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Macht den reuigen Witiber zum frommen Waldbruder und großen Wundermann
Er gesundete.
Und jetzt waren alle Bande, die ihn noch an die sündhafte Welt fesseln konnten, zerrissen. Der Geist Gottes fing an, mächtig in ihm zu wirken, und der Entschluß, alles Irdische zu verlassen und Gott allein im Stillen zu dienen, war unwiderruflich gefaßt.
Die Lehren der Mönche hatten Eindruck auf ihn gemacht.
Er sah nun plötzlich mit ihren Augen: nicht eine Folge von natürlichen Veranlassungen hatte ihn um Vater, Frau und Kinder gebracht – nein, der Meineid schlug die Wunden.
Und er beschloß, sein Heil außerhalb der Welt zu suchen, zog in den Wald und baute sich eine Klause. Sie kostete ein winziges aus seinem Vermögen. Einen anderen winzigen Teil behielt er für sich, um nicht betteln zu müssen – seinem lieben Vater zu Ehren wollte er nicht von milden Gaben leben. Und den großen Rest seiner Habe gab er den Kapuzinern, die das Kapital hoch zu verzinsen gelobten: sie versprachen einen ewigen Jahrtag mit Amt und Totenvigil für ihn zu halten.
Und Pankraz wurde Klausner.
Unsere aufgeklärte freigeistige Zeit hatte diese ehrwürdigen Menschen leider zum Plunder eines vergangenen Jahrhunderts geworfen und ausgerottet; sie beraubte den Eremiten seiner frommen würde und nannte ihn einen maskierten Müßiggänger.
Was aber ist in Wirklichkeit ein frommer Klausner?
Ein zierlicher Appendix zur Hierarchie. Ein Diener Sankti Offizii, wie die Mesner oder die Ministranten. Ein frommes Waldvögelein, das dem Herrn tirilliert. Ein Eckstein der Sanftmut. Und noch viel mehr, was nicht geschwätzig vorgetragen werden muß, dem lieben Gott indessen sicher bekannt ist.
Was leistet er?
Unendliches mehr, als ihr zu erkennen vermögt. Er ist der Engel an den Altären des Waldes. Sein Glaube versetzt Berge. Er betet heißer denn andere um Ausrottung der Ketzerei und der Aufklärung. Durch sein bloßes Dasein verkündet er die schlichte Einfalt des Glaubens. Er ist der erhabenste Schwurzeuge gegen die Freigeisterei. Und er beweist, wo er ist, daß das Land ein sehr katholisches Land ist.
Ach, glücklich solche Länder!
Und noch vieles wäre zu sagen über den Beruf der Klausner und über ihre Nützlichkeit. Aber sie sind verbannt, verschwunden.
*
Pankraz hatte sich eine kleine Kapelle angelegt zu Ehren des heiligen Deogratias, dessen Namen er sühnend wieder trug. Auf dem Altar lag als höchstes Kleinod ein Stück von der Kutte und dem Gürtelstrick seines Namensheiligen – die Mitgift seiner ehemaligen Klosterbrüder. Er baute die schönste Krippe in seine Kapelle und stellte die auferbaulichsten Gruppen von der Erschaffung der Welt an bis zum Leiden Christi und den vier letzten Dingen des Menschen hinein. Das prächtige heilige Grab war hier errichtet, mit vielen glänzenden Leuchtkugeln von allen Farben. Sein Kripperl wuchs ständig durch viele Zutaten, wie man sie bei den Kapuzinerkrippen liebte: durch Bauernhochzeiten, Jahrmärkte, den Judas in der Hölle am Bratspieß, den Todeszug des Herodes in die Hölle mit Teufelsbegleitung, und andere schöne Dinge mehr, die groß und klein anzogen und die Kapelle berühmt machten.
Dabei gewann der Name des frommen Bruders Deogratias an Ruf und man nannte ihn mit Ehrfurcht.
Schon war bekannt, daß er nur schwarzes Brot und Wurzeln und Kräuter aß. Niemals trank er etwas anderes als Wasser. Den Tag vollbrachte er mit Lesen und Beten und mit Schnitzereien für seine Krippe. Nachts schlief er nur wenig und dieses wenige entweder stehend in einem Winkel oder auf einem Brett liegend mit einem Stein als Kopfpolster.
Und der Himmel ließ dieses fruchtbare Leben nicht lange unbelohnt. Er schälte alles Irdische von dem ehrwürdigen Waldbruder ab und erhob seinen Geist über seinen Körper. Nicht selten geriet er in Entzückung und wurde zu den Himmeln hinaufgerissen, zu sehen und zu hören, was außer dem Apostel Paulus nie eines Menschen Auge gesehen und nie eines Menschen Ohr gehört hat.
Seltsam starr lehnte indes sein Körper an der Zellenwand und fromme Besucher fanden sein Ohr taub und seine Augen tot. Fürwitzige zwackten ihn an den Armen oder tupften mit den Fingern in seine Augen – er regte sich nicht, aber es durchschauerte die fürwitzigen Menschen wie Todesangst.
Und sein Ruf verbreitete sich im Lande.
In ganz entfernten Gegenden sprach man von dem ehrwürdigen Frater Deogratias und den Flügen seiner Seele, von seinem zeitweiligen Sterben und dem Wunder seiner Wiederauflebungen. Und so kam es, daß Leute aus allen Ständen, aus allen Ecken und Enden zu ihm liefen und ihm ihre schweren Anliegen für seine Himmelsfahrten aufluden.
Das Bauernvolk hatte großes Vertrauen zu ihm. Aber der Waldbruder bat, dieses Vertrauen nur auf Gott zu stellen und ihn in seiner Einsamkeit zu belassen. Es half ihm nichts; die Leute blieben hartnäckig und störten ihn selbst aus seinen Seelenflügen auf, wenn in ihren Ställen etwas nicht in Ordnung war. Sie zwangen ihn, seinen hohen Geist in den Dienst des gemeinen Bauernlebens zu stellen und in himmlischen Dingen zu pausieren, wenn das kranke Vieh brüllte.
Er fügte sich fromm und bat Gott um Kraft für die Kleinen. Und schließlich gewöhnte er sich an den Ruf eines irdischen Stallheiligen und segnete und kurierte. Hatte ein Ochs die Blähsucht, so lief man zum Frater Deogratias; hinkte ein Pferd, so rief man den Frater an. War einem Ochsen kläglich zumute, so ging man zum Klausner. Gab eine Kuh Blut statt Milch, so mußte sie der Frater Deogratias heilen. Wider den Teufelsschnitt im Getreide, wider Hexereien und Zaubereien, wider Gespenster und Poltergeister mußte der Frater Deogratias allmählich schleunige und untrügliche Mittel ersinnen, wenn er den Zorn dieses Bauernvolkes nicht gegen sich, gegen seine Klause und gegen seinen Gott wenden wollte.
Der Frater konnte viele von seinen im Kloster erworbenen Kenntnissen verwerten. Er hatte als Novize tausendmal die wohlbewährten Segen und trefflichen Sprüche gegen alle Unholde, über und unter der Erde, abschreiben und wieder abschreiben und nochmals abschreiben müssen. Denn der Pater Collektor verbrauchte unendlich viel von solchen schönen und kräftigen Papierchen, gegen Feuer- und Wassernot, gegen Erdbeben und Fieber, auch gegen die Pest und überhaupt gegen alle Dinge, die in Haus und Hof und Stall als böse Gäste bekannt sind und mit Schmalz und Eiern bezahlt zu werden pflegen. Er verstand sich auf die Anfertigung zierlichster Zettelchen, konnte mit Glanzpapier und Kleister und Leim umgehen und machte die tiefe innere Kraft heiliger Worte dadurch auch dem Auge angenehm.
Auch hatte er von seiner seligen Frau Schwiegermutter ein herrliches Buch geerbt, das auf vielen, vielen Seiten Hausmittel gegen alle Krankheiten von Mensch und Vieh verriet. Aber, während er seine schönen Zettelchen verteilte, und aus seinem großen Buch herauskurierte, unterschied er sich doch von allen seinen Brüdern im alten Orden: er nahm nichts dafür an.
Und das regte auf. Nicht die Hilfesuchenden und nicht die Armen, aber einen Pfarrer aus der Nachbarschaft und ein großes Kloster, das über die Gegend zu verfügen gewohnt war. Und der Pfarrer und das Kloster handelten einträchtig, wie nie zuvor. Sie gaben dem hochwürdigsten Konsistorium zu verstehen, daß der merkwürdige Klausner, der sich Frater Deogratias nenne, ein Dunkelmann sei. Vermutlich ein Volksverführer, sicher ein Narr, ganz sicher aber ein Mensch, der Wunder vortäusche, ohne die höhere Kraft und Weihe dazu zu haben.
Und der einfältige Frater Deogratias saß in seiner Zelle und war verzückt und lauschte wieder im dritten Himmel den Gesprächen ehrwürdiger Heiliger. Da kam ein Konsistorialbote, benahm sich wirsch und warf dem Klausner ein Schreiben auf den Tisch:
»Der Eremit, Frater Deogratias, hat sich nächstkommenden Donnerstag, als den 27. dieses, in Curia Episcopali allhier früher Ratszeit zu stellen und das Weitere zu vernehmen.«
Als der Frater Deogratias aus seiner Verzückung erwachte, hörte er noch die Schritte des wegstampfenden Boten und entdeckte das Schreiben. Es war kein himmlischer Bote gewesen, wie er das aus der Unsichtbarkeit des Gastes geschlossen hatte und auch die Kanzleischrift trug nicht den Charakter himmlischer Meldungen. Der Befehl war rein weltlich und ohne Lieblichkeit und der arme Teufel wußte nicht, wie er sich die Sache zu deuten habe.