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Das fünfte Kapitel

Ist für Hausväter nützlich zu lesen und handelt von unfruchtbaren Menschen im ehelichen Stande, dieserhalb auch von Schikanen des bösen Feindes

 

Hansjakob ist unruhevoll in seinen Keller geschlichen und bringt eine Flasche alten Kirschgeist an. Er will über die bös ernsten Dinge hinweg und die Ruhe seiner Nachmittage nicht aufheben lassen.

»Es ist noch Kirsch vom Großvater. Der Mann wußte, was gut ist.«

Aber inzwischen hatte Frau Anna ihren Mützenspuk aufgetischt und war nicht gesonnen, von ihrem Bericht zu lassen. Der Pater hörte sie mit dem Eifer der Geduld an und lockerte nicht an den Grundsteinen ihrer Überzeugungen. Er nickte stumm, frug mit ein paar Blicken in des Bürgermeisters Gesicht hinein und ließ sogleich schonend von dem Manne ab, als ihn eine hilflose Röte anklagte.

»Vielleicht ein Zufall,« warf der Guardian hin.

»Nein!« Frau Anna fuhr fast vom Stuhle hoch. »Es ist bares Hexenwerk. Ist es anders, Hansjakob?!«

Hansjakob trank einen raschen Schnaps und versuchte auch den Pater mit dem Kirsch abzulenken. Aber der Pater konnte Kirsch und Hexen zugleich aufnehmen, blieb an den Vermutungen der Frau Mutter interessiert und ließ sich gleicherzeit das drängende Eingießen des Herrn Vaters gefallen.

»Die bösen Leute sind an uns! Haben Sie's nicht selbst schon gesagt?«

Er nickte und nippte.

Frau Anna ereiferte sich und tupfte den Zeigefinger ernstlich auf den Tisch: »Sie haben mir gesagt, es ist ein Geheimnis in dieser Ehe, das müssen Sie noch aufdecken. Wahr oder nicht wahr?!«

Der Guardian antwortete dumpf: »Wahr!« und wich den erstaunten Augen Hansjakobs nicht aus. »Wahr!« betonte er, »ich sagte es, und es ist wahr.«

»Und die bösen Leute, sagten Sie, haben es uns angetan!« Jetzt wandte sich die Energie des tupfenden Fingers gegen Hansjakob. »Daß du's nur weißt, woran du bist!«

Hansjakob kratzte sich verlegen den Kopf und entdeckte, daß von dem grünen Überzug seines Schreibtisches und aus seinen Büchern wieder alle Hexenangst auftauchte und ihm aus dem Kontor nachfolgte, die ihn am Morgen hatte überfallen wollen. Er hörte die erregte Frau wieder rufen und ergab sich mit dumpfem Schädel in das Schicksal, in einer verhexten Ehe zu leben.

Vielleicht? dachte er ingrimmig, vielleicht ist es so? Und da er ein Vielleicht in seinem Kopf duldete, war er den Meinungen seiner Frau verfallen und in den Zwang gespannt, dem Guardian die Erlösung anheimzustellen.

»Und die bösen Leute – –«

»Schnattere nicht!« muckte er unfreundlich auf. »Wissen muß man – nicht nur reden.«

»Du weißt – –«

Aber der Guardian machte die müde abwehrende Handbewegung, mit der er jeden redenden Menschen zu bändigen verstand. »Der Fall fordert Besinnung und Ruhe. Auch Gläubigkeit und fromme Art. Gott ist es, der Plagen von uns nehmen kann.«

*

Nun war es dem Guardian genehm, das Hexengespräch zu unterbrechen und den Kirsch zu loben. Er fand einen raschen Mitläufer in Hansjakob und Frau Anna unterwarf sich mit halbem Willen der Kostprobe und einem Schnapsgespräch. Auch lenkte der Pater seine Sätze auf ihre Hausliköre und Rezepte, lobte, schmunzelte und lockte Freundlichkeit in das Frauengesicht.

»Übrigens gefällt mir der Traum nicht schlecht!« gestand Frau Anna unvermutet, als sie die Zubereitung von Vogelbeerschnaps zu Ende geredet hatte.

Herr Hansjakob aber war schon wieder auf den Wegen zu einiger Fröhlichkeit und fand die Gelegenheit zum Scherzen gegeben: »Will mir nicht gefallen, wenn man von Vögeln träumt! Warum – darum. Sehen Sie: im Alten Testament hat einmal jemandem von vielen Vögeln geträumt – was ist ihm passiert? Gehängt ist er worden! Dank recht schön. Nein, nein, nichts von Vögeln.«

Sanft aber sagte Frau Anna: »Laß nur den Herrn Pater machen!«

*

Der Kirsch vom Großvater war wirklich gut.

Er nahm das Häßliche von den Gesprächsstoffen und entkleidete die schwerste und düsterste Angelegenheit eines Ehelebens langsam des dämonischen Charakters, um sie launiger wieder zu bekleiden, schier lustig, bis der Hexenspuk langsam in den Kleidern der Harlekine tanzte.

Einmal verstieg sich Frau Anna sogar soweit, daß sie ihrem Hansjakob zutrank. »Sollst leben, Alterle. Weil wir malefizisch sind.«

»Malefizisch!« Der gerichtsbare Bürgermeister mußte den schönen Kirsch in einem Lachen wieder aussprudeln. »Sagt sie malefizisch!! O Weiber, o Weiber! Weiber – und gelehrt reden!«

»Es handelt sich um ein Malefizium,« sagte der Guardian freundlich.

»Natürlich! Um ein Malefizium Diaboli – der Teufel steckt dahinter. Sollst leben, Teufel!« Hansjakob trank ein fröhlichfreches Glas leer.

Hastig wehrte die Frau ab. »Red' mir nicht mit dem auf du und du! Wupps – ist er da. Kann beim Schlüsselloch aus und ein.«

Der Guardian nickte ihr kräftig zu und gab dem Bürgermeister ein verwundertes Kopfschütteln zum Nachdenken, während er den letzten Kuchen verzehrte. Er sprach mit vielen kurzen Nipperchen dem Kirsch eigentlich geübter zu als Hansjakob. Er vertrug eine sichere Quantität, wenn sie ihn auch reger und sprühender machte und ein wenig ins Plauderhafte führte. Sein männlicher Partner hielt minder stand – er hatte etwas steife Augen und die Zunge gehorchte nur mehr ganz vorläufig.

»Sagt sie malefizisch!« erinnerte sich der Partner wieder. »Ein Malefizium Diaboli – das ist's!«

Der Pater paßte seine Mienen genauer dem Mönchskleid an und rückte die Augenbrauen an einen ernsten Gedanken. »Sagen wir,« begann er mit einem betonten Zögern, »ihr seid verhext. Nennen wir doch das Kind beim richtigen Namen.«

»Verhext.« Auch Frau Anna wurde finster.

»Verhext!« wiederholte Herr Hansjakob, ohne seiner fröhlich gewordenen Stimme etwas von ihrem Wohlbefinden zu nehmen.

Scharf nahm ihn der Pater ins Auge. »Ver–hext. Ja. Herr Bür–ger–meister: ver–hext!« Er knickte sich den Mann ein wenig ein und hielt seine Blicke fest, »wollen wir ernst – sehr ernst, Herr Bürgermeister – darüber nachdenken.«

Stille. Rascherer Atem. Hansjakobs Herz hämmert gegen den eigenen Leib Strafen.

Der Guardian läßt die Pause seines Mißmuts andauern, bis Beugung und Gehorsam wiedergekehrt sind. Er sieht Frau Anna hochgespannt und beobachtet Herrn Hansjakob genau: wie alles Aufbäumenwollen in ihm abstirbt und plötzlich eine ängstliche Unruhe aus ihm erlöst sein will, wie abbittend nickt der Bürgermeister; er müht sich, den grollenden Augen seiner Frau nicht zu begegnen. »Verhext,« sagt er; »ich will es nicht glauben, aber ich muß. Pater, ich habe mich gesträubt, es zu glauben, aber nun sitzt der böse Gedanke in mir und ich kann ihn nicht mehr loswerden.« Er sprach ehrlich und ein richtiger Kummer sprach mit ihm.

»Ein wirklich obwaltendes Malefizium« (der Pater setzte Sordinen auf seine Stimmbänder, aber seine Sprache hatte erhöhte Eindringlichkeit) »ist nicht mehr wegzuzweifeln. Ich kenne diese Dinge. Mein gelehrter Ordensbruder Hieronymus Mengin erzählt uns noch weit Schlimmeres. Der Böse – Dominus benedicat vos, et ab omni malo defendat! – hat Macht über die Weiber. Und wie er sie übt! Er kommt zu Frauen, er findet zu den Jungfrauen. Er pürscht sich an Nonnen!«

»An Nonnen,« murmelte Frau Anna verwirrt und sah Herrn Hansjakob an, der ein Schnäpschen stülpte. Es diente ihm zur besseren Fassung, das Schnäpschen, und erleichterte ihm das Anhören. Auch ertränkte es die Ängstlichkeit und gab ihm wieder Mut, den Dingen in seiner Art zu folgen. Seine Gedanken gelüstete schon wieder die Ausmalung eines Teufelsbesuches im Nonnenkloster und er mußte die genießenden Augen schließen, um dem Pater die Bilder seiner Phantasie zu verbergen.

»Es ist sogar vorgekommen« (der Guardian war's zufrieden, daß ihm Hansjakob mit den Blicken nach einwärts folgte), »daß der Böse sich in Gestalt eines frommen Religiösen den Nonnen genähert hat. Daß – er – sie – vergewaltigt – hat.«

Frau Anna zitterte. Herr Hansjakob kniff die Augen fester zusammen, um seine üppigen Gedanken vor Verrat zu schützen.

»Und dann,« der Pater sagte es mit Abscheu, »kamen heiligmäßige Mönche in den Mund unehrbarer Menschen. Des Teufels frechste Doppellist: die Frömmigkeit im Gewande der Frommen zu beschleichen und ehrwürdige Beichtväter in den Kot zu ziehen!«

Hansjakob öffnete die Augen wieder. Er war ziemlich enttäuscht; er hatte sich die amouröse Begegnung hübscher vorgestellt: aber da war ihm nun vom Guardian ein alter schnupftabaksfeuchter Beichtvater in Bilder gemischt worden, deren Süßigkeit er nur stören konnte. »Eine Gemeinheit,« sagte Hansjakob entrüstet, »was meinst du, Anna? Du weißt, daß ich was auf mein Ehebett halte. Ich möchte nicht gern einen fremden Gast drin wissen. Den Teufel am allerwenigsten.«

»Hat uns doch erst an Dreikönig der Pater das Bett ausgeweiht!«

»Müßtest recht laut schreien, wenn der Teufel – –«

»Und hat in alle vier Bettecken heilige Mittel hineingesteckt!«

»Präzepta, an heilig Dreikönig geweiht,« bestätigte der Guardian.

»Hm,« erklärte Hansjakob. »Jaja. Soso.«

»Und es handelt sich auch nicht um das, was drohen kann« – der Pater beugte sich über den Tisch dem Bürgermeister zu – »sondern um Geschehenes, um Facta Diaboli.«

»Was ist geschehen?!« frug Hansjakob blöde. Auch Frau Anna war betroffen.

»Sehen Sie: der Teufel pürscht sich an und begeht – Notzucht. Er macht – fruchtbar. Hat er aber die Macht, Weiber fruchtbar zu machen, so kann er sie doch auch unfruchtbar machen.«

Hansjakob begriff. Seine Augen streiften Frau Anna mit unverhülltem Vorwurf. Aber sie warf empört den Kopf hoch und gab dem Guardian einen unzufriedenen Blick.

Der Guardian bedauerte mit einem Achselzucken, von der Wahrheit nicht abrücken zu können. Er legte seine Hand offen auf den Tisch, wie man eine Tatsache hinlegt, drehte sie um und ließ den Handrücken sehen, die umgekehrte Tatsache. Der Bürgermeister ahmte das Spiel nach, gleichfalls stumm, während er die gerunzelte Stirne der Frau zuwandte, die von den beiden Formen des Malefiziums zu überzeugen war.

»Es ist zunächst nicht nachzufragen, wie die teuflische List zustande kam,« fuhr der Pater fort, »es handelt sich um viel Wichtigeres, um den modus tollendi – wie wälzt man den Stein wieder hinweg!«

»Das ist es!« schrie der Bürgermeister und beugte sich über den Tisch zu seiner Frau; »der Stein muß weg!«

Es klang sehr strafend, finster.

 


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