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Romantischer Wald.
Lautenklang mit einem Lorbeerkranz geschmückt tritt ein, Christoph folgt ihm.
Lautenklang. Sei mir gegrüßt, o Wald romant'scher Dichtung, Wo mystisch Dunkel oder helle Lichtung Dem Eingeweihten je nach Stimmung winkt! Gegrüßt seid Tannengrün und schlanke Buchen, Bei euch will ich die inn're Ruhe suchen, Wenn müd' gehetzt der Leib auf's Moos hinsinkt. Umarmt mich, schlingt um mich die üpp'gen Zweige, Wenn ich mein Haupt ermattet auf euch neige; Versenken will ich mich in's tiefe Grün; Zur stillen Klause soll der Wald mir werden, Daß ich vergessen kann die irdischen Beschwerden, Vergessen all' den Tand mit seinen Müh'n.
Christoph. Auch recht, nun sind wir einmal wieder im beliebten grünen Wald – immerhin eine Abwechslung mit dem Stubenhocken! Allein ob da heraußen oder ob dort drinnen, überall sperren wir das Maul auf. Ihr, mein theurer Herr, um Lieder zu singen, ich meinerseits um, in Ermanglung von etwas Anderem, Mücken zu schnappen. Vielleicht fallen mir hier doch ein paar reife, lebensmüde Haselnüsse in den Rachen, die einigermaßen meinen ausgehungerten Verdauungs- Werkzeugen Beschäftigung geben. Was hab ich an Euern schönen Poesien? Das sind nur Luftbilder und Träume, von welchen kein mit Vernunft begabtes zweibeiniges Thier satt wird!
Lautenklang.
Weh mir! unsäglich ist mein inn'res Leiden,
Vergebens such' ich längst nach einem Stoff,
Nach einem Stoff, der sich zum Drama eignet;
Bisher schuf ich nur immer Lyrisches:
Sechs Bände liegen auf in allen Laden,
Doch hat der Lesekreis längst g'nug daran;
Dramatisches verlangt von mir die Welt,
Und bring' nicht bald ein Stück ich für die Bühne,
So ist's gescheh'n um meinen alten Ruhm.
Schon will der Kranz auf meinem Haupte welken,
Ein Blatt um's andere wird dürr und bleich,
Und endlich steh' ich da mit kahlem Scheitel –
Wohl selber gar vergessen und vergriffen!
Christoph. Das war einmal ein vernünftig Wort! Der Stoff, ja der Stoff! der ist und bleibt die Hauptsache. Allein unsere Ansichten darüber sind sehr verschieden. Mit Euerm Stoff locke ich keinen hungrigen Hund unter dem Ofen heraus; aber mein Stoffbegriff ist praktisch. Stoff, wie ihn unser lieber Herrgott geschaffen hat; Stoff der zur Erhaltung der Menschheit da ist: Eßbares, Trinkbares und dergleichen. Ich will Euch Euern Stoff lassen, laßt Ihr mir den Meinen, oder gebt mir vielmehr Solchen. Aber Euch scheint der Stoff in jedweder Beziehung ausgegangen zu sein; denn wir hungern alle zwei, so daß wir nächstens zum Urstoff zurückkehren und Speise der Würmer werden, wenn es nicht bald anders kömmt. Ich halt's nicht mehr aus; ich werd' so dünn wie ein Blatt Papier; dann könnt Ihr wirklich auf mich selbst einen Reim schreiben.
Lautenklang (in sich versunken)
Wohin, wohin soll ich das Dichterauge wenden?
Historisches ist ziemlich abgethan;
Verlassen ist auch der romant'sche Boden,
Man liebt die Märchen nimmer und dergleichen;
Hat Classisches sich nicht auch überlebt,
Seit Göthe seine Iphigenia schrieb?
Der Dichter soll nach Realistik greifen
Und auf culturhistor'schem Felde schweifen.
Woher dieß nehmen, da die Phantasie,
Gewohnt in duftigen Räumen auszuschweben,
Nicht gern den Pegasus zur Erde senkt
Und lieber ihn durch lichte Höhen lenkt?
Ihr Musen und ihr Nymphen dieses Haines,
Die ihr im Abendgolde über Wiesen schwebt,
Helft, wenn ihr je den euern mich genannt,
Wenn ihr mich je als Dichter habt erkannt! (Ab)
Christoph. Da geht er wieder! Wenn es aber so fort geht, so geht mir die Geduld aus, und ich werde aus dem Dienst gehen. War er mir nicht den Lohn seit zwei Jahren schuldig, so wäre ich schon längst wieder mein eigener Herr und könnte mich auf mich selbst verlassen; allein besagter Umstand versetzt mich in die Nothwendigkeit, als ein lebendiges Schuldenregister ihm auf allen Schritten zu folgen und mich an seinen poetischen Brocken zu nähren, die er hie und da fallen läßt. Nun will ich unter einem schattigen Busche meinen alten Freund den Schlaf suchen, damit er mir meinen Erzfeind den Hunger vertreibe; bisweilen aber hält der leere Magen Schildwache und läßt den Freund nicht herein! O Elend und Jammer! Und dieß soll die Poesie des Lebens sein, daß immer Etwas zu hoffen bleibe! Mit der Hoffnung aber hat sich noch kein Mensch auf Erden seinen Hunger g'stillt! (Ab.)
(Wiltrud, Scohlint sich begegnend.)
Scohlint. Wiltrud, auch du bist nicht zum Fest geladen?
Wiltrud. Wie du! Man hat uns Beide, scheint's, vergessen.
Scohlint. Ei was, vergessen? nein! man hielt uns zu gering.
Wiltrud. Sind wir nicht auch so gut wie all die Andern?
Scohlint.
Och meint' es wohl: denn als zu der Berathung
Auch wir zum König waren eingeladen
Mit allen Fee'n des Landes, auszusinnen
Ein Mittel, daß ein Kind ihm werd' geboren.
Weil die Frau Kön'gin keine Hoffnung gebe – –
Als mit den And'ren wir zu Rathe saßen,
Ward uns're Stimme wichtig auch befunden.
Ich rieth zu jenem Kraut – –
Scohlint.
Und ich, du weißt es,
Lieh meinen mag'schen Stein, bewährt nicht selten
Zum Segen für die kinderlosen Eh'n.
Wiltrud.
Nur, weil wir Feeen sind des zweiten Ranges,
Hielt man uns ferne von dem Jubelfeste,
Wo nun die And'ren alle sich ergötzen,
Für ihre Künste Huldigung empfangend.
Scohlint.
So ist's und ungestraft soll dieß gescheh'n?
Was meinst du?
Wiltrud.
Zum Gespött sind wir den And'ren,
Daß uns der König Purpur nicht geachtet;
So mög' entgelten er's an seinem Kind.
Beschenkt ward's Töchterlein, das heißersehnte,
Mit vielen Gaben von den Zauberinnen.
Nun wohl! da wir zum Fest nicht sind geladen,
Laß uns statt Segen Fluch als Weihe spenden!
So sei's und sorgsam wollen wlr's bedenken.
In meine Höhle komm, dort das Orakel
Des alten Satanas klug zu befragen.
Den Kessel füllen wir mit giftigen Kräutern,
Mit Schlangenfett und Salamandergeifer.
Wiltrud.
Ein Büschel Haar' riß gestern ich am Galgen
Vom Haupte dem Gehängten und dem Mägdlein,
Das sich aus Gram ertränkt, schnitt aus dem Leibe
Das Herz ich, zwei bewährte Zaubermittel,
Des Teufels Spruch aus Gischt und Dampf zu lesen.
Scohlint. Fort denn! Es mag sich unsre Kunst bewähren!
(Beide verschwinden)
Lautenklang (stürzt heraus.)
O Wonne! Gunst der Musen, ich erkenn' es,
Hat heute mich in diesen Wald geführt.
Was diese bösen Fee'n hier besprachen,
Ist eines Drama's herrliche Gestaltung.
Nun rasch der Spur nach! nimmer will ich säumen,
In den Pallast des Königs einzudringen.
Dort ist der Schauplatz für die ganze Handlung;
Dort muß der Stoff sich bald zum Knoten winden!
(zu Christoph)
Komm Freund, bei König Purpur mich zu melden;
Ich folge dann, als Dichter angekündigt;
Zum Hofpoeten mag er mich ernennen
Und zum Leibnarren dich! Komm laß uns eilen!
(ab.)
Christoph. Wie? mich zum Narren? mich traurige, ausgehungerte Figur? die beiden Hexen haben ihn närrisch gemacht, wie es scheint. Allein – – dennoch wär's zu bedenken. Ein würziger Rauch duftet mir jetzt schon aus dem Kamine der Königsburg entgegen. Kommt! laßt uns den Spuren des Stoffes nachgehen, denn das Schloß eines Königs muß jedenfalls in gutem Geruch stehen. Ich werde baldigst mit Koch und Kellermeister Freundschaft schließen. All' meinen Mutterwitz will ich hervorholen, um mich diesen beiden edlen Dienstmannen angenehm zu machen. So wahr ich Christoph heiße, man soll mich bald den lieben, guten Christoph heißen und mich auf den Händen tragen wie einen klugen Sittich, den man mit Zucker füttert!