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In dem der fromme Waldbruder einen ordentlichen Rüffel in seine Zelle heimträgt
Er erwartete gelassen den Donnerstag, empfahl am frühen Morgen sich und seine Klause dem Schutze Gottes und marschierte der schönen Stadt Regensburg zu. Er war schon um sechs Uhr morgens am Domportal und trat in die Kirche ein. Er hörte zwei heilige Messen, und schlag acht Uhr stand er vor der Türe der Konsistorialkanzlei. Ein paar Minuten später kam auch der erste Kanzleibote dort an, besichtigte den Frater kritisch und übelgelaunt und ging ohne Gruß an ihm vorüber in die Kanzlei.
Und der arme Eremit blieb stehen, staunte kaum über die Unart und sah nur mit gläsernen Augen über das Irdische hinweg ins Himmlische hinein. Es huschte nur wie zufällig durch sein Gedächtnis, daß bei den bischöflichen Konsistorien ein hoher Ton zu Hause sei, nicht die Höflichkeit, und daß man arme Eremiten und andere Kleriker, kleine Kapläne und Supernumerare, wohl auch die Herren Pfarrer, wie grobes dummes Volk behandle oder überhaupt nicht beachte.
Es schlug die Viertelstunde nach acht und mit gravitätischen Schritten und vielbedeutenden Amtsmienen kam der Herr Pedell daher. Auch ihm war der Hut fest am Kopfe angewachsen und seine unfreundlichen Blicke streiften den Frater hart. Was will der Wildschweinpropst da? fragten diese Augen. Aber der Frater blieb ruhig und muckste sich nicht.
Es wurde halb neun und die Herren Konsistorialoffizianten tauchten auf. Jetzt kam's dem ehrwürdigen Frater so vor, als ob er jedem ein Buckerl machen müsse. Und manch einer guckte ihn auch dafür ein wenig von der Seite an und nickte mit dem Kopfe. Dann stelzte ein Mann daher, der recht gebieterisch aussah und vortrefflich über die Achsel zu gucken verstand. »Was will der Kerl?« murmelte er. »Her und die Kutte ausziehen und fünfundzwanzig auf den Arsch. Punktum, Streusand drauf.«
Als es neun Uhr wurde, trafen auch die gnädigen Herren Räte ein. Sie waren alle mit schwarzen Kleidern angetan, mit kurzen schwarzen seidenen Mäntelchen behangen und gekräuselt, gelockt und gepudert, wie die schönsten Christkindl. Einige hatten Bediente bei sich, und die standen mindestens im Range von Domherren. Aber die anderen, denen gewöhnliche Küchenmägde ihre Aktenbündel nachtrugen, waren nur simple Konsistorialräte.
Im Sitzungssaale begann die Arbeit. Man nahm zuerst die Anzeige gegen den Frater Deogratias vor. Als sie verlesen war, beschloß man, den Menschen gleich zu Protokoll zu vernehmen. Ungeschickt, harmlos, und aus seinen Verzückungen gerissen, trat der Eremit ein.
»Höre Er, wer ist Er?«
»Du Dummkopf, das sind wir alle, wie heißt Er?«
»Frater Deogratias.«
»In was für einer Klause wohnt Er?«
»In der Bruderwaldklause bei Kehlheim.«
»Weiß Er, warum Er da ist?«
»Nein.«
»Kann Er sich's gar nicht einbilden, warum man Ihn hieher gerufen?«
»Nein,« sagte der simple Eremit.
»Soso! Nun, hat Er niemals Ochsen, Kühe, Schweine und anderes Vieh oder gar auch Menschen durch übernatürliche Mittel von Krankheiten befreit? Rede Er die Wahrheit!«
»Ja, das habe ich getan durch mein unwürdiges Gebet.«
»Dummkopf! – Da unterschreibe Er das Protokoll und warte Er draußen!«
Der gnädige Herr Kommissarius verlas den gnädigen Herren Räten das Protokoll und es wurde beschlossen, dem Frater Deogratias sein sträfliches Vergehen auf das schärfste zu verweisen und ihm für den Wiederbetretungsfall eine ernstliche Bedrohung machen zu lassen.
Der Herr Kommissarius teilte dem Frater diesen Beschluß auf seine Art mit.
»Wer hat Ihm als einem Laien erlaubt, in die Vorrechte der Priesterschaft einzugreifen? Vieh und Mensch auf übernatürliche Weise zu heilen?? Frechheit, das! Höre Er: wenn Er sich wieder so etwas untersteht, so wird man Ihm die Kutte ausziehen und Ihn aus der Klause jagen. Hat Er's verstanden?«
»Die Leute,« begann der verwunderte Bruder, »die Leute kommen zu mir, ohne daß ich sie rufe und – –«
»Maul halten! Er hat keine Weihen und ist nicht Priester, wie will Er mit geistlichen Mitteln anderen Menschen helfen! Mit einem Wort: Er ist ein Esel, ein Narr. Merke Er sich, was ich Ihm im Namen des hochwürdigen Konsistoriums eben aufgetragen habe und packe Er sich weiter.«
*
So du, hochgünstiger Leser, nicht zu den lächelnden Freigeistern und zur spöttischen Aufklärung gehörst, mußt du das Betragen des Herrn Konsistorialrates gegen den armen Frater Deogratias äußerst unwürdig, grob und ungerecht finden. Der Ton muß dir zu hochmütig sein. Und: das Kloster und der Pfarrer haben ihre heimliche Anklage gemacht und die Behörde denkt nicht daran, die Sache ordentlich zu untersuchen? Sie behandelt einen Unschuldigen und frommen Diener Gottes in der ärgerlichsten Weise und schilt ihn einen Narren?
Darf so etwas erlaubt sein?
Aber die Strafe Gottes folgte den Verbrechern auf dem Fuße nach.
Der Herr Konsistorialrat starb in seinen besten Jahren an der Wassersucht; und hatte er je Wasser getrunken?
Er wunderte sich selbst höchlichst über diese Todesart und fand sie einesteils lächerlich, andernteils recht beleidigend.
Und der böse Pfarrer wurde bald darauf beim Konsistorium des vertrauten Umgangs mit seiner nudelsauberen Köchin Katharina beschuldigt. Urteil: die Frauensperson in vierzehn Tagen aus dem Pfarrhof zu entfernen und nie wieder hineinzulassen, auch nie wieder mit ihr mündlich oder schriftlich Umgang zu pflegen. Es ging dem Pfarrer sehr zu Herzen und seine Gemeinde freute sich desto mehr. Und war es nicht sichtlich die Hand Gottes, die ihm eine ganz alte Haushälterin, ein böses keifendes Weib, an Stelle der jungen in den Pfarrhof führte?
Und erkannte er die Strafe? Er erkannte sie und wurde ein kräftiger Trinker.
Und da war also noch das böse Kloster da; diesem brachte ein frommes altes Weib einen großen Korb voll wunderschöner Pilze. Furchtbar aßen die Mönche. Und wurden alle närrisch und starben eines elenden Todes.
Und trotz ihrer fromm beredten Grabsteine weiß Gott der Herr, warum und wieso.
So braucht der Himmel nicht immer wie bei Elisäus Bären zu schicken, um mutwillige Menschen zu fressen: der Arm des Höchsten weiß in jeder Art Beleidigungen zu strafen.