Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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III. Aufzug.

Wald. Im Hintergrunde das verzauberte Königsschloß, von Dornrosengesträuch und anderen Gewächsen überwuchert. Vorn eine Einsiedelei, neben deren Pförtlein eine Laute hängt. Auf der andern Seite die Höhle des Riesen, Schlafdorn.

Lautenklang. (Mit langem weißen Barte, im Eremitengewande, den Lorbeerkranz auf dem Haupte.)

Nun harr' ich hier so lange schon der Lösung,
Daß meinem Sinn der Jahre Zahl entschwand;
Still leb' ich in der Hütte, die ich mir
Aus Stämmen selbst gebaut; Einsiedlern gleich
Hab ich mir Waldesnahrung angewöhnt;
Der kühle Felsquell ist mein Trunk, ich ruhe
Des Nachts auf Moos. So alt bin ich geworden,
Daß mein ergrauter Bart berührt den Boden.
Kahl ist mein Haupt, der Lorbeer nur bedeckt es;
doch ist mein Herz noch jung und frisch mein Geist,
Und täglich greif' ich in das Saitenspiel
Und täglich singe ich ein neues Lied.
Daß aber dieß mein Drama nicht vollendet,
Daß ich am dritten Aufzug steh'n geblieben
Und Alles um mich schläft, betrübt mich tief,
Denn endlich wirkt's sogar auf's Publikum.
Ich bitt Euch: habt Geduld, es kann nicht fehlen,
Daß sich der Stoff vor Euch noch ganz entwirre;
Denn so, wie 's jetzt steht, kann und darf's nicht bleiben;
Ein solch Fragment würd' nimmer Euch genügen.
Nicht denkbar ist ein ew'ger Schlaf; Erwachen
Ist jedem Schlummernden gewiß, denn geistig Leben
Verbürgt es durch die inn're Wesenheit:
Dem tiefsten Schlafe folgt einmal Erwachen.

Der Riese Schlafdorn, in Felle gekleidet mit hoher Nachtmütze, mit einer Keule bewaffnet tritt aus seiner Höhle.

Schlafdorn. Was predigst du wieder, alter Narr? Ich bin deines Geleiers satt. Hör' einmal auf, wenn du willst, daß ich gute Nachbarschaft halte. Entweder fabelst du unverständlich Zeug oder klimperst auf deiner alten Leyer. Du änderst ja doch Nichts an der Geschichte. Dornröslein und Alles, was im Königsschlosse lebte und webte, schläft ein für allemal bis zum jüngsten Tag.

Lautenklang.

Unmöglich ist 's! 's war gegen alle Regel:
Der Knoten, der geschürzt – er muß sich lösen!
Du alter Hamster, kannst es nicht versteh'n;
Du hast ein Drama wohl noch nie geseh'n.
Exposition, Verwicklung und Entwirrung –
Dieß sind die Elemente solcher Dichtung.

Schlafdorn. Du faselst immer von Dichtung und wir befinden uns mitten in der Wahrheit des Lebens. Das weiß ich am Beßten, seit mich die Fee'n Wiltrud und Scohlint als Wächter hier aufgestellt haben. Dir bin ich freilich ein Dorn im Aug. Ich selbst hätte auch an der Geschichte längst genug; denn es ist kein Spaß, weiß der Himmel, wie lange schon und wie lange noch mit der Keule als Schildwache dazusteh'n, damit kein Sterblicher das verhexte Schloß betrete.

Lautenklang.

Und trotzdem wird's gescheh'n; des Wächteramts
Wirst ledig du, ich kann es dir verheißen.

Schlafdorn. Wird sich zeigen, wer recht behält. Da, nimm eine Prise Tabak. Ich muß Tag und Nacht schnupfen, damit ich nicht einschlafe, obgleich ich mir durch langjährige Uebung das Schlafen schon ganz abgewöhnt habe.

Lautenklang.

Ei laß' mich! Jeder treib' es wie er will:
Den Bären gleich magst du beliebig brummen,
Die Laute spiel' ich, weil es mir gefällt;
Und wenn du meine Lieder nicht willst hören,
Bleib in der Höhle, lege dich auf's Ohr.

Schlafdorn. Ich thu's und will in meinem Loch da drinnen ein wenig ausruh'n; aber schlafen darf und kann ich nicht. So oft ich mich niederlege, beugt sich der Zipfel meiner Nachmütze herab und kitzelt mich unter der Nase; das ist eine verfluchte Hexerei, die die beiden Fee'n veranstaltet haben; und fortlaufen kann ich auch nicht, denn ihr Zauber hat mich an diesen Ort gebannt. Es ist wirklich ein miserables Leben für einen Riesen aus der Urzeit. So – jetzt leyre so viel du willst.

(Ab in die Höhle.)

Lautenklang.

Nun komm herab, mein theures Saitenspiel!
Dem Herzquell soll ein innig Lied entströmen;
Ihr Vöglein tragt hinaus es in die Welt,
Damit es von den Lüften niederschalle,
Begeisternd und erhebend irgendwo!

(Er nimmt die Laute und singt.)

Im Walde steht ein altes Schloß,
D'rin schläft ein König und sein Troß,
Er sitzt auf einem Thron von Gold,
Zu Füssen ihm ein Mägdlein hold.

Dornröslein, schön wie keine Maid,
So voll an Reiz und Lieblichkeit,
Dornröslein schläft, das holde Kind,
Mit Vater, Mutter und Gesind.

Die Kunde lebt im ganzen Land
Und dennoch keiner hier sich fand;
Kein Ritter, der mit Muth zum Streit
Die Königstochter hätt' befreit.

Greift nach dem Schwert und nach dem Schild!
Bahnt euch den Pfad durch Dornen wild!
Ein Kuß auf Rösleins Purpurmund
Lös't allen Zauber zu der Stund.

Ein alter Sänger singt das Lied,
Der von dem Leben gerne schied.
Wenn nur Dornröslein war befreit –
Dann schied er in die Ewigkeit!

(Hängt die Laute wieder neben das Pförtlein der Hütte.)

Wie viel der Lieder, ach, hab ich gesungen,
Und zur Befreiung ist nicht Ein's gelungen;
Am Ende muß ich selber noch verzagen
Und hauch mein Leben aus in lyr'schen Klagen.
O wär' ein Ritter ich mit Schwert und Harnisch!
Mein armes Lied, es bannt den Zauber nicht;
Wohl eilt's empor in wunderbarer Macht
Und schwebet klingend über Berg und Thal;
Zu schüchtern ist's, fliegt nicht in's Zauberschloß.
Geheimnißvoll nur naht sich Herz zum Herzen,
Wenn es die Minne will, löst sich der Zauber.

(Ab in die Hütte.)


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