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Das vierzehnte Kapitel

Beginnt mit weisen Meditationen, wird aber erfreulicher und beschließt mit süßem Vaterstolze

 

Dagegen war die geziemende Wut, die der Herr Bürgermeister über seinen tölpelhaften Gevattersmann ausgezückt hatte, von dannen geblasen und durch eitel Freude ersetzt über das große, unschätzbare, Stolz weckende Ereignis.

Aber er sah gleichwohl mit der Kühle einer Verstandesperson den Tatsachen ins Auge: ein Fisch, id est: ein Kind – was für ein Kind? Warum sprach die Frau Rosina biblisch unklar? Cui bono? Es gibt der Geschlechter zweie. Knaben sind Knaben und man schreit es in die Welt hinaus, wenn sie sich eingefunden haben. Niemand spricht da von Fischen! Würde er aber andernfalls eines Mädchens wegen betrübt sein? Nein. Warum auch? (Und man konnte doch nun auch weiterhin hoffen, da der Brunnen einmal erschlossen und der Acker fruchtbar geworden war.) Nein, nein, da war nicht zu hadern. Gott schickt, was er schicken will – weh dem, der seine Geschenke gering achtet!

Hansjakob blieb stehen, wiederholte das Wehedem! und kam dadurch und mit einem unvermeidbaren Seufzer in einen seltsamen Resignationsgedanken: ein Mädchen also, nun ja – –. »Herr wir haben einen Fisch gefangen …«

Nun ja, nun ja! Er sah sich um, als ob er sich dieserhalb gegen einen Einspruch wehren müsse, aber er sah nur die alte taube Muhme des Marktschreibers. Lächerliches, vertrocknetes Frauenzimmer! sagte er sich kühn, was bist du gegen meine Tochter!? Sie ist junges Leben und dir rennen alle arbeitslosen Totengräber nach! Hahaha – was ist meine Tochter jung!

Und wenn sie älter wird? Nun, wenn sie in die Jahre kommt – – nein, ich tue es nicht. Ich gelobe heute schon zu Gott: sie wird eine Clarisserin werden. Hörst du mich recht, lieber Gott: sie wird den Schleier der Clarisserinnen nehmen. Es ist dies kein Handelsgeschäft – verstehen wir uns: nur wenn es dein Wille ist, so gib mir das nächste Mal einen Buben! Nicht aber, daß ich dir einen Handel vorschlagen möchte!!

Ich werde sie heute schon Clara nennen. Es ist mein unabänderlicher Wille, daß sie auf den Namen Clara getauft wird.

Und er setzte seinen Fuß männlicher, legislativ gewaltig, aufs Pflaster.

»Herr, wir haben einen Fisch gefangen …«

Auch gelobe ich, ein Kindlein so schwer in Wachs machen zu lassen, als meine kleine Clara in Natura ist. Ich will es dem heiligen Lamm des heiligen Franziskus zu den Kapuzinern auf den Altar stiften.

Vielleicht, setzte er in allerheimlichsten Gedanken hinzu (um den lieben Gott nicht in alle seine Karten blicken zu lassen), vielleicht hätte ich das Kindlein vollgewichtig in Silber geschenkt, wenn nicht ein Fisch –

Nun ja, nun ja – –

Und so vergingen ihm Weg und Zeit, und er war plötzlich zu Hause und am Bett der Mutter, die ihr Kindlein herzte.

»Tausendmal willkommen, liebe Tochter!« rief er.

»He!?« sagte die Mutter.

Aber der Bürgermeister fuhr gerührt fort: »Du liebe Tochter du, nicht wahr, du bist mit mir einverstanden und wirst eine Clarisserin werden!«

»Nie und nimmer!« schrie Mutter Anna. »Mein Bub!!«

»Der Bub??« sagte er und machte seine Augen glasig.

»Ja, der Bub.«

»Der Bub – unmöglich!«

Jetzt wurde Frau Anna ärgerlich. »Der Bub!!«

»Das ist ein Wunder,« sagte Hansjakob tief ergriffen. »Das – das ist eine große Gnade – –« Er hatte sein Schnupftuch gezogen und arbeitete damit viele große Schweißtropfen von seiner Stirne weg. »Nein, der Bub!!« Er drehte sich dem Fenster zu und sah in unendliche Weiten, rieb sich auch die Stirne wieder ab und sann. »Der Bub!! Der Buuub!!«

»Ja, der Bub!« sagte jemand trocken aus einer Zimmerecke, wie ein Geist, so daß es den Herrn Bürgermeister förmlich nach der Stimme herumriß.

»Pater!« sagte er zitternd. Er lockerte mit dem Zeigefinger die Halsbinde, die ihn plötzlich beengte, »ein Bub, Pater!!« Und machte ein paar Schritte auf und ab, sich zu beruhigen, schnaufte sehr und blähte sich wieder, gewann Zuversicht und Größe. Und plötzlich zog er die Stirne in Falten, als wenn er auf seinem gepolsterten Bürgermeistersessel säße und dekretierte: »Wie soll der Bub heißen?«

»Ich denke Hansjakob,« meinte der Pater.

»Nein!« widersprach Frau Anna, »Pankraz soll er heißen.«

»He!?« Der Bürgermeister fand den fremden Namen weit hergeholt. Wer in aller Welt hieß Pankraz?

Und da fällt's uns plötzlich ein, daß wir die Wahrheit noch nicht ganz gezeigt haben; es ist uns eine Note unter den Tisch gefallen und das ist des Pater Guardian rühmlicher Name: Pankratius. Es wäre aber ganz falsch, uns aus diesem Versehen einen Strick zu drehen, auch unfein, Schlüsse daraus zu ziehen, daß es uns in diesem törichten belanglosen Augenblick in den Sinn kommt.

Auch nicht darum, weil der Pater Guardian augenblicklich mit krebsrotem Gesicht vor uns steht.

Und auch nicht darum, weil er jetzt der Frau Mutter in die Rede fiel und dabei wie ein Stotterer sprach:

»Papapankraz – jaja – der – der große Heilige –,« und da hatte er sich schon wieder gesammelt und konnte erklären, daß in Rom eine berühmte Pforte sei, die man nach dem großen Heiligen Pankraz benennt.

»Gut,« sagte Hansjakob, und es war ihm nach des Fisches wunderbarer Geschlechtswandlung alles überaus gleichgültig geworden, »gut, so nennen wir ihn nach diesem Heiligen.« Er hätte beinah gewünscht, daß Frau Anna mit einem noch viel verrückteren Namen sympathisiert hätte – seine Dankbarkeit für die Frau und die Wandlung des Fisches war übergroß und wollte sich in einer Menge von Zugeständnissen entladen.

Aber der Guardian besann sich plötzlich, daß Pankraz eigentlich nicht der richtige Name für das Kind sei. Erstens einmal wegen der bösen Welt (Hansjakob hörte dieses Sätzchen nicht, denn es war nur der Mutter dunkel zugeknirscht worden), zweitens – er zögerte zwei Herzschläge lang, aber dann kam's wie warmer Regen von seinen Lippen: weil die Namen vieler heiliger Ordensmänner viel, viel schöner seien, der des heiligen Donaventura zum Beispiel, welchem das heilige Sakrament selbst in den Mund flog; der des heiligen Antonius, der den tauben Fischen mit großem Beifall predigte; der des heiligen Petrus Alkantara, der unter allen Mönchen den zerrissensten Rock trug; der des heiligen Bruders Felix, der unter allen Kollektoren den vollsten Sack heimbrachte; der des wundertätigen Bruders Bernhard Corleone, der, weil der Weg zum Himmel schmal ist, nur auf einem einzigen schmalen Brett schlief; der des unschuldigen Bruders Hieronymus Corleone, aus dessen tugendspiegelnden Zehen nach seinem Tod noch rosenfarbenes Blut geflossen ist (und der hier wohl vor allen einschlägig war, der herrliche, hilfreiche Heilige!); endlich der Name des seraphinischen heiligen Vaters Franziskus selbst.

Es wurde ihm ordentlich warm auf dieser Namensjagd.

Aber er sprach vergeblich. Die Frau Mutter lehnte jedesmal fast geringschätzig ab und bestand auf Pankraz. »Sind wir nicht diese Ehrung schuldig?« sagte sie strenge zu Hansjakob.

Und der Herr Bürgermeister konnte ihr nur beipflichten. »wir haben, mein lieber Pater Guardian, diesen meinen lieben Sohn nur Ihnen zu danken, geistlicherweise, und es ist also nur recht und billig, daß wir Ihren ehrenwerten Namen in unsere Familie einzupflanzen suchen. Nein, nein, kein Widerspruch! Und überhaupt: Pankraz – ha, der Name gefällt uns! Das ist Klang, Kraft, was meinst du, liebe Anna?!«

»Es ist ein süßer und lieber Name,« sagte Frau Anna gehorsam.

»Na also!!« Der Herr Bürgermeister triumphierte und zeigte dem Pater mit einem Fingerschnippen die Niederlage an.

Der Effekt war nicht groß: der Pater wendete sich ihm nicht zu, weil er noch immer mit dem sprechenden Zorn seiner Augen gegen die Frau kämpfte. Aber sie wehrte seinen Blick ab und trotzte mit leidenschaftlichen Worten, die Herrn Hansjakob noch stärker für ihre Partei gewann. So blieb sie Siegerin und der Pater konnte nur noch vergleichsweise vorschlagen, den Erben des Hauses Hansjakob Corleone Pankraz zu nennen.

»Wie??« rief Hansjakob beschleunt. »Hörst du, Anna? Es ist geistvoll, was der Pater sagt!« Seinen Ohren war geschmeichelt worden und er hielt sie gespitzt.

»Mh.« Mehr kam nicht über die zusammengepreßten Lippen der Wöchnerin. Für sie war die Angelegenheit erledigt.

Aber die Lösung war gefunden: »Hansjakob Corleone Pankraz,« sagte der Pater feierlich und Hansjakob schüttelte ihm beide Hände und seine Augen schimmerten feucht vor Freude.

Und da schrie das kleine Wesen plötzlich aus seinem dünnen Krähhalse heraus und Herr Hansjakob geriet in hohes Erstaunen. Er schlug sich überrascht an die Stirn: er hatte es ja sehen wollen, dieses Wesen, das kein Fisch war! Er schnaubte an das Bett der Frau Mutter heran und tat das in der allerunschicklichsten Zeit: »Pfui über dich!« zürnte es unter rasch verhüllender Decke hervor, »siehst du nicht, daß er um seine natürliche Nahrung ruft, mein süßer Pankraz!?«

Und die Männer wichen.

 


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