Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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II. Aufzug.

Wald mit der Einsiedelei Menrads.

Menrad. (aus der Hütte tretend.) Welch' ein herrlicher Frühlingstag! Wie die Sonne so schön durch das junge Blättergrün scheint! Dort ziehen Rehe still durch den Wald und die Vöglein singen ihr Morgenconcert! Wer sollte da nicht zum Schöpfer der Natur dankbar aufblicken und ihm ein Loblied bringen?

Herr im Himmelreich dort oben,
Laß dich preisen, laß dich loben,
Der du Alles so gemacht!
Der du läßt die Sonne scheinen
An dem Himmelblau dem reinen,
Mond und Sterne in der Nacht!

Laß dir Dankgebete bringen
Bei der Vöglein hellem Singen,
Die auf leichten Zweigen ruh'n!
Auf des Paradieses Stufen
Hast dem Menschen du gerufen:
»Was ich schuf, betracht es nun!«

Doch der Mensch erlag dem Stolze,
Bis dein Sohn am Kreuzesholze
Alle Sünden auf sich nahm,
Bis er wieder sie befreiet,
Die da waren arg entzweiet,
Ehe der Erlöser kam.

Herr im Himmelreich dort oben,
Laß dich preisen, laß dich loben,
Daß du uns erschaffen hast!
Daß du durch des Sohnes Leiden
Uns aus Schmerzen führst zu Freuden,
Uns gewährest süße Rast!

Also ist's! die ganze Natur, meine ich immer, stimmt jeden Morgen in mein Gebet ein! Und da glauben die dummen Leute, so ein Einsiedler führe ein langweilig Leben und sei ein unnützer Bursch! Alle Menschen können und sollen freilich nicht Eremiten sein, allein wenn Einer wie ich in der Welt schon so viel durchgemacht hat, in Friedens- und Kriegszeiten, mag es ihm doch gegönnt sein, sich in seinen alten Tagen zur stillen Betrachtung und Erbauung in die Einsamkeit zurückzuziehen. Wem schadet's denn? Ich bin Niemand im Leben zur Last und wenn ich einmal sterbe, so geht auch nichts für die Welt verloren. Ich will jetzt in die Hütte gehen und meinen Morgentrunk thun, ein bischen Milch; dann geh' ich heilsame Kräuter sammeln, die der Apotheker bei mir holt; jetzt blühen deren so viel auf, daß es ringsum duftet, als ob die lieben Engelein mit dem Weihrauchfasse durch den Wald gezogen seien. (ab in die Hütte)

Heinrich (mit zerrissenem Kleide, stürzt athemlos herein.) Gott im Himmel! ich kann nicht mehr – wie bin ich gelaufen! Die Angst verfolgt zu werden, hat mich gehetzt – weh mir, ich verschmachte! Mein Gott, laß mich nicht sterben! (sinkt bewußtlos nieder.)

Menrad (mit einem Körbchen aus der Hütte tretend, bemerkt Heinrich anfänglich nicht)

Menrad. Ah, das hat geschmeckt! was will ein Mensch mehr und Besseres als einen Schluck Milch und wenn er die nicht hat, einen Trunk aus der frischen Waldquelle? Als Kriegsknecht dacht ich meinerzeit freilich Anders! da hieß es: Wein her! Wein! – und ich war auch nicht besser d'ran als jetzt; danken wir Gott jederzeit für das, was wir haben; 's ist immer genug! – –

Ei sieh! da schläft ein Knabe! Ich kenn ihn nicht; wo mag er herkommen in dieses stille Thal? Wie selten verirrt sich ein der Gegend Unkundiger zu mir! Will doch sehen (neigt sich zu Heinrich.) Was seh' ich? das arme Kind scheint krank und ohnmächtig! das ist nicht ein gesunder Schlaf, er athmet kaum. – Liebes Kind, was fehlt dir? – Er will nicht erwachen. Da muß ich helfen! Schnell frisch Wasser! (eilt ab, kömmt gleich mit Wasser zurück und netzt Heinrich's Stirn und Lippen. Heinrich bewegt sich und schlägt die Augen auf.) – Gut, Gut – das hat geholfen! Trink ein bischen, Knabe! (Heinrich trinkt und erwacht vollends aus der Ohnmacht, Menrad seht sich auf die Erde und legt Heinrich vor sich in seinen Schoß) Wie geht's nun Kleiner?

Heinrich. Ich weiß nicht wie mir geschieht.

Menrad. Hab' Muth! Es geschieht dir nichts Schlimmes; du bist in guter Hand. Trink noch einmal von dem frischen Quellwasser da; das wird dir gut thun.

Heinrich. (trinkt wieder.) Ach das labt! ich danke schön. – Wie gut seid Ihr lieber Mann!

Menrad. So – jetzt bist du wieder wohl, nicht wahr? Kannst wohl ein bischen auf den Füssen stehen?

Heinrich. (versucht aufzustehen, sinkt nieder.) Ah! 's geht noch nicht armer Bursch. Bist wohl recht weit gelaufen? Und wie ist dein Gewand zerrissen! du mußt ja gefallen sein, und deine Händchen sind wund; wie dauerst du mich! Sag' was ist dir geschehen? Woher kömmst du in diesem erbärmlichen Zustande?

Heinrich (richtet sich auf.) Ach! guter Mann, woher ich komm? Ich weiß es selbst nicht.

Menrad. Sonderbare Antwort.

Heinrich. Bisher lebte ich nur in dunklen Höhlen und sah kaum ein paar Mal das Tageslicht. Ich wüßt auch gar Nichts von der Welt draußen und vom lieben Gott oben im Himmel, wenn mir der gute Schnaps nicht heimlich davon erzählt hätte.

Menrad. Deine Reden sind mir Räthsel, liebes Kind; aber sage: wer waren denn die Menschen, bei denen du dich bisher aufgehalten hast?

Heinrich. Es müssen böse Leute gewesen sein, denn Schnaps warnte mich vor ihnen. Ein altes Weib pflegte mich – von allen Anderen gefürchtet.

Menrad. Bist du schon lange unter ihnen gewesen?

Heinrich. Ich weiß es nicht anders; aber Schnaps sagte mir, ich sei ein gestohlenes Kind.

Menrad. (Für sich.) Ah, nun komm ich auf eine Spur. Vielleicht gar die Zigeuner-Bande, welche sich hier und dort im Lande umthut? (zu Heinrich.) Sage Kind waren die bösen Menschen etwa Räuber?

Heinrich. Allerdings, wie Schnaps sagte und ich selbst auch beobachtete. Sie brachten oft des Nachts viele schöne Sachen in die Höhle, nicht selten auch Menschen, die sie peinigten und wieder losließen. Ach, was mußte ich Alles ansehen, während ich scheinbar am Feuer schlief! Gestern Nachts, als sie Alle fort waren, floh ich.

Menrad. Gott sei's gedankt, daß du entkamst und daß dein Schutzengel dich geleitet hat! Nun komm in meine Hütte, um auszuruhen und dich mit Speis und Trank zu erquicken.

Heinrich. Gern will ich's. Wenn mich nur Niemand verfolgt!

Menrad. Für deine Sicherheit laß mich sorgen und sei ruhig!

(Beide ab in die Einsiedelei.)

Der Knappe Hannes. (Im Hereingehen in die Culissen rufend.) Halt dich ruhig Bursch! reiß nicht am Zaum, kannst an den Buchenblättern knuppern, mein Rapp! So, hab mir schier die Bein steif geritten, bin deßhalb 'n bißt abgeseß'n und hab den Rappen angebunden. Muß doch im Vorbeireiten meinen alten Kriegsgesellen wieder einmal heimsuchen. Der ist nun schier heilig worden und ich bin noch der alte weltliche Hanns mit Blechhaube und Stoßdolch – er trägt die Kapuz! Heda, Menrad, frommer Einsiedel (klopft an die Thüre) Schläfst, alter Waldvogel? Raus mit dir! wollen Eins von vergangenen Streichen plaudern.

Menrad (zum Fensterchen heraus.) Ps, Ps! Mach kein so Höllenspektakel, Hannes; bei mir schläft Einer, der der Ruhe bedarf; darfst ihn nicht wecken.

Hannes. Oho! mitleidige Barmherzigkeit! beherbergst etwan einen durstigen Musikanten, der im Lande herumstrolcht?

Menrad (tritt aus der Einsiedelei.) Still da! Ein armer Knab ist bei mir eingekehrt.

Hannes. Ein armer Knab! Woher, Wohin? Brauchen keine Buben, die ledig umherstreifen; gib mir einen Trunk, alter Gesell! Hast wohl wieder nichts als Wasser und immer Wasser!

Menrad. Dir thät's wohl Noth öfter am frischen Waldquell zu schöpfen, als stets vor dem Zapfen zu liegen!

Hannes. Das Wasser gehört für die frommen Einsiedel, der Wein für die frommen Knappen und sonstigen edlen Gesellen mit Helm und Schwert. Zur Zeit und da ich nichts Anderes habe, beliebt es mir meine Kehle mit Wasser zu erfrischen, denn ich bin gewaltig durstig.

Menrad. Du greifst freilich nach jeder Gelegenheit, deine Leibtugend, den Durst, geltend zu machen.

Hannes. Bin heut beim Frühroth schon in's Kloster hinüber geritten mit einer Bothschaft von meinem Herrn und Hab noch vier Stunden heim.

Menrad. (gibt ihm zu trinken.) Da trink, geseg'n dir's Gott!

Hannes. (trinkt.) Danke für die herrliche Bewirthung! Was kost's?

Menrad. Spottvögel beherberg' ich umsonst.

Hannes. Um Wasser werden auch die nit allzugern bei dir einkehren.

Menrad. Wie's beliebt, aber nimm die Lehr' dazu: Wie Mancher wäre schon um ein Tröpflein Wasser froh gewesen.

Hannes. Also war's, als wir zusammen im gelobten Land lagen, weißt's noch, alter Kamerad!

Menrad. Ei wie sollt' ich's vergessen haben? die Hitze und der Durst wollten uns beinah umbringen.

Hannes (singt.)

Wir lagen allsammt im dürren Sand
Als wie die Fisch auf trocknem Land,
Schier mußten wir verschmachten:
Kein Wein, kein Wasser, kein' Flüssigkeit
Wohin wir schauten weit und breit. –
An's Sterben nur wir dachten! (rep. zu zwei.)

Auf einmal, Gott sei's noch gedankt,
Ein Zug her durch die Wüste wankt,
Saumthiere und Kamele!
Die brachten uns den beßten Wein
In vielen Schläuchen groß und klein,
Das stärkte uns're Seele. (rep. zu zwei.)

Wir legten uns gleich auf die Bäuch,
Voll Andacht vor die lieben Schläuch,
Daß uns're Herzen lachten.
Zieh keiner in's gelobte Land,
Der nicht stets einen Trunk zur Hand
Sonst könnt er leicht verschmachten!

(rep. zu zwei.)

Menrad. Du bist und bleibst ein gott'slästerischer Kerl!

Hannes. Und wenn ich hundert Jahr alt werd, mein Spruch bleibt:

Ein guter Trunk zur rechten Zeit
Hat stets ein jedes Herz erfreut!

Menrad. (um sich blickend.) Still, Hanns! da seh' ich ein paar Bursche durch die Kluft kommen, die mir nit gefallen; s'könnt meinem armen Knaben gelten.

Hannes. Holla! seh'n nit zum Beßten aus.

Menrad. Laß uns bei Seit' treten und lauschen.

(beide ab.)

Wolf, Mathes (vorsichtig eintretend.)

Wolf. Das ist eine Galgenhetz!

Mathes. Um den Buben da!

Wolf. Und wie er nur den Schleichweg zur Höhle hinausgefunden hat?

Mathes. Blitz und Donner und Hagel und alle Wetterelement sollen d'rein schlagen, daß wir ihm nachlaufen müssen.

Wolf. Weißt ja, daß Juta viel an ihm gelegen ist.

Mathes. Bis hieher geht seine Spur.

Wolf. Vielleicht hat er sich zum Einsiedel geflücht't.

Mathes. Das kriegen wir bald heraus. (Hannes und Menrad springen heraus)

Hannes. Das kriegen wir bald heraus!

(stoßt Mathes mit dem Dolch nieder.)

Menrad. (fällt über Wolf her.) Bin auch noch bei Kräften.

Wolf. Vermaledeit!

Hannes. (beispringend.) Haben wir euch, Halunken? Sollst leben, aber dich binden wir fest.

Menrad (während sie Wolf fesseln.) So fängt man die Vögel.

Wolf. 's ist keine Kunst.

Hannes. Euch eure Künste zu vertreiben!

Menrad. Geh' Hannes! – laß uns den Kerl in meine Klause bringen.

Hannes. Und dann zum Grafen; denn die zwei sind ja von dem Gesindel, auf das wir längst fahnden.

(ab in die Einsiedelei, den Wolf mitschleppend.)

Ende des zweiten Aufzuges.


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