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Gemach im Schloß Rosenthal.
Bertha (liest.) Anna (stickt.)
Anna. Du liest dir noch die Augen heraus; das ewige Lesen! Es kann dir nicht gut sein!
Bertha. Schwester, laß mich! Es gibt nichts Schöneres, Reizenderes als die alten Ritterromane. Ach! wenn mich nur so ein Ritter entführen wollte! Denke dir eine schauerliche Mondnacht; Sturmgeheul ringsum, der Ritter reitet heimlich unter mein Fenster; er wirft eine Strickleiter herauf, holt mich herab, setzt mich auf seinen schäumenden Rappen hinter sich; ich klammere mich fest an ihn und wir jagen fort, fort – –
Anna. Fort, fort – – und was hernach? das Ende vom Liede, daß die Entführte unglücklich würde.
Bertha. Schwester, du hast keinen romantischen Sinn, du kennst nur Küche und Keller.
Anna. Warum hast du die Werbung des edlen Hugo von Hohenfels von dir gewiesen?
Bertha. Ei! eine gewöhnliche Brautwerbung! das war mir zu alltäglich, ich liebe nur das Außergewöhnliche.
Anna. Deine extravagante Richtung wirst du noch zu büssen haben.
Bertha. Verschone mich mit deinen Predigten. Ich bin ohnedieß die Aeltere.
Anna. Und ich vielleicht die Klügere.
Bertha. Ich verbitte mir das.
Anna. Ha, ha, ha! – o du romantische Heldin!
Bertha (weint.)
Geldsack tritt ein.
Geldsack (taub.) Berth'chen, warum weinst du?
Bertha. Ich laß mich nicht verspotten.
Geldsack. Was ist wieder versotten worden? Muß doch alltäglich Etwas in der Küche fehlen!
Anna. Ich wollt ihr nur von ihren Thorheiten abrathen.
Geldsack. Was der Braten? und ich hatte mich so auf die Hammelskeule gefreut!
Bertha. Vater, Anna ist die jüngere von uns beiden und braucht mich nicht immer zu corrigiren.
Geldsack. Gut, laßt den Hammel fricassiren, wenn er verbraten ist. Schmeckt auch so nicht übel. Apropos Kinder, wißt ihr was Neues? So eben ist ein Diener des Ritters Blaubart eingeritten, der mir eine Botschaft zu bringen hat.
Bertha. Vielleicht eine Einladung zum Thee?
Anna. Mir ist der Blaubart recht zuwider. Er hat so etwas Unheimliches an sich, und der abscheuliche, lange, blaue Bart.
Bertha. Gerade der gefällt mir. Originell, abenteuerlich-ritterlich!
Anna. Und hat schon sechs Weiber gehabt. Die Welt erzählt sich Arges von ihm.
Bertha. Die Welt, die Welt und immer die Welt; die auch Nichts von der Romantik wissen will, wie du!
Anna. Jedes hat seine Meinung. Halte du es, wie du willst; ich bleibe bei meiner Ansicht. Ich mag einmal den Blaubart nicht.
Geldsack. Entfernt euch jetzt, Mädchen. Ich will die Botschaft des Ritters Blaubart entgegennehmen.
(Bertha und Anna ab.)
(Casperl tritt unter Verbeugungen ein.)
Geldsack. Wen hab ich die Ehre bei mir zu sehen?
Casperl. Ich bin des Ritters Blaubart Abgesandter.
Geldsack. Ah! freut mich! ein Verwandter des Ritters Blaubart?
Casperl. O nein, aber vielmehr desto weniger, jedoch einerseits hergeschickt auf dem alten Schecken.
Geldsack. Ich weiß längst, daß Ritter Blaubart ein wackerer Recke ist. Was haben Sie mir von ihm zu bringen?
Casperl. Zu bringen hab ich nichts, allein etwas zu fragen.
Geldsack. Beklagen? wie? Sollte ich Herrn Blaubart zu einer Klage Veranlassung gegeben haben?
Casperl. Schlipperement, ist der Kerl taub! Da muß ich besser schrei'n (schreit.) Ich soll Sie um Etwas fragen.
Geldsack. Oho! schreien Sie nicht so, ich höre recht gut.
Casperl. Brav! das hab ich gemerkt.
Geldsack. Nun, womit kann ich dem Ritter Blaubart dienen?
Casperl. Jetzt will ich gleich deutlicher reden (schreit:) Mein Herr möchte eine von Ihre Mamselln heirathen.
Geldsack. Wenn ich weiß worin, so will ich sehr gerne meinen Rath geben.
Casperl. Nix rathen allein, heirathen!
Geldsack. Ich verstehe Sie nicht. Ich bitte sich deutlicher ausdrücken zu wollen.
Casperl. Na, jetzt hab' ich's satt, (schreit ihm in die Ohren.) Wenn Sie so talket sind und nix versteh'n, nachher halt ich lieber 's Maul.
Geldsack. Ihren Gaul hab' ich nicht gesehen.
Casperl (höchst ungeduldig, schreit furchtbar.) Sie sind ein alter, tauber Esel!
Geldsack. Wie? Hab ich recht verstanden? Was fällt Ihnen ein? Welche Insolenz!
Casperl. Insolvenz hin, Insolvenz her! Mit Ihnen ist nix anz'fangen. Ich geh und sag's mei'm Herrn.
Geldsack. Mit solch einem Flegel kann ich nicht verkehren. Ich muß mich entfernen. Ein impertinenter Kerl das. (ab.)
Casperl. Was thu ich jetzt? Wenn ich dem Blaubart keine Antwort bring', so schlagt er mich zuerst todt und nachher prügelt er mich noch recht durch. Wenn ich nur an ein' Domestiken kommen könnt, um Etwas zu erfratscheln!
Bertha (tritt vorsichtig ein.) Ps, Ps!
Casperl. Aha, kommt schon Eine. Ps, Ps!
Bertha. Sind Sie vielleicht Ritter Blaubarts Bote?
Casperl (stets im affektirten Ton.) O ja, Madmoisell! Und Sie sind vielleicht Stubenmädl oder sonstiges dienendes Wösen bei Herrn von Geldbeutel!
Bertha. Ich bin dessen Tochter Bertha.
Casperl (mit Reverenzen.) Ha! so schoint das Schücksal mir die Hand zum Bunde sölbst entgögenzubieten!
Bertha. Wie so? Sprechen Sie etwas leise, damit uns Niemand hört.
Casperl. Jetzt soll ich loise sprechen und vorher hab' ich wie ein Mordbrenner geschrie'n und hat mich doch Niemand g'hört.
Bertha. Ich war im Nebenzimmer und habe Alles vernommen.
Casperl. Als ich Ihrem Herrn Vater in die Ohren lüspelte?
Bertha. O sagen Sie, hat vielleicht Blaubart Absichten auf mich?
Casperl. O ja! Er sichtigt sehr ab.
Bertha. Wie glücklich bin ich, einem solchen Ritter zu gefallen.
Casperl. (in seinem gewöhnlichen Tone.)
Bedau're, wenn Sie heut schon niederg'fallen sind, allein ich bin jetzt vor lauter Discuriren so durstig word'n, daß ich ein ungemeines Verlangen nach dem Geldsack'schen Braustübl habe.
Bertha. Kommen Sie mit mir. In der Laube am Erkerthurme können wir ungestört unser Gespräch fortsetzen und ich werde Ihnen etwas zu Essen und zu Trinken bringen.
Casperl. Nicht Etwas, denn das wäre gemein, sondern Viel, vielmehr sehr Viel.
Bertha. Kommen Sie! (Beide ab.)