde dabei unter Stricken hinweggeschleppt, auf denen die Wäsche der Gäste hing, denn diese hatten es sich der großen Wärme wegen bis zur letzten Hülle bequem gemacht und ihre Garderobe am Boden verstreut oder zum Zudecken benutzt. Trick faßte, als er die schlafenden Gruppen erblickte, die Idee, er würde als Gefangener durch ein Indianerlager geführt und bat den mit einem Lichtstumpf voranleuchtenden Wirt kläglich, ihn nicht skalpieren zu lassen. Das tat der Gute freilich nicht, aber daß die Zimmerleute ihrem »Freunde« die Taschen total ausleerten, ehe sie in sanftes Schnarchen verfielen, konnte er nicht verhindern. Zum Glück war Herr Trick so vorsichtig gewesen, nur fünfzehn Taler einzustecken. Er kam deshalb sehr billig weg und verlor kein Wort darüber, als er am nächsten Nachmittag den Keller verließ, um seine Freunde am Grasbrook zu treffen.