Franz Pocci
Lustiges Komödienbüchlein
Franz Pocci

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I. Aufzug.

Zigeunerhöhle.

Vorne an einem kleinen Tisch sitzt Juta und flickt alte Kleider, neben ihr spielend Heinrich. In Gruppen lagern um ein Feuer, über dem ein Kessel hängt, die Zigeuner. Nach vorne Wolf und Mathes würfelnd.

Wolf. Klipp, Klapp, ich hab's!

Mathes (wirft.) Oho! Pasch!

Wolf. Lump! wart ich krieg's doch!

Mathes. So wirf g'scheut, Katzenaug!

Wolf (wirft.) (hell auflachend) Sechs und Sechs! wirf besser!

Mathes. Dem Spötter, ein Maulschell! (haut ihn über`s Gesicht.)

Wolf (zieht`s Messer.) Bist'n Schuft, Hallunk'.

Juta. Haltet Ruh, ihr Lumpen! Müßt ihr immer unsern frommen Hausfrieden stören? Wart't ich komm' euch! (hebt einen Stock auf) Ruh, sag ich, ihr Gäuche! Dem Ersten, der sich rührt, hau ich Eins auf die Diebsfinger, daß ihm das Stehlen auf vier Wochen vergeht!

Wolf. Der Mathes hat angefangen.

Mathes. Und Wolf hat nit aufg'hört.

Juta. Ihr seid wie die Buben; s'ist n'Schand! Schaut nur meinen Herzensjung da an, der ist so sanft wie ein Lamm. Nehmt euch n'Beispiel d'ran; gelt Bübl? (herzt den Heinrich.)

Wolf. Vornehm Blut!

Juta. Still Bursch! – Zapft euch lieber vom Faß an, daß ihr gestern heimgebracht aus dem Kloster. Ich geb's frei – aber kein Hader! Wo bleibt denn wieder der Schnaps heut?

Mathes. Der Schnaps ist ein Schlingel, ein Tagdieb; du schick'st ihn auf's Spioniren und er lungert unter den Waldbäumen irgendwo und schlaft mit dem Maulwurf um die Wett. (zapft das Faß an.)

Wolf. Der Kerl braucht Prügel! he da eingeschenkt! der Kerl taugt nichts! (trinkt) der Kerl ist zu faul! (trinkt) Juta, dein' Gesundheit, alte Hex!

Juta. Wart ich will dir die Hex! (haut ihm Eins über'n Rücken.)

Wolf. Dank für die Bescherung! Uns wackere Männer klopft ihr und den Buben da herzt ihr, daß es eine Sünde ist – wenn's unter uns Sünden gäb. O du allersüß'stes Zuckerkind! (höhnt den Knaben.)

(Heinrich weint.)

Juta. Laß dich nicht irr machen, Herzkind! wein' nicht; laß die Kerls schwatzen. Du bist doch mein süßer Bub.

Heinrich. Aber sie spotten und höhnen immer und ich thu' ihnen nichts zu leid.

Wolf. Könnt'st auch nit, wenn du wolltest, Lungermäulchen.

Juta. Ruh da! kein Wort mehr oder ich schick die Drud über euch die Nacht, daß ihr Jammer schreit.

Mathes. Nein, Nein Alte! Davon wollen wir nichts wissen! Haben's schon ein paar mal g'spürt.

Juta. So merkt's euch! – Holla aufgepaßt! Da kommt der Schnaps!

(Schnaps tritt ein)

Juta. Was gibt's draussen im Wald?

Wolf. Hast du nichts für uns erschnuppert?

Mathes. Keine Handelschaft zu machen, mit Kopfnüssen zahlbar?

Schnaps. In der Waldschenke erfuhr ich, daß Kaufleute aus der Stadt nach Frankfurt zieh'n wollen, um Geschmeid und Langwaaren auf die Messe zu bringen. In ein paar Stunden kommen sie durch.

Juta. Brav gemacht Schnapschen! Sollst für die fromme Botschaft ein gut Stück mehr haben vom Wildbraten. Auf denn, heilig Völklein! Legt euch an den Weg! Klug aber und fürsichtig! Geht nur alle mit. Ich will auch dabei sein, damit wir's gescheit machen.

(Die Zigeuner brechen auf.)

Wolf, du fährst links ab und du Mathes rechts seitwärts in's Geklüft, wo sie vorbei müssen. Wenn's um das Steineck geht, schneidet ihr den Vordern den Weg ab; die Andern packen hinten an. Zuerst aber braucht den Bogen.

Wolf. Meine Pfeile sind frisch zugespitzt.

Mathes. Und Steine gibt's dort genug zum Wurf.

Juta. Ich steck mich in die verfall'ne Waldkapelle, da kann ich den Saumweg gut überschauen. Wenn ich pfeif, so geht's los.

Schnaps, du hüt's Haus und sorgst für den Buben. Auf, Auf, Gesindel!

(Alle ab bis auf Schnaps und Heinrich.)

Heinrich. Nun laufen sie wieder fort; was thun sie denn?

Schnaps Nichts Gutes, lieber Bub. Sollst es doch schon langst wissen, was da geschieht.

Heinrich. Was weiß ich, armer Bub! Hätt' ich dich nicht, guter Schnaps, so war ich wie ein wildes Thier?

Schnaps. Ja darum und nur dir zu lieb bin ich auch da geblieben; wäre sonst längst schon fortgelaufen. Aber du dauerst mich.

Heinrich. Ich danke dir's tausendmal! Ach, wenn ich nur fort könnt' aus dem Loch; aber sie bewachen mich wie einen Schatz.

Schnaps. Wie? einen Schatz? was weißt du von Schätzen?

Heinrich. Hab' ich sie denn nicht oft genug vom Schatzgraben reden hören? Ach guter Schnaps, laß mich fort, führ mich hinaus in's Freie, in den schönen, grünen Wald, den ich kaum ein paarmal geseh'n hab'. Wie singen draußen die Vögel so fein!

Schnaps. Du weißt's, ich kann nicht, ich darf nicht! Sie trauen mir nicht. Wenn ich allein bei dir zu Haus bleib, schließen sie von Aussen die eiserne Fallthüre und legen einen schweren Stein d'rüber und verrammeln sie.

Heinrich. Aber, findet denn kein Mensch den Weg herein?

Schnaps. Dafür ist gesorgt, wer würde sich durch das Gestein wagen? Ein Abgrund am andern! Das unterirdische Felsennest ist sicher und abgelegen. Und wird's bedenklich, so ziehen wir wieder an einen anderen Ort – Hätten sie mich nicht gefangen, als ich das Vieh hütete, das sie mir wegtrieben, ich hätt' auch nicht hergefunden und hätt's auch nicht gewollt. – Ach! könnt ich doch wieder ein ehrlicher Hirt sein! Mein Vieh wär mir lieber als dieß abscheuliche Volk!

Heinrich. Und ich soll immer unter ihnen bleiben! Es ist erschrecklich! Wer weiß, wo sie mich herhaben, und was sie noch mit mir anfangen werden?

Schnaps. Geraubt bist du worden, weiß Gott wo? du bist wohl auch ehrlicher Leute Kind! – Aber hör, ich werd' schläfrig! Mein Gang hat mich müd gemacht. Gib Ruh', denn will ich schlafen. S' wird wieder Lärm genug absetzen, wenn sie mit ihrer Beute heimkommen.

Heinrich. Schlaf, lieber Schnaps; ich will mich still halten. Der liebe Gott, von dem du mir oft heimlich erzählt hast, wird uns doch einmal helfen.

(Schnaps legt sich an einen Stein gelehnt und schläft.)

Heinrich (ihn betrachtend.) Ja, schlaf nur deine Müdigkeit aus. Mir ist's nicht um's Schlafen. Ich armer Bub! wenn der Schnaps nicht wär, so hätt' ich keinen Menschen auf der Welt, der mich lieb hat; denn das seh' ich wohl ein, daß das keine rechte Lieb ist, die die Alte zu mir hat; und wenn der Schnaps nicht wär, so müßt ich glauben, daß es auf der ganzen Welt keine guten Menschen gäbe, sondern lauter böse und schlechte; und wenn der Schnaps nicht wär', so hätt' ich nie was vom lieben Gott erfahren; nur ihm hab' ich's zu danken, daß ich weiß, er hat Himmel und Erde erschaffen und alle Menschen und will, daß sie alle brav sind und zu ihm in den Himmel kommen, weil er der liebe himmlische Vater ist. O weh! wie traurig ist's für mich, daß ich immer unter diesen bösen Menschen sein muß! – Lieber Vater im Himmel ich bitt' dich, befreie mich aus diesem Gefängnisse! Es wäre gewiß keine Sünde, wenn ich einmal davon lief; aber wie das anfangen, da die Höhle rings umschlossen ist und keiner der vielen Gänge einen Ausweg hat? Einmal nur hört' ich die Juta zum Wolf sagen, als sie meinte, daß ich fest schlief: »Wolf, du allein weißt, daß dort am Ende des langen Ganges noch ein Loch ist, das in's Freie führt. Das ist mir zu gefährlich, denn es könnte doch einmal Einer hereinfinden, den wir nicht gern hier hätten. Geh und mach's zu; nimm alte Baumstämme und Steine und verramml's gut. Wenn wir Zwei einmal hinaus wollen, wissen's »wir doch.« So sagte die Alte zum bösen Wolf und das hab ich mir gemerkt. Jetzt, da die Andern wohl lang ausbleiben und der gute Schnaps schläft, könnt' ich doch einmal versuchen, ob ich nicht hinauskomme. Ich will das Lämpchen nehmen und den dunklen Gang hinaufgehen! Wenn der liebe Gott es will, daß ich die Freiheit erlange, so wird er mir's schon zeigen, wie ich's machen kann, und er wird mich draußen die Wege führen, die ich wandeln soll; denn ein böser Räuber, wie die da sind, will ich nicht werden.

Nimmt die auf dem Tisch flehend« Lampe und will fort, wendet sich zum schlafenden Schnaps.

Guter, lieber Schnaps! Wie leid thuts mir, daß ich dich nun verlasse, allein du willst und kannst mich nit fortführen! Das hast du ja eben deutlich gesagt; so muß ich denn allein entfliehen, wozu mir Gott verhelfen möge! Leb wohl! Vielleicht seh'n wir uns wieder. (Geht ab)

Schnaps. (Allein.)

Nach einiger Zeit erwachend.

S' will nicht recht geh'n mit dem Schlafen. Ich hab Hunger und Durst; werd' schon wo einen Brocken hier finden und das Faß ist auch angezapft. (bemerkt, daß Heinrich nicht da ist.) He! wo bist du denn? Schlingel, hast dich etwa versteckt? (sucht in der Höhle umher.) Potz tausend! wo steckst du! Holla, Holla!

Verschwindet im Hintergrunde.

Der Vorhang fällt.


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